Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Saarbrücken: Keine Invaliditätsleistung aus Unfallversicherung bei Borreliose ohne fristgerechte schriftliche ärztliche Feststellung der Dauerinvalidität
- Ausgangssituation: Borreliose als Versicherungsfall und die strittige Invaliditätsleistung in der privaten Unfallversicherung
- Streitpunkte vor Gericht: Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung und das Fehlen der ärztlichen Invaliditätsfeststellung
- Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken: Berufung wegen fehlender fristgerechter ärztlicher Dokumentation zurückgewiesen
- Die Begründung des Gerichts: Formale Hürden für die Versicherungsleistung bei Borreliose-Invalidität entscheidend
- Fazit: Bedeutung der formalen Anforderungen und Fristen in der privaten Unfallversicherung bei Invaliditätsansprüchen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Invalidität im Kontext einer Unfallversicherung und wie wird sie festgestellt?
- Welche Rolle spielen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) für den Leistungsanspruch?
- Was ist eine vorvertragliche Anzeigepflicht und welche Konsequenzen hat ihre Verletzung?
- Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Invaliditätsleistungen beachten?
- Was kann ich tun, wenn die Versicherung meinen Leistungsanspruch ablehnt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 5 U 31/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgerichts Saarbrücken
- Datum: 05.02.2025
- Aktenzeichen: 5 U 31/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Versicherungsnehmer, der Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung wegen Borreliose beanspruchte und gegen die Ablehnung durch den Versicherer klagte.
- Beklagte: Versicherungsgesellschaft, die die Leistungspflicht verneinte und sich auf Anzeigepflichtverletzung sowie Nichterfüllung formaler Leistungsvoraussetzungen berief.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Versicherungsnehmer forderte Invaliditätsleistungen von seiner privaten Unfallversicherung nach einer Borreliose-Erkrankung, die als versicherter Unfall galt. Der Versicherer lehnte die Zahlung ab, unter anderem mit der Begründung, die laut Bedingungen erforderliche fristgerechte ärztliche Feststellung der dauerhaften Invalidität sei nicht vorgelegt worden.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war, ob der Anspruch auf Invaliditätsleistung bereits daran scheitert, dass die erforderliche schriftliche ärztliche Feststellung der unfallbedingten dauerhaften Beeinträchtigung nicht fristgerecht beim Versicherer eingereicht wurde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte damit die Abweisung der Klage durch das Landgericht. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die formale Voraussetzung einer fristgerechten (hier: innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall), schriftlichen ärztlichen Feststellung der Invalidität nicht erfüllt war. Das vorgelegte Attest reichte nicht aus und eine spätere ärztliche Bescheinigung wurde außerhalb der Frist erstellt. Eine mündliche Aussage der Ärzte im Prozess kann die fehlende schriftliche Feststellung nicht ersetzen.
- Folgen: Der Kläger erhält keine Invaliditätsleistung aus dem Versicherungsvertrag. Das Urteil betont die Bedeutung der fristgerechten Einhaltung der in den Versicherungsbedingungen festgelegten formalen Anforderungen für die Leistung, insbesondere der Vorlage einer schriftlichen ärztlichen Invaliditätsfeststellung.
Der Fall vor Gericht
OLG Saarbrücken: Keine Invaliditätsleistung aus Unfallversicherung bei Borreliose ohne fristgerechte schriftliche ärztliche Feststellung der Dauerinvalidität
Ein Mann, der nach einer Borreliose-Infektion eine dauerhafte Invalidität geltend machte, hat vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken keinen Erfolg gehabt.

Sein Anspruch auf Leistungen aus seiner privaten Unfallversicherung scheiterte maßgeblich daran, dass er nicht fristgerecht eine schriftliche ärztliche Feststellung über die unfallbedingte dauerhafte Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit vorlegen konnte. Das Gericht entschied, dass dieser formale Mangel auch nicht dadurch geheilt wird, dass der Versicherte behauptet, seine Ärzte hätten eine solche Bescheinigung nur auf direkte Anforderung der Versicherung oder des Gerichts ausstellen wollen (Az.: 5 U 31/24).
Ausgangssituation: Borreliose als Versicherungsfall und die strittige Invaliditätsleistung in der privaten Unfallversicherung
Der Versicherungsnehmer unterhielt bei einer Versicherungsgesellschaft eine private Unfallversicherung für sich und seine Ehefrau. Diese Police beinhaltete eine Invaliditätsleistung mit einer Progression von 500% auf eine Grundinvaliditätssumme von 100.000 Euro, was im Falle einer Vollinvalidität eine maximale Leistung von 500.000 Euro bedeutet hätte. Den Vertragsbedingungen (AUB 2012) lagen Besondere Bedingungen bei, wonach der Ausbruch der Infektionskrankheit Borreliose als versicherter Unfall galt – eine Erweiterung der üblichen Definitionen eines Unfalls.
