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Unfallversicherung – Berücksichtigung altersbedingter Vorschäden

OLG Celle – Az.: 8 U 94/17 – Beschluss vom 07.07.2017

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 20. Februar 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert wird auf bis zu 6.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Die Berufung hat aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 2. Juni 2017, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug genommen wird, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Auch die weiteren Ausführungen der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 23. Juni 2017 geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

1. Soweit die Klägerin die Bewertung der bei ihr bestehenden Leistungsminderung mit 10 % (ohne Berücksichtigung der altersbedingten Vorschäden) für zu gering erachtet, kann sie hiermit nicht durchdringen. Der von ihr angeführte Vergleich mit dem – vollständigen – Verlust eines Zeigefingers, der nach der Gliedertaxe ebenfalls zu einem Invaliditätsgrad mit 10 % führt, vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, da es bei ihr nicht um den völligen Funktionsverlust ihres Armes, sondern nur um dessen eingeschränkte Anhebbarkeit geht.

Zudem verkennt die Klägerin, dass sich der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. L. bei der Bewertung des Maßes der Leistungsminderung an den Vorgaben der medizinischen Standardliteratur orientiert hat. Angesichts dessen basiert damit die von ihm angegebene Invaliditätsquote von 3/20 Armwert auf allgemein anerkannten Bemessungskriterien und nicht etwa auf seiner freien Schätzung. Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige die Vorgaben der medizinischen Standardliteratur unzutreffend angewendet oder von falschen Tatsachenvoraussetzungen ausgegangen wäre, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan.

Allein der Umstand, dass der vorgerichtlich beauftragte Privatsachverständige Prof. H. eine für die Klägerin günstigere Invaliditätsquote benannt hat, begründet keine Zweifel an der Richtigkeit der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen erfolgten Bemessung der Leistungsbeeinträchtigung.

Der Senat hat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 2. Juni 2017 darauf hingewiesen, dass die von Prof. H. benannte Invaliditätsquote nicht im Ansatz belastbar ist. Entgegen der Behauptung der Klägerin lässt auch nicht anhand der Ausführungen von Prof. H. in seinem als Anlage K 7 vorgelegten Gutachten vom 16. März 2015 nachvollziehen, wie dieser zu dem von ihm mit Schreiben vom 8. Februar 2016 (Anlage K 12) benannten Wert von „höchstens 2/10 Armwert“ gelangt ist. Zu Recht hat der Sachverständige Dr. L. anlässlich der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens darauf hingewiesen, dass sich Prof. H. bei dieser Angabe ersichtlich nicht mit der Frage der Rechtsgrundlage für die Bewertung der Leistungsbeeinträchtigung auseinandergesetzt hat. Denn dieser hat insoweit lediglich das Ausmaß der Bewegungsbeeinträchtigung der Klägerin überprüft – mit im Übrigen nahezu gleichem Ergebnis wie der gerichtlich bestellte Sachverständige -, und sich ansonsten vor allem damit auseinandergesetzt, ob ein Sturz auf die Schulter ein geeigneter Verletzungsmechanismus für Schäden an der Rotatorenmanschette darstellt.

Vor diesem Hintergrund liegt daher kein Fall zweier sich widersprechender Sachverständigengutachten vor, aufgrund dessen weitere Ermittlungen geboten wären.

2. Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Klägerin weiterhin darauf, dass die bei ihr bestehenden degenerationsbedingten Beeinträchtigungen bei der Bemessung der Invaliditätsquote nicht zu berücksichtigen seien.

Der Senat hat bereits in seinem o.g. Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass nach der nunmehr maßgeblichen Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 19. Oktober 2016 – IV ZR 521/14, juris-Rn 23 m. w. N.) altersbedingte Vorschäden auch dann anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind, wenn diese bislang keine behandlungsbedürftigen Beschwerden ausgelöst, gleichwohl aber zur Verstärkung der Unfallfolgen beigetragen haben.

Unfallversicherung - Berücksichtigung altersbedingter Vorschäden
(Symbolfoto: Von Monkey Business Images/Shutterstock.com)

Anders als die Klägerin meint, scheidet daher eine Bewertung ihrer altersbedingten Veränderungen an der Rotatorenmanschette als „Gebrechen“ mitnichten deswegen aus, weil es sich hierbei um eine vergleichsweise häufig auftretende Alterserscheinung handelt und sie bis zum Unfallereignis hiervon subjektiv keine Symptome verspürte. Denn die vergleichsweise Häufigkeit ändert nichts daran, dass es sich hierbei nicht nur um eine altersentsprechende Normabweichung, sondern um einen Zustand handelt, der die einwandfreie Ausübung der normalen Körperfunktion (teilweise) nicht mehr zulässt und keineswegs alle Personen im Alter der Klägerin trifft. Die Klägerin räumt deshalb in ihrer Stellungnahme vom 23. Juni 2017 auch selbst ein (S. 4 unten, Bl. 182 d. A.), dass im vorliegenden Fall eine über das geschlechts- und altersentsprechende Maß hinausgehende Vorschädigung vorlag. Dementsprechend erweist sich daher auch ihre Prämisse als unzutreffend, dass es ohne Vorinvalidität keine gemäß Ziff. 3 AUB zu berücksichtigende Vorschädigung gebe.

Auf etwaige anderslautende Entscheidungen verschiedener Obergerichte – ggf. auch des Senats – kommt es demgegenüber nicht an. Denn diese sind durch die vorgenannte Entscheidung des BGH jedenfalls überholt.

3. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, dass die Vorschädigung nicht zur Verstärkung der Unfallfolgen beigetragen habe.

Denn unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist davon auszugehen, dass im „Normalfall“, also bei nicht vorgeschädigten Personen, anders als bei der Klägerin die infolge des Unfalls schmerzbedingte Schonung des Arms keinen Elastizitäts- und Gewebeverlust von kraftübertragendem Gewebe und damit auch keine dauerhafte Beweglichkeitseinschränkung zur Folge gehabt hätte.

Gemessen daran hat daher die degenerationsbedingte Vorschädigung sehr wohl zur Verstärkung der Unfallfolgen beigetragen, und zwar nach den Feststellungen des Sachverständigen im weit überwiegenden Maß von 80 %.

Vor diesem Hintergrund erweist sich damit auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der Klägerin vom 23. Juni 2017 der Ansatz einer (die mitwirkenden Gebrechen zu 80 % berücksichtigenden) unfallbedingten Leistungsminderung von 2 % als zutreffend. Gemessen daran steht der Klägerin daher eine über den Betrag von 560 € hinausgehende Invaliditätsleistung nicht zu. Gleiches gilt für die von ihr geltend gemachten weiteren Kosten für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung.

II.

Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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