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Unfallversicherung -Bemessung des Grades der Invalidität

Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 59/16, Urteil vom 21.03.2018

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Oktober 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 169/15 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 97.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag.

Der Kläger unterhielt in der Zeit vom 1. August 2012 bis zum 1. August 2015 bei der Beklagten eine Privatschutz-Police Nr. …-A, in der u.a. ein Vertrag über eine Unfallversicherung enthalten war. Ausweislich des Versicherungsscheins (Bl. 70 ff. GA) war für den Kläger als versicherte Person u.a. eine Leistung bei Invalidität mit einer Versicherungssumme von 25.000,- Euro und einer 1000-Prozent-Progression vereinbart; die Versicherungsleistung bei Vollinvalidität beträgt 250.000,- Euro (Bl. 73 GA). Bestandteil des Vertrages waren u.a. das Unfall-Deckungskonzept Basis 2011 mit den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen AUB 2011 der Beklagten (Bl. 48 ff. GA) und die besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 1000 Prozent (BBU 120, Bl. 56 f. GA).

Der Kläger wurde am 3. Oktober 2013 anlässlich einer Autofahrt verletzt. Als er sein Fahrzeug verkehrsbedingt anhalten musste, stürzte der Fahrer des dahinter fahrenden Fahrzeugs, welches er zuvor überholt hatte, aus seinem Fahrzeug heraus, lief auf den Pkw des Klägers zu, öffnete die Fahrzeugtüre und stach mit einem Messer auf den Kläger ein, wobei er ihm einen ca. 3 cm tiefen Schnitt am linken Unterarm zufügte. Der Kläger wurde wegen dieser Verletzung in der Zeit vom 3. Oktober 2013 bis zum 7. Oktober 2013 und vom 16. Dezember 2013 bis zum 20. Dezember 2013 stationär im Krankenhaus behandelt. Es wurde eine traumatische Durchtrennung des nervus ulnaris am linken Unterarm im Bereich der Kleinfingerseite diagnostiziert. Der Kläger meldete der Beklagten den Unfall und machte mit anwaltlichem Schreiben vom 19. September 2014 (Bl. 7 GA) Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Ein daraufhin von der Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten der Klinik für Orthopädie des Helios-Klinikums in Krefeld vom 12. März 2015 ermittelte beim Kläger eine unfallbedingte Invalidität von 7/20 Armwert (BI. 9 ff. GA). Mit Schreiben vom 31. März 2015 errechnete die Beklagte, davon ausgehend, eine Versicherungsleistung in Höhe von 6.125,- Euro. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 12. Mai 2015 wurde die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 110.000,- Euro unter Fristsetzung auf den 22. Mai 2015 aufgefordert (Bl. 14 GA).

Der Kläger hat behauptet, durch den Unfall vom 3. Oktober 2013 sei bei ihm eine Invalidität im Sinne der Versicherungsbedingungen von 80 Prozent verursacht worden. Die Berechnung der Invaliditätsleistung habe ausgehend von einer Versicherungssumme von 250.000,- Euro auf der Grundlage des Handwertes (55 Prozent nach Gliedertaxe) zu erfolgen, weil nach der vereinbarten 1000-prozentigen Progression bei einem Invaliditätsgrad von mehr als 25 Prozent vom 10-fachen Wert der Versicherungssumme auszugehen sei und insoweit eine unfallbedingte Einschränkung von 80 Prozent vorliege (Bl. 5 GA). Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. (Bl. 86 ff., 145 ff. GA) hat er erwogen, es sei eine Addition von Handwert und Armwert vorzunehmen. Die Beklagte hat eine unfallbedingte Invalidität des Klägers nach Grund und Höhe in Abrede gestellt.

Später hat sie den Klageanspruch auf der Grundlage des in dem Gutachten angenommenen Invaliditätsgrades von 7/20 Armwert in Höhe von 6.125,- Euro anerkannt (Bl. 131 GA), eine weitergehende Schädigung hat sie bis zuletzt bestritten.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil vom 27. April 2016 zur Zahlung des von ihr anerkannten Betrages in Höhe von 6.125,- Euro verurteilt. Mit dem am 25. Oktober 2016 verkündeten (Schluss-)Urteil hat es die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit seiner gegen dieses Urteil erhobenen Berufung verfolgt der Kläger unter Bezugnahme auf sein früheres Vorbringen sein Begehren – nunmehr noch in Höhe von 97.750,- Euro – weiter.

