Skip to content

Unfallversicherung – Treuwidrigkeit der Rückforderung einer Versicherungsleistung

Eine Frau klagte gegen ihre Unfallversicherung, weil sie mit der Höhe der Invaliditätsleistung nicht einverstanden war – doch die Versicherung forderte daraufhin die bereits gezahlten 10.000 Euro zurück. Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied nun, dass die Versicherung das Geld nicht zurückfordern darf, obwohl im Prozess festgestellt wurde, dass gar keine dauerhafte Invalidität vorliegt. Der Versicherung wurde ein widersprüchliches Verhalten zum Nachteil der Versicherungsnehmerin vorgeworfen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Rechtsstreit ging es um die Rückforderung von Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Unfall keine dauerhafte Beeinträchtigung verursachte.
  • Die Versicherung hatte ursprünglich die Invalidität anerkannt, wodurch beim Versicherungsnehmer ein Vertrauen in die Regulierungsentscheidung entstand.
  • Probleme entstanden, als die Versicherung nachträglich Zweifel an der Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung äußerte und Rückforderungen geltend machte.
  • Das Gericht entschied, dass die Versicherung aufgrund vorheriger Zusagen und des dadurch geschaffenen Vertrauens zurückerstattete Zahlungen nicht verlangen kann.
  • Die Entscheidung basiert auf dem Grundsatz von Treu und Glauben, der hier dazu dient, das Vertrauen des Versicherungsnehmers zu schützen.
  • Die Rückforderung der Versicherung wurde abgewiesen, da deren Garantie, die Invalidität nicht mehr anzuzweifeln, rechtsverbindlich erschien.
  • Als Folge der Entscheidung sind Versicherungen künftig an getroffene Zusagen gebunden, besonders wenn diese Vertrauen beim Versicherungsnehmer erzeugen.
  • Für Versicherungsnehmer bietet das Urteil eine stärkere Absicherung, dass einmal anerkannte Leistungen nicht ohne weiteres zurückgefordert werden können.
  • Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer transparenten und vertrauensbildenden Kommunikation seitens der Versicherungen.

Streitfall in der Unfallversicherung: Rückforderung trifft auf Vertrauensschutz

Die Unfallversicherung bietet einen wichtigen Schutz, indem sie im Falle eines Unfalls finanzielle Unterstützung gewährt. Wenn jedoch eine Versicherungsgesellschaft eine bereits erbrachte Versicherungsleistung zurückfordert, kann dies zu einem Streitfall führen. Insbesondere wird oft die Treuwidrigkeit der Rückforderung in Frage gestellt, wenn das Vertrauen des Versicherten in die Leistung betroffen ist. Diese Auseinandersetzung berührt zentrale Aspekte des Versicherungsrechts, wie etwa den Leistungsanspruch und den Vertrauensschutz. In der Folge wird ein konkreter Fall vorgestellt und analysiert, der die Komplexität solch rechtlicher Fragestellungen verdeutlicht.

Der Fall vor Gericht


Rückforderung von Invaliditätsleistungen nach Unfallversicherung vor Gericht verhandelt

Rückforderung von Invaliditätsleistungen bei Unfallversicherung
Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied, dass die Rückforderung von Invaliditätsleistungen durch die Unfallversicherung trotz fehlender dauerhafter Invalidität treuwidrig ist. (Symbolfoto: Flux gen.)

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in einem Rechtsstreit zwischen einer Versicherungsnehmerin und ihrer Unfallversicherung über Invaliditätsleistungen entschieden. Die Klägerin hatte nach einem vermeintlichen Unfall im August 2018 Ansprüche aus ihrer Unfallversicherung mit KomfortPlus-Schutz geltend gemacht. Die Versicherung hatte daraufhin nach Einholung mehrerer ärztlicher Gutachten eine Invalidität von 20 Prozent festgestellt und entsprechende Leistungen in Höhe von insgesamt 10.000 Euro ausgezahlt.

