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Unfallversicherung – Wann liegt eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vor?

Nach einer Familienfeier stürzt eine 65-jährige Frau schwer und erleidet eine inkomplette Querschnittslähmung. Doch die Unfallversicherung verweigert die Leistung – war die Frau zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert? Ein hoher Blutalkoholwert von 1,98 Promille stellt den Versicherungsschutz infrage und führt zu einem Rechtsstreit um die Frage, ob eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag. Das Gericht muss entscheiden, ob der Alkoholkonsum der Frau den Versicherungsschutz ausschließt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Urteil behandelt die Frage, ob die Unfallversicherung bei Unfällen leistet, die unter Alkoholeinfluss passiert sind.
  • Ein Kläger verlangt die Zahlung einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung für seine Ehefrau, die durch einen Unfall eine Querschnittslähmung erlitt.
  • Eine zentrale Schwierigkeit besteht darin, ob eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag, die den Unfall verursachte.
  • Das Gericht hat entschieden, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
  • Die Entscheidung basiert auf den Versicherungsbedingungen, die Unfälle unter Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, einschließlich Trunkenheit, ausschließen.
  • In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AUB 2000) ist festgelegt, dass kein Versicherungsschutz bei Unfällen unter Bewusstseinsstörungen besteht.
  • Das Gericht kam zu dem Schluss, dass eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung nach den Versicherungsbedingungen den Versicherungsschutz ausschließt.
  • Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen für Versicherungsnehmer, die bei Unfällen unter Alkoholeinfluss keinen Anspruch auf Leistungen haben könnten, wenn eine Bewusstseinsstörung vorliegt.
  • Die Berufung wurde aufgrund der klaren Versicherungsbedingungen und der Tatsache, dass der Unfall unter Alkoholeinfluss geschah, zurückgewiesen.
  • Versicherungsnehmer sollten sich der Klauseln ihres Versicherungsvertrags bewusst sein, insbesondere hinsichtlich des Ausschlusses bei Alkoholbeeinflussung.

Schwerer Sturz nach Familienfeier: Führt Alkoholeinfluss zum Wegfall des Unfallversicherungsschutzes?

Unfälle passieren, manchmal schneller als man denkt. Doch wie ist es, wenn der Unfall nicht nur durch äußere Umstände, sondern auch durch den eigenen Alkoholkonsum beeinflusst wurde? In solchen Fällen stellt sich oft die Frage, ob die Unfallversicherung leistet oder nicht. Grundlage dafür ist die Frage, ob eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorliegt, die den Unfallhergang maßgeblich beeinflusste.

Ein Alkoholrausch kann die Reaktionsfähigkeit, das Urteilsvermögen und die Koordination beeinträchtigen. Dies kann zu eigenverschuldeten Unfällen führen, für die die Unfallversicherung unter Umständen nicht leistet. Gerichtliche Entscheidungen, die diese Problematik behandeln, sind daher von großer Bedeutung, um den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Es geht dabei um die Frage, ob der Alkoholkonsum den Unfall direkt verursacht hat oder nur einen untergeordneten Einfluss hatte.

Um diese und weitere Fragen zu beantworten, befassen wir uns im Folgenden mit einem konkreten Fall, der vor Gericht verhandelt wurde. Die Entscheidung des Gerichtes in diesem Fall gibt wichtige Hinweise darauf, wann eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorliegt und wie sie sich auf die Leistungen der Unfallversicherung auswirken kann.

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Der Fall vor Gericht


Alkoholbedingte Bewusstseinsstörung nach Familienfeier führt zu Leistungsverweigerung der Unfallversicherung

Der Fall dreht sich um eine private Unfallversicherung und die Frage, wann eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorliegt, die zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt. Eine 65-jährige Frau erlitt nach einer Familienfeier einen schweren Sturz, in dessen Folge sie eine inkomplette Querschnittslähmung davontrug. Ihr Ehemann forderte daraufhin von der Unfallversicherung die Zahlung einer Invaliditätsleistung. Die Versicherung verweigerte jedoch die Leistung mit Verweis auf eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung zum Unfallzeitpunkt.

Der Vorfall ereignete sich am 2. Mai 2021 gegen 1:00 Uhr morgens, als die Frau nach der Feier in der eigenen Häuslichkeit stürzte. Laut den Versicherungsbedingungen besteht kein Versicherungsschutz für Unfälle, die durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen verursacht werden, auch wenn diese auf Trunkenheit beruhen. Der Ehemann klagte daraufhin gegen die Leistungsverweigerung der Versicherung.

Gerichtliche Bewertung des Alkoholkonsums und der Sturzursache

Das Gericht musste nun beurteilen, ob zum Unfallzeitpunkt tatsächlich eine relevante alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag. Dabei spielte der Blutalkoholwert der Frau eine entscheidende Rolle. Eine Blutentnahme etwa 2,5 Stunden nach dem Sturz ergab einen Wert von 1,98 Promille. Unter Berücksichtigung des Alkoholabbaus schätzte das Gericht den Wert zum Unfallzeitpunkt auf mindestens 2,2 Promille.

Nach Ansicht des Gerichts spricht bei einem so hohen Blutalkoholwert eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag. Ab einem Wert von 2,0 Promille sei in der Regel von einer solchen Störung auszugehen. Das Gericht stützte sich dabei auch auf medizinische Erkenntnisse zu den Auswirkungen dieser Alkoholmenge auf Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit und Koordination.

Beweislast und Entkräftung der Vermutung einer Bewusstseinsstörung

Die Beweislast für das Vorliegen einer Bewusstseinsstörung liegt grundsätzlich beim Versicherer. Allerdings kehrt sich bei einem so hohen Alkoholwert die Beweislast um. Der Versicherte muss dann beweisen, dass trotz der hohen Alkoholisierung keine relevante Beeinträchtigung vorlag. Dies gelang dem Kläger im vorliegenden Fall nicht.

Das Gericht sah keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Frau trotz des hohen Alkoholwerts noch voll zurechnungsfähig war. Zeugenaussagen, wonach sie noch normal gesprochen und sich bewegt habe, reichten dafür nicht aus. Auch der Umstand, dass sie noch Treppen steigen konnte, widerlegte nach Ansicht des Gerichts nicht die Annahme einer alkoholbedingten Koordinations- und Gleichgewichtsstörung.