Im August 2020, bei Antragstellung, wurde die Frage nach erheblichen Krankheiten oder Gebrechen für beide versicherten Personen mit „nein“ beantwortet. Der Versicherungsnehmer unterzeichnete das Formular zusammen mit einem Versicherungsmakler. Kurz darauf, mit Schadensanzeige vom 23./28. August 2020, meldete der Mann seiner Versicherung eine Borreliose-Erkrankung, die am 17. August 2020 diagnostiziert worden sei. Als „Unfalltag“ gab er den 22. Juli 2020 an.
Streitpunkte vor Gericht: Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung und das Fehlen der ärztlichen Invaliditätsfeststellung
Im Zuge der Prüfung eines anderen Schadensfalls seiner Ehefrau Ende September 2020 offenbarte diese, seit 1980 an einem Herzklappenfehler und einer Herzmuskelerkrankung zu leiden. Daraufhin erklärte die Versicherungsgesellschaft mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 den Rücktritt vom Vertrag und die Anfechtung wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung bezüglich der Erkrankungen der Ehefrau. Folglich lehnte sie auch Leistungen für den Borreliose-Fall des Mannes ab. Der Versicherungsnehmer bestritt, dieses Schreiben erhalten zu haben.
Der Mann behauptete, infolge der Borreliose und deren Folgen arbeits-, erwerbs- und berufsunfähig zu sein und forderte eine Invaliditätsleistung von 100.000 Euro, basierend auf einer angenommenen Invalidität von 40%. Er schilderte, nach einem Zeckenbiss im Jahr 2017 und einer späteren Zehverletzung im Juni 2020 mit Taubheitsgefühl von seinem Neurologen, Dr. W., auf Borreliose getestet worden zu sein. Die Diagnose sei positiv ausgefallen, und Dr. W. habe ihm mündlich mitgeteilt, dass er deswegen invalide sei. Ein Attest von Dr. W. vom 28. Oktober 2020 sei mit der Schadensanzeige eingereicht worden. Bezüglich der Gesundheitsfragen im Antrag gab der Mann widersprüchliche Erklärungen ab: Zunächst behauptete er, seine eigenen Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet zu haben, später, der Vermittler habe gar keine Gesundheitsfragen gestellt.
Die Versicherung wies die Klage zurück und beharrte auf der Anfechtung und dem Rücktritt wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer, der ihrer Ansicht nach Kenntnis von den Erkrankungen seiner Ehefrau gehabt und diese verschwiegen habe. Hilfsweise bestritt sie das Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses während der Versicherungszeit und vor allem das Fehlen der formalen Voraussetzungen für eine Leistungspflicht. Insbesondere monierte sie das Ausbleiben einer bedingungsgemäßen, fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität. Bereits am 2. September 2020 hatte die Versicherung den Makler des Mannes per E-Mail auf die Notwendigkeit einer schriftlichen ärztlichen Feststellung der Invalidität innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall hingewiesen.
Das Landgericht Saarbrücken hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus, der Mann habe zwar stillschweigend einen Invaliditätsgrad von 40% geltend gemacht, jedoch eine unfallbedingte Invalidität nicht ausreichend dargelegt. Der bloße Verweis auf Arbeits- oder Berufsunfähigkeit genüge nicht; konkrete gesundheitliche Beschwerden als Folge der Borreliose seien nicht substantiiert vorgetragen worden. Auf die Wirksamkeit von Anfechtung und Rücktritt oder das Fehlen der ärztlichen Feststellung sei es daher nicht mehr angekommen. Gegen dieses Urteil legte der Versicherungsnehmer Berufung ein.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken: Berufung wegen fehlender fristgerechter ärztlicher Dokumentation zurückgewiesen
Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung des Mannes zurück. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden ihm auferlegt. Das Urteil ist, wie auch das Urteil des Landgerichts, vorläufig vollstreckbar, wobei die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abgewendet werden kann. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Der Streitwert wurde auf 100.000 Euro festgesetzt.
Die Begründung des Gerichts: Formale Hürden für die Versicherungsleistung bei Borreliose-Invalidität entscheidend
Das Oberlandesgericht bestätigte im Ergebnis die Klageabweisung durch das Landgericht. Der Anspruch auf Invaliditätsleistung scheitere, so der Senat, jedenfalls an den nicht erfüllten formalen Voraussetzungen für die Leistung. Insbesondere fehle die nach den Versicherungsbedingungen erforderliche, fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität in schriftlicher Form. Ob der Versicherungsvertrag nach Rücktritt und Anfechtung überhaupt noch bestand oder ob die Borreliose tatsächlich ursächlich für eine dauerhafte Invalidität war, musste daher nicht mehr abschließend geklärt werden.