Streit um Höhe der Invalidität und Rückforderung durch Versicherung

In der Folge war die Versicherungsnehmerin mit dem festgestellten Invaliditätsgrad nicht einverstanden und klagte auf Zahlung weiterer 25.000 Euro. Sie ging von einer Invalidität ihres linken Beines von mindestens 40 Prozent aus. Die beklagte Versicherung wies die Forderung zurück und machte im Laufe des Verfahrens ihrerseits eine Rückforderung der bereits geleisteten Zahlungen geltend. Sie berief sich dabei auf im Rechtsstreit getroffene sachverständige Feststellungen, wonach der Unfall nicht zu einer dauerhaften Beeinträchtigung geführt habe.

Gericht: Rückforderung trotz fehlender Invalidität ausgeschlossen

Das Oberlandesgericht wies sowohl die Klage als auch die Widerklage ab. In der Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass die Rückforderung des Versicherers nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein kann, auch wenn sich im Rechtsstreit herausstellt, dass keine dauerhafte Invalidität vorliegt. Voraussetzung dafür sei, dass der Versicherer zuvor deutlich gemacht hatte, die festgestellte Invalidität dem Grunde nach nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Dadurch könne bei dem Versicherungsnehmer ein berechtigtes Vertrauen auf die Bestandskraft der Regulierungsentscheidung entstehen.

Versicherung hatte Bestandskraft der Entscheidung signalisiert

Im konkreten Fall hatte die Versicherung der Klägerin nach Einholung des zweiten Gutachtens im April 2020 mitgeteilt, dass sie von einer dauernden unfallbedingten Beeinträchtigung des linken Beines in Höhe von 25 Prozent ausgehe. Sie wies zwar darauf hin, dass bei Veränderungen eine erneute Begutachtung möglich sei, signalisierte aber grundsätzlich die Bestandskraft ihrer Entscheidung. Auch nach einer weiteren Untersuchung im Januar 2021 bestätigte die Versicherung ihre vorherige Einschätzung.

Kosten des Verfahrens zwischen Parteien aufgeteilt

Das Gericht entschied, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 5/7 von der Klägerin und zu 2/7 von der Beklagten zu tragen sind. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 35.000 Euro festgesetzt.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stärkt den Vertrauensschutz von Versicherungsnehmern. Auch wenn sich nachträglich herausstellt, dass keine Invalidität vorliegt, kann eine Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen ausgeschlossen sein, wenn der Versicherer zuvor die Bestandskraft seiner Entscheidung signalisiert hat. Dies gilt, solange beim Versicherungsnehmer ein berechtigtes Vertrauen auf die Endgültigkeit der Regulierung entstanden ist. Das Gericht betont damit die Bedeutung von Treu und Glauben im Versicherungsrecht.


Hier ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Auswirkungen des Urteils für die Zielgruppe:

<h3>Was bedeutet das Urteil für Sie?</h3>

Dieses Urteil hat wichtige Konsequenzen für Sie als Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung:

  1. Wenn Sie nach einem Unfall bereits Invaliditätsleistungen erhalten haben, kann die Versicherung diese nicht ohne Weiteres zurückfordern – selbst wenn sich später herausstellt, dass keine dauerhafte Invalidität vorliegt. Entscheidend ist, ob die Versicherung zuvor den Eindruck erweckt hat, die Leistung sei endgültig.
  2. Achten Sie genau auf die Formulierungen in Schreiben Ihrer Versicherung. Wenn dort steht, dass die Invalidität „dem Grunde nach“ nicht mehr angezweifelt wird, können Sie in der Regel darauf vertrauen.
  3. Ihre Versicherung kann sich eine erneute Prüfung innerhalb von 3 Jahren nach dem Unfall vorbehalten. Wenn Sie in dieser Zeit Klage auf höhere Leistungen erheben, riskieren Sie auch eine Neubewertung zu Ihren Ungunsten.
  4. Bei Streitigkeiten über die Invalidität kommt es auf die Einschätzung gerichtlich bestellter Sachverständiger an. Deren Gutachten haben mehr Gewicht als vorherige Einschätzungen von Ärzten, die die Versicherung beauftragt hat.
  5. Auch wenn kein dauerhafter Schaden vorliegt, kann ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen gegeben sein – etwa bei einer ausgeheilten Zerrung durch erhöhte Kraftanstrengung.

Häufig gestellte Fragen zu versicherungsrechtlichen Themen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Unter welchen Umständen kann eine Unfallversicherung ausgezahlte Invaliditätsleistungen zurückfordern?