Konsequenzen des Urteils für Versicherte mit Alkoholkonsum

Das Urteil verdeutlicht die rechtlichen Risiken hohen Alkoholkonsums für den Versicherungsschutz in der privaten Unfallversicherung. Ab einem Blutalkoholwert von 2,0 Promille gehen Gerichte in der Regel von einer relevanten Bewusstseinsstörung aus, die zum Wegfall des Versicherungsschutzes führt. Versicherte tragen dann die Beweislast dafür, dass sie trotz der starken Alkoholisierung noch voll zurechnungsfähig waren.

Für Versicherte bedeutet dies, dass sie bei Alkoholkonsum besonders vorsichtig sein müssen. Schon moderate Mengen Alkohol können im Schadensfall problematisch sein. Bei Feiern mit höherem Alkoholkonsum besteht die Gefahr, dass der Versicherungsschutz entfällt. Das Gericht machte deutlich, dass Zeugenaussagen zu augenscheinlich normalem Verhalten oft nicht ausreichen, um die Vermutung einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung zu widerlegen. Versicherte sollten sich dieser Problematik bewusst sein und im Zweifel lieber auf Alkohol verzichten, wenn sie den vollen Versicherungsschutz nicht gefährden wollen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt den Grundsatz, dass bei einem Blutalkoholwert ab 2,0 Promille eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vermutet wird, die zum Ausschluss des Versicherungsschutzes in der privaten Unfallversicherung führen kann. Die Beweislast kehrt sich in solchen Fällen um, sodass der Versicherte nachweisen muss, dass trotz der hohen Alkoholisierung keine relevante Beeinträchtigung vorlag. Dies stellt eine erhebliche Hürde dar und verdeutlicht die Risiken erhöhten Alkoholkonsums für den Versicherungsschutz.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Hatten Sie einen Unfall unter Alkoholeinfluss? Dann könnte dieses Urteil für Sie relevant sein. Es zeigt, dass bei einem Blutalkoholwert ab 2,0 Promille Gerichte in der Regel davon ausgehen, dass Sie nicht mehr voll zurechnungsfähig waren. Dies kann dazu führen, dass Ihre Unfallversicherung die Leistung verweigert. Es ist wichtig zu wissen, dass in solchen Fällen Sie beweisen müssten, dass der Alkohol Ihren Unfall nicht beeinflusst hat. Das ist oft schwierig, selbst wenn Zeugen bestätigen, dass Sie sich normal verhalten haben.

Was können Sie tun?

Wenn Sie einen Unfall unter Alkoholeinfluss hatten und Ihre Versicherung die Leistung verweigert, sollten Sie sich unbedingt rechtlich beraten lassen. Ein Anwalt kann Ihnen helfen, Ihre Rechte zu wahren und gegebenenfalls gegen die Entscheidung der Versicherung vorzugehen.


FAQ – Häufige Fragen

Unfall unter Alkoholeinfluss? Alkoholbedingte Bewusstseinsstörungen können erhebliche Auswirkungen auf Versicherungsleistungen haben. In dieser FAQ-Rubrik finden Sie verständliche Antworten auf Ihre Fragen zu diesem wichtigen Thema.


Was bedeutet eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung in der Unfallversicherung?

Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung in der Unfallversicherung liegt vor, wenn der Versicherte aufgrund von Alkoholkonsum nicht mehr in der Lage ist, die Gefahrenlage zu beherrschen. Dies bedeutet, dass seine Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so stark beeinträchtigt ist, dass er den Sicherheitsanforderungen seiner Umgebung nicht mehr genügen kann.

Die Versicherer schließen solche Fälle vom Versicherungsschutz aus, da Alkoholkonsum zu einer erhöhten Unfallgefahr führt. Die Fähigkeit, Sinneseindrücke schnell und genau zu erfassen, sie zügig zu verarbeiten und darauf angemessen zu reagieren, ist bei einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung erheblich eingeschränkt.

Für die Beurteilung, ob eine relevante Bewusstseinsstörung vorliegt, ziehen Gerichte und Versicherer häufig bestimmte Blutalkoholkonzentrationen als Richtwerte heran. Bei Kraftfahrern wird ab 1,1 Promille, bei Radfahrern ab 1,6 Promille und bei Fußgängern ab 2,0 Promille in der Regel von einer Bewusstseinsstörung ausgegangen. Diese Werte basieren auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht nur eine völlige Bewusstlosigkeit als Bewusstseinsstörung gilt. Auch geringere Beeinträchtigungen können ausreichen, wenn sie die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit erheblich einschränken. Selbst eine nur Sekunden andauernde Bewusstseinsstörung kann den Versicherungsschutz gefährden.

Im Streitfall muss der Versicherer das Vorliegen einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung beweisen. Dafür werden das Verhalten des Versicherten vor dem Unfall, seine allgemeine konstitutionelle Veranlagung und der konkrete Unfallhergang herangezogen. Bei Blutalkoholkonzentrationen unterhalb der genannten Grenzwerte müssen zusätzliche Anzeichen für eine Beeinträchtigung vorliegen.

Viele Versicherer bieten inzwischen sogenannte Alkoholklauseln an. Diese schränken den Ausschluss von alkoholbedingten Bewusstseinsstörungen ein und definieren ihn genauer. So bleibt der Versicherungsschutz beispielsweise bestehen, wenn bestimmte Promillegrenzen nicht überschritten werden. Diese können je nach Anbieter und Tarif variieren.

Ein Beispiel verdeutlicht die Problematik: Ein Motorradfahrer verunglückt mit 1,04 Promille in einer leichten, gut einsehbaren Kurve bei trockener Straße. Obwohl der Wert knapp unter der Grenze von 1,1 Promille liegt, kann hier aufgrund des Unfallhergangs und der Nähe zum Grenzwert von einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung ausgegangen werden. Das zu späte Erkennen einer Kurve und die Fehleinschätzung des Kurvenverlaufs gelten als typische alkoholbedingte Fehlleistungen.

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Welche Blutalkoholwerte legen eine Bewusstseinsstörung nahe?

Bei der Beurteilung einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung im Kontext von Unfallversicherungen sind bestimmte Blutalkoholwerte von entscheidender Bedeutung. Versicherungen gehen in der Regel ab einem Blutalkoholwert von 2,0 Promille von einer erheblichen Beeinträchtigung des Bewusstseins aus. Dieser Wert gilt als Richtwert, ab dem die Wahrscheinlichkeit einer Bewusstseinsstörung deutlich zunimmt.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Auswirkungen von Alkohol individuell sehr unterschiedlich sein können. Manche Menschen zeigen bereits bei niedrigeren Werten deutliche Anzeichen einer Bewusstseinsstörung, während andere selbst bei höheren Werten noch relativ klar erscheinen mögen. Aus diesem Grund betrachten Gerichte und Versicherungen nicht ausschließlich den Blutalkoholwert, sondern berücksichtigen auch das konkrete Verhalten und weitere Umstände des Einzelfalls.

