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Unfallversicherung – Wirksamkeit einer Rentenklausel

LG Frankfurt – Az.: 14 U 339/20 – Urteil vom 21.09.2021

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 15.09.2020 – 5 O 2200/19 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen eines Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau am XX.XX.2016. Er unterhält bei dem Beklagten eine private Unfallversicherung; versicherte Personen sind der Kläger selbst sowie seine Ehefrau, Frau A Nachname1. Letztere war am Tag des Unfalls 65 Jahre alt.

Am XX.XX.2016 stürzte die chronisch alkoholkranke Ehefrau des Klägers gegen 14 Uhr mit dem linken Auge auf den Griff ihres Rollators. Aufgrund einer Berstung im linken Auge erblindete dieses infolge des Unfalls vollständig und irreversibel. Bei der nachfolgenden Krankenhausbehandlung in der Klinik1 wurde ausweislich des Laborberichts vom XX.XX.2016 (15:53 Uhr) eine Blutalkoholkonzentration der Ehefrau des Klägers von 2,6 Promille festgestellt.

Zwischen den Parteien ist (inzwischen) unstreitig, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten in Form der AUB 2000 in den im Jahre 2000 geschlossenen Versicherungsvertrag einbezogen worden sind. Mit der Unterschrift auf dem Antrag vom 28.02.2020 bestätigte der Kläger deren Erhalt.

Unter Ziff. 2.1.2.1 AUB 2000 (vgl. Anl. B1, Bl. 40 ff. der Akte) heißt es:

„Die Invaliditätsleistung zahlen wir

– als Kapitalbetrag bei Unfällen der versicherten Person vor Vollendung des 65. Lebensjahres,

– als Rente nach Ziffer 2.1.2.3 bei Unfällen nach diesem Zeitpunkt.“

Unter der Rubrik 5.1 („Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:“) heißt es unter Ziff. 5.1.1:

„Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.

Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn diese Störungen oder Anfälle durch ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis verursacht waren.“

Weiter heißt es unter Ziff. 7.2:

„Die von uns übersandte Unfallanzeige müssen Sie oder die versicherte Person wahrheitsgemäß ausfüllen und uns unverzüglich zurücksenden; von uns darüber hinaus geforderte sachdienliche Auskünfte müssen in gleicher Weise erteilt werden.“

Unter Ziff. 8 („Welche Folgen hat die Nichtbeachtung von Obliegenheiten“) heißt es:

„Wird eine nach Eintritt eines Unfalles zu erfüllende Obliegenheit verletzt, verlieren sie den Versicherungsschutz, es sei denn, Sie haben die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Bei grob fahrlässiger Verletzung behalten sie insoweit den Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Leistungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat. Bei vorsätzlicher Verletzung behalten Sie in diesen Fällen den Versicherungsschutz insoweit nur, wenn die Verletzung nicht geeignet war, unsere Interessen ernsthaft zu beeinträchtigen, oder wenn sie kein erhebliches Verschulden trifft.“

Die Parteien streiten darüber, ob zum Unfallzeitpunkt bereits eine den Versicherungsschutz ausschließende Alkoholisierung bestanden hat, oder ob die Ehefrau des Klägers erst nach dem Unfall in erheblichem Maße Nachtrunk gehalten hat.

Der Kläger meldete den Unfall dem Beklagten entsprechend den Versicherungsbedingungen. In der Schadensanzeige vom 21.08.2016 an den Beklagten (Anl. K2, Bl. 9 ff. der Akte), deren Seite 4 eine Belehrung über die Folgen von Obliegenheitspflichtsverletzungen enthält, bejahte er die Frage unter Ziff. 7.1 danach, ob die verletzte Person in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall alkoholische Getränke, Medikamente oder Rauschmittel zu sich genommen habe, und gab an: „Blutdrucksenker, Sodbrennmittel, Bier“.

Die Frage unter Ziff. 2, danach, ob der verletzten Person eine Blutprobe entnommen worden sei, verneinte er. Die Frage nach Vorerkrankungen (vorbestehende Krankheiten oder Gebrechen) unter Ziff. 11.1 bejahte er und gab an: „Bluthochdruck, Rückenleiden“.