Unfallversicherungen können unter bestimmten Umständen bereits ausgezahlte Invaliditätsleistungen zurückfordern. Dies ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft und nicht in jedem Fall zulässig.

Grundsätzliches Rückforderungsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das grundsätzliche Recht der Versicherungsunternehmen auf Rückforderung von Invaliditätsleistungen bestätigt. Dies gilt insbesondere, wenn sich bei einer Neubemessung des Invaliditätsgrades herausstellt, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten verbessert hat.

Voraussetzungen für eine Rückforderung

Eine Rückforderung ist nur unter folgenden Bedingungen möglich:

  • Vorbehalt der Neubemessung: Die Versicherung muss sich bei der ursprünglichen Leistungsregulierung ausdrücklich eine Neubemessung vorbehalten haben.
  • Nachweisbare Verbesserung: Es muss eine tatsächliche und nachweisbare Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten sein.
  • Zeitliche Begrenzung: Die Neubemessung muss innerhalb der vertraglich festgelegten Frist erfolgen, üblicherweise innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall.

Ausschluss der Rückforderung

In bestimmten Fällen ist eine Rückforderung ausgeschlossen:

  • Eindruck der Endgültigkeit: Wenn die Versicherung bei der Abrechnung den Eindruck erweckt hat, die Leistungshöhe endgültig klären zu wollen, etwa durch Formulierungen wie „Abschlussgutachten“ oder „abschließende Abrechnung des Unfallschadens“.
  • Vorbehaltlose Abrechnung: Wenn der Versicherer nach der Leistung von Vorschüssen eine vorbehaltlose Abrechnung vorgenommen hat.
  • Verstoß gegen Treu und Glauben: Eine Rückforderung kann als treuwidrig gelten, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.

Besonderheit bei eigener Neubemessung

Wenn Sie als Versicherungsnehmer selbst eine Neubemessung anregen und dabei eine Verbesserung Ihres Gesundheitszustands festgestellt wird, darf die Versicherung die Invaliditätsleistung (teilweise) zurückverlangen. Dies gilt auch dann, wenn sie sich selbst keine Neubemessung vorbehalten hat.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen für Rückforderungen finden sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB). Der BGH hat in mehreren Urteilen die Rahmenbedingungen für Rückforderungen präzisiert, beispielsweise im Urteil mit dem Aktenzeichen IV ZR 20/18.

Wenn Sie mit einer Rückforderung Ihrer Unfallversicherung konfrontiert sind, sollten Sie zunächst das ursprüngliche Regulierungsschreiben genau prüfen. Achten Sie besonders auf Formulierungen, die auf eine endgültige Regulierung hindeuten oder einen Vorbehalt zur Neubemessung enthalten. Im Zweifelsfall kann eine genaue Prüfung der individuellen Umstände erforderlich sein, um die Rechtmäßigkeit der Rückforderung zu beurteilen.


zurück

Wie kann ich mich als Versicherungsnehmer gegen eine Rückforderung von Invaliditätsleistungen wehren?

Als Versicherungsnehmer haben Sie mehrere Möglichkeiten, sich gegen eine Rückforderung von Invaliditätsleistungen zu wehren. Der Einwand von Treu und Glauben nach § 242 BGB kann in vielen Fällen ein wirksames Mittel sein, um eine Rückforderung abzuwehren. Dies gilt insbesondere, wenn der Versicherer bei der ursprünglichen Auszahlung den Eindruck erweckt hat, dass es sich um eine endgültige Leistung handelt.

Prüfung der Kommunikation mit dem Versicherer

Achten Sie genau darauf, wie der Versicherer die ursprüngliche Leistung kommuniziert hat. Wurden Formulierungen wie „Abschlussgutachten“ oder „abschließende Abrechnung des Unfallschadens“ verwendet? In solchen Fällen dürfen Sie als Versicherungsnehmer darauf vertrauen, dass die Leistung von Dauer ist. Auch eine vorbehaltlose Abrechnung nach Leistung von Vorschüssen kann einen Vertrauenstatbestand schaffen, der einer späteren Rückforderung entgegensteht.

