OLG Sachsen, Az.: 4 U 47/14, Urteil vom 14.01.2016
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juli 2014, Az.: 4 O 611/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung wegen eines Verkehrsunfalles ihres mitversicherten Sohnes geltend.
Die Klägerin unterhielt als Versicherungsnehmerin bei der Beklagten eine Unfallversicherung, die unter Geltung der V. AUB 2008 (Bl. 5 – 29 Anlagenband) ausweislich des am 19. Juni 2009 ausgefertigten Ersatzversicherungsscheins (Bl. 1 – 4 Anlagenband) für ihren am 15. Mai 1986 geborenen Sohn J. K. bei Vollinvalidität eine Leistung in Höhe von 190.000,– € vorsieht.
Am 17. Juli 2009 befuhr J. K. zwischen 20:00 und 21:00 Uhr im alkoholisierten Zustand – die Höhe der Blutalkoholkonzentration ist zwischen den Parteien umstritten – mit einem im Eigentum des T. N. stehenden Quad Yamaha in K. ohne einen für das Fahrzeug erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag öffentliche Straßen. Das Quad, für das seit April 2008 die Hauptuntersuchung ausstand, war am 8. April 2009 außer Betrieb gesetzt worden (Bl. 29 der beigezogenen Ermittlungsakte zu 339 Js 20994/09). Nach Durchfahren einer langgestreckten Linkskurve kam J. K. von der S. Straße nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr über mehrere Feldsteine und stieß gegen einen Baum. Hierbei verletzte er sich schwer und erlitt unter anderem eine chronisch spastische Querschnittslähmung.
Ein gegen ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Haftpflichtversicherungsvertrag geführtes Strafverfahren (beigezogene Ermittlungsakte zu 393 Js 20994/09) wurde, nachdem J. K. gegen einen zunächst erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, am 14. September 2010 vom Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen nach § 153a StPO eingestellt.
Ein zuvor von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau eingeholtes Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. E. H. vom 22. September 2009 (Bl. 34 – 70 zu 393 Js 20994/09) stellte beim Quad an der Vorderbereifung sowie an der Vorderbremse wegen eines unzulässig langen Leerwegs des Handbremshebels erhebliche Mängel mit möglicher unfallbegünstigender Wirkung fest.
Nachdem die Klägerin der Beklagten eine schriftliche Unfall-Schaden-Anzeige nebst ärztlicher Bescheinigung vom 22. Juli 2009 (Bl. 30, 31 Anlagenband) zugeleitet hatte, in der ein Blutalkoholwert von 0,895 0/00 g/l vermerkt worden war, wies die Beklagte mit Schreiben vom 3. März 2010 (Bl. 79 Anlagenband) u. a. darauf hin, dass für eine Invaliditätsleistung innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eine schriftliche ärztliche Invaliditätsfeststellung bei ihr einzureichen sei.
Mit weiterem Schreiben vom 23. September 2010 (Bl. 33 Anlagenband) lehnte die Beklagte eine Einstandspflicht ab, da nach den Versicherungsbedingungen eine Leistung für Unfälle infolge vorsätzlicher Straftaten ausgeschlossen sei, stellte aber für den Fall, dass sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens – gemeint war offenbar das gegen J. K. vor dem Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen anhängige Strafverfahren – ein anderer Sachverhalt ergeben sollte, eine erneute Prüfung ihrer Leistungspflicht in Aussicht.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Sohn habe das gegenständliche Quad vor dem Unfall ständig, ebenso wie weitere Personen auch, im Einvernehmen mit dem Eigentümer N. genutzt. Eine fehlende Zulassung und das Fehlen eines erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrages für das Fahrzeug seien ihrem Sohn hingegen nicht bewusst gewesen.
Auch habe bei ihrem Sohn keine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit oder Bewusstseinsstörung zur Unfallzeit vorgelegen. Den in der Unfall-Schaden-Anzeige angegebenen Blutalkoholwert von 0,895 0/00 hat sie als unzutreffend bestritten. Der Unfall, so ihre weitere Behauptung, beruhe nicht auf einem alkoholbedingten Fahrfehler, sondern sei vielmehr allein den ihrem Sohn zuvor nicht bekannten Mängeln des Fahrzeugs anzulasten.
