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Unfallversicherung – Anspruch nach Umknicken unter Berücksichtigung von Vorschäden

Unfallversicherung und Vorschäden im Fokus

In einem wegweisenden Urteil hat das Oberlandesgericht Saarbrücken (Az.: 5 U 106/19) die Frage geklärt, ob ein Versicherungsnehmer trotz bestehender Vorschäden einen Anspruch auf Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung hat. Der Fall betraf eine Klägerin, die nach einem Unfall zu Hause Leistungen aus ihrer privaten Unfallversicherung geltend machte. Die Entscheidung des Gerichts könnte weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Fälle haben und das Verständnis von Unfallversicherungen beeinflussen.

Direkt zum Urteil: Az.: 5 U 106/19 springen.

Der Fall: Unfall zu Hause und Streit über Leistungen

Die Klägerin hatte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Im März 2016 erlitt sie einen Unfall zu Hause, als sie mit dem rechten Fuß umknickte und sich dabei verletzte. Die Klägerin meldete daraufhin bei der Beklagten einen Anspruch auf Invaliditätsleistung an. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch einen Facharzt, der die Gebrauchsfähigkeit des rechten Fußes der Klägerin um 1/5 einschränkte. Auf dieser Grundlage erbrachte die Beklagte eine Invaliditätsleistung von 9.338,88 Euro, wobei sie sich ein Recht zur Neubemessung vorbehielt.

Die Entscheidung des Gerichts: Berücksichtigung von Vorschäden

Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage der Klägerin ab, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststand, dass das unstreitige Unfallereignis zu einem Dauerschaden am rechten Fuß geführt habe, der die außergerichtlich bereits erfolgte Regulierung im Umfang von 1/5 Fußwert gemäß Gliedertaxe in Betracht ziehe. Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied jedoch am 20.11.2020, dass die Berufung der Klägerin zurückgewiesen wird. Die Kosten des Rechtsstreits fielen der Klägerin zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen.

Bedeutung des Urteils: Auswirkungen auf zukünftige Fälle

Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken hat möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Fälle im Bereich der privaten Unfallversicherungen. Es zeigt, dass das Gericht bei der Beurteilung von Ansprüchen auf Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung Vorschäden berücksichtigen kann. Dies könnte dazu führen, dass Versicherungsnehmer mit Vorschäden in ähnlichen Fällen zukünftig stärker darauf achten müssen, ihre individuelle Situation bei der Beantragung von Leistungen aus einer Unfallversicherung zu berücksichtigen.

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Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 106/19 – Urteil vom 20.11.2020

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Oktober 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 5/18 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.029,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Unfallversicherung – Anspruch nach Umknicken unter Berücksichtigung von Vorschäden
(Symbolfoto: luckyraccoon/Shutterstock.com)

Mit ihrer am 2. Februar 2018 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat die Klägerin gegenüber der Beklagten Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung geltend gemacht. Sie hatte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter der Versicherungsnummer … einen Vertrag über eine private Unfallversicherung abgeschlossen; versichert war u.a. eine Invaliditätsleistung mit einer Progression von 200, die Invaliditätsgrundsumme belief sich seit 1. März 2016 auf 116.736,- Euro, die Höchstleistung auf 233.472,- Euro (Anlage K2 im Anlagenband = Anlage B2, Bl. 29 GA). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB, Anlage K11) zugrunde. Am 25. März 2016 erlitt die Klägerin zu Hause einen Unfall, indem sie beim Aufstehen aus dem Bett mit dem rechten Fuß umknickte und sich dabei verletzte. Die Klägerin meldete am 13. Februar 2017 bei der Beklagten einen Anspruch auf Invaliditätsleistung an (Anlage B2, Bl. 30 GA). Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. L., der in seinem Gutachten vom 9. April 2017 zu der Einschätzung gelangte, dass die Klägerin unfallbedingt eine „Mittelfußschädigung rechts“ erlitten habe, dass Hinweise auf eine Vorinvalidität entfielen und der rechte Fuß der Klägerin um 1/5 in seiner Gebrauchsfähigkeit eingeschränkt sei (Anlage K3 = Anlage B3, Bl. 31 ff. GA). Die Beklagte erbrachte auf dieser Grundlage eine Invaliditätsleistung von 9.338,88 Euro, wobei sie sich ein Recht zur Neubemessung vorbehielt (Schreiben vom 8. Juni 2017, Bl. 41 f. GA). Nachdem die Klägerin hiergegen Einwendungen erhob, veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung durch den Facharzt für Orthopädie Dr. M. M., der in seiner fachorthopädischen Stellungnahme nach Aktenlage vom 14. August 2017 die unfallbedingte Gebrauchsminderung des rechten Fußes der Klägerin mit einer Obergrenze von 5/20 Fußwert veranschlagte (Bl. 48 GA). Ein mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 unterbreitetes Abfindungsangebot der Beklagten auf dieser Grundlage unter Verzicht auf das Neubemessungsrecht (Anlage K8) lehnte die Klägerin ab.

