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Unfallversicherung – Invaliditätsleistung wegen eines Bandscheibenvorfalls infolge eines Sturzes

OLG Düsseldorf – Az.: I-4 U 149/10 – Urteil vom 14.06.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer (Einzelrichter) des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Invaliditätsleistung aus dem Unfallversicherungsvertrag gegen die Beklagte wegen des angeblichen Unfallereignisses vom 15.11.2006 nicht zu.

Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Bandscheibenvorfall, den er als Verletzungsfolge beklagt, infolge eines Unfalls im Sinne des 1.3 AUB eingetreten ist.

Aus der Schilderung des Klägers ergibt sich bereits nicht, dass das Ereignis vom 15.11.2006, das nach Auffassung des Klägers für den im April 2007 operierten Bandscheibenvorfall ursächlich war, ein Unfall im Sinne des 1.3 AUB war. Voraussetzung eines Unfalls ist zunächst ein Einwirken der Außenwelt auf den Körper des Verletzten. Eigene willensgesteuerte Bewegungen können nur dann zu einem Unfall führen, wenn sie die Verletzung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst haben. Nicht ausreichend ist danach, dass ausschließlich die gewollte oder unwillkürliche (ungeschickte) Eigenbewegung die Gesundheitsbeschädigung bewirkt. So sind z.B. ein Umknicken ohne weitere äußere Umstände oder eine ungeschickte Bewegung beim Tragen oder Heben von Lasten keine Unfälle (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 178, Rdnr. 4 m.w.Nachw.).

Der Kläger behauptet, den Bandscheibenvorfall habe er bei dem Versuch erlitten, einen von einem Handwagen rutschenden Karton aufzufangen, hierbei habe er das Gleichgewicht verloren und sei gestürzt. Aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt sich aber nicht, dass eine Einwirkung auf die Wirbelsäule mit der – angeblichen – Folge eines Bandscheibenvorfalls erst durch den Aufprall auf den Boden ausgelöst worden ist – der Kläger behauptet insbesondere nicht, mit dem Rücken auf den Boden aufgeschlagen zu sein – oder bereits bei einer ungeschickten Bewegung im Zusammenhang mit dem Versuch, das Herunterrutschen des Kartons zu verhindern. Wenn er sich hierbei nur „verhoben“ hat, weil die Last des Kartons zu schwer war oder er ihn ungeschickt umfasst hat, wäre die gewollte Eigenbewegung und kein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis Ursache des angeblich hierbei erlittenen Gesundheitsschadens. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der ins Rutschen geratene Karton unerwartet auf seinen Rücken geprallt wäre oder wenn der Kläger erst durch den Aufprall bei dem anschließenden Sturz eine Rückenverletzung erlitten hätte. Dies hat der Kläger aber nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den von ihm vorgelegten Arztberichten. Die Schilderung des Hergangs durch den Kläger lässt vielmehr die Möglichkeit offen, dass eine von seinem Willen noch gesteuerte, wenn auch ungeschickte Eigenbewegung Ursache des nach dem Unfall empfundenen Schmerzes im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumboischialgie) war. Für korrespondierende äußere Verletzungen bestehen keine Anhaltspunkte.

Nach den aus Sachverständigengutachten in Unfallversicherungssachen gewonnenen Erkenntnissen des ständig mit Versicherungssachen befassten Senats ist nur ein gravierendes Trauma, das mit erheblicher äußerer Gewalteinwirkung auf die Wirbelsäule verbunden ist, geeignet, einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule zu verursachen, jedenfalls wenn an den Bandscheiben nicht zuvor bereits ganz erhebliche degenerative oder sonstige Vorschäden vorlagen. Ein solches Trauma geht aber in der Regel mit knöchernen Begleitverletzungen der Wirbelkörper oder zumindest Verletzungen der die Wirbelkörper umgebenden Strukturen, etwa der anliegenden Weichteile oder des Bänderapparats einher (vgl. auch OLG Koblenz VersR 2008, 1683-1685).

Unfallversicherung - Invaliditätsleistung wegen eines Bandscheibenvorfalls infolge eines Sturzes
Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com