Ab einem Blutalkoholwert von 3,0 Promille wird in der Rechtsprechung regelmäßig von einer absoluten Bewusstseinsstörung ausgegangen. Bei solch hohen Werten ist die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit so groß, dass sie praktisch als gegeben angesehen wird. In diesen Fällen ist es für Versicherte äußerst schwierig nachzuweisen, dass trotz des hohen Alkoholpegels keine Bewusstseinsstörung vorlag.

Im Bereich zwischen 2,0 und 3,0 Promille kommt es besonders auf die Gesamtumstände an. Hier spielen neben dem genauen Blutalkoholwert auch Faktoren wie Alkoholgewöhnung, körperliche Verfassung und beobachtetes Verhalten eine wichtige Rolle. Versicherungen prüfen in diesem Bereich besonders genau, ob Anzeichen für eine Bewusstseinsstörung vorlagen.

Für die rechtliche Beurteilung ist zudem relevant, dass bereits ab 1,1 Promille von einer absoluten Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr ausgegangen wird. Dies bedeutet, dass Personen mit diesem oder einem höheren Blutalkoholwert als nicht mehr in der Lage angesehen werden, ein Fahrzeug sicher zu führen. Dieser Wert liegt deutlich unter der Schwelle, ab der Versicherungen typischerweise eine Bewusstseinsstörung annehmen.

Bei der Beurteilung von Versicherungsfällen wird häufig auch der Verlauf des Alkoholkonsums berücksichtigt. Ein schneller Anstieg des Blutalkoholspiegels kann zu stärkeren Beeinträchtigungen führen als ein langsamer Anstieg über einen längeren Zeitraum. Dies erklärt, warum manche Menschen trotz hoher Promillewerte noch relativ kontrolliert wirken können, während andere bereits bei niedrigeren Werten deutliche Ausfallerscheinungen zeigen.

Für Versicherte ist es ratsam, im Schadensfall möglichst genaue Angaben zum Alkoholkonsum zu machen und gegebenenfalls Zeugen für ihr Verhalten vor dem Unfall zu benennen. Dies kann helfen, eine differenzierte Beurteilung der Situation zu ermöglichen und vorschnelle Rückschlüsse allein aufgrund des gemessenen Blutalkoholwerts zu vermeiden.

Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Beurteilung von Bewusstseinsstörungen auch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkung von Alkohol. So können beispielsweise genetische Faktoren oder Wechselwirkungen mit Medikamenten die individuelle Alkoholverträglichkeit beeinflussen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Einzelfallbetrachtung bei der Beurteilung von alkoholbedingten Bewusstseinsstörungen im Versicherungskontext.

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Wer trägt die Beweislast für die Bewusstseinsstörung?

Bei der Frage nach der Beweislast für eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung im Rahmen der Unfallversicherung trägt grundsätzlich der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast. Der Versicherer muss nachweisen, dass beim Versicherten zum Unfallzeitpunkt eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag, die für den Unfall mitursächlich war.

Für den Nachweis der Alkoholisierung genügt es in der Regel, wenn sich der Versicherer auf einen im Ermittlungsverfahren festgestellten Blutalkoholkonzentrationswert beruft. Bei Kraftfahrern wird ab einem Wert von 1,1 Promille, bei Radfahrern ab 1,6 Promille und bei Fußgängern ab etwa 2,0 Promille von einer absoluten Fahruntüchtigkeit ausgegangen. In diesen Fällen wird eine leistungsausschließende Bewusstseinsstörung ohne Möglichkeit des Gegenbeweises angenommen.

Liegt der Blutalkoholwert unter diesen Grenzwerten, muss der Versicherer zusätzlich nachweisen, dass entweder alkoholtypische Ausfallerscheinungen vorlagen oder das festgestellte verkehrswidrige Verhalten typischerweise durch Alkoholgenuss bedingt war. Der Versicherer hat hierbei den Vollbeweis zu führen.

Ist der Nachweis einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung gelungen, wird im Wege des Anscheinsbeweises von der Bewusstseinsstörung auf die Mitursächlichkeit für den Unfall geschlossen. Der Versicherte hat dann die Möglichkeit, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Dafür reicht es jedoch nicht aus, dass möglicherweise auch ein nüchterner Versicherter den Unfall erlitten hätte. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen vorgetragen werden, die die naheliegende Möglichkeit ergeben, dass auch ein Nüchterner eine solche Gefahrenlage bei Aufwendung üblicher Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht gemeistert hätte.

Behauptet der Versicherte einen Nachtrunk, also die Aufnahme von Alkohol nach dem Unfall, so trägt er hierfür die Beweislast. Er muss dann darlegen und beweisen, dass der festgestellte Blutalkoholwert auf einem Alkoholkonsum nach dem Unfall beruht.

Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Beurteilung einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung verschiedene Faktoren. Dazu gehören das Verhalten des Versicherten vor dem Unfall, dessen allgemeine konstitutionelle Veranlagung und der konkrete Unfallhergang. Auch eine nur Sekunden andauernde Bewusstseinsstörung kann ausreichen, um die Aufnahmefähigkeit so zu beeinträchtigen, dass ein Ausschlusstatbestand zu bejahen ist.

Für den Versicherer besteht allerdings häufig die Schwierigkeit, seiner Beweislast in vollem Umfang nachzukommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine Zeugen vorhanden sind oder der Unfallhergang nicht eindeutig rekonstruiert werden kann. In solchen Fällen kann es für den Versicherten vorteilhaft sein, aktiv an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und gegebenenfalls eigene Beweise vorzulegen, die gegen eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung sprechen.

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Welche Beweismittel sind nötig, um die Vermutung einer Bewusstseinsstörung zu widerlegen?

Um die Vermutung einer Bewusstseinsstörung zu widerlegen, sind verschiedene Beweismittel erforderlich. Medizinische Gutachten spielen hierbei eine zentrale Rolle. Ein Facharzt sollte den Gesundheitszustand des Versicherten zum Unfallzeitpunkt beurteilen und eine fundierte Einschätzung abgeben, ob eine Bewusstseinsstörung vorlag. Dabei werden Faktoren wie Reaktionsfähigkeit, Orientierung und Urteilsvermögen berücksichtigt.