Dokumentation und Beweissicherung

Bewahren Sie sämtliche Korrespondenz mit dem Versicherer sorgfältig auf. Dazu gehören nicht nur offizielle Schreiben, sondern auch E-Mails und Gesprächsnotizen. Diese Dokumente können entscheidend sein, um nachzuweisen, dass der Versicherer einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

Prüfung der Versicherungsbedingungen

Überprüfen Sie die Bedingungen Ihres Versicherungsvertrags genau. Achten Sie besonders auf Klauseln zur Neubemessung der Invalidität und zu möglichen Rückforderungen. Manchmal enthalten die Bedingungen Einschränkungen für Rückforderungen, die Ihnen als Versicherungsnehmer zugutekommen können.

Einwand der Entreicherung

Wenn Sie die erhaltene Invaliditätsleistung bereits ausgegeben haben, können Sie unter Umständen den Einwand der Entreicherung geltend machen. Dies bedeutet, dass Sie nicht mehr über die Mittel verfügen, um die Leistung zurückzuzahlen, ohne Ihre eigene wirtschaftliche Existenz zu gefährden.

Verjährung prüfen

Prüfen Sie, ob die Rückforderung des Versicherers möglicherweise verjährt ist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Versicherer von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

Wenn Sie mit einer Rückforderung konfrontiert werden, sollten Sie zunächst Ruhe bewahren und die Situation sorgfältig analysieren. Prüfen Sie die Begründung des Versicherers kritisch und sammeln Sie alle relevanten Unterlagen. In vielen Fällen lässt sich eine Rückforderung durch geschicktes Argumentieren und den Verweis auf die genannten rechtlichen Grundlagen abwehren.


zurück

Welche Rolle spielt das Prinzip von Treu und Glauben bei Rückforderungen von Invaliditätsleistungen?

Das Prinzip von Treu und Glauben spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung, ob eine Versicherungsgesellschaft Invaliditätsleistungen zurückfordern darf. Es schützt Versicherungsnehmer vor unberechtigten Rückforderungen und sorgt für Fairness im Versicherungsverhältnis.

Grundsätzliches Rückforderungsrecht der Versicherung

Versicherungsunternehmen haben grundsätzlich das Recht, zu viel gezahlte Invaliditätsleistungen zurückzufordern, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherten verbessert hat oder eine Neubemessung einen niedrigeren Invaliditätsgrad ergibt.

Einschränkung durch Treu und Glauben

Der Grundsatz von Treu und Glauben kann dieses Rückforderungsrecht jedoch einschränken oder sogar ausschließen. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten der Versicherung bei der Versicherten ein berechtigtes Vertrauen geweckt hat, dass die Leistung endgültig ist.

Konkrete Anwendungsfälle

Wenn Sie als Versicherungsnehmer eine Mitteilung erhalten, die den Eindruck einer endgültigen Regulierung erweckt, kann eine spätere Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoßen. Beispiele hierfür sind:

  • Verwendung von Formulierungen wie „Abschlussgutachten“ oder „abschließende Abrechnung des Unfallschadens“
  • Vorbehaltlose Abrechnung nach Leistung von Vorschüssen
  • Mehrere aufeinanderfolgende Schreiben, die die festgestellte Invalidität nicht in Zweifel ziehen

In solchen Fällen dürfen Sie als Versicherter darauf vertrauen, dass die Leistung von Dauer ist.

Bedeutung für Versicherungsnehmer

Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Sie sorgfältig prüfen sollten, wie die Versicherung die Invaliditätsleistung kommuniziert hat. Achten Sie besonders auf Formulierungen, die eine Endgültigkeit suggerieren. Diese können Ihnen im Falle einer späteren Rückforderung als Argument dienen.

Ausnahmen beachten

Beachten Sie, dass das Prinzip von Treu und Glauben Sie nicht schützt, wenn Sie selbst eine Neubemessung anregen und dabei eine Verbesserung Ihres Gesundheitszustands festgestellt wird. In diesem Fall darf die Versicherung die Leistung auch dann zurückfordern, wenn sie sich selbst keine Neubemessung vorbehalten hat.

Einzelfallbetrachtung

Ob eine Rückforderung gegen Treu und Glauben verstößt, hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend sind dabei die gesamte Kommunikation zwischen Ihnen und der Versicherung sowie die spezifischen Formulierungen in den Schreiben der Versicherung.


zurück

Wie bindend sind ärztliche Gutachten für die Feststellung der Invalidität in Unfallversicherungsfällen?

