Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden, dass die Versicherung nicht verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen wegen einer Knieverletzung zu zahlen, da dieser die vertraglich vereinbarte Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität nicht eingehalten hat. Die Versicherung hat die Hinweispflicht erfüllt und die Voraussetzungen für eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf den Fristablauf sind nicht erfüllt.
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Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Unfallversicherung: Fristversäumnis kostet Invaliditätsleistung
- Der Fall vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken im Detail
- ✔ FAQ zum Thema: Unfallversicherung und Fristversäumnis
- Welche Fristen gelten für die ärztliche Feststellung der Invalidität bei einer Unfallversicherung?
- Wie wird der Grad der Invalidität bei Unfallversicherungen festgestellt?
- Was passiert, wenn die ärztliche Feststellung der Invalidität nicht innerhalb der Frist erfolgt?
- In welchen Fällen kann sich eine Versicherung nicht auf den Fristablauf berufen?
- Welche Dokumente und Informationen benötigt die Unfallversicherung typischerweise zur Prüfung eines Invaliditätsanspruchs?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Saarbrücken
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Kläger muss innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfallereignis eine ärztliche Bescheinigung über den Grad der Invalidität vorlegen.
- Die Beklagte hat den Kläger mit einem Hinweisschreiben über diese Frist belehrt, was er mit seiner Unterschrift bestätigt hat.
- Es ist der Beklagten nicht verwehrt, sich auf die Fristversäumung zu berufen, da ihr Verhalten nicht treuwidrig war.
- Ob tatsächlich ein Unfallereignis vorlag und der Kläger aktivlegitimiert ist, kann daher offenbleiben.
- Die Feststellungsklage ist unzulässig, da dem Kläger eine Leistungsklage zumutbar gewesen wäre.
- Selbst bei Zulässigkeit wäre die Klage unbegründet, da die Voraussetzungen für Invaliditätsleistungen nicht erfüllt sind.
- Der Kläger konnte zur Geltendmachung als versicherte Person selbst berechtigt sein, wenn der Versicherungsnehmer den Anspruch nicht verfolgen will.
- Eine Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Unfallversicherung: Fristversäumnis kostet Invaliditätsleistung
Unfallversicherungen sind wichtige Absicherungen, die für viele Menschen im Alltag eine zentrale Rolle spielen. Sie bieten Schutz bei unerwarteten Verletzungen und Unfällen und übernehmen die anfallenden Kosten. Damit die Leistungen der Unfallversicherung reibungslos greifen, müssen jedoch bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehört insbesondere, dass Versicherte innerhalb einer festgelegten Frist eine ärztliche Bescheinigung über den Grad der Invalidität vorlegen.
Diese Fristen sind für Versicherte oft ein sensibles Thema, da die Folgen eines Fristversäumnisses weitreichend sein können. Wenn Versicherte die Frist zur Einreichung der ärztlichen Unterlagen verpassen, können Versicherungsleistungen unter Umständen ganz entfallen. Allerdings muss der Versicherer den Kunden auch ordnungsgemäß über diese Fristen und Formvorschriften informieren.
Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall beleuchtet, der die Thematik der Invaliditätsfeststellung in der Unfallversicherung näher beleuchtet und aufzeigt, wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden.
Der Fall vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken im Detail
Unfallversicherung und ärztliche Feststellungsfristen: Streit um Invaliditätsleistung
Der Kläger begehrt von seiner Unfallversicherung Leistungen wegen einer Knieverletzung, die er sich nach eigenen Angaben im August 2019 bei einem Lauftraining im Wald zugezogen hat. Die Versicherung verweigerte die Leistung, da der Kläger die vertraglich vereinbarte Frist, innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfall eine ärztliche Feststellung zum Grad der Invalidität vorzulegen, nicht eingehalten hat.
Der Kläger argumentierte, dass er das Hinweisschreiben der Versicherung zu den Fristen nicht erhalten habe und es der Versicherung außerdem nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf die Fristversäumung zu berufen. Dem widersprach die Versicherung und verwies darauf, dass der Kläger ihr die Schadensanzeige mit seiner Unterschrift übersandt hatte, in der er den Erhalt des Hinweisschreibens bestätigte.
Gerichtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken zurück und bestätigte damit die Abweisung der Klage. Aus Sicht des Gerichts ist es der Versicherung nicht verwehrt, sich auf die Fristversäumung zu berufen. Die Voraussetzungen für eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf den Fristablauf sah das Gericht nicht als erfüllt an.
Begründung des Urteils: Formale Voraussetzungen für Invaliditätsleistungen nicht erfüllt
Das Gericht stellte fest, dass es an einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Invalidität des Klägers fehlt. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen belegen zwar die Beschwerden und Behandlungen des Klägers, enthalten aber keine Feststellungen zu einem unfallbedingten Dauerschaden, so das Gericht. Hieran scheitern die Ansprüche des Klägers bereits.