Die Klägerin, die mit ihrer Klage die Zahlung weiterer 49.029,15 Euro begehrt (5/7 von 70 Prozent Beinwert nach Gliedertaxe = 50 Prozent Invalidität, dem entsprechend 58.386 Euro, abzüglich bereits gezahlter 9.338,85 Euro), hat zur Begründung ihres Anliegens behauptet, sie sei durch das Unfallgeschehen an ihrem rechten Bein dauerhaft geschädigt worden; die bedingungsgemäße Invalidität sei richtigerweise nach dem Beinwert der Gliedertaxe zu berechnen und belaufe sich auf 5/7 Beinwert. Die Beklagte hatte zunächst das Vorliegen einer über die bereits erfolgten Zahlungen hinausgehenden bedingungsgemäßen Invalidität in Abrede gestellt. Da die geltend gemachten Beeinträchtigungen der Klägerin ihren Sitz ausschließlich im Bereich des Fußes hätten, sei die Bemessung zutreffenderweise nach dem Fußwert erfolgt. Zuletzt hat sie jede Ursächlichkeit des Unfallereignisses bestritten und sich vorsorglich auch auf eine den Anteil von 25 Prozent übersteigende Mitwirkung unfallunabhängiger Krankheiten und Gebrechen berufen.

Das Landgericht Saarbrücken hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 4. August 2018 nebst Ergänzung vom 28. Dezember 2018 und vom 8. März 2019 (BI. 72 ff., 133 ff., 160 ff. GA). Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es die Klage abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststehe, dass das unstreitige Unfallereignis zu einem Dauerschaden am rechten Fuß geführt habe, der die außergerichtlich bereits erfolgte Regulierung im Umfange von 1/5 Fußwert gemäß Gliedertaxe übersteige.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erfolglos gebliebenes Begehren unter Bezugnahme auf ihr früheres Vorbringen weiter. Sie wiederholt und vertieft ihre Angriffe gegen das erstinstanzliche Gutachten mit der Auffassung, der Sachverständige Prof. Dr. R. habe das Beschwerdebild der Klägerin nur unvollständig erfasst, auch sei dessen Feststellung, wonach die Schmerzsymptomatik der Klägerin durch den Unfallschaden nicht erklärbar sei, unbeschadet des unbestrittenen Vorhandenseins unfallfremder Vorschäden unzutreffend und widersprüchlich. Unrichtig sei auch die von allen bislang tätigen Gutachtern vertretene Auffassung, dass der Fußwert und nicht der Beinwert in Ansatz zu bringen sei. Verfahrensrechtlich habe das Landgericht es zu Unrecht unterlassen, dem Antrag der Klägerin auf Vornahme einer neuen Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen zu entsprechen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 261 GA):

Die Beklagte wird unter Aufhebung des am 16. Oktober 2019 verkündeten Urteils des Landgerichts – Az.: 14 O 5/18 – verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 49.029,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.642,40 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 251, 278 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift des Senats vom 30. Oktober 2020 (Bl. 287 ff. GA) verwiesen. Der Senat hat die Klägerin angehört und weiteren Beweis erhoben durch mündliche Ergänzung des Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die vorgenannte Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtzug ergänzten Beweisaufnahme – selbst unter Zugrundelegung des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO – schon keine unfallbedingte Invalidität nachgewiesen wurde und darüber hinaus jedenfalls auch keine über die bereits erfolgte Regulierung hinausgehenden Ansprüche auf Zahlung von Invaliditätsleistung bestehen.