Dass der Kläger bei dem Sturz ein erhebliches Trauma erlitten hat, das geeignet wäre, einen Bandscheibenvorfall auszulösen, ergibt sich aus seinem Vortrag und den von ihm vorgelegten Arztberichten nicht. Der Bericht der H. Kliniken S. vom 5.12.2006 (GA 35, Anl. K 6) betreffend den stationären Aufenthalt des Klägers vom 15.11.2006 bis 5.12.2006 bietet keinerlei Anhalt dafür, dass der erst im April 2007 in den H. Kliniken S. diagnostizierte und operierte „NPP LWK 5/SWK 1“ (Bandscheibenvorfall zwischen 5. Lendenwirbelkörper und Kreuzbein), auf das Ereignis vom 15.11.2006 zurückzuführen ist. Bei dem ersten stationären Aufenthalt des Klägers vom 15.11.2006 bis zum 05.12.2006 wurde ein MRT der Lendenwirbelsäule gefertigt, auf dem ein Bandscheibenvorfall nicht zu erkennen war. Gemäß dem Befundbericht wurde lediglich eine „minimal entrundete Bandscheibe LW K4/LW K5 und LWK 5/SWK 1“ festgestellt. In dem Bericht vom 5.12.2006 (GA Bl. 35) heißt es ausdrücklich „kein NPP“ (kein Bandscheibenvorfall). Es lag lediglich eine „leichte Bandscheibenprotrusion“ (also eine Bandscheibenvorwölbung, kein Vorfall) „ohne Alteration von Nervenwurzeln“ vor. Ausweislich des von dem Kläger als Anlage K5 vorgelegten Einsatzprotokolls waren bereits vor dem Ereignis vom 15.11.2006 eine chronische Spinalkanalstenose sowie degenerativ bedingte Bandscheibenschäden und Bandscheibenprotrusionen vorhanden. Damit hat das Ereignis vom 15.11.2006 unmittelbar keinen Bandscheibenvorfall ausgelöst; der erst im April 2007 festgestellte und operierte Bandscheibenvorfall lässt sich hierauf nicht zurückführen.

In diesem Sinne sind auch die Antworten des Assistenzarztes H. in dem Fragebogen der Beklagten zu verstehen. Auch hieraus ergibt sich gerade nicht, dass bei dem Krankenhausaufenthalt im Anschluss an das Ereignis vom 15.11.2006 jüngere Verletzungen der Wirbelsäule festgestellt wurden, die auf eine Unfallbedingtheit des im April 2007 operierten Bandscheibenvorfalls hindeuten. Der Arzt hat ein „Verheben“ als möglichen Auslöser angegeben, also gerade keinen Unfall im Sinne der AUB. Des weiteren hat er darauf hingewiesen, dass sich aus der Anamnese bereits ein Bandscheibenvorfall L 5/S1 im Jahr 2004 ergebe, insoweit nennt er eine LWS-Fraktur im Jahr 1998 als „generell zu vermutende“ Ursache.

Dementsprechend fehlt es, worauf das Landgericht in seiner Urteilsbegründung zutreffend abgestellt hat, an der als Anspruchsvoraussetzung für eine Invaliditätsleistung gemäß 2.1.1.1 AUB unerlässlichen schriftlichen ärztlichen Feststellung, dass infolge des Ereignisses am 15.11.2006 ein Dauerschaden eingetreten ist, namentlich dass die nach der Operation im April 2007 verbliebenen Rückenbeschwerden des Klägers auf dieses Ereignis zurückzuführen sind.

Insbesondere hat Dr. H. in dem von ihm ausgefüllten Fragebogen der Beklagten nicht die Ursächlichkeit eines Unfallereignisses im Sinne des 1.3 AUB für den im April 2007 in den H. Kliniken operierten Bandscheibenvorfall ärztlich festgestellt. Es kann dahinstehen, ob das in dem Fragebogen erwähnte „Verheben“ auf Angaben des Klägers beruht. Denn selbst wenn der Kläger Dr. H. das Ereignis vom 15.11.2006 entsprechend seinem Vortrag im jetzigen Rechtsstreit geschildert hat, konnte dieser nach den vorstehenden Ausführungen weder auf einen Unfall im Sinne der AUB schließen noch anhand des kurz danach gefertigten MRT einen hierdurch ausgelösten Bandscheibenvorfall feststellen. Erst recht ergibt sich hieraus keine Feststellung unfallbedingter Invalidität, da Dr. H. keine Aussage darüber getroffen hat, ob nach der Operation eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule verbleiben wird. In dem Attest des Hausarztes Dr. S. vom 26.3.2008 wird zwar bescheinigt, dass der Kläger weiterhin unter Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung im Ausbreitungsgebiet des Ischiasnervs (Lumboischialgie), Empfindungsstörungen im rechten Fuß, einer Minderung der groben Kraft des rechten Beins und einem ausgeprägten Schmerzensyndrom der Lendenwirbelsäule leidet. Über eine Unfallbedingtheit dieser Beschwerden wird aber keine Aussage getroffen.

Ob die Beklagte sich nach Treu und Glauben darauf berufen könnte, dass die ärztliche Feststellung nicht innerhalb der Fünfzehnmonatsfrist erfolgt ist, kann dahinstehen. Denn der Kläger hat trotz der entsprechenden Hinweise im erstinstanzlichen Urteil und in der Terminsverfügung des Senats darauf, dass es bisher überhaupt an einer ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität fehlt, eine entsprechende schriftliche Feststellung eines Arztes nicht vorgelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Ein begründeter Anlass zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 10.000,00 €.

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