Zeugenaussagen können ebenfalls wichtige Beweise liefern. Personen, die den Versicherten kurz vor oder während des Unfalls beobachtet haben, können wertvolle Informationen zum Verhalten und Zustand des Betroffenen geben. Ihre Schilderungen zum Ablauf des Geschehens und zur Verfassung des Versicherten sind oft entscheidend.

Polizeiberichte und Unfallprotokolle dienen als weitere relevante Beweismittel. Sie enthalten oft detaillierte Angaben zum Unfallhergang und zum Zustand der beteiligten Personen. Polizeibeamte notieren häufig Beobachtungen zum Verhalten und zur Verfassung der Unfallbeteiligten.

Bei Verdacht auf Alkoholkonsum sind Blutalkoholwerte von großer Bedeutung. Ein zeitnah nach dem Unfall durchgeführter Alkoholtest kann Aufschluss über den Grad einer möglichen alkoholbedingten Beeinträchtigung geben. Dabei ist zu beachten, dass laut aktueller Rechtsprechung des OLG Dresden nicht jeder Alkoholkonsum automatisch zu einer relevanten Bewusstseinsstörung führt.

Videoaufnahmen können in manchen Fällen wertvolle Beweise liefern. Überwachungskameras oder Dashcams könnten das Verhalten des Versicherten vor und während des Unfalls dokumentiert haben. Solche Aufnahmen können Aufschluss über den Bewegungsablauf und die Reaktionsfähigkeit geben.

Ärztliche Behandlungsunterlagen aus der Zeit vor dem Unfall sind ebenfalls relevant. Sie können Aufschluss darüber geben, ob der Versicherte unter Vorerkrankungen litt, die zu einer Bewusstseinsstörung hätten führen können. Gleichzeitig können sie belegen, dass keine solchen Vorerkrankungen vorlagen.

Der Versicherte sollte zudem eine detaillierte Schilderung des Unfallhergangs und seines Zustands vor und während des Unfalls abgeben. Diese Darstellung kann durch weitere Beweismittel gestützt werden und trägt zur Gesamtbeurteilung bei.

In komplexen Fällen kann ein interdisziplinäres Gutachten erforderlich sein. Hierbei arbeiten Experten verschiedener Fachrichtungen zusammen, um eine umfassende Beurteilung des Falles vorzunehmen. Dies kann besonders bei Unfällen mit mehreren möglichen Ursachen hilfreich sein.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Bewusstseinsstörung grundsätzlich beim Versicherer liegt. Der Versicherte muss lediglich begründete Zweifel an der Vermutung einer Bewusstseinsstörung wecken. Die Kombination verschiedener Beweismittel erhöht die Chancen, die Vermutung einer Bewusstseinsstörung erfolgreich zu widerlegen.

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Wie wirkt sich ein hoher Alkoholkonsum auf den Versicherungsschutz aus?

Ein hoher Alkoholkonsum kann erhebliche negative Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben. Bei der privaten Unfallversicherung führt eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung in der Regel zum Verlust des Versicherungsschutzes. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Unfall auf die Alkoholisierung zurückzuführen ist.

Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille wird eine absolute Fahruntüchtigkeit angenommen. In diesem Fall geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine Bewusstseinsstörung vorliegt, die den Versicherungsschutz entfallen lässt. Bei niedrigeren Werten zwischen 0,3 und 1,1 Promille spricht man von relativer Fahruntüchtigkeit. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob alkoholtypische Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler vorlagen.

Die Beweislast für das Vorliegen einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung liegt beim Versicherer. Er muss nachweisen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt derart alkoholisiert war, dass er die Gefahrenlage nicht mehr beherrschen konnte. Dabei werden neben dem Blutalkoholwert auch die konkreten Umstände des Unfalls berücksichtigt.

In der gesetzlichen Unfallversicherung gelten ähnliche Grundsätze. Bei Volltrunkenheit entfällt der Versicherungsschutz, da keine dem Unternehmen dienende Tätigkeit mehr ausgeübt werden kann. Ein alkoholbedingter Leistungsabfall führt hingegen nicht automatisch zum Wegfall des Versicherungsschutzes.

Für Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss bestehen besondere Regelungen. In der Kfz-Haftpflichtversicherung bleibt der Geschädigte zwar geschützt, der Versicherer kann jedoch den alkoholisierten Fahrer in Regress nehmen. In der Kaskoversicherung droht eine Leistungskürzung bis hin zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers.

Falsche Angaben zum Alkoholkonsum in der Schadensanzeige können schwerwiegende Folgen haben. Sie können als Obliegenheitsverletzung gewertet werden und zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Es ist daher ratsam, im Schadensfall wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen.

Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem aktuellen Urteil vom 15.04.2024 (Az. 4 U 2022/23) die Kriterien für das Vorliegen einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung konkretisiert. Demnach reicht der bloße Nachweis einer erhöhten Blutalkoholkonzentration nicht aus. Es müssen zusätzlich konkrete Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung zum Unfallzeitpunkt vorliegen.