Nachdem der Beklagte die Unfallanzeige erhalten hatte, bat er den Kläger mit Schreiben vom 25.08.2016 (Anl. B3, Bl. 50 der Akte) um ergänzende Informationen, unter anderem dazu, welche Menge an Bier in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall konsumiert worden sei. Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 02.10.2016 (Anl. B4, Bl. 51), in dem es unter anderem heißt:

„Am Vorabend des Unfalles haben wir den 65. Geburtstag meiner Frau gefeiert. Dort wurden einige Gläser Bier konsumiert.“

Mit Schreiben vom 08.08.2018 (Anl. K4, Bl. 14 der Akte) lehnte der Beklagte die Erbringung von Leistungen unter Bezugnahme auf die Ausschlussregelung gemäß Ziff. 5.1.1 AUB 2000 ab.

Erstinstanzlich hat der Kläger vorgetragen, seine Ehefrau sei am XX.XX.2016 gegen 14:00 Uhr bei der Hausarbeit über ihren Rollator gestolpert und dabei mit dem linken Auge auf den Griff desselben gestürzt. Seine Ehefrau habe sich nach dem Unfallereignis ins Schlafzimmer begeben und sich dort zu Bett gelegt. Er, der Kläger, habe sie darauf angesprochen, dass ein Notarztwagen zu rufen sei. Dies habe die Ehefrau jedoch abgelehnt. Sodann habe sie umgehend damit begonnen, dort Nachtrunk zu halten, nämlich Wein und Schnaps zu trinken, wobei keine genauen Mengen anzugeben sein. Jedenfalls habe er nicht sofort den Rettungswagen gerufen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, bereits deshalb nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, weil sich die mitversicherte Ehefrau zum Unfallzeitpunkt in einer nach Ziff. 5.1.1 leistungsausschließenden alkoholbedingten Bewusstseinsstörung befunden habe. Dazu hat er behauptet, die Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt habe mindestens 2,6 Promille betragen. Der insoweit gehaltene Vortrag zum Nachtrunk sei unsubstantiiert und im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die ärztliche Behandlung in Klinik1 gegen 14:00 Uhr, also zeitnah nach dem beschriebenen Ereignis stattgefunden habe, wenig glaubhaft. Ausgehend von dem geschilderten Unfallverlauf, bei dem keinerlei Abwehrreaktionen und/oder Verletzungen beschrieben seien, sei jedenfalls von der Mitursächlichkeit der Bewusstseinsstörung für den Unfall auszugehen. Unabhängig davon sei er auch aufgrund einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des Klägers vollumfänglich leistungsfrei. Es sei insoweit maßgeblich, dass das Vorliegen einer Blutalkoholkonzentration von 2,6 Promille nicht durch den Konsum einiger Gläser Bier zu erklären sei. Hinzu komme, dass im Rahmen der Schadensanzeige bewusst wahrheitswidrig verschwiegen worden sei, dass die Ehefrau des Klägers chronisch alkoholkrank sei.

Ohnehin bestehe angesichts des Umstandes, dass die Ehefrau zum Unfallzeitpunkt bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte, gemäß Ziffer 2.1.2.1 AUB 2000 kein Anspruch auf die geltend gemachte Kapitalleistung, sondern lediglich auf eine Rentenleistung, hinsichtlich derer der Kläger unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen substantiiert vortragen müsse, für welche Zeiträume und welcher Höhe er bereits fällig gewordene Rentenleistungen begehre. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, die AUB 2000 nicht erhalten zu haben. Weiterhin sei jedenfalls auch eine Vorinvalidität in Höhe eines Brillenabschlages zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhaltes und der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (Bl. 127 bis 132 der Akte).