Er beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2016 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 97.750,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 23. Mai 2015 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger vorgerichtlich entstandene Kosten in Höhe von 1.186,37 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 27. September 2016 (Bl. 176 f. GA) und des Senats vom 28. Februar 2018 (Bl. 228 GA) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513,517,519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger über die von der Beklagten im Laufe des Rechtsstreits anerkannten Beträge hinaus keine weiteren Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung aus dem Versicherungsvertrag zustehen.

1.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch nur aus dem von den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag mit der Nr. …-A ergeben kann, der dem Kläger als versicherter Person Versicherungsschutz bei Unfällen (§ 1 Abs. 1 und 3 AUB 2011) u.a. in Form einer Invaliditätsleistung (§ 2 I. AUB 2011) gewährt. Der Versicherungsfall – Unfall – ist eingetreten. Das vom Kläger geschilderte, von der Beklagten nicht bestrittene überfallartige Ereignis, aus dessen Anlass der Kläger im Bereich der linken Hand durch einen Messerstich verletzt wurde, beschreibt ein plötzlich von außen auf den Körper des Klägers wirkendes, aus dessen maßgeblicher Sicht auch unfreiwillig erlittenes Ereignis, das für dessen Gesundheitsschädigung unstreitig ursächlich gewesen ist (§ 1 Abs. 3 AUB 2011; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. November 1996 – IV ZR 215/95, VersR 1997, 442; OLG Hamm, NJW-RR 2017, 1443). Soweit der Kläger durch dieses Unfallereignis dauerhaft in seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wurde, hat er deshalb nach Maßgabe des § 2 I AUB 2011 Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung im vertraglich vereinbarten Umfang.

2.

Allerdings stehen dem Kläger keine über die von der Beklagten erbrachten, durch rechtskräftiges Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts vom 27. April 2016 (Bl. 132 ff. GA) titulierten Leistungen hinausgehenden Ansprüche auf Invaliditätsleistung zu, wie das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst Ergänzungsgutachten unter zutreffender Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt hat:

a)

Gemäß § 2 I Abs. 1 AUB 2011 in Verbindung mit der dort vorgesehenen besonderen Erweiterung der Invaliditätsfristen ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität); ferner, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 24 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht wurde. Diese vertraglichen Voraussetzungen sind vom Kläger darzulegen und zu beweisen, wobei für den Beweis der Kausalität zwischen dem – hier unstreitigen – unfallbedingten (ersten) Gesundheitsschaden und der Invalidität der erleichterte Maßstab des § 287 ZPO eingreift (BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 – IV ZR 130/03, BGHZ 159, 360; Urteil vom 13. Mai 2009 – IV ZR 211/05, VersR 2009, 1213; Mangen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 47 Rn. 158). Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reicht hier eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, dass der vom Kläger vorgetragene Dauerschaden in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2001 – IV ZR 205/00, VersR 2001, 1547). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen und insbesondere bei dem Kläger dem Grunde nach unfallbedingt ein Dauerschaden eingetreten ist, hat das Landgericht unter zutreffender Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme in für den Senat bindender Weise (§ 529 ZPO) festgestellt. Aus dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. folgt, dass der Kläger anlässlich des Unfalles eine traumatische Läsion des Ellennervs am linken Unterarm mit entsprechender Weichteilverletzung erlitten hat, die zu entsprechenden Ausfällen führt. Die zur dauerhaften Beschädigung des Nervs führende Durchtrennung ist ausweislich der vom Sachverständigen ausgewerteten und in seinem Gutachten im Einzelnen dargestellten Vorbefunde unmittelbar nach dem Unfallereignis ärztlich festgestellt worden. Diese schlüssigen Feststellungen des Sachverständigen stehen im Einklang mit den Erkenntnissen aus der von der Beklagten im Rahmen ihrer Leistungsprüfung angeordneten Begutachtung durch die Ärzte des Helios-Klinikums in Krefeld. Indem das Landgericht auf dieser Grundlage zu der Annahme einer unfallbedingten Invalidität gelangte, ist das folgerichtig. Auch die Beklagte, die nach Vorlage des gerichtlichen Gutachtens den Anspruch des Klägers im Umfang des dort festgestellten Invaliditätsgrades von 7/20 Armwert anerkannt hat, hat dies zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen.

b)