Versicherungsfall Borreliose grundsätzlich als Unfallereignis anerkannt
Das Gericht hielt die Darstellung des Mannes zum Eintritt eines Versicherungsfalles – dem Ausbruch der Borreliose im Juli 2020 – für schlüssig dargelegt. Die Besonderen Bedingungen des Vertrages sahen vor, dass der Ausbruch von Borreliose als versicherter Unfall gilt. Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei unter „Ausbruch“ der Zeitpunkt der ersten Symptome zu verstehen. Ob diese Darstellung des Mannes aber auch zutraf und von ihm hätte bewiesen werden können, ließ das Gericht offen.
Fehlende fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität als Hauptgrund für die Leistungsablehnung
Der entscheidende Punkt für die Abweisung der Klage war das Fehlen einer fristgerechten, schriftlichen ärztlichen Feststellung der Invalidität.
Gemäß Ziffer 2.1.1.1 der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2012) ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintritt und innerhalb von fünfzehn Monaten von einem Arzt schriftlich festgestellt und geltend gemacht wird.
Das Gericht stellte fest, dass die Versicherung im Prozess unwidersprochen von einer auf 18 Monate verlängerten Frist für die ärztliche Feststellung ausging. Dies wurde prozessual bindend. Die Versicherung hatte den Makler des Mannes zudem bereits mit E-Mail vom 2. September 2020 darauf hingewiesen, dass die Invalidität binnen 18 Monaten eingetreten und schriftlich ärztlich festgestellt sein müsse. Dieses für den Versicherten günstigere Angebot zur Fristverlängerung habe dieser stillschweigend angenommen.
Solche Fristenregelungen sind laut ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirksam. Sie dienen der Überprüfbarkeit von Ansprüchen und der Ausgrenzung schwer aufklärbarer Spätschäden. Das Verstreichen der Frist führt zum Leistungsausschluss, und zwar unabhängig davon, ob den Versicherten ein Verschulden trifft. Die ärztliche Feststellung muss die angenommene Ursache und die Art der gesundheitlichen Auswirkungen benennen, um der Versicherung eine Prüfung zu ermöglichen und die Grundlage für den Anspruch zu bilden.
Im konkreten Fall fehlte es an einer solchen ausreichenden ärztlichen Feststellung innerhalb der 18-Monats-Frist, die ab Juli 2020 lief und somit etwa im Januar 2022 endete.
Das vom Mann vorgelegte Attest seines Neurologen Dr. W. vom 28. Oktober 2020 (das zwar innerhalb der Frist lag) wurde als nicht ausreichend bewertet. Es stellte lediglich fest, dass eine Borreliose bestehe und aktuell akut sei. Eine Aussage über einen daraus resultierenden Dauerschaden oder eine dauerhafte Invalidität enthielt es jedoch nicht.
Eine weitere fachärztliche Bescheinigung von Dr. H. vom 14. November 2023, die erst im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt wurde, war offensichtlich nach Ablauf der 18-Monats-Frist erstellt worden. Zudem war sie auch inhaltlich ungeeignet, da sie keinen konkret benannten Dauerschaden beschrieb.
Der Einwand des Mannes im Berufungsverfahren, das Landgericht hätte seine Ärzte als sachverständige Zeugen vernehmen müssen, die die Invalidität hätten bestätigen können, wurde vom Oberlandesgericht aus mehreren Gründen zurückgewiesen:
Erstens wäre selbst eine Aussage der Ärzte im Prozess keine fristgerecht erfolgte schriftliche Feststellung durch einen Arzt. Die Rechtsprechung ist sich weitgehend einig, dass bei Fehlen einer geforderten schriftlichen Feststellung eine Zeugenaussage nicht genügt, da die Feststellung erst durch die Aussage nach außen dringen würde.
Zweitens handelte es sich bei der Behauptung, die Ärzte hätten eine schriftliche Bestätigung nur auf gerichtliche oder versichererseitige Anforderung erteilt, um einen neuen Vortrag im Berufungsverfahren. Dieser sei nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da er nicht auf einem Verfahrensmangel des Landgerichts beruhe, sondern auf einer Nachlässigkeit des Mannes (er hatte nicht konkret dargelegt, wann er sich um eine schriftliche Feststellung bemüht habe).
Drittens, selbst wenn man diesen neuen Vortrag zuließe und er bewiesen würde, könnte sich die Versicherung weiterhin auf die fehlende Feststellung berufen. Es wäre die Pflicht des Mannes gewesen, die Versicherung während der laufenden Frist darüber zu informieren, dass seine Ärzte eine solche Anforderung benötigten. Da dies nicht geschah, könne der Versicherung keine Untätigkeit vorgeworfen werden. Zudem habe der Hinweis der Versicherung vom 2. September 2020 auf die Notwendigkeit einer schriftlichen Bescheinigung bereits eine ausreichende Aufforderung dargestellt, die der Mann seinen Ärzten hätte vorlegen können. Dass dies unterblieb, gehe zu seinen Lasten.