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.09.2020 insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe gegen den Beklagten aus dem Unfallversicherungsvertrag keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Kapitalbetrags i.H.v. 89.477,50 Euro. Gemäß Ziffer 2.1.2.1 AUB bestehe der Anspruch auf Zahlung eines Kapitalbetrags nur bei Unfällen der versicherten Person vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Daran fehle es hier, weil die mitversicherte Ehefrau des Klägers am Tag des Unfallereignisses ihr 65. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe. Dem Unfallversicherungsvertrag hätten die AUB 2000 als allgemeine Versicherungsbedingungen zu Grunde gelegt. Ungeachtet dessen, dass der Kläger als Versicherungsnehmer seinerseits zur schlüssigen Darstellung seines geltend gemachten Anspruchs aus einem Versicherungsvertrag hätte angeben müssen, welche Versicherungsbedingungen dem Vertrag zu Grunde liegen sollen, seien die AUB 2000 gemäß § 305 Abs. 2 BGB wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen worden. Da der Kläger – trotz ausführlicher Darlegungen des Beklagtenvertreters in der Klageerwiderung dazu, dass allenfalls ein Anspruch auf eine Rentenleistung in Betracht komme, sowie des Hinweises des Gerichts, dass entgegen der klägerischen Auffassung von der Anwendung der AUB 2000 auszugehen sei – weiterhin die Zahlung eines Kapitalbetrages verlangt habe, ohne etwaigen Vortrag zur Höhe und zum Zeitraum von Rentenleistung zu machen, habe dem Kläger auch nicht als Minus zur begehrten Kapitalleistung eine etwaige Rentenleistung zugesprochen werden können.

Mangels Anspruchs in der Hauptsache seien auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zuzusprechen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt und in der Berufungsinstanz erstmals „höchst hilfsweise“ die Leistung einer Invaliditätsrente begehrt.

Er meint, das Landgericht habe den klägerischen Anspruch zu Unrecht abgewiesen und unterstellt das Urteil vollumfänglich der Überprüfung durch das Berufungsgericht.

Die Annahme des Landgerichts, dass für das vorliegende Vertragsverhältnis die AUB 2000 Anwendung finden, greift er in der Berufungsinstanz ausdrücklich nicht länger an. Das Landgericht gehe allerdings zu Unrecht von einer Wirksamkeit der Rentenklausel aus Ziff. 2.1.2.1 AUB 2000 aus. Zwar sehe diese Vorschrift in der Tat vor, dass für Unfälle ab dem 65. Lebensjahr die Invaliditätsleistung in Form einer Rente zu bezahlen sei. Diese Klausel sei indes altersdiskriminierend und seit dem Inkrafttreten des AGG am 18.06.2006 bzw. seit dem Ablaufen der Übergangsfrist am 22.12.2007 nicht mehr zulässig. Es sei dem Beklagten verwehrt, sich auf derartige Klauseln zu berufen. Dies gelte umso mehr, als es dem Beklagten freigestanden habe, die entsprechenden Regelungen einseitig anzupassen, während ein einseitiges Anpassungsrecht des Klägers nicht bestanden habe. Hiermit sei eine Diskriminierung und deutliche Schlechterstellung des Verbrauchers verbunden. Indes sei auch bei Unterstellung der Wirksamkeit der Rentenklausel das Ergebnis des Landgerichts nicht rechtmäßig. Dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass der Antrag auf Zahlung der Renten nicht als Minus im ursprünglichen Klageantrag enthalten sei und dass zu Höhe und Zahlungsmodalitäten der Rente kein Vortrag gehalten sei. Hierbei unterlaufe dem Landgericht der Fehler, dass es den grundsätzlichen Rechtscharakter der AUB-Rente nach 2.1.2.1 AUB 2000 mit einer Unfallrente verwechsele. Tatsächlich sei eine derartige Rente aus den vorgenannten Gründen erstinstanzlich nicht erwähnt worden. Wenn man jedoch, wie das Landgericht, von einer wirksamen Vereinbarung der AUB im hiesigen Verfahren und von einer Wirksamkeit der streitigen Klausel ausgehe, sei dies auch nicht notwendig. Nach der genannten Regelung gehe es bei der Auszahlung als Kapitalbetrag oder als Rente jeweils um die Auszahlung einer Invaliditätsleistung. Diese sei im Rahmen des Klageantrags als Kapitalauszahlung geltend gemacht worden. Die Höhe des Invaliditätsgrades nach der Gliedertaxe sei mit der Klageschrift hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt worden. Der Antrag umfasse stets auch die Feststellung der Invaliditätsleistung in der beantragten Höhe. Ein konkreter Antrag auf Zuspruch der AUB-Rente sei lediglich hilfsweise zu stellen. Notwendig und rechtlich erforderlich sei dies nach klägerische Ansicht jedoch nicht. Die Feststellung des Invaliditätsgrades von 50 % nebst Progression sowie Zahlung der AUB-Rente seien im ursprünglichen Klageantrag bereits hinlänglich vorhanden gewesen. Weiterer Vortrag zur Höhe der AUB-Rente sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht erforderlich. Hierauf habe das Landgericht auch zu keinem Zeitpunkt hingewiesen, weswegen die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt werde. Wenn aus Sicht des Landgerichts feststehe, dass die AUB 2000 Anwendung finden und dass die Klausel unter 2.1.2.1 wirksam sei, dann liege dem Landgericht sämtliches Handwerkszeug vor, einen AUB-Rentenanspruch des Klägers zu berechnen. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Kläger insofern an seiner Rechtsposition der Zahlung der Invaliditätsleistung in einer Summe festhalte. Der Anspruch auf Zahlung einer Rente sei in dem ursprünglichen Antrag bereits enthalten.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kassel, Az. 5 O 2200/19, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 89.477,50 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 29.09.2018 zu zahlen; diesen ferner zu verurteilen; den Kläger von den außergerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 2.723,67 Euro freizustellen; höchst hilfsweise, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kassel zu verurteilen, dem Kläger, bezogen auf den Unfall vom XX.XX.2016, rückständige AUB-Rente bezogen auf einen Invaliditätsgrad i.H.v. 50 % bei einer Progression von 350 % i.H.v. 25.968,06 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus jeweils 1.442,67 Euro seit dem 01.07.2016, 01.10.2016, 01.01.2017, 01.04.2017, 01.07.2017, 01.10.2017, 01.01.2018, 01.04.2018, 01.07.2018, 01.10.2018, 1.1.2019, 01.04.2019, 01.07.2019, 01.10.2019, 01.01.2020, 01.04.2020, 01.07.2020 und 01.10.2020 zu zahlen; unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kassel den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine vierteljährliche AUB-Rente jeweils zum Quartalsersten i.H.v. 1.442,67 Euro, beginnend ab dem 01.01.2021 zu zahlen;