Auf den Ablauf der Ausschlussfrist nach Ziff. 2.1.1.1 der V. AUB 2008 könne sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht berufen, da ihr bereits vor Fristablauf mehrere ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich eine Querschnittslähmung ihres Sohnes und eine unzweifelhaft damit verbundene Invalidität ergab, zugeleitet worden seien. Zudem habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23. September 2010 den Anschein erweckt, dass es für ihre Einstandspflicht nicht mehr auf eine Fristeinhaltung, sondern allein noch auf einen möglichen Ausschlussgrund wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat ankäme.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte für den durch das Unfallgeschehen vom 17. Juni 2009 gegen 20:36 Uhr schwer verletzten J. K. einstandspflichtig ist und hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie 190.000,– € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. September 2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten und vertritt dies weiterhin, dass sie bereits deshalb leistungsfrei geworden sei, weil die Klägerin die Ausschlussfrist nach Ziff. 2.1.1.1 der V. AUB 2008 nicht eingehalten habe. Der Hinweis auf die Notwendigkeit einer fristgemäß einzureichenden ärztlichen Invaliditätsbescheinigung in ihrem Schreiben vom 3. März 2010 sei eindeutig und unmissverständlich gewesen, weshalb es eines erneuten Hinweises nicht bedurft habe.
Zudem sei eine Leistungspflicht aber auch deshalb ausgeschlossen, weil der Sohn der Klägerin den Unfall durch die Begehung vorsätzlicher Straftaten, und zwar eines unerlaubten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen (§ 248b StGB) sowie eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz, verursacht habe. Schließlich könne die Klägerin aber auch deshalb keine Leistung beanspruchen, weil der Unfall trotz vorhandener Fahrzeugmängel zumindest mitursächlich auch auf einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung ihres Sohnes beruhe. Angesichts einer ärztlicherseits ordnungsgemäß festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,895 0/00 sei – ungeachtet eines zum Unfallzeitpunkt aufgrund einer Rückrechnung höher anzunehmenden Wertes – von einem alkoholbedingten Fahrfehler des J. K. auszugehen, da der Unfall ansonsten wegen einer fehlenden Fremdbeteiligung und dem langgestreckten Kurvenverlauf am Unfallort selbst bei Berücksichtigung vorhandener Mängel des Fahrzeugs nicht plausibel erklärbar sei.
Nachdem zur Frage, ob der Eigentümer T. N. dem Sohn der Klägerin und weiteren Personen vor dem Unfall die Benutzung des Quads gestattet habe (Bl. 108 Bd. I d. A.), zunächst Beweis durch Vernehmung der Zeugen T. M. , J. S. , L. Ha. , J. D. und T. N. (Bl. 121 – 133 Bd. I d. A.) erhoben worden ist, hat das Landgericht mit Urteil vom 11. Juli 2014 (Bl. 156 – 165 Bd. II d. A.) die Beklagte auf den Hilfsantrag verurteilt, an die Klägerin 190.000,– € nebst Zinsen zu zahlen und die Klage wegen des primär erhobenen Feststellungsantrags abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe als Versicherungsnehmerin Anspruch auf Zahlung der in der Unfallversicherung für eine Vollinvalidität ihres Sohnes J. K. vorgesehenen Betrages von 190.000,– €, da es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf eine nicht fristgemäße Einreichung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung zu berufen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei eine Einstandspflicht auch nicht deshalb nach Ziff. 5.1.2 der V. AUB 2008 ausgeschlossen, weil der Unfall durch die vorsätzliche Ausführung einer Straftat verursacht worden sei. Aufgrund der Zeugenangaben sei vielmehr davon auszugehen, dass dem Sohn der Klägerin der fehlende Haftpflichtversicherungsschutz nicht bewusst gewesen sei und er das Fahrzeug im Einverständnis mit dem Eigentümer N. genutzt habe. Dessen ungeachtet wäre der Versicherungsschutz aber selbst bei Annahme einer vorsätzlichen Straftat nicht beeinträchtigt, weil sich der Unfall in einem solchen Fall lediglich bei Gelegenheit eines solchen Delikts ereignet hätte.