Keine Verletzung von Treu und Glauben durch die Versicherung bei Festhalten an formalen Voraussetzungen
Das Gericht sah auch keine Gründe, die es der Versicherung ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbieten würden, sich auf die unterbliebene fristgerechte ärztliche Feststellung zu berufen. Ein solches Verbot käme nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die Versicherung den Versicherten zu umfangreichen Untersuchungen veranlasst oder wenn ihr vor Fristablauf ein zusätzlicher Aufklärungsbedarf des Versicherten deutlich wird.
Die Versicherung hatte jedoch mit der E-Mail vom 2. September 2020 an den Makler des Mannes den nach § 186 Satz 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) gebotenen Hinweis auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen erteilt. Der Makler galt hier als für den Empfang bevollmächtigt. Dieser Hinweis war zutreffend und informierte den Mann korrekt über die maßgebliche Frist von 18 Monaten. Daher sei es der Versicherung nicht gemäß § 186 Satz 2 VVG verwehrt, sich auf die Fristversäumnis zu berufen.
Es ist grundsätzlich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, die ärztliche Feststellung beizubringen, wie es die Versicherungsbedingungen (Ziff. 2.1.1 AUB 2012) vorsehen. Die Umstände, insbesondere das unzureichende Attest vom 28. Oktober 2020, gaben der Versicherung auch während der laufenden Frist keinen Anlass, den Mann erneut auf die Notwendigkeit einer ausreichenden (also einen Dauerschaden beschreibenden) ärztlichen Feststellung hinzuweisen oder selbst tätig zu werden.
Fazit: Bedeutung der formalen Anforderungen und Fristen in der privaten Unfallversicherung bei Invaliditätsansprüchen
Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken unterstreicht die erhebliche Bedeutung der Einhaltung formaler Voraussetzungen und Fristen in der privaten Unfallversicherung. Insbesondere die rechtzeitige Vorlage einer aussagekräftigen, schriftlichen ärztlichen Feststellung über das Vorliegen und die Unfallbedingtheit einer dauerhaften Invalidität ist eine zentrale Hürde für Versicherungsnehmer. Fehlt diese, kann der Anspruch auf Invaliditätsleistungen scheitern, selbst wenn materiell möglicherweise eine Invalidität vorliegt. Versicherte sind daher gut beraten, sich frühzeitig und präzise um die notwendigen ärztlichen Dokumente zu kümmern und die in den Versicherungsbedingungen genannten Fristen strikt einzuhalten. Die bloße Diagnose einer Erkrankung, auch wenn diese als Unfallereignis gilt wie im Fall der Borreliose, reicht für die Begründung eines Invaliditätsanspruchs nicht aus; es bedarf des Nachweises eines daraus resultierenden Dauerschadens.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil lehrt, dass bei Invaliditätsansprüchen nach Borreliose-Infektionen zwingend eine fristgerechte schriftliche ärztliche Feststellung der Dauerinvalidität erfolgen muss – eine bloße Diagnose reicht nicht aus. Die Quintessenz liegt in der strikten Beachtung formaler Anforderungen der Unfallversicherung, da deren Nichteinhaltung zum Leistungsverlust führt, selbst wenn tatsächlich ein Dauerschaden vorliegen sollte. Das Urteil verdeutlicht die Pflicht des Versicherten, selbst aktiv die erforderlichen ärztlichen Nachweise innerhalb der vertraglich festgelegten Fristen zu beschaffen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Invalidität im Kontext einer Unfallversicherung und wie wird sie festgestellt?
Im Zusammenhang mit einer privaten Unfallversicherung ist Invalidität eine dauerhafte Beeinträchtigung Ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die Folge eines Unfalls ist. Stellen Sie sich vor, ein Unfall führt zu einer Verletzung, deren Folgen sich nicht vollständig zurückbilden und Sie langfristig in Ihrer gewohnten Art, sich zu bewegen oder zu denken, einschränken. Genau diese andauernde Einschränkung, die nach ärztlichem Ermessen voraussichtlich dauerhaft bestehen wird, wird als Invalidität bezeichnet. Sie ist die Grundlage dafür, dass die Unfallversicherung eine vereinbarte Leistung zahlt.
Wie wird Invalidität festgestellt?
Die Feststellung, ob und in welchem Umfang eine Invalidität vorliegt, ist ein wichtiger Schritt nach einem Unfall. Sie erfolgt in der Regel durch eine ärztliche Beurteilung. Ein Arzt untersucht die Folgen des Unfalls und beurteilt, wie stark Ihre körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt ist.
Dabei wird ein sogenannter Invaliditätsgrad ermittelt. Dieser Grad drückt in Prozent aus, wie stark die Beeinträchtigung ist. Zum Beispiel kann der Verlust oder die erhebliche Funktionseinschränkung eines Körperteils, wie einer Hand oder eines Beins, zu einem bestimmten Invaliditätsgrad führen.