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kassels den Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 2.723,67 Euro freizustellen.

Der Beklagte beantragt, zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und nimmt Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten.

Das Rechenwerk der Gegenseite sei nach wie vor fehlerhaft. Bei Behauptung eines unfallbedingten Invaliditätsgrades i.H.v. 50 % ergebe sich rechnerisch unter Berücksichtigung der Progressionsregelung eine Kapitalleistung i.H.v. 51.130 Euro. Unter Berücksichtigung des Alters der Klägerin zum Unfallzeitpunkt unter Regelung unter Ziff. 2.1.2.3 AUB 2000 berechne sich somit ein Jahresrentenbetrag i.H.v. 3314,76 Euro (51,13 × 64,83 Euro). Die Vierteljahresrente betrage demnach 828,69 Euro. Die hilfsweise beantragte Rentenleistung stehe der Klägerin in der geforderten Höhe damit sowieso nicht zu. Die abgeänderte Antragstellung rügt der Beklagte als verspätet.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere formgerecht und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig ausreichend begründet worden.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat aus keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung aus der zwischen den Parteien geschlossenen privaten Unfallversicherung wegen des Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau vom XX.XX.2016.

Zwar liegt durch den Sturz der mitversicherten Ehefrau auf den Griff ihres Rollators ein Unfallereignis i. S. v. Ziff. 1.3 AUB 2000 vor, was auch die Beklagte nicht bestreitet, wenn auch der Unfallhergang nicht gänzlich geklärt ist. Die Geltung der AUB 2000 für das streitgegenständliche Vertragsverhältnis ist (inzwischen) unstreitig.