Mit Recht hat das Landgericht dem Kläger allerdings keine höhere als die von der Beklagten nach Vorlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens anerkannte Invaliditätsleistung zugesprochen. Der Kläger hat nämlich nicht bewiesen, dass er durch das streitgegenständliche Unfallereignis in weitergehendem Umfang dauerhaft geschädigt worden ist, als erstinstanzlich festgestellt.

aa)

Das Landgericht ist nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 8. März 2016 (Bl. 86 ff. GA) nebst Ergänzungsgutachten vom 30. Mai 2016 (Bl. 145 f. GA) zu der Erkenntnis gelangt, dass durch den Unfall vom 3. Oktober 2013 bei dem Kläger eine Invalidität nach Maßgabe der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen in einer Größenordnung von 7/20 Armwert gemäß Gliedertaxe eingetreten sei (Bl. 183 f. GA). Ausgehend vom Ort der Verletzung, hier: des Ellennervs im Unterarmbereich, müsse auf den Armwert als Bezugsgröße abgestellt werden. Festgestellte Beeinträchtigungen der Handfunktion beträfen allein den Grobgriff – nicht den Spitzgriff – und diesen auch nicht vollständig, nachdem der Faustschluss vollständig durchgeführt und eine Kompressionskraft von 140 mm/Hg aufgebracht werden könne. Daraus resultierende Einschränkungen allein der Handfunktion, die der Sachverständige, bezogen auf dieses Körperglied – rein vorsorglich und zu Erläuterungszwecken – auf 1/3 geschätzt habe, seien mit Blick auf die Systematik der Gliedertaxe im Rahmen des Armwertes mit berücksichtigt (Bl. 184 GA). Eine vom Kläger zuletzt geforderte Addition von Arm- und Handwert komme nicht in Betracht, weil letzterer in ersterem mit enthalten sei.

bb)

Diese tatsächlichen Feststellungen, die sich auf die Ergebnisse des gerichtlichen Sachverständigengutachtens stützen können und die auch mit den weiteren Erkenntnissen aus der vorangegangenen Begutachtung durch die Oberärzte des Helios-Klinikums in Krefeld in Einklang stehen, sind im Berufungsverfahren nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen. Hinreichende Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen würden, werden vom Kläger nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

(1)

Zu Recht hat das Landgericht nach sachverständiger Beratung den in der vereinbarten Gliedertaxe (§ 2 I. Abs. 2 Buchstabe b AUB 2011) niedergelegten – höheren – Armwert (70 Prozent) und nicht den – niedrigeren – Handwert (55 Prozent) bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades zugrunde gelegt.

(a)

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Bemessung der Invalidität vorrangig die – hier in § 2 I. Abs. 2 Buchstabe a AUB 2011 vorgesehene – Gliedertaxe Geltung beansprucht; allein die anderen, darin nicht genannten Köperteile oder Organe sind außerhalb der Gliedertaxe zu bewerten (§ 2 I. Abs. 2 Buchstabe d AUB 2011). Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder; gleiches gilt auch bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 – IV ZR 34/11, VersR 2012, 351; Urteil vom 1. April 2015 – IV ZR 104/13, VersR 2015, 617). Dieser ist maßgeblich für die Frage, welcher „feste“ Invaliditätsgrad im Einzelfall als maßgebend zugrunde zu legen ist. Abzustellen ist insoweit auf die rumpfnächste Stelle, an der sich die Verletzung auswirkt. Entscheidend ist nicht, an welchem Glied die Verletzung eingetreten ist, sondern vielmehr, welches Glied in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist, so dass etwa bei einer Mittelfußfraktur, die aufgrund von Nervenschädigungen auch die Funktionsfähigkeit des Beins beeinträchtigt, der für die Invalidität eines Beins angesetzte Grad zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Frankfurt, VersR 2006, 964; OLG Naumburg, VuR 2017, 360; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 35). Dagegen sind die Auswirkungen auf die Gebrauchsfähigkeit eines verbliebenen, nicht selbst geschädigten Restglieds oder Teilbereichs eines Glieds oder die in diese Bereiche ausstrahlenden Schmerzen bereits in den Prozentsätzen der Taxe berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1991 – IV ZR 60/90, VersR 1991, 413; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 36).