Ärztliche Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Feststellung der Invalidität in Unfallversicherungsfällen, sind jedoch nicht automatisch bindend für die Versicherung oder ein Gericht. Die Bedeutung eines Gutachtens hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von seiner Qualität und Nachvollziehbarkeit.

Bedeutung für die Versicherung

Versicherungsunternehmen nutzen ärztliche Gutachten als wichtige Grundlage für ihre Entscheidungen über Invaliditätsleistungen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, jedes vorgelegte Gutachten ohne Weiteres zu akzeptieren. Wenn Sie ein Gutachten einreichen, wird die Versicherung dieses prüfen und möglicherweise ein eigenes Gutachten in Auftrag geben. In der Praxis legen Versicherungen oft mehr Gewicht auf Gutachten von ihnen beauftragter Ärzte.

Rechtliche Bindungswirkung

Vor Gericht haben ärztliche Gutachten keine absolute Bindungswirkung. Das Gericht bewertet die Beweiskraft eines Gutachtens nach freier Überzeugung. Dabei berücksichtigt es Faktoren wie die Qualifikation des Gutachters, die Gründlichkeit der Untersuchung und die Schlüssigkeit der Argumentation. Wenn Sie mit dem Ergebnis eines Gutachtens nicht einverstanden sind, können Sie ein Gegengutachten vorlegen oder die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens beantragen.

Anforderungen an Gutachten

Für die Anerkennung durch Versicherungen und Gerichte müssen Gutachten bestimmte Kriterien erfüllen:

  • Sie müssen von einem qualifizierten Facharzt erstellt worden sein.
  • Die Untersuchungsmethoden und -ergebnisse müssen nachvollziehbar dargelegt werden.
  • Der Zusammenhang zwischen Unfall und festgestellter Invalidität muss plausibel erklärt werden.
  • Die Einschätzung des Invaliditätsgrades muss begründet und mit den Gliedertaxen der Versicherungsbedingungen in Einklang stehen.

Möglichkeiten bei widersprüchlichen Gutachten

Wenn verschiedene Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was nicht selten vorkommt, haben Sie mehrere Optionen:

  1. Sie können mit der Versicherung in Verhandlung treten und versuchen, einen Kompromiss zu finden.
  2. Sie können ein weiteres, unabhängiges Gutachten einholen.
  3. Im Streitfall kann ein Gericht ein neutrales Sachverständigengutachten anordnen, das oft ausschlaggebend für die Entscheidung ist.

Beachten Sie, dass die Fristen zur Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen strikt eingehalten werden müssen. Innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall muss die Invalidität ärztlich festgestellt worden sein, unabhängig davon, ob Sie mit dem Ergebnis einverstanden sind oder nicht.


zurück

Welche Rechte habe ich als Versicherungsnehmer, wenn ich mit dem festgestellten Invaliditätsgrad nicht einverstanden bin?

Als Versicherungsnehmer haben Sie mehrere Möglichkeiten, wenn Sie mit dem festgestellten Invaliditätsgrad nicht einverstanden sind:

Einspruch erheben und eigenes Gutachten vorlegen

Sie können schriftlich Einspruch gegen die Feststellung des Invaliditätsgrades erheben. Dabei sollten Sie Ihre Gründe für den Widerspruch darlegen und gegebenenfalls ein eigenes ärztliches Gutachten beifügen. Dieses Gegengutachten sollte von einem Facharzt erstellt werden, der auf die Art Ihrer Verletzung spezialisiert ist.

Neubemessung beantragen

Nach § 188 VVG haben Sie das Recht, innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall eine Neubemessung des Invaliditätsgrades zu verlangen. Dies gilt auch, wenn sich Ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat. Beachten Sie jedoch, dass bei einer Neubemessung der Invaliditätsgrad auch niedriger ausfallen kann.

Schlichtungsverfahren nutzen

Viele Versicherungsgesellschaften bieten ein Schlichtungsverfahren an. Dabei wird ein unabhängiger Gutachter eingesetzt, der eine neutrale Bewertung Ihres Falles vornimmt. Das Ergebnis ist für beide Seiten nicht bindend, kann aber als Grundlage für eine Einigung dienen.