Hinweispflichten und Treu und Glauben
Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei der Meldung eines Versicherungsfalls auf vertraglich vereinbarte Leistungsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen hinzuweisen. Diese Hinweispflicht hat die Versicherung im vorliegenden Fall jedoch erfüllt, so das Gericht, da dem Kläger das entsprechende Merkblatt mit den wichtigen Hinweisen zur Unfallversicherung übersandt wurde.
Selbst wenn der Kläger, wie er behauptet, das Hinweisschreiben nicht gelesen hat, bestand für die Versicherung nach Auffassung des Gerichts kein Anlass zu einer erneuten Belehrung. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen ließen einen unfallbedingten Dauerschaden nicht naheliegend erscheinen.
✔ FAQ zum Thema: Unfallversicherung und Fristversäumnis
Welche Fristen gelten für die ärztliche Feststellung der Invalidität bei einer Unfallversicherung?
Für die ärztliche Feststellung der Invalidität bei einer Unfallversicherung gelten in Deutschland spezifische Fristen, die entscheidend für die Geltendmachung von Ansprüchen sind. Innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall muss ein Arzt die Invalidität festgestellt haben. Diese Frist ist grundlegend, da nur eindeutig nachweisbare und erkennbare Unfallfolgen entschädigt werden sollen. Die ärztliche Feststellung muss einen Dauerschaden, die unfallbedingte Gesundheitsschädigung der versicherten Person und einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschädigung darlegen.
Es ist wichtig, dass die ärztliche Feststellung der Invalidität in der Patientenakte mit dem entsprechenden Datum zu finden ist, um dauerhafte Schädigungen zu dokumentieren. Elektronisch gespeicherte Patientendokumentationen genügen dem Schriftformerfordernis, was den Nachweis bei einer tatsächlich erfolgten ärztlichen Feststellung erleichtert.
Ein weiterer relevanter Aspekt ist, dass die ärztliche Feststellung nicht unbedingt richtig sein muss, jedoch eine verbindliche Aussage treffen sollte. Es ist nicht ausreichend, wenn das Vorliegen eines Dauerschadens als nur „möglicherweise“, „eventuell“, „zur Zeit“ oder „erst nach einer Begutachtung zu klären“ bescheinigt wird. Eine Aussage zur Höhe des Dauerschadens ist entbehrlich.
Zusätzlich zu der 15-monatigen Frist für die ärztliche Feststellung gibt es eine Frist von 21 Monaten für die schriftliche ärztliche Feststellung der Invalidität. Eine hausärztliche Feststellung der Invalidität hätte nicht ausgereicht, jedoch genügt die Expertise jedes beliebigen Facharztes.
In der Praxis bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer darauf achten sollten, dass sie alle notwendigen Schritte unternehmen, um ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Die Kenntnis und Einhaltung dieser Fristen sind entscheidend, um den Anspruch auf Invaliditätsleistungen nicht zu verlieren.
Wie wird der Grad der Invalidität bei Unfallversicherungen festgestellt?
Der Grad der Invalidität bei Unfallversicherungen wird in der Regel durch die sogenannte Gliedertaxe bestimmt. Die Gliedertaxe ist eine Tabelle, die festlegt, welcher Prozentsatz der Versicherungssumme für den Verlust oder die dauerhafte Funktionsunfähigkeit bestimmter Körperteile oder Sinnesorgane gezahlt wird. Der Invaliditätsgrad gibt also an, wie schwer die Behinderung ist, und wird auf Basis der Gliedertaxe berechnet.
Die ärztliche Feststellung der Invalidität muss innerhalb bestimmter Fristen erfolgen, um Ansprüche geltend machen zu können. In Deutschland muss die Invalidität in der Regel innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall durch einen Arzt festgestellt werden. Diese Feststellung ist entscheidend, da die Versicherung nur auf dieser Grundlage die Leistungen berechnet und auszahlt.
Die ärztliche Beurteilung sollte nicht nur den Eintritt der Invalidität innerhalb der Frist bestätigen, sondern auch den Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Invalidität klar darlegen. Es ist wichtig, dass die ärztliche Feststellung präzise Angaben zum Umfang und zur Ursache des Dauerschadens enthält, um spätere Unklarheiten oder Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Zusammenfassend ist der Prozess der Feststellung des Invaliditätsgrades in der Unfallversicherung durch die Anwendung der Gliedertaxe und die Einhaltung der ärztlichen Feststellungsfristen gekennzeichnet. Diese Elemente sind entscheidend für die korrekte und gerechte Abwicklung von Versicherungsansprüchen nach einem Unfall.
Was passiert, wenn die ärztliche Feststellung der Invalidität nicht innerhalb der Frist erfolgt?
Wenn die ärztliche Feststellung der Invalidität nicht innerhalb der festgelegten Frist erfolgt, kann dies gravierende Konsequenzen für den Versicherungsnehmer haben. In der Regel führt das Versäumen dieser Frist dazu, dass der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist. Die Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität ist eine Ausschlussfrist, was bedeutet, dass nach ihrem Ablauf keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können, selbst wenn eine Invalidität vorliegt.