Versicherte sollten sich der Risiken bewusst sein, die mit Alkoholkonsum einhergehen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, gänzlich auf Alkohol zu verzichten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Bei Unfällen unter Alkoholeinfluss empfiehlt sich die Konsultation eines spezialisierten Rechtsanwalts, um die Erfolgsaussichten einer Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der Versicherung zu prüfen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Alkoholbedingte Bewusstseinsstörung: Eine durch Alkoholkonsum hervorgerufene erhebliche Beeinträchtigung der Wahrnehmung, des Urteilsvermögens und der Reaktionsfähigkeit. Sie liegt laut Rechtsprechung in der Regel ab einem Blutalkoholwert von 2,0 Promille vor. Für die Unfallversicherung ist dies relevant, da sie bei Vorliegen einer solchen Störung oft die Leistung verweigern kann. Die Beurteilung erfolgt individuell, wobei neben dem Alkoholwert auch andere Faktoren wie Gewöhnung oder körperliche Verfassung berücksichtigt werden können. Im Streitfall muss das Gericht entscheiden, ob die Störung unfallursächlich war.
  • Invaliditätsleistung: Eine finanzielle Entschädigung, die von der Unfallversicherung bei dauerhafter körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung nach einem Unfall gezahlt wird. Die Höhe richtet sich nach dem Grad der Invalidität, der von Ärzten festgestellt wird. Sie soll den Versicherten für bleibende Schäden entschädigen und finanzielle Nachteile ausgleichen. Im vorliegenden Fall forderte der Ehemann diese Leistung aufgrund der Querschnittslähmung seiner Frau. Die Versicherung kann die Zahlung verweigern, wenn der Unfall auf grobe Fahrlässigkeit oder eine Bewusstseinsstörung zurückzuführen ist.
  • Beweislastumkehr: Eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, dass der Kläger die für ihn günstigen Tatsachen beweisen muss. Bei einem Blutalkoholwert ab 2,0 Promille wird eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vermutet. Der Versicherte muss dann beweisen, dass trotz der hohen Alkoholisierung keine relevante Beeinträchtigung vorlag. Dies stellt eine erhebliche Hürde dar, da objektive Beweise für die volle Zurechnungsfähigkeit schwer zu erbringen sind. Die Beweislastumkehr dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor missbräuchlichen Ansprüchen und soll zu verantwortungsvollem Umgang mit Alkohol anhalten.
  • Inkomplette Querschnittslähmung: Eine teilweise Lähmung unterhalb der Verletzungsstelle im Rückenmark. Im Gegensatz zur kompletten Querschnittslähmung bleiben einige motorische oder sensorische Funktionen erhalten. Der Schweregrad und die Prognose variieren stark. Für die Unfallversicherung ist die genaue Diagnose wichtig, um den Invaliditätsgrad und damit die Leistungshöhe zu bestimmen. Die Rehabilitation kann Jahre dauern und erfordert oft lebenslange medizinische Betreuung. Die finanzielle Absicherung durch eine Unfallversicherung ist daher besonders bedeutsam.
  • Tatsächliche Vermutung: Ein Rechtsbegriff, der besagt, dass bei Vorliegen bestimmter Tatsachen auf das Vorhandensein anderer Tatsachen geschlossen werden kann. Im vorliegenden Fall wird ab einem Blutalkoholwert von 2,0 Promille eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vermutet. Diese Vermutung basiert auf medizinischen Erkenntnissen und dient der Vereinfachung der Beweisführung. Sie kann jedoch widerlegt werden, wenn der Versicherte stichhaltige Gegenbeweise vorlegt. Die tatsächliche Vermutung spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Versicherungsfällen mit Alkoholbeteiligung.
  • Versicherungsbedingungen: Vertragsklauseln, die den Umfang des Versicherungsschutzes und die Pflichten von Versicherer und Versicherungsnehmer festlegen. Sie sind Teil des Versicherungsvertrags und müssen vor Vertragsabschluss zur Kenntnis gebracht werden. Im vorliegenden Fall waren die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) relevant, die den Ausschluss bei Bewusstseinsstörungen regeln. Versicherte sollten diese Bedingungen genau kennen, um im Schadensfall keine bösen Überraschungen zu erleben. Bei unklaren Formulierungen werden sie im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 180a Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Dieser Paragraph regelt die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers bei einem Unfall. Im vorliegenden Fall ist relevant, ob die Versicherungsnehmerin ihre Obliegenheiten verletzt hat, indem sie den Unfall möglicherweise aufgrund einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung selbst verschuldet hat.
  • § 5.1.1 AUB 2000 (Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen): Diese Klausel in den Versicherungsbedingungen schließt den Versicherungsschutz für Unfälle aus, die durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen verursacht werden, einschließlich solcher, die auf Trunkenheit beruhen. Im konkreten Fall ist entscheidend, ob die Bewusstseinsstörung der Versicherten auf Alkohol zurückzuführen ist und ob dies zum Ausschluss der Leistungspflicht des Versicherers führt.
  • § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Dieser Paragraph regelt die Beweislast im Zivilprozess. Im vorliegenden Fall geht es darum, wer beweisen muss, dass zum Unfallzeitpunkt eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag. Grundsätzlich trägt der Versicherer die Beweislast, jedoch kann sich diese bei einem hohen Blutalkoholwert umkehren, sodass der Versicherungsnehmer nachweisen muss, dass keine relevante Beeinträchtigung vorlag.
  • § 81 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Dieser Paragraph regelt die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers. Im konkreten Fall könnte relevant sein, ob die Versicherungsnehmerin ihrer Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Unfalls nachgekommen ist und ob dies Auswirkungen auf den Versicherungsschutz hat.
  • § 23 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Dieses Gesetz verbietet Diskriminierung aus verschiedenen Gründen, darunter auch wegen einer Behinderung. Im vorliegenden Fall könnte relevant sein, ob die inkomplette Querschnittslähmung der Versicherten als Behinderung im Sinne des AGG zu werten ist und ob dies Auswirkungen auf die Leistungspflicht des Versicherers hat.

Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 2022/23 – Beschluss vom 15.04.2024

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.04.2024 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf 25.704,- EUR festzusetzen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen eines behaupteten Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau, in dessen Folge sie eine inkomplette Querschnittslähmung erlitt.

Zwischen den Parteien bestand ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUB 2000) zugrunde lagen.

In Ziff. 5 der AUB 2000 heißt es:

„5.1 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:

5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen …“

Am 02.05.2021 stürzte die zum damaligen Zeitpunkt 65-jährige Ehefrau des Klägers gegen 01:00 Uhr nach einer Familienfeier in der Häuslichkeit.

Lesen Sie jetzt weiter…

Der Notarzt, der ihren Transport ins Krankenhaus veranlasste, hielt im Einsatzprotokoll unter „Erstdiagnose“ fest, die Versicherte habe eine „Synkope“ erlitten. Bei der nachfolgenden Krankenhausbehandlung wurde in einem Laborbericht für den 02.05.2021 um 02:25 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille festgestellt. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 06.05.2021 habe die Ehefrau angegeben, dass sie „ca. 1 Uhr nach einer kleinen Feier im Rahmen der Familie zusammengerutscht sei“.

Der Kläger zeigte den Schadensfall am 07.05.2021 an. In einer auf den 14.05.2021 datierten, vom Kläger zusammen mit einem Versicherungsvertreter der Beklagten ausgefüllten Schadensanzeige findet sich folgende handschriftliche Schilderung des Unfallhergangs:

„Sturz in der Wohnstube, bedingt durch im Weg stehende Haus-Pantoletten. Frau K…… hatte bereits das Licht gelöscht um ins Bett zu gehen.“

Unter „4. Zeugen“ wird „keine“ ausgeführt, die weitere Frage „Wenn niemand zugegen war, wer hat den Verletzten zuerst nach dem Unfall gesehen?“ wird die Tochter I…… K…… benannt.

Unter „5. Begleitumstände“ hat der Kläger bei den Fragen „Hat die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen?“ und „Wurde eine Blutprobe entnommen?“ jeweils das Kästchen „Nein“ angekreuzt.