Viele Unfallversicherungen nutzen eine sogenannte Gliedertaxe. Das ist eine Art Liste, die für bestimmte Körperteile oder Sinnesorgane (wie z.B. ein Auge) und deren vollständigen Verlust oder Funktionsunfähigkeit feste Invaliditätsgrade in Prozent festlegt. Für andere Beeinträchtigungen, die nicht in dieser Liste stehen, wird der Grad anhand der allgemeinen Minderung der Leistungsfähigkeit im Vergleich zu einer gesunden Person ermittelt.
Die Rolle der Versicherungsbedingungen
Ganz entscheidend für die Definition von Invalidität und den Ablauf der Feststellung sind die konkreten Versicherungsbedingungen, die Sie mit Ihrem Versicherer vereinbart haben. Dort sind die genauen Regeln festgelegt.
Die Bedingungen bestimmen beispielsweise:
- Was genau als dauerhaft gilt: Oft muss die Beeinträchtigung über einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr nach dem Unfall) fortbestehen und ärztlich bestätigt werden, dass keine wesentliche Besserung mehr zu erwarten ist.
- Welche Fristen Sie einhalten müssen: Innerhalb welcher Zeit nach dem Unfall die Invalidität ärztlich festgestellt und innerhalb welcher Frist Sie den Anspruch bei der Versicherung anmelden müssen. Das Einhalten dieser Fristen ist für Ihren Anspruch sehr wichtig.
- Wie der Invaliditätsgrad im Detail berechnet wird: Hier finden Sie oft die Gliedertaxe und weitere Regeln zur Ermittlung des Grades.
Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet das, dass nach einem Unfall mit möglicherweise dauerhaften Folgen die rechtzeitige ärztliche Untersuchung und die Meldung bei Ihrer Versicherung gemäß den Bedingungen unerlässlich sind.
Welche Rolle spielen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) für den Leistungsanspruch?
Die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen, kurz AUB, sind das fundamentale Regelwerk Ihrer Unfallversicherung. Sie sind ein verbindlicher Teil des Versicherungsvertrags zwischen Ihnen als Versicherungsnehmer und der Versicherungsgesellschaft. Für Ihren Anspruch auf Leistungen nach einem Unfall sind die AUB ganz entscheidend.
Die AUB legen fest, was genau als versicherter Unfall gilt. Stellen Sie sich vor, Sie stolpern im Alltag und verletzen sich. Ob dieses Ereignis nach Ihrer Versicherung als Unfall zählt, hängt davon ab, wie der Begriff „Unfall“ in Ihren spezifischen AUB definiert ist. Sie bestimmen also, unter welchen Voraussetzungen die Versicherung überhaupt leistet.
Darüber hinaus regeln die AUB viele weitere wichtige Punkte, die direkten Einfluss auf Ihren Leistungsanspruch haben. Dazu gehören zum Beispiel:
- Welche Verletzungen oder Gesundheitsschäden von der Versicherung abgedeckt sind (z.B. Invalidität, Knochenbrüche, kosmetische Operationen).
- Welche Ereignisse oder Situationen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind (z.B. Unfälle unter Alkoholeinfluss, bei der Begehung von Straftaten, bei bestimmten gefährlichen Sportarten).
- Welche Pflichten Sie als Versicherungsnehmer im Schadenfall haben. Dazu zählt insbesondere die Frist, innerhalb derer Sie einen Unfall der Versicherung melden müssen, sowie welche Informationen und welche Nachweise (z.B. ärztliche Atteste, Gutachten) Sie erbringen müssen.
Für Sie bedeutet das: Wenn Sie einen Unfall haben und Leistungen von Ihrer Unfallversicherung erhalten möchten, müssen Sie die Regeln und Vorgaben in Ihren AUB beachten. Eine Nichtbeachtung, beispielsweise das Verpassen einer Meldefrist oder das Nicht-Erbringen notwendiger Nachweise, kann dazu führen, dass die Versicherung die Zahlung verweigert oder kürzt, selbst wenn das Ereignis an sich versichert wäre.
Die AUB sind somit weit mehr als nur „Kleingedrucktes“. Sie sind der Schlüssel zum Verständnis Ihres Versicherungsschutzes und legen präzise fest, unter welchen Bedingungen Sie im Ernstfall auf die Unterstützung Ihrer Versicherung zählen können. Es ist daher sehr ratsam, sich sowohl vor Abschluss einer Unfallversicherung als auch im Falle eines Unfalls sorgfältig mit den eigenen AUB auseinanderzusetzen.
Was ist eine vorvertragliche Anzeigepflicht und welche Konsequenzen hat ihre Verletzung?