Die Fristen sind in den Versicherungsbedingungen festgelegt und variieren je nach Vertrag. Häufig beträgt die Frist 15 Monate nach dem Unfall. In einigen Fällen kann die Frist auch länger sein, beispielsweise 18 oder 21 Monate, abhängig von den spezifischen Versicherungsbedingungen. Es ist entscheidend, dass die Invalidität innerhalb dieses Zeitraums nicht nur eingetreten ist, sondern auch ärztlich festgestellt und dem Versicherer gemeldet wurde.
Falls die Frist versäumt wurde, gibt es normalerweise wenig Spielraum für den Versicherungsnehmer, dennoch Leistungen zu erhalten. In Ausnahmefällen könnte der Versicherungsnehmer versuchen, auf Basis von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Leistung zu erlangen, wenn beispielsweise die Versäumung der Frist nicht selbst verschuldet war und der Versicherer nicht angemessen über die Fristen informiert hat. Allerdings sind solche Fälle eher die Ausnahme und erfordern oft eine rechtliche Auseinandersetzung.
Zusammengefasst ist es für Versicherungsnehmer äußerst wichtig, die Fristen zur ärztlichen Feststellung der Invalidität genau zu beachten und einzuhalten, um ihren Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu verlieren. Bei Unsicherheiten oder Unklarheiten ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen.
In welchen Fällen kann sich eine Versicherung nicht auf den Fristablauf berufen?
In bestimmten Fällen kann sich eine Versicherung nicht auf den Fristablauf zur ärztlichen Feststellung der Invalidität berufen, wenn dies als rechtsmissbräuchlich angesehen wird. Ein solcher Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist auf das Fehlen einer ärztlichen Feststellung hingewiesen hat, obwohl bereits greifbare Anhaltspunkte für einen unfallbedingten Dauerschaden vorlagen.
Weiterhin kann die Berufung auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Versicherer vor Fristablauf ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung zu sorgen hat. Auch wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt, eine daraus folgende Invalidität aber nicht ausdrücklich festgestellt wurde, kann dies als Rechtsmissbrauch gewertet werden.
Zusätzlich kann es als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht auf wichtige Fristen hinweist, obwohl dies vertraglich vorgesehen ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Versicherungsnehmer dadurch irrtümlich annimmt, er könne die Fristen noch einhalten.
Diese Grundsätze sind in der deutschen Rechtsprechung verankert und sollen sicherstellen, dass Versicherungsnehmer nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden, insbesondere in Fällen, in denen der Versicherer durch sein Verhalten zur Verwirrung oder zu Missverständnissen beigetragen hat.
Welche Dokumente und Informationen benötigt die Unfallversicherung typischerweise zur Prüfung eines Invaliditätsanspruchs?
Für die Prüfung eines Invaliditätsanspruchs in der Unfallversicherung sind typischerweise folgende Dokumente und Informationen erforderlich:
- Unfallanzeige: Die Unfallanzeige muss unverzüglich nach dem Unfallereignis bei der Versicherung eingereicht werden. Sie dient als erste offizielle Mitteilung über den Unfall und die möglicherweise daraus resultierenden Schäden.
- Ärztliche Invaliditätsfeststellung: Eine schriftliche Feststellung der Invalidität durch einen Arzt ist zwingend erforderlich. Diese muss innerhalb einer bestimmten Frist, die je nach Versicherungsbedingungen variieren kann, aber in der Regel bei 15 Monaten liegt, nach dem Unfall erfolgen. Die ärztliche Feststellung muss die Schädigung und den Bereich, auf den sich dieser auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Ursachen geschützt wird.
- Geltendmachung der Invaliditätsansprüche: Neben der ärztlichen Feststellung muss der Versicherungsnehmer die Invalidität innerhalb einer bestimmten Frist bei der Versicherung geltend machen. Auch hier sind in der Regel 15 Monate nach dem Unfall vorgesehen, wobei es auch hier zu Abweichungen kommen kann.
- Detaillierte Informationen zum Unfallhergang: Um den Anspruch prüfen zu können, benötigt die Versicherung detaillierte Informationen zum Unfallhergang. Dazu gehören unter anderem der Zeitpunkt des Unfalls, die Umstände, unter denen er sich ereignet hat, und mögliche Zeugen.
- Medizinische Unterlagen und Gutachten: Neben der ärztlichen Invaliditätsfeststellung können weitere medizinische Unterlagen und Gutachten erforderlich sein, um den Grad der Invalidität und die Unfallursache zu bestimmen. Dies kann beispielsweise ein detailliertes Gutachten eines Facharztes oder eines medizinischen Sachverständigen sein.
- Nachweise über vorherige Gesundheitszustände: Informationen und Dokumente zu vorherigen Gesundheitszuständen können ebenfalls relevant sein, insbesondere wenn es um die Beurteilung von Vorinvalidität oder Mitwirkungspflichten geht.