Unter „Wichtige Hinweise“ auf der zweiten Seite des Schadensformulars findet sich oberhalb der Unterschriftszeile der fettgedruckte Hinweis:

„Außerdem beachten Sie bitte die Hinweise über die Folgen von Obliegenheitsverletzungen in dem beigefügten Merkblatt HUK19. Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben können Ihren Versicherungsschutz gefährden. Durch meine Unterschrift bestätige ich ausdrücklich die Richtigkeit und Vollständigkeit meiner vorstehenden Angaben.“

Die Schadensanzeige hat der Kläger unterschrieben.

In einem Entlassungsbericht des nachbehandelnden Krankenhauses R…… vom 11.06.2021 wird unter Anamnese u.a. ausgeführt: „Die Patientin sei am 02.05.2021 um 01:00 Uhr morgens nach einer Familienfeier, zu der sie auf ihren Geburtstag und Renteneintritt angestoßen habe, gestürzt und nach vorne übergekippt…“

Mit Schreiben vom 29.07.2021 lehnte die Beklagte den Leistungseintritt mit der Begründung ab, dass es sich bei der Unfallursache „Synkope“ um eine nach den Versicherungsbedingungen ausgeschlossene Bewusstseinsstörung handele bzw. die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit wesentlich herabgesetzt gewesen sei.

Die Ehefrau des Klägers bat mit Schreiben vom 11.08.2021 um erneute Prüfung des Sachverhalts, da sie über eine Schnur und diverses Spielzeug gestolpert und aus diesem Grund gestürzt sei. Die Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 25.08.2021 erneut zurück, auch mit dem Hinweis auf eine inkonsistente Schilderung des Schadenshergangs.

Mit der Begründung, es handele sich um ein Unfallgeschehen, da die Ehefrau des Klägers jedenfalls gestürzt sei, hat der Kläger Versicherungsleistungen auf der Grundlage einer 40%igen Invalidität sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 12.07.2022 legte er eine unter dem 14.05.2022 ausgestellte Invaliditätsbescheinigung vor.

Die Beklagte hat eingewandt, Zahlungsansprüche bestünden nicht, da es sich um ein nicht versichertes Sturzereignis gehandelt habe. Ausgehend von den zeitlich ersten Schilderungen des Hergangs durch die Ehefrau des Klägers und den Notarzt sei von einer Bewusstseinsstörung als Ursache auszugehen. Zudem sei die Beklagte leistungsbefreit, da der Kläger bei der Schadensmeldung mit den Falschangaben zum Alkoholkonsum seiner Ehefrau seine Aufklärungsobliegenheiten vorsätzlich verletzt und die Beklagte damit arglistig getäuscht habe. Gegen die Höhe der geltend gemachten Forderung hat die Beklagte eingewandt, die Invaliditätsbescheinigung berücksichtige nicht vollständig die geltend gemachten Gesundheitsschäden. Die Ehefrau des Klägers habe unter mitwirkungsrelevanten Vorschädigungen im Sinne von Gebrechen (Kyphose mit Spinalkanalstenose bei C4/5 und C5/6) gelitten. Ein Krankenhaus-Tagegeldanspruch für Reha-Maßnahmen vom 15.06. – 09.07.21 sei nach den Versicherungsbedingungen nicht geschuldet.

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, dem Kläger falle eine arglistige Verletzung von Aufklärungspflichten zur Last, da er vorsätzlich falsche Angaben in der Schadensmeldung getätigt habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, zu deren Begründung er vorträgt, das Landgericht habe ihm zu Unrecht den Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 VVG versagt. Zum Zeitpunkt der Unfallanzeige habe der Kläger keine positive Kenntnis vom Unfallhergang und vom Alkoholkonsum seiner Ehefrau gehabt; eine Erkundigungspflicht habe nicht bestanden. Zudem habe er auch dem Versicherungsvertreter der Beklagten mitgeteilt, dass er den Unfallhergang nicht schildern könne, da er nicht dabei gewesen sei. Schließlich habe die Beklagte den Kläger nicht ausreichend über die Folgen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht belehrt.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung aus der zwischen den Parteien geschlossenen privaten Unfallversicherung wegen des Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau am 02.05.2021, da der Versicherungsschutz hierfür ausgeschlossen war. Darüber hinaus ist die Beklagte wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden.

1. Ein Unfallereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen liegt vor, da die Ehefrau des Klägers als versicherte Person am 02.05.2021 in der Wohnung auf den Fußboden gestürzt ist und sich hierdurch Wirbelkörperbrüche als Verletzungen zugezogen hat.

2. Die Beklagte ist nach Ziff. 5.1.1. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AUB 2000) leistungsbefreit, da sie mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen hat, dass das streitgegenständliche Unfallereignis infolge einer Bewusstseinsstörung eingetreten ist.

a) Der Ausschluss nach Ziff. 5.1.1. für Unfälle, die auf Geistes- und Bewusstseinsstörungen beruhen, erfasst solche Risiken, die über das normale Unfallrisiko hinausgehen, weil die versicherte Person bei den genannten Zuständen nicht in der Lage ist, eine drohende Unfallgefahr klar zu erkennen oder überhaupt wahrzunehmen und sich zwecks Vermeidung des Unfalles entsprechend richtig zu verhalten. Zur Feststellung bedarf es einer fallbezogenen Betrachtungsweise der konkreten Lebenssituation und der Frage, in welchem Maße dabei die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit der versicherten Person gefordert wird (vgl. Naumann, ZfSch 2023, 64 m.w.N.). Der Versicherer hat die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses im Wege des Vollbeweises (§ 286 ZPO) nachzuweisen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer maßgeblichen Bewusstseinsstörung können sein, wenn das Sturzereignis entsprechend den dokumentierten Angaben der versicherten Person gegenüber den erstbehandelnden Ärzten zum Unfallablauf und der Art der eingetretenen Verletzungen als Folge eines unmittelbar zuvor erlittenen Ohnmachtsanfalls (= Synkope) eingetreten ist (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 30. September 2022 – 5 U 107/21 –, LS, – juris).