(b)

Das Landgericht hat – sachverständig beraten – unter Beachtung dieser Grundsätze die beim Kläger eingetretene Invalidität anhand des Armwertes (70 Prozent) nach Gliedertaxe bemessen; dies begegnet keinen durchgreifenden Bedenken und findet die Billigung des Senats. Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 8. März 2016 nachvollziehbar unter Rückgriff auf die vom Kläger angestoßene Problematik ausgeführt, dass Verletzungen der vorliegenden Art in der gutachterlichen Literatur mit Blick auf deren Auswirkung und Bedeutung für den gesamten Arm üblicherweise unter Rückgriff auf den Armwert bemessen würden. Natürlich treffe es zu, dass durch eine Verletzung des Ellennervs am Unterarm im Wesentlichen die Handfunktion beeinträchtigt werde; bei einer voll ausgebildeten proximalen Nervus-ulnaris-Läsion sei dies aber eben nicht nur die Handfunktion: vielmehr seien hier dann auch Muskeln betroffen, die am Unterarm lokalisiert seien und das Handgelenk beugten. Auch die Sensibilitätsstörung ziehe sich bis auf den Unterarm hin, so dass nach dem Gesichtspunkt, dass zunächst der Schädigungsort maßgebend sei, sich die Verwendung des Armwertes eingebürgert habe (Bl. 104 GA). In seinem Ergänzungsgutachten vom 30. Mai 2016 hat er außerdem klargestellt, dass die zum Armwert angegebene Invalidität auch sämtliche Unfallfolgen im Bereich der oberen Extremität erfasse (Bl. 147 GA). Diese sachverständigen Feststellungen, die sich im Übrigen auch mit den Erkenntnissen aus der von der Beklagten beauftragten Begutachtung durch die Oberärzte des Helios-Klinikums in Krefeld decken, erscheinen dem Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbar und plausibel. Sie berechtigten das Landgericht, den Armwert als Grundlage für die Ermittlung des Invaliditätsgrades heranzuziehen. Soweit der Kläger mit seiner Berufung statt dessen erneut auf den – ihm ungünstigeren – Handwert (55 Prozent) zurückgreift, erläutert er nicht, was ihn dazu veranlasst und weshalb die abweichenden, vom Landgericht zugrunde gelegten Feststellungen insoweit unzutreffend sein sollten. Dafür ist auch nichts erkennbar.

(c)

Die in diesem Zusammenhang vom Kläger in erster Instanz aufgeworfene Frage, ob bzw. inwieweit unter Umständen gesondert ermittelte Invaliditätsgrade aus Hand- und Armwert kumulativ in die Bewertung des Grades der Invalidität einzufließen hätten, hat das Landgericht nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. (Bl .145 GA) zutreffend verneint. Richtig ist zwar, dass nach der Regelung der Gliedertaxe bei unfallbedingter Beeinträchtigung mehrerer „Körperteile oder Sinnesorgane“ die nach Maßgabe der Bedingungen ermittelten Invaliditätsgrade zusammengerechnet werden (§ 2 I. Abs. 2 Buchstabe f AUB 2011). Darum geht es hier jedoch nicht. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. R. in seinem Ausgangsgutachten zusätzlich zur Invaliditätsbemessung nach dem Armwert auch eine – fiktive – Ermittlung der unfallbedingten Einschränkungen auf der Grundlage eines angenommenen Handwertes vorgenommen, dies jedoch ausdrücklich „unabhängig von literaturbasierten Erfahrungswerten“ und nur zum Zwecke der Veranschaulichung der auf die bloße Handfunktionen beschränkten Auswirkungen der vom Kläger erlittenen Verletzung (Bl. 104 f. GA). Eine kumulative Berücksichtigung beider Werte war von ihm ersichtlich nicht gewollt. In seinem Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige dementsprechend ausgeführt, dass eine zusätzliche Bemessung des Handwertes von der Logik der Gliedertaxe her nicht in Betracht komme (Bl. 146 GA). Dem ist das Landgericht zu Recht gefolgt. Die in der Gliedertaxe angeordnete Zusammenrechnung gilt nämlich nur für solche selbständig ermittelten Invaliditätsgrade, die sich auf unterschiedliche Körperteile oder Sinnesorgane beziehen. Ausweislich der gestaffelten Invaliditätsprozentsätze berücksichtigt die Gliedertaxe – mittels einer für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbaren Systematik – stets auch die Beeinträchtigung naturgemäß mitbetroffener rumpffernerer Teile desselben Gliedes. Deshalb darf keine Addition der Invaliditätswerte erfolgen, wenn neben Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines rumpfnäheren Körperteils zugleich Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines rumpfferneren Körperteils vorliegt (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 – IV ZR 34/11, VersR 2012, 351; OLG Frankfurt, RuS 2011, 487; OLG Hamm, VersR 2011, 1433). Die Berufung verfolgt diesen Ansatz auch nicht mehr weiter.