Diese Dokumente und Informationen sind entscheidend für die Prüfung von Invaliditätsansprüchen durch die Unfallversicherung. Es ist wichtig, dass Versicherungsnehmer sich frühzeitig um die Beschaffung und Einreichung dieser Unterlagen kümmern, um Fristen einzuhalten und den Anspruch erfolgreich geltend zu machen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 44 Abs. 2 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Dieser Paragraf regelt die Rechte des Versicherten bei Fremdversicherungen. In diesem Fall ist relevant, weil der Kläger ursprünglich nur mitversichert war und später als Versicherungsnehmer aufgeführt wurde. Dies beeinflusst, wer Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen kann.
- Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2016): Die AUB sind Teil der Vertragsgrundlage zwischen Versicherer und Versichertem und regeln die Einzelheiten zur Leistungspflicht, insbesondere zu den Fristen und zur Invaliditätsfeststellung. Dies ist zentral, da die Versäumung der Frist zur Invaliditätsfeststellung ein Hauptstreitpunkt ist.
- § 256 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph regelt das Feststellungsinteresse, das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erforderlich ist. Er ist relevant, da das Gericht die Klage des Klägers teilweise aufgrund fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig ansah.
- Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB): Dieser allgemeine Grundsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches ist in diesem Fall wichtig, weil der Kläger argumentiert, dass es der Versicherung aufgrund von Treu und Glauben verwehrt sein sollte, sich auf die Versäumung der Frist zu berufen.
- § 529 ZPO: Dieser Paragraph bestimmt die zugrunde zu legenden Tatsachen im Berufungsverfahren. Er ist hier wesentlich, da er den Rahmen dafür setzt, welche Fakten das Gericht in seiner Entscheidung berücksichtigen darf und welche nicht.
➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Saarbrücken
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 41/23 – Urteil vom 18.10.2023
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 27. März 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 142/22 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Unfallversicherung wegen eines vermeintlichen Unfallereignisses vom 5. August 2019. Der Kläger war damals versicherte Person eines von der Mutter des Klägers, der Zeugin C. (vormals G.) bei der Beklagten unterhaltenen privaten Unfallversicherungsvertrages (Versicherungsschein Nr. xxx vom 30. September 2016, Bl. 6 GA) mit dem Leistungsumfang „Comfort Plus“ (Invalidität mit Progression 225 %, Grundsumme 30.000,- Euro, Vollinvalidität 67.500,- Euro, Todesfallsumme 10.000,- Euro); später ausgefertigte Versicherungsscheine Nr. xxx und – xxx vom 4. und 10. September 2019 (Bl. 4, 8 GA) weisen den Kläger als Versicherungsnehmer und versicherte Person aus und enthalten z.T. verbesserte Leistungen. Bestandteil des Vertrages sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Debeka-AUB 2016, Anlage B 1). Der Kläger begab sich am 6. August 2019 in ärztliche Behandlung wegen geklagter Beschwerden am linken Knie. Am 22. Oktober 2019 wurde er durch Herrn Dr. M., Dillingen, operiert (Operationsbericht Bl. 14 GA), in den Folgejahren erfolgten weitere Operationen. Der Kläger meldete Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag bei der Beklagten an, wobei er dieser zunächst telefonisch mitteilte, dass sein Kreuzband und sein Innenmeniskus gerissen seien und dass er ein Schadendatum nicht genau benennen könne. In einer schriftlichen Unfallschadensanzeige vom 11. Dezember 2019 (Anlage B 2), die von einem Versicherungsvertreter der Beklagten ausgefüllt und vom Kläger unterschrieben wurde, gab der Kläger an, dass er Verletzungen am Innen- und Außenmeniskus und einen Kreuzbandriss erlitten habe; weiter heißt es unter dem Punkt „Unfallschilderung“: „Es ist nicht bekannt, ob es beim Sport oder der Arbeit aufgetreten ist, da nach Arbeitstag und Sport ein seltsames Gefühl im Knie war.“ Unter dem Punkt „Wurde der Unfall durch einen äußeren Einfluss (z.B. Stein, Bodenunebenheit, schadhafte Treppe / Bürgersteig, Glatteis o.ä.) herbeigeführt?“ heißt es: „Lauf für Aufbautraining im Dillinger Wald.“ Am Ende der Schadensanzeige findet sich eine Schlusserklärung, wonach der Kläger mit seiner Unterschrift den Erhalt insbesondere des Informationsblattes „Wichtige Hinweise für die Unfallversicherung“, in dem er über die Anspruchsvoraussetzungen und Fristen für eine Invaliditätsleistung informiert wurde, bestätigte. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 (Anlage B 4) lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab, weil nicht nachvollziehbar sei, wie sich ein Schaden überhaupt ereignet habe und ein versichertes Unfallereignis nicht erkennbar sei. Der Kläger übersandte der Beklagten medizinische Unterlagen, darunter den vorgenannten Operationsbericht, und ließ die Beklagte über seinen Prozessbevollmächtigten wiederholt erfolglos auffordern, ihre Einstandspflicht anzuerkennen.