Ebenso wenig sei aber auch eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung als Unfallursache nach Ziff. 5.1.1 AUB V. 2008 nachgewiesen. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang von einer Blutalkoholkonzentration von 0,895 0/00 ausginge, fehle es letztlich am Nachweis eines alkoholbedingten Fahrfehlers des Geschädigten. Das Abkommen nach rechts in einer Linkskurve ohne Ausweichreaktion reiche hierfür nicht aus, wenn man daneben die unfallbegünstigenden Mängel des Quads mit in die Betrachtung einschließe.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Abweisung der Klage verfolgt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts dazu, dass der Sohn der Klägerin keine vorsätzliche Straftat begangen habe, sei unverständlich und nicht haltbar. Auch die Argumentation, ein entsprechender Leistungsausschluss könne deshalb nicht zum Zuge kommen, weil sich der Unfall allenfalls bei Gelegenheit der Straftaten ereignet habe, erweise sich als rechtsfehlerhaft, da für einen Leistungsausschluss jede Form einer Gefahrerhöhung zwischen begangener Straftat und Unfall genüge. Ebenso sei die Verneinung einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung durch das Landgericht rechtsfehlerhaft. Angesichts der örtlichen Verhältnisse und des objektiven Unfallverlaufes müsse zumindest von einer den Leistungsausschluss rechtfertigenden Mitursächlichkeit der Alkoholisierung für den Unfall ausgegangen werden.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Vertiefung ihres bisherigen tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.
II.
Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.
Eine Aktivlegitimation bzw. Prozessführungsbefugnis der Klägerin für die geltend gemachten Invaliditätsleistungen steht außer Frage. Selbst wenn die geforderte Versicherungsleistung im Innenverhältnis nicht der Klägerin als Versicherungsnehmerin, sondern, da es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung nach § 179 Abs. 1 Satz 2 VVG handelt, letztlich ihrem Sohn gebührt, steht gemäß Ziff. 13.1 der V. AUB 2008 die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag allein der Klägerin als Versicherungsnehmerin zu, weshalb diese auch berechtigt ist, Zahlung der Leistung an sich zu verlangen und nicht etwa gehalten ist, auf Zahlung an ihren Sohn als Versicherten zu klagen.
Der geltend gemachte Leistungsanspruch der Klägerin aus der gegenständlichen Unfallversicherung scheitert zwar nicht an einer Versäumung der Ausschlussfrist nach Ziff. 2.1.1.1 V. AUB 2008 (1), ihm steht jedoch der Ausschlussgrund aus Ziff. 5.1.2 der V. AUB 2008 entgegen (2), da nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass der Versicherte J. K. eine vorsätzliche Straftat nach § 6 Abs. 1 PflVersG beging (a) und zudem ein notwendiger Adäquanzzusammenhang zwischen Ausübung dieser Straftat und dem Verkehrsunfall vorliegt (b). Darauf, ob außerdem noch weitere Ausschlussgründe dem Anspruch entgegenstehen, kommt es deshalb nicht weiter an (3).
1.
Entsprechend Ziff. 2.1.1.1 der V. AUB 2008 muss die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten sein sowie innerhalb gleicher Frist von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Beklagten geltend gemacht werden, worauf die Beklagte die Klägerin zunächst auch mit Schreiben vom 3. März 2010 entsprechend § 186 VVG hingewiesen hat.
