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Unfallversicherung – Ausschlusstatbestand „Gesundheitsschädigungen durch Heilmaßnahmen“

OLG Celle –  Az.: 8 U 149/13 – Urteil vom 29.11.2013

Auf die Berufung der Beklagten wird das 24. Juni 2013 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Unfallversicherung - Ausschlusstatbestand "Gesundheitsschädigungen durch Heilmaßnahmen"
Symbolfoto: Von Cascade Creatives /Shutterstock.com

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit Ziffer 1, Ziffer 2.5 und 2.6 AUB zu. Zwar liegt den Verbrennungen des Klägers ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen zugrunde. Der Unfall wird aber vom Risikoausschluss gemäß Ziffer 5.2.3 AUB erfasst.

1. Die vom Kläger erlittenen Verbrennungen beruhen auf einem Unfall im Sinne von Ziffer 1.3 AUB. Ein Unfall liegt danach vor, wenn der Versicherungsnehmer durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Unstreitig kam es durch die Überhitzung des Operationstisches zu einer Einwirkung auf den Körper des Klägers. Dies geschah auch plötzlich. Dabei ist unerheblich, ob es zu einer nur kurzfristigen Einwirkung auf den Körper des Klägers kam oder ob sich der Operationstisch über einen längeren Zeitraum überhitzte. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Neufassung des § 178 Abs. 2 VVG klargestellt, dass durch das Merkmal der plötzlichen Einwirkung nur verdeutlicht wird, dass das maßgebliche Ereignis für die versicherte Person unerwartet, überraschend und deshalb unentrinnbar eingetreten sein muss. Demgegenüber genießt das zeitliche Element des Geschehens keine vorrangige oder ausschlaggebende Bedeutung (vgl. BT-Drucksache 16/3945, Seite 107). Auf dieser Grundlage erfolgte die Überhitzung des Operationstisches für den Kläger aber überraschend und unentrinnbar.

2. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Ziffer 5.1.1 AUB leistungsfrei. Eine Leistungsfreiheit scheitert bereits an dem Umstand, dass sich die Beklagte auf diesen Ausschlussgrund nicht berufen hat und Ausschlussgründe nicht von Amts wegen zu beachten sind (vgl. Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Nr. 5 AUB 2008, Rn. 3).

3. Die Beklagte ist aber gemäß Ziffer 5.2.3 AUB leistungsfrei. Der Unfall ereignete sich im Rahmen einer Heilmaßnahme bzw. eines Eingriffs am Körper des Klägers.

a) Gegen die Klausel bestehen keine Bedenken nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Insbesondere ist sie nicht irgendwie unklar oder mehrdeutig im Sinne von § 305 c BGB. Allein der Umstand, dass die in Rede stehende Klausel auslegungsbedürftig ist und mehr als nur eine Auslegung überhaupt in Betracht kommt, genügt insoweit nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass von den möglichen unterschiedlichen Auslegungen nach den allgemeinen Auslegungsprinzipien keine den klaren Vorzug verdient (BGH, NJW 2002, 3232, 3233, zu § 5 AGBG). Der Versicherungsnehmer kann aber erkennen, dass er für Schädigungen durch Heilmaßnahmen und Eingriffe keine Leistungen vom Versicherer beanspruchen kann. Etwaige Schwierigkeiten bei den im Einzelfall zu treffenden Feststellungen lassen eine im Übrigen klare Regelung nicht unklar werden (vgl. BGH, NJW 2004, 2589). Auch Bedenken im Hinblick auf § 307 BGB bestehen nicht. Geschützt würde er im vorliegenden Zusammenhang ohnehin nur davor, dass sein Unfallversicherungsschutz unangemessene Lücken aufweist, wobei bei der erforderlichen Auslegung regelmäßig die Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse zugrunde gelegt wird (vgl. BGH, VersR 1982, 841). Diesen Anforderungen hält die Klausel ohne weiteres stand. Der Versicherungsnehmer, der einen Unfallversicherungsvertrag abschließt, darf zwar einen grundsätzlich umfassenden Versicherungsschutz erwarten. Ausschlussklauseln stellen somit eine Einschränkung des Versicherungsschutzes dar und damit eine Abweichung vom normativen Leitbild der Unfallversicherung. Daraus ergibt sich aber im Sinne der genannten Vorschrift noch keine Gefährdung des Vertragszwecks. Eine „Aushöhlung“ (vgl. BGH, NJW 2004, 2589; BGH, NJW 1993, 335) liegt in Anbetracht des eng begrenzten Anwendungsbereichs der Ausschlussklausel nicht vor. Und angesichts der relativ geringen Prämien darf der Versicherungsnehmer ohnehin keinen uneingeschränkten „Rundum-Schutz“ erwarten.