Wenn Sie einen Versicherungsvertrag abschließen möchten, stellt Ihnen die Versicherung bestimmte Fragen zu den Umständen, die für die Einschätzung des Risikos wichtig sind. Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Kfz-Versicherung abschließen. Dann wird die Versicherung zum Beispiel fragen, wie viele Kilometer Sie pro Jahr fahren oder ob Sie in den letzten Jahren Unfälle hatten. Bei einer Krankenversicherung geht es um Ihren Gesundheitszustand oder Vorerkrankungen. Diese Pflicht, alle wichtigen Fragen der Versicherung wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, wird als vorvertragliche Anzeigepflicht bezeichnet.
Der Grund für diese Pflicht ist, dass die Versicherung Ihr individuelles Risiko bewerten muss. Nur so kann sie entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen sie den Vertrag abschließt und wie hoch der Beitrag ist. Sie teilt Ihnen mit ihren Fragen mit, welche Informationen für sie relevant sind.
Welche Konsequenzen hat eine Verletzung der Anzeigepflicht?
Wenn Sie bei der Beantwortung der Fragen wichtige Informationen verschweigen oder falsche Angaben machen, verletzen Sie Ihre vorvertragliche Anzeigepflicht. Dies kann ernste Folgen für Ihren Versicherungsschutz haben. Das Gesetz sieht für solche Fälle verschiedene Möglichkeiten vor, wie die Versicherung reagieren kann. Welche Konsequenz eintritt, hängt von der Schwere der Pflichtverletzung und davon ab, ob Sie vorsätzlich oder nur leichtfertig gehandelt haben.
Mögliche Konsequenzen können sein:
- Die Versicherung kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag zurücktreten. Das bedeutet, der Vertrag wird so behandelt, als hätte er nie bestanden.
- In bestimmten Fällen kann die Versicherung den Vertrag auch anfechten. Dies hat ebenfalls zur Folge, dass der Vertrag von Anfang an unwirksam ist.
- Die Versicherung kann den Vertrag unter Umständen kündigen.
- Die Versicherung kann den Vertrag anpassen und beispielsweise einen höheren Beitrag verlangen oder bestimmte Risiken vom Versicherungsschutz ausschließen, die Sie nicht angegeben hatten.
- Im schlimmsten Fall, wenn nach Eintritt eines Schadenfalls festgestellt wird, dass Sie wichtige Informationen verschwiegen haben, kann die Versicherung Leistungen verweigern. Sie stehen dann trotz eines vermeintlich bestehenden Versicherungsschutzes ohne finanzielle Unterstützung da.
Die rechtliche Grundlage für diese Pflichten und die möglichen Konsequenzen findet sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere in § 19 VVG. Es ist für Sie als Versicherungsnehmer wichtig zu wissen, dass die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung aller Fragen vor Vertragsabschluss entscheidend ist, um später keine Probleme mit Ihrem Versicherungsschutz zu bekommen.
Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Invaliditätsleistungen beachten?
Wenn Sie Invaliditätsleistungen von einer Versicherung geltend machen möchten, spielen Fristen eine ganz entscheidende Rolle. Die pünktliche Einhaltung dieser Fristen ist notwendig, damit Ihr Anspruch überhaupt bestehen bleibt. Viele Menschen wissen nicht, dass es verschiedene Zeitpunkte gibt, die Sie beachten müssen.
Fristen in der Unfallversicherung
Besonders wichtig sind die Fristen in der privaten Unfallversicherung, wenn es um Invaliditätsleistungen nach einem Unfall geht. Hier gibt es typischerweise zwei Hauptfristen, die in den Versicherungsbedingungen stehen:
- Die Meldefrist: Sie müssen den Unfall der Versicherung innerhalb einer bestimmten Zeit melden. Das ist oft eine relativ kurze Frist, zum Beispiel innerhalb weniger Tage oder Wochen nach dem Unfall.
- Die Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität: Dies ist die oft übersehene, aber extrem wichtige Frist. Die Invalidität, also die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit nach dem Unfall, muss von einem Arzt innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Unfall festgestellt und von der Versicherung anerkannt werden. Diese Frist beträgt in vielen Versicherungsbedingungen 12 oder 15 Monate ab dem Unfalltag. Wird die Invalidität nicht innerhalb dieser Zeit ärztlich festgestellt, kann der Anspruch auf Invaliditätsleistungen verloren gehen, selbst wenn die Invalidität später eintritt oder erkannt wird.
Warum Fristen so wichtig sind
Die Einhaltung dieser Fristen ist keine Formsache, sondern eine Voraussetzung für den Anspruch. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Unfall und kümmern sich erst lange Zeit später um die Folgen. Die Versicherung möchte sicherstellen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und einer eventuellen Invalidität besteht. Die Fristen dienen dazu, diesen Zusammenhang zeitlich einzugrenzen und überprüfen zu können. Wenn Sie eine Frist verpassen, kann die Versicherung den Anspruch vollständig ablehnen, selbst wenn eine schwere Invalidität vorliegt.