Für eine Bewusstseinsstörung als Ursache des hier streitigen Unfallgeschehens spricht indiziell, dass bereits der Notarzt unter „Erstdiagnose“ „Synkope“ vermerkt hat. Dem ebenfalls zeitnah zum Unfallgeschehen erstellten Entlassungsbericht der Sana Kliniken vom 06.05.2021 lässt sich ferner entnehmen, dass die Versicherte angegeben habe, sie sei „zusammengerutscht“, was nicht auf ein Stolpern über Gegenstände mit anschließendem Sturz, sondern vielmehr auf eine Bewusstseinsstörung hindeutet. Diese für eine Anamnese ungewöhnliche, weil nichtmedizinische und bildhafte Wortwahl wie auch die weiteren Details sprechen dafür, dass die Angaben maßgeblich auf der Schilderung der Versicherten gegenüber den sie behandelnden Ärzten beruhten, was auch durch die Auskunft der Sana Kliniken vom 15.07.2021 (vgl. Anlage B2) bestätigt wird. Entgegen dem Vorbringen des Klägers stellt die Anamnese somit nicht eine Interpretation des Notarztprotokolls dar oder schreibt den Notarztbericht lediglich fort. Auch im Entlassungsbericht des Krankenhauses R…… vom 11.6.2021 wird ein Stolpern infolge herumliegender Gegenstände nicht erwähnt, vielmehr nur ein Zusammenhang zwischen dem Sturz und dem zuvor erfolgten Alkoholkonsum geschildert. Schließlich wird das Vorliegen einer Bewusstseinsstörung auch durch den Umstand belegt, dass erhebliche Verletzungen durch einen Sturz nach vorn eingetreten sind, wobei keine weiteren durch Abwehr- oder Schutzbewegungen eingetretenen Verletzungen dokumentiert worden sind.

b) Es kommt hinzu, dass die Ehefrau zum Zeitpunkt des Unfallereignisses unstreitig eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille und damit einen erheblichen Alkoholisierungsgrad aufgewiesen hat. Zwar gibt es für Unfälle im häuslichen Bereich – anders als für Unfälle im Straßenverkehr – keine Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration, ab denen unzweifelhaft eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorliegt. Selbst wenn bei der versicherten Person eine (unterhalb von 2,0 Promille liegende) hohe Blutalkoholkonzentration festgestellt werden kann, lässt sich daher allein aus einem Sturz noch nicht auf eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung schließen (Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2011, Ziff. 5.1.1 AUB 2008, Rn. 57 m.w.N.). Maßgebend ist vielmehr stets eine fallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Gesamtumstände (Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2011, Ziff. 5.1.1 AUB 2008, Rn. 56 m.w.N.). Vorliegend spricht gegen ein in erster Linie alkoholbedingtes Sturzgeschehen, dass der Notarzt unter „Bewusstseinslage“ angekreuzt hat, die Versicherte sei „orientiert“ und auch im Übrigen keine Auffälligkeiten vermerkt hat. Andererseits sind in den ärztlichen Unterlagen aber keine Erklärungen der Versicherten zur Ursache des „Zusammenrutschens“ bzw. „Nach vorne Überkippens“ dokumentiert. Obwohl dies im Zusammenhang mit dem Sturzgeschehen nahegelegen hätte, wird an keiner Stelle erwähnt, dass die Versicherte angegeben habe, über herumliegende Gegenstände gestolpert zu sein. Es finden sich vielmehr allein Hinweise auf den zuvor erfolgten Alkoholkonsum.

c) Die Behauptung, die Versicherte sei über Hauspantoletten gestürzt, nachdem sie das Licht gelöscht habe, lässt sich erstmals der Schadensanzeige des Klägers vom 14.05.2021 entnehmen. Abweichend davon behauptet die Versicherte unter dem 11.08.2021, sie sei über Spielzeug und eine Schnur gestolpert. Da einerseits die Gegenstände, die den Sturz ausgelöst haben sollen, recht genau – aber vom Kläger und der Versicherten jeweils abweichend – benannt werden, während andererseits der Kläger vorgetragen hat, es sei der Versicherten nicht mehr genau erinnerlich, worüber sie gestürzt sei (vgl. Klageschrift S. 3), lassen sich die aufgezeigten Widersprüche nicht nachvollziehbar erklären. Den Kläger entlastet auch nicht, dass er gegenüber dem Versicherungsvertreter der Beklagten angegeben hat, er könne den Unfallverlauf nicht schildern, da er nicht anwesend gewesen sei. Die Unfallschilderung in der Schadensanzeige beruht offensichtlich auf Angaben der Versicherten. Dabei können zwar, wie behauptet, Übermittlungsfehler aufgetreten sein. Damit lässt sich aber nicht in Übereinstimmung bringen, dass die Versicherte keine genaue Erinnerung mehr daran haben soll, worüber sie gestürzt sei.

Die Beklagte hat daher in der gebotenen Gesamtschau den ihr obliegenden Beweis des Vorliegens einer unfallursächlichen Bewusstseinsstörung zum Unfallzeitpunkt geführt. Selbst wenn die Versicherte über herumliegende Gegenstände gestolpert sein sollte, wovon der Senat allerdings nicht ausgeht, liegt die Annahme nahe, dass sie aufgrund des erheblichen Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage war, die drohende Unfallgefahr klar zu erkennen oder überhaupt wahrzunehmen, sich zwecks Vermeidung des Unfalles entsprechend richtig zu verhalten und auszuweichen oder zumindest angemessen zu reagieren, als sie ins Stolpern geriet. Ob dies auf dem Alkoholkonsum beruhte, oder ob dieser nur mitursächlich war, kann deshalb dahinstehen.

3. Die Beklagte ist darüber hinaus wegen einer arglistigen Obliegenheitspflichtverletzung von ihrer Leistungspflicht befreit, Ziff. 8 AUB, § 28 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VVG.

a) Der Kläger hat die Fragen zum Alkoholkonsum am Unfalltag und zur Durchführung einer Blutprobe wahrheitswidrig verneint.

Zwar hat der Kläger die Schadensanzeige zusammen mit dem Versicherungsvertreter ausgefüllt und zudem vorgetragen, er habe diesem mitgeteilt, er könne den genauen Hergang aus eigener Wahrnehmung nicht schildern, da er zum Unfallzeitpunkt gegen 1.00 Uhr nachts schon im Bett gewesen sei. Gleichwohl sind die Falschangaben entgegen der Ansicht der Berufung nicht dem Versicherungsvertreter und damit der Beklagten sondern allein dem Kläger zuzurechnen. Denn er hat sämtliche in der Schadensanzeige aufgeführten Fragen vollumfänglich beantwortet und hierbei an keiner Stelle deutlich gemacht, dass er – im Unterschied zu den anderen Angaben – hinsichtlich dieser beiden Fragen gerade nicht über ausreichende Kenntnisse verfügt und sie daher nicht bzw. erst nach weiterer Rücksprache mit seiner Ehefrau oder seiner Tochter vollständig und richtig beantworten kann. Entgegen der Ansicht der Berufung hätte es dem Versicherungsvertreter auch nicht oblegen, sich beim Kläger – und zwar nur bezogen auf die Fragen zum Alkoholkonsum – nochmals genau nach dessen Wissensstand zu erkundigen. Vielmehr durfte er mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen, dass der Kläger über hinreichend gesicherte Kenntnisse verfüge oder sich diese zwischenzeitlich verschafft hatte, um alle gestellten Fragen zutreffend zu beantworten. Hinzu kommt, dass der Kläger zumindest überwiegend an der Familienfeier teilgenommen hat, so dass die Vermutung, der Kläger habe einen erheblichen Alkoholkonsum seiner Ehefrau gar nicht bemerkt und könne daher tatsächlich keine Aussage dazu treffen, für den Versicherungsvertreter ebenso fernliegend war wie die Annahme, der Kläger habe hierüber auch nach dem Unfall im Zusammenhang mit der Schadensanzeige weder mit seiner Ehefrau noch mit seiner Tochter gesprochen.