(2)

Soweit das Landgericht auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme keine höhere als die von der Beklagten letztlich anerkannte Invalidität – hier: im Umfange von 7/20 Armwert – festzustellen vermochte, sind diese Feststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und nachvollziehbar begründet worden. Anlass für durchgreifende Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bestehen nicht und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt:

(a)

Das Landgericht hat sich bei seinen Feststellungen maßgeblich auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. (Bl. 86 ff. GA) gestützt und auch die weiteren Erkenntnisse insbesondere aus dem von der Beklagten schon zuvor beauftragten Gutachten des Helios-Klinikums in Krefeld berücksichtigt. Der gerichtliche Sachverständige, der dem Senat seit vielen Jahren als hoch kompetenter und überaus erfahrener Gutachter bekannt ist, hat auf der Grundlage einer eigenen körperlichen Untersuchung des Klägers, die am 29. Februar 2016 stattgefunden hat, und unter Berücksichtigung weiterer, im Einzelnen von ihm referierter ärztlicher Unterlagen die beim Kläger vorhandenen dauerhaften Beeinträchtigungen unter funktionell-anatomischen Gesichtspunkten und unter Beachtung der konsentierten Literaturbasis bewertet. Ausgehend von einer Läsion des nervus ulnaris mit entsprechenden Ausfällen, bei der allerdings – im Vergleich zu einer vollständigen Verletzung – die zum Handgelenk ziehenden Muskeln ausgespart seien, hat er für die Bewertung der Einschränkung im Ausgangspunkt einen nicht ganz vollständigen Funktionsausfall des nervus ulnaris (körpernah) zugrunde gelegt, welcher in der einschlägigen Literatur üblicherweise zwischen 1/3 und 4/10 Armwert bewertet werde. Da im vorliegenden Fall allerdings die Krallenhand nicht vollständig ausgebildet und ein Teil der am Unterarm liegenden Muskulatur nicht ganz einbezogen sei, erscheine in der Gesamtschau eine Bewertung mit 7/20 Armwert korrekt (Bl. 104 GA). Diese Einschätzung, die der Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar herleitet und eingehend begründet, deckt sich mit den Erkenntnissen, zu denen schon die im Vorfeld tätigen Gutachter des Helios-Klinikums in Krefeld gelangt waren, die dem Kläger bereits unter dem 12. März 2015 einen Dauerschaden in dieser Höhe attestiert hatten. Das Landgericht konnte deshalb diesen Wert ohne Rechtsfehler seiner Schätzung (§ 287 ZPO) zugrunde legen: Er beschreibt auch nach Auffassung des Senats den beim Kläger im gesamten Zeitraum unverändert vorhandenen Grad unfallbedingter Invalidität unter Berücksichtigung aller bis zum Ablauf von drei Jahren seit dem Unfall erkennbar gewordenen dauerhaften Beeinträchtigungen, was maßgeblich ist, wenn der Versicherungsnehmer – wie hier – vor Ablauf dieser Frist gegen die Ablehnung seiner Ansprüche im Klagewege vorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 – IV ZR 192/93, VersR 1994, 971; Urteil vom 18. November 2015 – IV ZR 124/15, BGHZ 208, 9; Urteil vom 18. Oktober 2017 – IV ZR 188/16, VersR 2017, 1386). Aus dem zeitlichen Ablauf und der gutachterlich erwiesenen Kontinuität des Schadensbildes kann nämlich mit hinreichender Gewissheit der Schluss gezogen werden, dass zu diesem Zeitpunkt mit dauerhafter Wirkung ein Schaden des gutachterlich festgestellten Ausmaßes eingetreten war.