Es kann dahinstehen, ob man in dem der Beklagten fristgemäß zugesandten ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. vom 23. März 2010, der die auch nach einem Laienverständnis unzweifelhaft mit einer dauernden Invalidität einhergehende chronisch spastischen Querschnittslähmung eindeutig feststellt, bereits eine ausreichende ärztliche Invaliditätsfeststellung sehen möchte oder nicht. Denn der Beklagten ist es jedenfalls angesichts der konkreten Umständen redlicherweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf einen möglichen Fristablauf zu berufen. Vor allem mit ihrem späteren Schreiben vom 23. September 2010 (Bl. 33 Anlagenband) hat die Beklagte auch in Kenntnis der hier in Rede stehenden Verletzung einer chronisch spastischen Querschnittslähmung für die Klägerin unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass es ihr unabhängig eines gar nicht mehr erwähnten Fristablaufs für eine Regulierung des Unfalls allein noch auf den Wegfall des Versicherungsschutzes wegen der vorsätzlichen Ausführung einer Straftat ankam. Zur weiteren Begründung wird an dieser Stelle auf die den Parteien bekannten und weiterhin zutreffenden Ausführungen des Senats in dem Beschluss vom 19. Juli 2013, Az.: 4 W 6/13, Bl. 85 – 88 Bd. I d. A., verwiesen.
2.
Die Klägerin hat jedoch nach Maßgabe von Ziff. 5.1.2 der V. AUB 2008 keinen Anspruch auf die geltend gemachten Invaliditätsleistungen, weil ihrem Sohn der Verkehrsunfall dadurch zugestoßen ist, dass er vorsätzlich gegen den Straftatbestand des § 6 Abs. 1 PflVersG verstoßen hat.
a. Der Senat hat nach Erteilung eines entsprechenden rechtlichen und tatsächlichen Hinweises (Beschluss vom 2. April 2015, Bl. 102 bis 105 Bd. III d. A.) im mündlichen Termin vom 3. Dezember 2015 Beweis durch die Einvernahme der Zeugen J. K. , S. F. und T. N. zu den Umständen der Nutzung des gegenständlichen Quads im Zeitraum April 2008 bis Juli 2009 erhoben (Sitzungsprotokoll vom 3. Dezember 2015, Bl. 148 bis 155 Bd. III d. A.).
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest: Der Versicherte J. K. hat zumindest billigend im Sinne eines bedingten Vorsatzes in Kauf genommen, dass das Quad keinen auch aus seiner Sicht notwendigen Haftpflichtversicherungsschutz aufwies, als er sich am Abend des 17. Juli 2009 entschloss, damit auf öffentlichen Straßen, unter anderem unter Benutzung der S. Straße, vom Gehöft des T. N. zu dessen etwa 1 – 2 km entfernt liegenden Entenwiese zu fahren.
Der Zeuge J. K. hat eingeräumt, dass er das Quad bereits in den letzten zwei Jahren vor dem Unfall ständig genutzt habe, und, als er dieses am 17. Juli 2009 führte, gewusst zu haben, damit auf öffentlichen Straßen zu fahren.
Demgegenüber hat er in Abrede gestellt, gewusst zu haben, dass das Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war. So habe er weder in der Zeit zuvor noch am Unfalltag darauf geachtet, ob an dem Quad eine Kennzeichentafel angebracht oder nicht angebracht gewesen sei. Auch habe er sich keine Vorstellung darüber gemacht, ob ein Quad überhaupt haftpflichtversichert sein müsse und welche Bedeutung einem Kfz-Kennzeichen überhaupt zukomme. Da jedoch T. N. als Eigentümer des Fahrzeugs und auch weitere Personen das Quad ebenfalls ständig genutzt hätten, habe er letztlich darauf vertraut, dass damit alles in Ordnung sei.
Diese Angaben sind unglaubhaft und stellen eine bloße Schutzbehauptung dar. Der Senat ist davon überzeugt, dass J. K. , dem mit Blick auf die geforderte Invaliditätsleistung ein besonderes Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens zukommt, zumindest im Sinne eines dolos eventualis ernsthaft mit dem Fehlen eines notwendigen Haftversicherungsschutzes rechnete, als er sich zur Nutzung des Fahrzeugs am Unfalltag entschloss.
Der Senat erachtet für ausgeschlossen, dass J. K., obwohl er das Quad nach eigenen Angaben bereits rund zwei Jahre vor dem Unfall ständig nutzte, das Vorhandensein der ursprünglich am Fahrzeug angebrachten Kennzeichentafel und deren anschließendes Fehlen vor dem Unfall nicht bemerkte.