Der Kläger hat am 7. Juni 2022 Klage auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag für eine Verletzung anlässlich eines Lauftrainings im Dillinger Wald vom August 2019 erhoben. Er hat behauptet, er sei bei einem Aufbautraining im Rahmen eines Laufs durch den Wald in Dillingen am 5. August 2019 bei einer schnellen Ausweichbewegung einer auf dem Weg liegenden Tüte ausgewichen, später habe er ein seltsames Gefühl im Knie verspürt und sich in ärztliche Behandlung begeben. Infolge dieses Ereignisses habe er eine komplexe Läsion des Innenmeniskus mit horizontaler und vertikaler Risskomponente erlitten, an deren Folgen er immer noch leide. Entgegen der ursprünglichen Erwartung könne aktuell auch davon ausgegangen werden, dass es sich um eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit handele. Trotz weiterer Operationen, zuletzt im Jahre 2022, sei es nicht gelungen, eine vollständige Funktionsfähigkeit des Knies herbeizuführen. Hinsichtlich der fehlenden Vorlage einer ärztlichen Invaliditätsbescheinigung hat der Kläger behauptet, das Schreiben der Beklagten mit der Überschrift „Wichtige Hinweise für die Unfallversicherung“ (Anlage B 8) nicht erhalten zu haben. Überdies sei es der Beklagten auch nach Treu und Glauben versagt, sich auf den Ablauf der Frist zur Vorlage einer ärztlichen Invaliditätsbescheinigung zu berufen.
Die Beklagte ist der Feststellungsklage entgegengetreten. Sie hat den Kläger für nicht aktivlegitimiert gehalten, da die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt des angeblichen Versicherungsfalles vereinbarungsgemäß nur der Zeugin V. als Versicherungsnehmerin zugestanden habe, und das Vorliegen eines Versicherungsfalles in Abrede gestellt. Zudem fehle es an einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung binnen 24 Monaten nach dem Unfall; diesbezüglich habe sie dem Kläger zusammen mit der Unfallschadensanzeige ein Hinweisschreiben mit „wichtigen Hinweisen für die Unfallversicherung“ zur Verfügung gestellt, mit dem sie den Versicherten über die Einhaltung der erforderlichen Fristen belehrt habe (Anlage B 3), dessen Erhalt der Kläger auch durch seine Unterschrift bestätigt habe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin C. und mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 110 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es fehle schon auf Grundlage des Vortrages des Klägers an hinreichender Darlegung zum Eintritt einer bedingungsgemäßen Invalidität binnen 24 Monaten nach dem Unfall, zudem auch an einer entsprechenden schriftlichen Feststellung durch einen Arzt. Der Beklagten sei es auch nicht verwehrt, sich auf das Fristversäumnis zu berufen, nachdem sie den Kläger mit ihrem ihm überreichten Hinweisschreiben (Anlage B8) über die formalen Voraussetzungen des Anspruchs belehrt habe, und ihr Berufen auf das Fehlen auch nicht treuwidrig sei. Dementsprechend könne dahinstehen, ob der Kläger überhaupt einen bedingungsgemäßen Unfall erlitten habe, und ob er zur Geltendmachung des Anspruchs aktivlegitimiert sei.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vortrages sein früheres Begehren weiter. Er beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht die Erteilung eines ausreichenden Hinweises auf die formalen Anspruchsvoraussetzungen der von ihm begehrten Invaliditätsleistung zu Unrecht unterstellt habe; insoweit habe das Landgericht verkannt, dass er das Formular mit der entsprechenden Bestätigung nicht selbst ausgefüllt, sondern nach Beantwortung der Fragen des Versicherungsvertreters lediglich unterschrieben habe; dabei sei die Vorlage ärztlicher Unterlagen nicht erwähnt worden.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 27. März 2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az. 14 O 142/22, festzustellen, dass die Beklagte eintrittspflichtig ist gemäß der zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherung mit der Versicherungs-Nr.: xxx für eine Verletzung anlässlich eines Lauftrainings im Dillinger Wald vom August 2019.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 5. Dezember 2022 und 27. Februar 2023 (Bl. 62 ff., 103 ff. GA) sowie des Senats vom 27. September 2023 (Bl. 180 ff. GA) verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Kläger günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO). Der Kläger, der nach seinem Vorbringen erkennbar Leistungen wegen eines unfallbedingten Dauerschadens von der Beklagten begehrt, hat, ungeachtet der Unzulässigkeit der von ihm erhobenen Feststellungsklage, keine Leistungsansprüche aus dem bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherungsvertrag.
1.