(b)

Die vom Kläger mit der Berufung erhobenen Einwände gegen diese tatsächlichen Feststellungen verfangen nicht. Der Kläger wiederholt insoweit lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen, das darauf gerichtet ist, eine höhere als die von allen bisher tätigen Gutachtern festgestellte und dem landgerichtlichen Urteil zugrunde gelegte dauerhafte Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit zu behaupten (Bl. 205 GA). Gründe, weshalb dies richtig und die bisherigen, auf das sorgfältige und eingehend begründete Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. gestützten Feststellungen unzutreffend sein sollen, werden von ihm nicht dargelegt. Sie sind auch nicht erkennbar. Die von dem Landgericht gemäß § 287 ZPO vorgenommene Schätzung des Invaliditätsgrades ist nachvollziehbar, weil sie auf einer ausreichend gesicherten, im Urteil im Einzelnen dargelegten Tatsachengrundlage vorgenommen und in jeder Hinsicht überzeugend begründet wurde. Das Vorbringen des Klägers, der sich der – vom Landgericht zugrunde gelegten – Auffassung des Sachverständigen nicht anzuschließen vermag, zielt allein darauf ab, die in sich stimmige und insgesamt nachvollziehbare Beweiswürdigung des Landgerichts durch eine eigene Würdigung zu ersetzen. Das genügt nicht, um Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen zu begründen und die Notwendigkeit weitergehender tatsächlicher Feststellungen – hier: durch Einholung eines ergänzenden oder neuen Sachverständigengutachtens – zu rechtfertigen.

c)

Auch die zutreffende Berechnung der Höhe der Invaliditätsleistung durch das Landgericht hält den Angriffen der Berufung stand. Aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden kann der im Berufungsrechtzug erneuerten Auffassung des Klägers, zur Ermittlung der Invaliditätsentschädigung sei nach der vereinbarten „Progression 1000“ im Ausgangspunkt von einer Versicherungssumme von 250.000,- Euro auszugehen (Bl. 205 GA). Dies widerspricht der ausdrücklichen vertraglichen Regelung in Buchstabe d der besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel – BBU 120 mit Progression 1000 Prozent – (Bl. 56 GA), wonach „für den 25 Prozent nicht übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme“ maßgeblich ist. Diese Regelung greift auch hier ein. Denn bei einer hier anzunehmenden Invalidität von 7/20 Armwert (70 Prozent gemäß Gliedertaxe) beträgt der daraus errechnete Invaliditätsgrad 24,5 Prozent. Mithin verbleibt es für die Berechnung der Invaliditätsleistung bei der im Versicherungsschein vereinbarten Grundsumme von 25.000,- Euro; 24,5 Prozent dieses Betrages entsprechen 6.125,- Euro. Diesen vom Landgericht zutreffend ermittelten Betrag hat die Beklagte anerkannt; er wurde mit Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts vom 27. April 2016 (Bl. 132 GA) rechtskräftig tituliert. Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

3.

Soweit das Landgericht dem Kläger aus dem von der Beklagten anerkannten Betrag in Höhe von 6.125,- Euro keine Verzugs- oder Prozesszinsen (§§ 288, 291 BGB) zugesprochen hat, ist die darin liegende Teilabweisung der Klage mit der Berufung nicht angegriffen worden.

4.

Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Erstattung von ihm im Zusammenhang mit der Geltendmachung der vorliegenden Ansprüche aufgewandter vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Zwar können vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren unter den Voraussetzungen der §§ 280Abs. 2, 286 BGB – zu einer anderen Anspruchsgrundlage ist hier nichts ersichtlich – als Verzugsschaden geltend gemacht werden, soweit es sich dabei um zweckdienliche Kosten der Rechtsverfolgung handelte. Allerdings war der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich seines Aufforderungsschreibens vom 19. September 2014 (Bl. 7 GA) zum damaligen Zeitpunkt bereits mit der Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche beauftragt, so dass eine aus diesem Anlass möglicherweise entstandene Geschäftsgebühr (VV Nr. 2300 zum RVG) zu diesem Zeitpunkt bereits angefallen wäre. Die Beklagte befand sich damals jedoch (noch) nicht mit der von ihr geschuldeten Leistung im Verzug (§ 286 Abs. 1 BGB). Der ihr gegenüber geltend gemachte Anspruch war noch nicht fällig, weil nicht dargetan oder ersichtlich ist, dass die erforderlichen Ermittlungen (§ 14 VVG) zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen waren. Auch ist nicht erkennbar, dass eine – nur unter den hier nicht gegebenen Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entbehrliche – zum Verzug führende Mahnung vor der Beauftragung des klägerischen Prozessbevollmächtigten erteilt worden wäre. Auch insoweit ist die Klage mithin zu Recht abgewiesen worden und die hiergegen eingelegte Berufung unbegründet.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

6.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf den geltend gemachten Rückzahlungsbetrag festzusetzen (§§ 3, 4 ZPO, §§ 47Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

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