Gerichtliches Vorgehen

Wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, können Sie den Rechtsweg beschreiten. In einem Gerichtsverfahren wird in der Regel ein unabhängiger medizinischer Sachverständiger bestellt, der den Invaliditätsgrad neu begutachtet. Das Gericht entscheidet dann auf Basis dieses Gutachtens.

Bedenken Sie, dass ein gerichtliches Vorgehen mit Kosten und Risiken verbunden ist. Es besteht die Möglichkeit, dass das Gericht einen niedrigeren Invaliditätsgrad feststellt als ursprünglich von der Versicherung anerkannt. In diesem Fall müssen Sie unter Umständen bereits erhaltene Leistungen zurückzahlen.

Wenn Sie diese Schritte in Erwägung ziehen, ist es wichtig, alle Fristen zu beachten und Ihre Argumente sorgfältig zu dokumentieren. Eine gründliche Vorbereitung erhöht Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Neubewertung des Invaliditätsgrades.


zurück


Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Invaliditätsleistung

Die Invaliditätsleistung ist eine Zahlung der Unfallversicherung an den Versicherten, die bei einer unfallbedingten dauerhaften Beeinträchtigung gezahlt wird. Sie richtet sich nach dem Grad der Invalidität, also dem Ausmaß der körperlichen oder geistigen Einschränkung. In diesem Fall ging es um eine unstreitige Zahlung von 10.000 Euro bei festgestellter Invalidität von 20 Prozent.

Beispiel: Nach einem Unfall kann ein Versichertenschaden, etwa der Verlust eines Beines, je nach Grad der Beeinträchtigung mit einer bestimmten Summe entschädigt werden.

Diese Leistung wird durch die Allgemeinen Unfall-Versicherungsbedingungen (AUB) geregelt. Manchmal gibt es bei der Einschätzung des Invaliditätsgrades Streit, was zu Klagen führen kann.

Zurück

Treu und Glauben

Der Begriff Treu und Glauben basiert auf § 242 BGB und verpflichtet Vertragspartner, ihre Rechte und Pflichten im Sinne von Fairness und Rücksichtnahme auszuüben. Im Kontext der Rückforderung bereits gezahlter Invaliditätsleistungen kann eine solche Forderung ausgeschlossen sein, wenn der Versicherungsnehmer berechtigtes Vertrauen in die Beständigkeit der Zusage entwickeln durfte.

Beispiel: Eine Versicherung sagt einem Kunden zu, dass er eine bestimmte Leistung erhält, und kann dann später nicht ohne Grund das Gegenteil behaupten.

Treu und Glauben bedeutet, dass beide Parteien fair und gerecht miteinander umgehen und vorher getroffene Versprechen nicht grundlos widerrufen werden.

Zurück

Rückforderung

Die Rückforderung bezeichnet den Anspruch einer Versicherung, bereits gewährte Leistungen zurückzufordern, oft weil sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Leistung nicht gegeben waren. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Rückforderung wird unter anderem durch den Grundsatz von Treu und Glauben eingeschränkt.

Beispiel: Eine Versicherung zahlt nach einem Unfall eine Entschädigung und verlangt diese zurück, wenn der Unfall nicht die behauptete Invalidität verursacht hat.

Im beschriebenen Fall durfte die Versicherung die bereits gezahlte Invaliditätsleistung nicht zurückfordern, trotz späterer anderslautender Gutachten.

Zurück

Bestandskraft

Bestandskraft bezieht sich auf die Verbindlichkeit einer Entscheidung, die nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Sobald eine Versicherungsentscheidung bestandskräftig ist, kann sie in der Regel nicht mehr geändert werden, es sei denn, es treten neue wesentliche Informationen auf.

Beispiel: Wenn eine Versicherung einen Invaliditätsgrad festgelegt hat und nichts dagegen unternommen wird, kann diese Entscheidung bestandskräftig werden.

Die Versicherung hatte durch ihre Formulierungen den Eindruck vermittelt, dass die Entscheidung hinsichtlich der Invaliditätsleistung endgültig sei, was zum Vertrauensschutz des Versicherungsnehmers beitrug.

Zurück

Gutachten

Ein Gutachten ist eine fachliche Einschätzung eines Sachverständigen zu einem bestimmten Sachverhalt. Im Versicherungsrecht spielen ärztliche Gutachten eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades und damit der Höhe der Leistungen, die der Versicherungsnehmer beanspruchen kann.