Auch die weiteren Angaben des Zeugen dazu, nicht gewusst zu haben, welche Bedeutung einem Kfz-Kennzeichen zukomme und die behauptete Unkenntnis, dass man für die Nutzung des Quads im öffentlichen Verkehrsraum einen Haftpflichtversicherungsvertrag benötige, sind unglaubhaft und haltlos.
Da J. K. über eine Fahrerlaubnis verfügte und kurz vor dem Unfall einen eigenen Pkw Mercedes erworben hatte, war er sehr wohl mit der Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung als Voraussetzung für die Zulassung eines Kraftfahrzeugs und mit der Bedeutung von Kennzeichentafeln vertraut. Hinzu kommt, dass er, wenngleich auch als Heranwachsender und mehrere Jahre zurückliegend, bereits Erfahrungen mit dem Straftatbestand des § 6 Abs. 1 PflVersG gesammelt hatte. So war er wegen Führens eines Traktors am 10. Juni 2005 ohne die erforderliche Fahrerlaubnis und den für das Fahrzeug erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag ausweislich der beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft Dessau, Az.: 551 Js 26960/05, zunächst polizeilich als Beschuldigter vernommen worden (Bl. 13 – 15 der Beiakte) und sah sich anschließend mit einer durch Strafbefehl vom 18. Oktober 2005 vom Amtsgericht Bitterfeld gegen ihn verhängten Geldstrafe von 15 Tagessätzen konfrontiert.
Ebenso ging J. K. nach Überzeugung des Senats davon aus, jedenfalls rechnete er ernsthaft damit, dass im öffentlichen Verkehrsraum für das Führen des Quads, bei dem es sich auch aus seiner Sicht um ein keineswegs langsames oder nur gering motorisiertes Fahrzeug handelte, ein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag vorgeschrieben ist. Die von ihm gebrachte Erklärung, der Halter J. N. und auch weitere Dritte hätten das Quad ständig benutzt, weshalb er darauf vertraut habe, dass alles seine Ordnung habe, ist fadenscheinig und unglaubhaft. Ist, wovon der Zeuge ausging, für das Fahrzeug eine Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben, spielte es auch aus seiner damaligen Sicht für eine eigene Strafbarkeit keine Rolle, ob neben ihm noch der Eigentümer des Fahrzeugs oder andere Dritte das Quad unerlaubt im öffentlichen Straßenverkehr nutzten und sich damit ebenfalls strafbar machten. Dessen ungeachtet war es nach den glaubhaften Angaben der Zeugin S. F. keineswegs so, dass das Quad ständig oder häufig auf öffentlichen Straßen geführt wurde. Ganz im Gegenteil hat die Zeugin angegeben, dass die Leute mit dem Quad entweder auf dem Acker, dem Feld der Hoffläche oder einer Seitenstraße gefahren seien, und weiter bekundet, dass die Personen eher nicht öffentliche Straßen benutzt hätten, weil das Quad nicht zugelassen gewesen sei.
Der Senat erachtet es zudem für ausgeschlossen, dass J. K. , falls er, wie vom Zeugen N. lediglich vermutet, beim Entfernen der Kennzeichentafel zugegen gewesen sein sollte, womöglich irrtümlich vom Fortbestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes ausgegangen sein könnte. Den hierzu von der Klägerin vornehmlich im Schriftsatz vom 4. Dezember 2015 angestellten Erwägungen vermag der Senat nicht näher zu treten, da sie sich auf einer nicht feststehenden, allein spekulativen Grundlage bewegen. So hat der Zeuge N. zur Anwesenheit des J. K. beim Abmontieren der Kennzeichentafel gerade keine verlässlichen Angaben machen können, wohingegen J. K. selbst seine Anwesenheit in Abrede gestellt hat. Hinzu kommt, dass auch aus Sicht des J. K. ohnehin eindeutig gewesen wäre, dass ein Entfernen der Kennzeichen nicht aus rein ästhetischen Gründen, sondern allein deshalb erfolgte, weil, wie auch der Zeuge N. bekundet hat, kein Haftpflichtversicherungsschutz für das Quad mehr bestand. Der Umstand, dass bei dieser Gelegenheit gleich der gesamte Lichtbalken, dies allerdings aus vornehmlich optischen Gründen, mit entfernt wurde, steht dem nicht entgegen.
b. Entgegen der Ansicht der Klägerin besteht zwischen der vom Versicherten J. K. vorsätzlich begangenen Straftat nach § 6 Abs. 1 Satz 1 PflVersG und dem Verkehrsunfall auch ein für den Leistungsausschluss erforderlicher Adäquanzzusammenhang.