In Betracht kommt daher wegen des Alters der Ehefrau zum Unfallzeitpunkt allenfalls der hilfsweise geltend gemachte Anspruch des Klägers auf eine Rentenleistung für seine mitversicherte Ehefrau, nicht aber auf die mit dem Hauptantrag begehrte Einmalleistung. Ob, wie der Kläger meint, in dem erstinstanzlich geltend gemachten Zahlungsanspruch als wesensgleiches Minus ein Anspruch auf Zahlung der Invaliditätsrente enthalten war, kann offenbleiben, weil der Kläger dahingehende Ansprüche jedenfalls zulässigerweise nunmehr in der Berufungsinstanz gestellt hat, § 533 Nr. 2 ZPO.

Zu Recht ist das Landgericht auch von der Wirksamkeit der Rentenklausel aus Ziff. 2.1.2.1 AUB 2000 ausgegangen. Anders als die Klägerseite meint, ist diese Rentenklausel nicht altersdiskriminierend; insbesondere fällt sie nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des AGG. Dieser wird durch Übergangsbestimmungen in § 33 AGG geregelt, wobei § 33 Abs. 4 S. 1 AGG vorsieht, dass das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot (§ 19 AGG) auf Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, nicht anzuwenden ist, wenn diese vor dem 22.12.2007 begründet worden sind. Das vorliegende Vertragsverhältnis stammt indes aus dem Jahre 2000.

Der Kläger hat jedoch auch keine Ansprüche auf Zahlung einer Rente für die mitversicherte Ehefrau.

Zwar ist das Sanktionssystem der vereinbarten AUB 2000 unwirksam. Der Beklagte ist jedoch jedenfalls wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden.

Im Einzelnen:

1. Auf den im Jahr 2016 eingetretenen Versicherungsfall findet gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2017 Anwendung. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG ist der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nur berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Von dieser Regelung weicht das streitgegenständliche Sanktionssystem in Ziff. 8 AUB ab, weil es bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverpflichtung statt einer Anspruchskürzung die Leistungsfreiheit des Versicherers vorsieht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011 – IV ZR 199/10 -, juris) sind Regelungen in den Versicherungsbedingungen, die von der halbzwingenden Bestimmung des § 28 Abs. 2 S. 2 VVG n. F. zulasten des Versicherungsnehmers abweichen, wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Eine Leistungsfreiheit des Beklagten lässt sich aus dieser Klausel folglich nicht herleiten. Der Beklagte hat – nach Aktenlage – sein Sanktionssystem der Obliegenheitsverletzungen (im Rahmen der ihm nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG eröffneten Möglichkeiten) auch nicht nachträglich an die Regelung des § 28 VVG angepasst.

2. Der Beklagte ist dennoch nicht verpflichtet, dem Kläger aufgrund des Ereignisses vom XX.XX.2016 Leistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen. Denn der Kläger hat versucht, den Beklagten durch Falschangaben in der Schadenanzeige arglistig zu täuschen. Damit hat der Kläger Obliegenheiten arglistig verletzt, was im Ergebnis zu einem Leistungsausschluss wegen Verwirkung, § 242 BGB, führt. Dem Kläger kommt insoweit nicht zugute, dass das in den AUB 2000 enthaltene Sanktionssystem unwirksam ist und der Beklagte dieses nicht nachträglich angepasst hat. Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung zwar die Frage offengelassen, ob sich die Unwirksamkeit nur auf die Regelungen über die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung oder auch auf die vertragliche Vereinbarung der Obliegenheiten als solche bezieht.

a) Der Senat meint insoweit, dass die Unwirksamkeit des Sanktionensystems die vertragliche Vereinbarung der einzelnen Verhaltensgebote, also Obliegenheiten, nicht berührt (ebenso OLG Köln, Urteil v. 17.01.2014, 20 U 208/12, Rn. 29, juris; Armbrüster, VersR 2012, 9, 12,13; Günther/Spielmann, VersR 2013, 549; Neuhaus, MDR 2013, 1201, 1202; Pohlmann in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 2. Aufl., Vorbem. B., Rn. 63; s. auch Wittchen, NJW 2012, 2480, 2482).