b) Die Begriffe „Heilmaßnahmen“ und „Eingriff am Körper“ sind weit auszulegen. Ihnen ist nicht zu entnehmen, dass nur von einem Arzt vorgenommene Handlungen erfasst sind. Es spielt auch keine Rolle, ob die im Rahmen der Heilmaßnahme bzw. des Eingriffs vorgenommene Handlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt wurde (vgl. OLG Stuttgart, VersR 2007, 786). Die weite Auslegung der Begriffe zeigt sich auch darin, dass es nicht auf den Zweck der Heilmaßnahme bzw. des Eingriffs ankommt. Mit der Ausschlussregelung sollen die mit einer gewollten Behandlung verbundenen erhöhten Gefahren vom Unfallversicherungsschutz ausgeschlossen werden. Entscheidend ist, dass sich eine der gewollten Behandlung eigentümliche Gefahr konkretisiert und zu einer Gesundheitsschädigung geführt hat. Erforderlich ist adäquate Kausalität. Nicht versichert sind die adäquaten Folgen einer solchen Maßnahme, wenn sich dabei eine dieser eigentümlichen Gefahren verwirklicht, nicht wenn der Unfall nur gelegentlich der Behandlung geschieht, also in einem lediglich zufälligen Zusammenhang mit der Heilmaßnahme oder dem Eingriff steht (vgl. Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Nr. 5 AUB 2008, Rn. 55). In diesem Sinne nur „gelegentlich“ oder „zufällig“ und damit von der Ausschlussklausel nicht erfasst ist etwa ein Ausrutschen und Fallen in einer Arztpraxis (vgl. BGH, NJW 1989, 1546).

Erfasst ist aber ein Sturz aufgrund einer Kreislaufschwäche, welche auf die vorangegangene ärztliche Betäubung bei einer Operation zurückzuführen ist (vgl. LG Berlin, VersR 2003, 54).

Der Einsatz technischer Hilfsmittel (in einem weiten Sinn) bei der Durchführung einer Heilmaßnahme kann dabei den Tatbestand der Ausschlussklausel erfüllen, muss dies aber nicht. Erfüllt ist er, wenn der Bügel einer eingesetzten Herzklappe bricht (vgl. BGH, NJW 1989, 1546), oder wenn der Patient infolge einer Überhitzung des Badewassers einen Kreislaufkollaps erleidet (vgl. OLG Köln, VersR 1973, 959).

c) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe ereignete sich der Unfall in einem adäquat kausalen Zusammenhang mit einer Heilmaßnahme. Der Kläger konnte sich die Verletzungen nur deshalb zuziehen, weil er sich einer solchen Heilmaßnahme unterzog. Eine Verbrennung durch einen Operationstisch außerhalb und losgelöst von einer Heilmaßnahme ist hingegen regelmäßig nicht denkbar. Hinzu kommt, dass Verbrennungen anlässlich einer Operation zwar selten auftreten, auf der anderen Seite aber gerade bei nicht ordnungsgemäßer Abisolierung des Operationstisches nicht untypisch sind (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Oktober 2007, Az. 14 U 200/05, recherchiert in juris;  LG Bonn, AHRS 6330/311, zur Notwendigkeit, einen Operationstisch vor Beginn der Operation abzuisolieren; BSG BKK 1995, 258: Verbrennungsunfall eines Krankenhauspatienten infolge eines Isolationsdefektes des Operationstisches).

Demgegenüber handelte es sich bei dem Unfall nicht um einen solchen, der nur bei Gelegenheit des Eingriffs stattfand. Dabei darf nicht isoliert auf die Verbrennung als solche abgestellt werden. Selbstverständlich können sich Verbrennungen immer und überall ereignen und müssen nicht notwendigerweise in einem kausalen Zusammenhang mit einer Heilmaßnahme stehen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall aber, dass die Verbrennung durch einen defekten Operationstisch erfolgte. Das kann aber regelmäßig nur anlässlich einer Operation erfolgen und nicht auch bei anderer Gelegenheit.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO hat der Senat abgesehen. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

 

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