Ausgehend von Sinn und Zweck der in Ziff. 5.1.2 AUB 2008 geregelten Klausel, die eine Ausschaltung des besonderen vom Versicherten selbst verschuldeten Risikos, das mit der Ausführung einer strafbaren Handlung gewöhnlich verbunden ist und durch die psychische Erregung und Furcht vor Entdeckung noch gesteigert wird, bezweckt, besteht Einigkeit darüber, dass ein bloßer zeitlicher – zufälliger – Zusammenhang zwischen Ausübung der Straftat und stattgefundenem Unfall für eine Versagung des Versicherungsschutzes nicht genügt. Vielmehr wird richtigerweise verlangt, dass durch die Ausführung der Straftat eine erhöhte Gefahrenlage geschaffen worden ist, die generell geeignet ist, Unfälle der eingetretenen Art zu verursachen (BGH VersR 1998, 1410). Dies setzt voraus, dass für einen Leistungsausschluss stets der mit dem jeweiligen Delikt eigentümliche Gefahrenbereich berührt sein muss (BGH VersR 1998, 1410; 1990, 1268; 1997, 90; Kessel-Wulf, R + S 2008, 315, 316).
Um aus versicherungsrechtlicher Sicht den eigentümlichen Gefahrenbereich zu bestimmen, lässt sich nur eingeschränkt auf den Schutzzweck des jeweiligen Straftatbestandes abstellen. Denn für gewöhnlich bezwecken Strafrechtsnormen nicht den Schutz eigener Rechtsgüter des Straftäters, sondern sollen vielmehr fremde Rechtsgüter vor einer Verletzung durch den Straftäter schützen. Deshalb lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht überzeugend gegen einen erforderlichen Zurechnungszusammenhang argumentieren, die Vorschrift des § 6 Abs. 1 PflVersG beabsichtige keine Verhinderung von Verkehrsunfällen, sondern bezwecke allein eine Schadensregulierung zugunsten geschädigter Dritter bzw. auf Seiten des Unfallverantwortlichen eine Haftungsbefreiung durch einen eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer für den Fall, dass bereits ein Verkehrsunfall eingetreten ist. Ausreichend und letztlich entscheidend für einen versicherungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang ist vielmehr, dass mit der vorsätzlichen Ausübung der Straftat eine tatsächliche, nicht untypische Risikoerhöhung für den eingetretenen Unfall einhergegangen ist.
Eben dies ist hier zu bejahen. Ein nicht zugelassenes Kraftfahrzeug ohne den erforderlichen Haftpflichtversicherungsschutz birgt gegenüber anderen versicherten und zum Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugen im verstärkten Maße die Gefahr, Mängel aufzuweisen, die die Verkehrstauglichkeit beeinträchtigen, was im Ergebnis ein erhöhtes Unfallrisiko bedeutet. Ein Fahrzeug, das nicht der Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr dient, wird für gewöhnlich weniger bewegt und deshalb auch nicht im gleichen Maße wie ein zugelassenes Fahrzeug gewartet und auf Mängel hin kontrolliert. Häufig wird, wie im vorliegenden Fall auch, auf die Durchführung einer Hauptuntersuchung verzichtet. Deshalb ist nach Auffassung des Senats ein für den Leistungsausschluss erforderlicher Adäquanzzusammenhang zwischen Verkehrsunfall und vorsätzlicher Begehung einer Straftat nach § 6 Abs. 1 PflVersG jedenfalls dann zu bejahen, wenn das nicht versicherte Kraftfahrzeug erhebliche Mängel aufweist, die sich im konkreten Fall unfallbegünstigend ausgewirkt haben können. Davon ist hier auszugehen. Für das gegenständliche Quad stand die notwendige Hauptuntersuchung bereits seit über einem Jahr vor dem Unfall aus. Nach dem im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingeholten Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. E. H. vom 22. September 2009 (Bl. 34 – 70 der beigezogenen Ermittlungsakte 393 Js 20994/09), auf das sich die Klägerin selbst bezogen hat, wies das Quad vor allem an der Vorderbereifung und der Vorderhandbremse wegen eines unzulässig langen Leerwegs des Bremshebels erhebliche Mängel mit potentiell unfallbegünstigender Wirkung auf.