Zwischen der Vereinbarung einer Obliegenheit und den Folgen ihrer Verletzung lässt sich ohne weiteres inhaltlich unterscheiden („Blue-Pencil-Test“). Vertragliche Obliegenheiten ergeben auch ohne eine angedrohte Sanktion einen Sinn, weil sie den Versicherungsnehmer zu einem vertragstreuen Verhalten auffordern (OLG Köln, Urteil v. 17.01.2014, 20 U 208/12, Rn. 29). Eine Unwirksamkeit der Obliegenheitsvereinbarung an sich ist auch nicht durch den Schutzzweck des § 28 Abs. 2 VVG n.F. geboten, denn diese Norm bezweckt lediglich, die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung im Vergleich zum früheren Recht abzumildern.

Es erscheint damit überzeugend, dass die vertraglichen Obliegenheiten, also die Verhaltensgebote, von der Klauselunwirksamkeit selbst nicht tangiert werden, sondern eigenständig bestehen bleiben. Betroffen ist von der Unwirksamkeit vielmehr nur die Rechtsfolgenregelung (so auch Neuhaus, MDR 2013, 1201, 1202).

b) Die damit fortbestehende Obliegenheit des Klägers zur wahrheitsgemäßen Abgabe von Erklärungen in der Schadenanzeige (dazu sogleich) führt zur Leistungsfreiheit des Beklagten. Die Leistungsfreiheit des Versicherers bei arglistiger Obliegenheitsverletzung steht als Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens der Verwirkung (§ 242 BGB) und des Vertrauensverhältnisses zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer abseits der Regelungen des § 28 Abs. 2 VVG (OLG Köln, Urteil vom 07.01.2014 – 20 U 208/12 -, Rn. 30, juris) und bedarf keiner weiteren vertraglichen Vereinbarung (BGH, Urteil vom 08. Juli 1991 – II ZR 65/90 -, Rn. 15, juris). Dass die Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten im Falle arglistigen Verhaltens des Versicherungsnehmers – erst recht – zur Leistungsfreiheit führt, weil der arglistig Handelnde keinen Schutz verdient, folgt auch aus § 28 Abs. 2 S. 2 VVG, wonach Leistungsfreiheit bei Arglist selbst dann eintritt, wenn die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war (so OLG Frankfurt, Urteil vom 20. Februar 2013 – 7 U 229/11 -, Rn. 47, juris; nachgehend BGH, 19. Februar 2014, IV ZR 119/13, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

c) Seine Obliegenheit, die Unfallanzeige wahrheitsgemäß auszufüllen und unverzüglich zurückzusenden (Ziff. 7.2 AUB 2000) hat der Kläger verletzt, weil er in seiner Schadensanzeige vom 21.08.2016 (Bl. 9 bis 12 der Akte) jedenfalls die Frage unter Ziff. 7.2. danach, ob der verletzten Person eine Blutprobe entnommen worden war, objektiv wahrheitswidrig mit „Nein“ beantwortet hat. Ebenso hat er bei der Frage nach den Vorerkrankungen wahrheitswidrig unerwähnt gelassen, dass die mitversicherte Ehefrau an einem Alkoholabusus leidet und die entsprechende Frage unter Ziff. 7.1 lediglich mit „Blutdrucksenker, Sodbrennmittel, Bier“ beantwortet.

Der Kläger handelte bei Abfassung der Unfallanzeige arglistig. Für eine arglistige Täuschung ist eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers nicht erforderlich. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – IV ZR 122/13 -, Rn. 7, juris; OLG Köln, Urteil vom 07. Februar 2012 – I-9 U 61/11 -, Rn. 41, juris). Es genügt das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung auch berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Hierzu reicht es aus, wenn Angaben verschwiegen werden, die den Versicherer veranlassen könnten, seine Leistungspflicht näher auch mit Blick auf einen etwaigen Leistungsausschluss zu prüfen.