Freilich bestehen schon durchgreifende Bedenken daran, die vorliegende Feststellungsklage überhaupt als zulässig anzusehen, worauf der Senat den Kläger hingewiesen hat. Ist dem Kläger nämlich eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm regelmäßig das – auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfende – besondere Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (BGH, Urteil vom 13. April 2022 – IV ZR 60/20, VersR 2022, 817; Senat, Urteil vom 30. September 2022 – 5 U 107/21, VersR 2023, 37, jew. m.w.N.). So liegt es auch hier; denn es ist nicht ansatzweise dargetan oder ersichtlich, weshalb der Kläger, dem das behauptete Unfallgeschehen und die anschließenden Abläufe bekannt sind und der nach seinem Vorbringen offenkundig – nur – Leistungen wegen einer dadurch bedingten Invalidität am linken Knie begehrt, außerstande sein sollte, seinen vermeintlichen Dauerschaden und einen darauf gestützten Zahlungsanspruch anhand der Vertragsunterlagen zu beziffern. Auch liegt – entgegen der Ansicht des Landgerichts – hier kein Fall vor, in dem schon das Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten werde. Zwar kann von einem beklagten Versicherer grundsätzlich erwartet werden, dass er auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin seinen rechtlichen Schadensersatzverpflichtungen nachkommt, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1999 – VI ZR 195/98, VersR 1999, 1555). Diese Erwartung ist hier jedoch nicht gerechtfertigt, auch unbeschadet der Tatsache, dass sich die Beklagte nicht explizit gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage wendet. Denn die Beklagte hat den ihr gegenüber geltend gemachten Anspruch auf Invaliditätsleistung nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach bestritten, nämlich außer dem Vorliegen eines Unfalles und der formalen Anspruchsvoraussetzungen auch jeglichen Eintritt einer relevanten Invalidität dezidiert in Abrede gestellt. Schon daran scheitert die Klage und das Rechtsmittel des Klägers gegen das sie abweisende landgerichtliche Urteil.
2.
Die Klage ist aber auch unbegründet, was der Senat, ungeachtet der an sich vorrangigen Frage des Feststellungsinteresses, hier ausnahmsweise entscheiden kann. Zwar ist das Vorhandensein eines Feststellungsinteresses von Amts wegen zu prüfen und eine Feststellungsklage grundsätzlich als unzulässig abzuweisen, wenn das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt; die Feststellungsklage kann auch dann aber als unbegründet abgewiesen werden, wenn die sachlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (BGH, Urteil vom 4. September 2019 – XII ZR 52/18, NJW 2020, 683; Senat, Urteil vom 30. September 2022 – 5 U 107/21, VersR 2023, 37; vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 – II ZR 3/53, BGHZ 12, 308, 316; RG, Urteil vom 25. August 1935 – V 32/38, RGZ 158, 145, 152). Das ist hier der Fall. Die vom Kläger begehrte Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten kann nicht getroffen werden, weil mit der Klage geltend gemachte Ansprüche aus dem behaupteten Ereignis vom 5. August 2019, insbesondere solche auf Zahlung von Invaliditätsleistung, unbegründet sind.
a)
Die – an sich vorrangig zu klärende – Frage, ob der Kläger selbst – als zum Unfallzeitpunkt lediglich mitversicherte Person des damals noch von seiner Mutter unterhaltenen Versicherungsvertrages – zur Geltendmachung seines Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag berechtigt ist, hat das Landgericht offengelassen; sie ist hier nach den Umständen zu bejahen. Zwar enthalten die Versicherungsbedingungen der Beklagten in Ziff. 12.1 AUB 2016 eine Regelung, wonach bei der Fremdversicherung die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag nicht dem Versicherten, sondern dem Versicherungsnehmer zusteht; dadurch wird die – dispositive – gesetzliche Bestimmung des § 44 Abs. 2 VVG, die weitergehende Rechte des Versicherten vorsieht, abbedungen. Solche Regelungen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind auch grundsätzlich wirksam; sie dienen dem Zweck, Belastungen des Versicherers zu verhindern, die daraus resultieren können, dass er sich andernfalls mit einer Vielzahl ihm möglicherweise unbekannten Personen auseinandersetzen müsste, anstatt sich allein mit dem Versicherungsnehmer als seinem Vertragspartner auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41, 327; Urteil vom 4. Mai 1983 – IVa ZR 106/81, VersR 1983, 823; Urteil vom 11. März 1987 – IV a ZR 240/85, NJW-RR 1987, 856; zur Unfallversicherung Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., Ziff. 12 AUB 2014 Rn. 2). Anders liegt es aber, wenn dieser Zweck nicht tangiert wird, insbesondere weil der Versicherungsnehmer zu erkennen gegeben hat, dass er den Anspruch von sich aus nicht weiter verfolgen will: In diesem Fall kann der Versicherer einer vom Versicherten selbst erhobenen Klage nicht entgegenhalten, dass es ihm an der Klagebefugnis fehle (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1964 – II ZR 153/61, BGHZ 41, 327; Urteil vom 4. Mai 1983 – IVa ZR 106/81, VersR 1983, 823; Knappmann, a.a.O., Ziff. 12 AUB 2014 Rn. 2). So liegt es auch hier, nachdem der Kläger ausweislich der von ihm vorgelegten aufeinanderfolgenden Ausfertigungen des Versicherungsscheins seit 4. September 2019, d.h. nach dem behaupteten Unfall, selbst Versicherungsnehmer ist, mit der Beklagten in der Folge – auch über seinen Prozessbevollmächtigten – hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ansprüche korrespondiert hat, worauf diese sich eingelassen hat, und nicht ersichtlich ist, dass die Mutter des Klägers als frühere Versicherungsnehmerin selbst noch an der Geltendmachung von Ansprüchen interessiert sein könnte. Bei dieser Sachlage bestand aus Sicht der Beklagten kein Anlass zur Befürchtung, sich fortan mit einer Vielzahl von Anspruchsgegnern auseinandersetzen zu müssen. Deshalb vermag sie sich auch im vorliegenden Rechtsstreit gegenüber dem Kläger nicht auf eine nach Ziff. 12.1 AUB 2016 an sich fehlende Klagebefugnis zu berufen.