Wo finde ich die genauen Fristen?
Die exakten Fristen sind nicht gesetzlich einheitlich geregelt, sondern stehen in Ihren individuellen Versicherungsbedingungen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Sie Ihre Police und die zugehörigen Bedingungen genau lesen und die dort genannten Fristen kennen. Informieren Sie sich am besten so früh wie möglich nach einem Ereignis (Unfall oder Krankheit, die zur Invalidität führen könnte) über die geltenden Fristen.
Die Beachtung dieser Fristen ist für den Erhalt von Invaliditätsleistungen unerlässlich.
Was kann ich tun, wenn die Versicherung meinen Leistungsanspruch ablehnt?
Wenn Ihre Versicherung einen Leistungsanspruch ablehnt, ist es wichtig, die Situation genau zu betrachten. Der erste Schritt besteht darin, das Ablehnungsschreiben der Versicherung sorgfältig zu prüfen. Verstehen Sie die begründeten Ablehnungsgründe der Versicherung? Stimmen diese mit den Tatsachen Ihres Falls und den Bedingungen Ihres Versicherungsvertrages überein?
Häufig gibt es die Möglichkeit, innerhalb der Versicherung förmlich Widerspruch gegen die Ablehnung einzulegen oder eine Beschwerde zu formulieren. Dabei legen Sie schriftlich dar, warum Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Es ist wichtig, dabei Fakten und relevante Punkte aus dem Versicherungsvertrag anzuführen. Beachten Sie dabei unbedingt eventuell genannte Fristen für einen solchen Widerspruch.
Sollte auch ein solcher interner Prozess nicht zur gewünschten Leistungszusage führen oder ist dieser Schritt nicht vorgesehen, kann der Weg zu rechtlichen Schritten führen. Dies bedeutet in der Regel, die Angelegenheit vor einem Gericht klären zu lassen.
Ob und inwieweit ein Leistungsanspruch rechtlich besteht, hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls, den Vertragsbedingungen und der geltenden Rechtslage ab. Die Entscheidung, ob und wie Sie gegen eine Ablehnung vorgehen, erfordert daher eine sorgfältige Abwägung der rechtlichen Möglichkeiten und der spezifischen Anforderungen der Verfahren, sei es ein interner Beschwerdeweg oder ein Gerichtsverfahren.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Schriftliche ärztliche Feststellung der Invalidität
Die schriftliche ärztliche Feststellung der Invalidität ist eine ärztliche Bescheinigung, die bestätigt, dass eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit infolge eines Unfalls vorliegt. Diese Feststellung muss vom Arzt schriftlich dokumentiert und dem Versicherer innerhalb einer bestimmten Frist vorgelegt werden, um den Anspruch auf Versicherungsleistungen auszulösen. In der privaten Unfallversicherung, wie hier nach den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2012), ist diese formal notwendige Nachweisgrundlage entscheidend, damit die Versicherung den Leistungsanspruch prüfen und bewilligen kann. Fehlt diese schriftliche Bestätigung oder wird die Frist verpasst, entfällt oft der Anspruch auf die Invaliditätsleistung.
Beispiel: Nach einem Autounfall muss der Arzt schriftlich bestätigen, dass bleibende Schäden vorliegen; reicht diese Bescheinigung nicht rechtzeitig oder unzureichend ein, kann die Versicherung die Zahlung verweigern.
Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung
Die vorvertragliche Anzeigepflicht verpflichtet den Versicherungsnehmer, vor Abschluss des Versicherungsvertrags alle für die Risikobewertung wichtigen Tatsachen, insbesondere gesundheitliche Vorgeschichten, vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben (§ 19 VVG). Wird diese Pflicht verletzt, etwa durch Verschweigen einer Erkrankung, kann der Versicherer den Vertrag anfechten oder davon zurücktreten und im Schadensfall Leistungen verweigern. In diesem Fall wurde dem Versicherungsnehmer vorgeworfen, die Erkrankungen seiner Ehefrau nicht offengelegt zu haben, was den Rücktritt und die Anfechtung ermöglichte.
Beispiel: Wer einer Krankenversicherung vor Vertragsschluss eine chronische Vorerkrankung verschweigt, riskiert, dass der Vertrag rückwirkend unwirksam wird und die Versicherung später keine Kosten übernimmt.
Rücktritt und Anfechtung des Versicherungsvertrags
Rücktritt und Anfechtung sind gesetzlich geregelte Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen vor Vertragsabschluss: Der Rücktritt führt dazu, dass der Vertrag als von Anfang an nicht bestanden gilt, wenn die Anfechtung erfolgreich ist (§§ 119, 142 BGB; § 19 VVG). Rücktritt kann zudem ohne Anfechtung möglich sein, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Beide Instrumente dienen der Vertragsauflösung wegen Täuschung oder falscher Angaben. Im Fall vorliegend hat die Versicherung wegen der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gegenüber der Ehefrau vom Vertrag zurückgetreten und angefochten, um sich von der Leistungspflicht zu befreien.