Vorliegend hat der Kläger in der Unfallanzeige den Hergang des Sturzes seiner Ehefrau vollkommen unverfänglich geschildert. Hätte er demgegenüber angeführt, dass diese chronisch alkoholkrank ist und dass bei der in zeitlicher Nähe zum Unfall erfolgten ärztlichen Blutuntersuchung ein Promillewert von 2,6 festgestellt wurde, hätte der Beklagte allen Anlass gehabt zu prüfen, ob die mitversicherte Ehefrau sich bereits zum Unfallzeitpunkt im Zustand einer den Versicherungsschutz ausschließenden Bewusstseinsstörung, nämlich der (Voll-)trunkenheit, befunden hatte. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Kläger bei Verfassen der Unfallanzeige diese Konsequenz vor Augen stand und er, um eine Regulierung zu beschleunigen, sämtliche Angaben, die einer raschen Abwicklung des Versicherungsfalls entgegengestanden hätten, bewusst verschwiegen hat. Anders ist das Weglassen dieser – für den Beklagten offensichtlich entscheidenden – Informationen nicht erklärbar.

Zwar ist das Vorliegen der Arglist in Bezug auf die Beeinflussung des Regulierungsverhaltens als innerer Tatsache vom Versicherer nur im Wege des Indizienbeweises zu führen. Bei objektivem Vorliegen einer Falschangabe muss indes der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast eine plausible Erklärung dafür vortragen, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist (BGH, Beschluss vom 7.11.2007 – IV ZR 103/06, juris; Urteil vom 7.2.2018 – IV ZR 53/17, Rn. 30, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.02.2013, 7 U 229/11, Rn. 37, juris; Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG, § 22 Rn. 44).

Dies ist dem Kläger nicht gelungen. Sein Vortrag zu dem gehaltenen Nachtrunk ist bereits deshalb wenig plausibel ist, weil zwischen dem – unstreitig – gegen 14 Uhr erfolgten Unfallereignis und des ausweislich des Ärztlichen Erstberichts (Bl. 59 f. d.A.) ebenfalls bereits gegen 14 Uhr erfolgten Behandlungsbeginns für einen behaupteten Nachtrunk in der vorgetragenen Größenordnung kein zeitlicher Spielraum bestand. Ein solcher Nachtrunk erscheint auch angesichts der Schwere der erlittenen Verletzungen und der damit notwendigerweise verbundenen Schmerzen lebensfremd. Die Behauptungen des Klägers zum Trinkverhalten seiner Ehefrau sind auch im Ganzen widersprüchlich. So hat er in der Schadenanzeige angegeben, diese habe in den zwölf Stunden vor dem Unfall (also noch zwischen 2:00 h nachts und 14:00 des Unfalltages) „Bier“ in nicht näher bestimmter Menge getrunken. Zum anderen hat er auf Nachfrage des Beklagten mitgeteilt, man habe lediglich anlässlich des Geburtstags seiner Ehefrau „am Vorabend“ „einige Gläser Bier“ getrunken. Des Weiteren macht auch der unstreitige Umstand, dass die Ehefrau des Klägers chronische Alkoholikerin ist, es jedenfalls unwahrscheinlich, dass diese am Unfalltag noch keinen Alkohol zu sich genommen hatte, zumal diese nach Klägervortrag so „stark alkoholgewöhnt“ ist, dass „die Annahme des Vorliegens einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung von vorneherein auszuschließen ist“. Letztere Behauptung hätte indes nur Sinn, wenn zum Unfallzeitpunkt eine – wie auch immer geartete – Alkoholisierung der mitversicherten Ehefrau überhaupt vorgelegen hätte. Dies hat der Kläger aber dementiert. Seine Behauptungen sind damit im Ganzen nicht nachvollziehbar und unglaubhaft.

d) Der Kläger wurde auch über seine Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben belehrt. Über dem Unterschriftenfeld befindet sich in der Schadenanzeige die entsprechende Belehrung, die zudem noch durch einen Rahmen und durch Fettdruck deutlich hervorgehoben ist und mit „Wichtige Obliegenheiten“ überschrieben ist. Einer vorherigen Belehrung über die Folgen einer arglistigen Täuschung bedurfte es im Übrigen schon deshalb nicht, da der arglistig Täuschende nicht schutzwürdig ist (hierzu OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.02.2013, 7 U 229/11, Rn. 46 f, juris).

Danach ist der Beklagte leistungsfrei.

3. Mangels zuzuerkennender Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, weil die Berufungsentscheidung eine Einzelfallentscheidung ist, die weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

 

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