b)
Allerdings bestehen in der Sache keine Ansprüche des Klägers. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt der Eintritt eines Versicherungsfalles (Ziff. 1.3, 1.4 AUB 2016) schlüssig dargetan wurde, hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass die vom Kläger mit seiner Klage – ersichtlich – beanspruchte Invaliditätsleistung hier an der von Ziff. 2.1.1.2 AUB 2016 geforderten Vorlage einer fristgerecht getroffenen ärztlichen Feststellung scheitert.
aa)
Gemäß Nr. 2.1.1.2 AUB 2016 ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass die Invalidität – d.h.: eine unfallbedingte dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der versicherten Person, vgl. Ziff. 2.1.1.1 AUB 2016 – innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfall eingetreten und von einem Arzt schriftlich festgestellt worden ist. Diese Fristenregelungen, an deren Wirksamkeit weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch unter demjenigen der Transparenz Zweifel bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 – IV ZR 39/11, VersR 2012, 1113 m.w.N.), zielen darauf ab, dem Versicherer eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht zu bieten, außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Fristen, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt daher selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2015 – IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Urteil vom 7. März 2007 – IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114; Senat, Urteil vom 5. August 2022 – 5 U 97/20, VersR 2022, 1362). Im Streitfall fehlt es an einer solchen Feststellung einer Invalidität durch einen Arzt. Diese muss, um den Anforderungen zu genügen, die Schädigung und den Bereich, auf den sich diese auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstrecken muss (BGH, Urteil vom 1. April 2015 – IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Senat, Urteil vom 5. August 2022 – 5 U 97/20, VersR 2022, 1362). Wie das Landgericht zutreffend ausführt, erfüllen die vom Kläger erstinstanzlich vorgelegten ärztlichen Unterlagen – hier nur: der Operationsbericht vom 22. Oktober 2019, Bl. 14 GA – diese Anforderungen nicht, weil darin lediglich die Beschwerden des Klägers und die Art und Weise ihrer Behandlung umschrieben, Feststellungen zu einem unfallbedingten Dauerschaden aber nicht getroffen werden. Nichts anderes gilt für die mit der Berufung vorgelegte fachärztliche Bescheinigung vom 23. Mai 2023 (Bl. 153 GA), die ungeachtet des zwischenzeitlichen Fristenablaufes ebenfalls keinen Bezug zu einem konkreten Unfallereignis herstellt und damit aufgrund ihres Inhaltes formal ungeeignet ist, die Anforderungen an eine bedingungsgemäße ärztliche Feststellung zu erfüllen.
bb)
Der Beklagten ist es nicht versagt, sich gemäß § 186 Satz 2 VVG auf die unterbliebene fristgerechte Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens zu berufen. Ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger bis zuletzt keine ausreichende ärztliche Feststellung vorgelegt hat und der sich daran anschließenden Frage, ob auch diese Anspruchsvoraussetzung im Rahmen des § 186 VVG durch entsprechende Feststellungen im Rechtsstreit ersetzt werden könnte (so noch Senat, Urteil vom 3. Juli 2013 – 5 U 69/12-10, ZfS 2014, 219; a.A. OLG Hamm, Beschluss vom 4. November 2015 – 20 U 188/15, juris; OLG Düsseldorf, RuS 2018, 87; zum Meinungsstand umfassend Jacob, Unfallversicherung 3. Aufl., Ziff. 2.1 AUB Rn. 110d), käme das allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den nach § 186 Satz 1 VVG bei Anzeige eines Versicherungsfalles gebotenen, in Textform zu erteilenden Hinweis auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen unterlassen hätte. Ein solcher – ausreichender – Hinweis ist hier jedoch, entgegen der mit der Berufung wiederholten Ansicht des Klägers, bei Anzeige des Versicherungsfalles erteilt worden. Zu Recht verweist das Landgericht in dem angefochtenen Urteil auf die unwidersprochen gebliebene Darstellung der Beklagten, wonach dem Kläger bereits mit Schreiben vom 13. November 2019 (Anlage B8 = Bl. 86 f. GA) neben der Unfallschadensanzeige auch das Merkblatt mit wichtigen Informationen zur Unfallversicherung übersandt wurde, das einen solchen ausdrücklichen und inhaltlich zutreffenden Hinweis auf die entsprechende Fristenregelung enthielt. Der Senat hat, auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Klägers, keine Zweifel daran, dass der Kläger dieses Schreiben einschließlich des ihm beigefügten Hinweises erhalten hat (§ 286 ZPO), nachdem der Kläger die ausgefüllte Unfallanzeige (Anlage B3), in der er auch den Erhalt dieses Merkblattes durch seine Unterschrift bestätigte, später zwecks Geltendmachung von Ansprüchen an die Beklagte übermittelte, wohingegen die vom Landgericht antragsgemäß vernommene Zeugin V. auf entsprechende