b) Zutreffend ist das Landgericht auch von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Klägers ausgegangen, so dass der Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 VVG entgegen der Ansicht der Berufung nicht eröffnet ist.

Das Vorliegen der Arglist in Bezug auf die Beeinflussung des Regulierungsverhaltens als innerer Tatsache ist vom Versicherer nur im Wege des Indizienbeweises zu führen. Liegen wie hier Falschangaben unstreitig objektiv vor, muss indes der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast eine plausible Erklärung dafür vortragen, wie und weshalb es dazu gekommen ist (BGH, Beschluss vom 7.11.2007 – IV ZR 103/06, juris; Urteil vom 7.2.2018 – IV ZR 53/17, Rn. 30, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.02.2013, 7 U 229/11, Rn. 37, juris; Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG, § 22 Rn. 44). Dies ist dem Kläger nicht gelungen.

Er kann sich nicht darauf berufen, der Versicherungsvertreter der Beklagten habe die entsprechenden Fragen falsch angekreuzt, da dies – entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht – auf seiner Weisung bzw. auf seinen Vorgaben beruhte.

Den Kläger entlastet auch nicht, dass er nach seiner Behauptung bereits zu Bett gegangen sein will, bevor seine Ehefrau Alkohol konsumiert habe. Zwar setzt der objektive Tatbestand der Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit die – vom Versicherer zu beweisende – Kenntnis des Versicherungsnehmers von der anzugebenden Tatsache voraus (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2006 – IV ZR 252/05, VersR 2007, 389; Beschluss vom 12.12.2007 – IV ZR 40/06, VersR 2008, 484; Urteil vom 16.09.2009 – IV ZR 246/08, VersR 2009, 1659; OLG Saarbrücken, Urteil vom 6.10.2010 – 5 U 88/10-16, VersR 2011, 1511), wovon sich das Landgericht vorliegend nicht hinreichend sicher überzeugen konnte. Von einem Versicherungsnehmer kann aber auch Auskunft über Tatsachen verlangt werden, von denen er sich Kenntnis verschaffen konnte und musste (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 – IV ZR 242/13 –, Rn. 22, – juris; OLG Hamm, Urteil vom 16. November 2018 – 20 U 50/18 –, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 6.10.2010 – 5 U 88/10 – 16 –, Rn. 29, juris; Brömmelmeyer in: Bruck/Möller, VVG, 10. Auflage, § 31 VVG 2008, Rn. 33, 34 m.w.N.; Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage 2021, § 31 Rn. 29 m.w.N.). Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, sich vor der Beantwortung der Fragen bei der Versicherten oder seiner Tochter nach einem etwaigen Alkoholkonsum zu erkundigen und die Fragen nicht „ins Blaue hinein“ zu verneinen. Eine vollständige und richtige Auskunft durch den Kläger hätte deshalb nur dann vorgelegen, wenn er sich entweder bei seiner Ehefrau oder Tochter erkundigt und die ermittelten Umstände der Beklagten offenbart oder wenigstens der Beklagten bzw. ihrem Versicherungsvertreter mitgeteilt hätte, er könne die Frage mangels jeglicher eigener Kenntnisse nicht beantworten und die Beklagte an die Versicherte verwiesen hätte. Dabei musste sich ihm auch aufdrängen, dass er diese Frage nicht ohne weiteres beantworten konnte und durfte, da ihm bekannt war, dass seine Frau gerade im Rahmen von Familienfeiern auch Alkohol konsumierte. Zudem lag die Vermutung eines Alkoholkonsums durchaus nahe, angesichts des relativ langen Zeitraums zwischen seinem zeitigen Zu-Bett-Gehens und dem Unfallzeitpunkt (ca. 3,5 Stunden) und der Tatsache, dass seine Frau mit seinen Töchtern noch weitergefeiert hatte. Der Umstand, dass er dementsprechende Erkundigungen unterlassen hat und dennoch die Fragen falsch in dem Wissen beantwortete, hierzu richtigerweise keine Auskunft geben zu können, nahm er die Verletzung seiner Obliegenheiten billigend in Kauf.

Der Kläger handelte bei Abfassung der Unfallanzeige auch arglistig. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – IV ZR 122/13 -, Rn. 7, juris; OLG Köln, Urteil vom 07. Februar 2012 – I-9 U 61/11 -, Rn. 41, juris). Es genügt das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung auch berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Hierzu reicht es aus, wenn Angaben verschwiegen werden, die den Versicherer veranlassen könnten, seine Leistungspflicht näher auch mit Blick auf einen etwaigen Leistungsausschluss zu prüfen.

c) Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass er über die Folgen einer unrichtigen Auskunft nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei. Leistungsfreiheit oder -kürzung setzen zwar nach § 28 Abs. 4 VVG eine rechtzeitige Belehrung in Textform voraus. Die Belehrung in der Schadensanzeige mit dem Hinweis auf das unstreitig beigefügte Merkblatt zu den Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen ist hinsichtlich Schriftgröße und Hervorhebung ausreichend, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Ob darüber hinaus besondere Anforderungen an die Belehrung bestehen, wenn das Formular der Schadensanzeige vom Versicherungsnehmer zusammen mit dem Versicherungsvertreter ausgefüllt wird, wie die Berufung unter Verweis auf eine vor Reform des VVG zur alten Gesetzeslage ergangenen Entscheidung des OLG Karlsruhe vorträgt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da es im Falle einer arglistigen Täuschung wie hier keiner Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung bedarf (std. Rspr., vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2021 – 14 U 339/20 –, Rn. 56 – 60, juris; Brömmelmeyer in: Bruck/Möller, VVG, 10. Auflage, § 31 VVG).

Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren erspart.


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