Da im Rahmen des erforderlichen Adäquanzzusammenhangs lediglich eine generelle Risikobetrachtung geboten ist, spielt es entgegen der Auffassung der Klägerin für einen Leistungsausschluss auch keine weitere Rolle mehr, ob dem Versicherten J. K. die Mängel vor dem Unfall unbekannt geblieben waren oder ob er mit dem Vorhandensein solcher Mängel rechnete.
3.
Ob der Versicherte J. K. darüber hinaus noch weitere vorsätzliche Straftaten, die einen Leistungsausschluss nach Ziff. 5.1.2 der V. AUB 2008 in gleicher Weise rechtfertigen könnten, begangen hat, bedarf keiner weiteren Entscheidung mehr.
Allerdings geht der Senat nach der in erster und zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass neben dem vorsätzlichen Verstoß gegen § 6 Abs. 1 PflVersG weitere Straftaten ausscheiden.
So hat der Zeuge N. in seiner Vernehmung vor dem Senat eingeräumt, er habe die ihm bekannt gewesene Nutzung des Quads durch J. K. nicht verboten, sondern vielmehr hingenommen. Die Zeugin F. hat sogar bekundet, der Eigentümer N. habe J. K. am Unfalltag aufgefordert, ihm mit dem Quad zur Entenwiese zu folgen. Damit fehlt es für eine Strafbarkeit nach § 248 b StGB bereits an einem unbefugten Gebrauch des Fahrzeugs oder, sollte man einen solchen dennoch bejahen wollen, angesichts eines nicht auszuschließenden Tatbestandsirrtums jedenfalls an einem entsprechenden Vorsatz des J. K. .
Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 Abs. 1 StGB bestehen ebenfalls nicht, da für eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt des J. K. nichts ersichtlich ist.
Schließlich lässt sich ein Leistungsausschluss nach Ziff. 5.1.1 der V. AUB 2008 auch nicht auf das Vorliegen einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung stützen, da die Blutalkoholkonzentration des J. K. zur Unfallzeit unklar geblieben ist. Die in der Unfall-Schadens-Anzeige der Klägerin vom 22. Juli 2009 von der Ärztin Sch. vermerkte Blutalkoholkonzentration von 0,895 0/00 stellt nach Auffassung des Senats – zumindest nach gegenwärtigem Sachstand – keinen ausreichend verlässlichen Wert dar. Denn es bleibt offen, wann und von wem dem Versicherten J. K. eine zugrundeliegende Blutprobe entnommen und nach welchem Messverfahren sie ausgewertet wurde. Genauso wenig hat sich eine Alkoholisierung anhand der Zeugenangaben klären lassen, da unklar geblieben ist, wieviel Bier J. K. vor dem Unfall konsumierte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Zu einem Adäquanzzusammenhang zwischen Unfall und Begehung einer vorsätzlichen Straftat als Voraussetzung für einen Leistungsausschluss in der Unfallversicherung hat sich der Bundesgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits eingehend positioniert. Von diesen Grundsätzen weicht der Senat mit seinem jetzigen Urteil nicht ab. Gleiches gilt für die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte. Soweit ersichtlich hat sich bisher lediglich das Oberlandesgericht Köln in einem Urteil vom 26. Januar 1995, Az.: 5 U 137/94, zitiert nach juris mit der Frage einer Leistungsfreiheit des Unfallversicherers bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen § 6 PflVersG befasst und einen Leistungsausschluss, ebenso wie der Senat, bejaht.