ausdrückliche Nachfragen keine belastbaren Angaben zu diesem Schreiben machen, insbesondere nicht sicher sagen konnte, welche Unterlagen ihm beigefügt waren (Bl. 105 GA; vgl. zu den Anforderungen an den Nachweis Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 186 Rn. 10). Die mit der Berufung erhobene Rüge des Klägers, das Landgericht habe bei all dem übersehen, dass die Unfallanzeige von dem Vermittler der Beklagten ausgefüllt worden sei, weshalb die Formulierungen in Bezug auf den erhaltenen Hinweis „zumindest unglücklich“ gewählt seien (Bl. 142 GA), stellt das nicht ansatzweise in Frage. Dass der Kläger das ihm vorab übersandte Formular nicht gelesen, sondern nur auf Fragen des Vermittlers hin beantwortet haben will, ändert nichts daran, dass die Beklagte durch die schon zuvor erfolgte Übersendung des Hinweises ihrer Pflicht nach § 186 Satz 1 VVG genügte und danach allenfalls bei entsprechendem Anlass – für den hier, wie nachfolgend noch auszuführen ist, jedoch nichts ersichtlich ist – zu einer erneuten Belehrung des Klägers gehalten gewesen wäre.
cc)
Der Beklagten ist es im Streitfall auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das Fehlen einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Invalidität zu berufen. Nach der gefestigten, noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 186 VVG entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung (zur Frage ihrer Fortgeltung BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 – IV ZR 73/18, VersR 2019, 931; dort offenlassend) kann die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, sodass die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt (BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 – IV ZR 273/03, VersR 2005, 639). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt (BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 – IV ZR 273/03, VersR 2005, 639; Urteil vom 30. November 2005 – IV ZR 154/04, VersR 2006, 352). Hiervon ausgehend, hat der Senat entschieden, dass der Versicherer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer zusätzlichen (erläuternden) Belehrung verpflichtet sein kann, wenn der Versicherte trotz des Hinweises nach § 186 VVG im Unklaren ist, was von ihm zur Geltendmachung und Wahrung seiner Ansprüche zu veranlassen ist, etwa, wenn der Versicherer innerhalb der Frist erkennt, dass der Versicherte Invalidität geltend machen will, das von ihm vorgelegte ärztliche Attest den Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung aber nicht genügt oder gar gänzlich fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 5. August 2022 – 5 U 97/20, VersR 2022, 1362; Urteil vom 27. April 2016 – 5 U 36/15, RuS 2017, 370; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 186 Rn. 11 und Ziff. 2 AUB 2014 Rn. 30; Rixecker, in Langheid/Rixecker, a.a.O., § 186 Rn. 12). Freilich erfordert ein – ohnehin nur in Ausnahmefällen anzunehmendes, vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 – IV ZR 39/11, VersR 2012, 1113 – rechtsmissbräuchliches Handeln des Versicherers auch hier, dass die ihm bis zum Ablauf der maßgeblichen Frist zugänglichen ärztlichen Unterlagen den Eintritt eines Dauerschadens als Unfallfolge nahelegten (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – IV ZR 154/04, VersR 2006, 352; Urteil vom 22. Mai 2019 – IV ZR 73/18, VersR 2019, 931), aus dem sich ein erneuter Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers ergibt. Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein, wie das Landgericht mit zutreffender, vom Senat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens geteilter Begründung angenommen hat. Aus der vorliegenden Korrespondenz mit dem – schon lange vor Ablauf der Ausschlussfrist anwaltlich vertretenen – Kläger wird deutlich, dass die Beklagte die Unfallanzeige und die weiteren Eingaben jeweils zum Anlass genommen hat, auf ihres Erachtens bestehende Defizite in der Unfallschilderung und der ihr angekündigten ärztlichen Unterlagen hinzuweisen (Schreiben vom 23. Dezember 2019, 7. Mai 2020 und 21 Januar 2021, im Anlagenband B). Weil diese jedoch keinerlei Hinweise auf einen unfallbedingten Dauerschaden enthielten und die Beklagte nach den Umständen auch nicht annehmen musste, der Kläger sei über die formalen Anspruchsvoraussetzungen im Unklaren, bestand für sie kein Anlass, diesen im Anschluss an ihren ordnungsgemäßen Hinweis nach Treu und Glauben erneut auf die laufenden Fristen hinzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 3, 4 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat schätzt das – maßgebliche – Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, seinen eigenen, auch schon vom Landgericht unwidersprochen zugrunde gelegten Vorstellungen entsprechend, unter Berücksichtigung des bei Feststellungsklagen üblichen Abschlages von 20 Prozent, auf 10.000,- Euro.