Beispiel: Wird in einem Versicherungsantrag die tatsächliche Vorerkrankung verschwiegen, kann der Versicherer den Vertrag anfechten und alle Leistungen ablehnen.
Obliegenheit des Versicherungsnehmers
Eine Obliegenheit ist eine vertragliche Nebenpflicht, die den Versicherungsnehmer trifft, damit der Versicherungsvertrag wirksam bleibt oder Ansprüche geltend gemacht werden können. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und den Versicherungsbedingungen sind solche Pflichten geregelt, wie z.B. die fristgerechte Meldung eines Unfalls oder das Einreichen der erforderlichen ärztlichen Feststellungen. Die Obliegenheit ist kein schuldhaftes Verhalten, sondern eine Pflicht zur Mitwirkung. Werden Obliegenheiten verletzt, kann dies zum Verlust des Leistungsanspruchs führen. Hier lag die Obliegenheit darin, die ärztliche Feststellung der Invalidität fristgerecht und schriftlich vorzulegen.
Beispiel: Nach einem Unfall muss der Versicherte schnellstmöglich den Schaden melden und die notwendigen Belege erbringen; unterlässt er dies, kann die Versicherung die Leistung verweigern.
Fristgerechte Geltendmachung von Versicherungsleistungen
Die fristgerechte Geltendmachung bezeichnet die Einhaltung von vertraglich oder gesetzlich vorgegebenen zeitlichen Grenzen, innerhalb derer ein Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Leistungen anmelden oder notwendige Nachweise vorlegen muss. In der Unfallversicherung sind insbesondere die Fristen zur Meldung des Unfalls und zur ärztlichen Feststellung der Invalidität bedeutsam. Verpasst der Versicherte diese Fristen, verliert er oft unwiderruflich den Anspruch auf Leistungen, unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines Schadens. Im vorliegenden Fall war die Frist für die ärztliche Feststellung auf 18 Monate nach dem Unfall verlängert, aber nicht eingehalten worden.
Beispiel: Wer eine Schadenmeldung erst zwei Jahre nach einem Unfall bei seiner Versicherung einreicht, verliert meist den Anspruch auf Kostenübernahme, selbst wenn der Schaden tatsächlich entstanden ist.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 192 Abs. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Regelt die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, insbesondere die Pflicht zur rechtzeitigen Anzeige von Versicherungsfällen und Nachweisen für Leistungsansprüche. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versicherungsnehmer muss die dauerhafte Invalidität innerhalb der vertraglich festgelegten Frist nachweisen, wozu die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung gehört; das Unterlassen führt zum Ausschluss der Leistungspflicht.
- Allgemeine Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2012), Ziffer 2.1.1.1: Bestimmt die Voraussetzungen für den Invaliditätsanspruch, insbesondere die schriftliche ärztliche Feststellung der dauer Invalidität innerhalb der vereinbarten Frist (hier 15 bzw. 18 Monate). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlende fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität ist der Hauptgrund für die Leistungsablehnung trotz erkrankungsbedingtem Unfallstatus.
- § 186 VVG (Hinweispflicht des Versicherers): Verlangt vom Versicherer, den Versicherungsnehmer auf Anspruchsvoraussetzungen und Fristen hinzuweisen, um eine Benachteiligung zu vermeiden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung erfüllte diese Pflicht durch eine E-Mail an den Makler, weshalb sie sich zu Recht auf den Fristablauf berufen konnte und kein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt.
- § 242 BGB (Treu und Glauben): Verhindert missbräuchliches Verhalten und kann in Ausnahmefällen die Geltendmachung von Vertragsrechten einschränken. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte ein Verbot der Versicherungsleistung abzuweisen, da keine Ausnahmefallumstände vorlagen, die ein Abweichen von den vereinbarten Fristen rechtfertigen würden.
- § 123 BGB (Anfechtung wegen arglistiger Täuschung): Erlaubt den Rücktritt vom Vertrag bei der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten durch falsche oder verschweigende Angaben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung konnte den Vertrag wegen verschwiegenen Erkrankungen der Ehefrau anfechten und somit das Vertragsverhältnis und die Leistungspflicht insgesamt in Frage stellen.
- Europäische Rechtsprechung zur Fristigkeit bei Versicherungsleistungen (z.B. EuGH, wenn einschlägig): Legt besonderen Wert auf wirksame Fristen zur Wahrung der Rechtssicherheit und Überprüfbarkeit von Versicherungsansprüchen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Stützt die irrtumsfreie Durchsetzung der Fristenregelung in AUB und VVG und legitimiert den Leistungsausschluss bei Fristversäumnis auch im internationalen Kontext.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 31/24 – Urteil vom 05.02.2025
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