Beispiel: Ein Arzt erstellt nach einem Unfall ein Gutachten, das den Invaliditätsgrad auf 20% festlegt, welches die Grundlage für die Versicherungsleistung bildet.

Gutachten beeinflussen maßgeblich Streitfragen zur Invalidität und können im Verlauf eines Prozesses sowohl vom Versicherer als auch vom Gericht herangezogen werden.

Zurück

Vertrauensschutz

Vertrauensschutz bedeutet, dass jemand sich darauf verlassen kann, dass bestimmte Zusicherungen eingehalten werden. Im Versicherungsrecht ist er oft mit dem Prinzip von Treu und Glauben verbunden. Wenn eine Versicherung signalisiert, eine Zahlung sei endgültig, kann der Versicherte darauf vertrauen, dass die Auszahlung nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht wird.

Beispiel: Wenn ein Versicherungsnehmer eine Versicherungspolice abschließt, erwartet er, dass die Bedingungen fair und beständig bleiben, sofern er sie erfüllt.

Im vorliegenden Fall wurde der Vertrauensschutz der Versicherungsnehmerin gestärkt, indem das Gericht die Rückforderung der schon gezahlten Leistung aufgrund signalisierten Vertrauens des Versicherers verhinderte.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Das Versicherungsvertragsgesetz regelt die Grundlagen für die vertraglichen Beziehungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Es enthält Bestimmungen über den Vertragsschluss, die Rechte und Pflichten der Parteien sowie über die Beendigung des Vertrags. Im vorliegenden Fall ist dieser Paragraph relevant, da die Klägerin Ansprüche aus ihrem Unfallversicherungsvertrag geltend macht und die entsprechenden Vorschriften des VVG auf den Versicherungsvertrag und die Ansprüche Anwendung finden.
  • § 45 VVG: Dieser Paragraph befasst sich mit der Leistungsfreiheit des Versicherers in Bezug auf vorvertragliche Anzeigepflichten. Wenn ein Versicherungsnehmer einen Umstand, der zur Risikoeinschätzung des Versicherers wesentlich ist, nicht offenbart, kann dies Auswirkungen auf die Leistungsansprüche haben. In diesem Fall wäre es relevant, falls dem Versicherungsnehmer ein Vorwurf gemacht wird, weil er Informationen zurückgehalten hat, die die Bewertung der Invalidität beeinflussen könnten.
  • § 103 SGB VII (Sozialgesetzbuch VII): Dieser Paragraph regelt die Ermittlung der Erwerbsminderung und die entsprechenden Leistungen. Auch wenn es sich hier um einen privaten Versicherungsvertrag handelt, könnten vergleichbare Bewertungsmaßstäbe für die Einschätzung des Invaliditätsgrades herangezogen werden. Dies bezieht sich auf die Argumentation der Parteien bezüglich der Einschätzung der dauerhaften Beeinträchtigung und wie diese im Kontext von Versicherungsleistungen zu berücksichtigen ist.
  • AUB 2008 (Allgemeine Unfall-Versicherungsbedingungen): Die Allgemeinen Unfall-Versicherungsbedingungen sind Teil des Versicherungsvertrags und regeln die Grundsätze der Leistungsansprüche, insbesondere im Falle von Invalidität. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus diesen Bedingungen spezifische Ansprüche der Klägerin und die Vorgehensweise des Versicherers hinsichtlich der Berechnung der Invaliditätsleistung, was entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits ist.
  • § 242 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph behandelt das Gebot von Treu und Glauben im deutschen Recht, das die Parteien dazu verpflichtet, ihre vertraglichen Pflichten loyal und fair zu erfüllen. Im Urteil ist angemerkt, dass die Rückforderung des Versicherers nach Treu und Glauben möglicherweise ausgeschlossen sein kann, weil der Versicherer der Klägerin zunächst ein berechtigtes Vertrauen auf die Bestandskraft seiner Regulierungsentscheidung vermittelt hat. Dies ist zentral für die Entscheidungsfindung im vorliegenden Fall.

Das vorliegende Urteil

 

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 68/23 – Urteil vom 13.03.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
Kontaktformular für Anfragen auf Ersteinschätzung
info@ra-kotz.de oder ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!