1.

Das Landgericht hat zutreffend und von der Berufung unbeanstandet angenommen, dass sich der geltend gemachte Zahlungsanspruch vorliegend nur aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag ergeben kann, der hier nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten am Schadenstag auf der Grundlage der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB = Anlage K 11) bestand, und dass der – in den §§ 1 und 2 AUB näher definierte – Versicherungsfall, ein Unfall, eingetreten ist. Das von der Klägerin vorgetragene Ereignis vom 25. Mai 2016, aus dessen Anlass diese auch nach Darstellung der Beklagten mit dem rechten Fuß umknickte und sich dabei verletzte, beschreibt ein plötzlich von außen auf den Körper der Klägerin wirkendes und aus deren maßgeblicher Sicht unfreiwillig erlittenes Ereignis, das zu einer (ersten) Gesundheitsschädigung der Klägerin geführt hat. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die gravierenden körperlichen Beeinträchtigungen, die zur Grundlage eines Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung gemacht werden, bereits durch den Unfall hervorgerufen wurden, sondern es genügt, dass eine als solche unerhebliche Körperbeschädigung die Voraussetzung für weitere auf den Verletzten einwirkende Ursachen schafft (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 5 U 97/18, VersR 2020, 285; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., § 178 Rn. 17). Das ist, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil unter Zugrundelegung der durch die Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse mit zutreffenden Erwägungen festgestellt hat, hier der Fall gewesen; denn die Klägerin hat nach den sachverständigen Feststellungen, die sich auf die Befundbeschreibung der Erstbehandlung und die mitgeteilte Röntgendiagnostik stützen, unfallbedingt eine Distorsion des oberen und unteren Sprunggelenks, evtl. auch unter Einbeziehung der außenseitigen Chopart- oder Lisfranc’schen Gelenklinie am Fuß, jedoch ohne eindeutige instabile Bandverletzung und sicher ohne knöcherne Verletzung oder Luxation erlitten. Soweit das Landgericht daraus seine Überzeugung vom Eintritt eines unfallbedingten Erstschadens gewonnen hat, ist das nachvollziehbar und zutreffend und wird auch von keiner Partei in Frage gestellt.

2.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klägerin gleichwohl jede Berechtigung zur Inanspruchnahme einer über die bereits empfangenen Leistungen hinausgehenden Invaliditätsleistung abgesprochen. Nach der – im Berufungsrechtzug ergänzten – Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung auch aller weiteren Umstände des vorliegenden Falles fehlt es schon am ausreichenden Nachweis des Eintritts eines durch den Unfall bedingten Dauerschadens.

a)

Gemäß § 8 II Abs. 1 AUB ist Voraussetzung der geltend gemachten Invaliditätsentschädigung, dass „eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfallfolge (…) innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten ist; sie muss überdies – was hier mit Blick auf die vorgerichtliche Leistungsprüfung nicht im Streit steht – spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein. Sämtliche vertraglichen Voraussetzungen der Leistung sind von der Klägerin darzulegen und zu beweisen. Für den Nachweis eines unfallbedingten ersten Gesundheitsschadens und die eine Invalidität begründende dauernde gesundheitliche Beeinträchtigung gilt der Maßstab des § 286 ZPO (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – IV ZR 36/10, VersR 2011, 1171; Senat, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 5 U 97/18, VersR 2020, 285); dieser erfordert die Überzeugung des Richters von der zu beweisenden Tatsache im Sinne eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2008 – VI ZR 274/07, VersR 2008, 1126; Senat, Urteil vom 21. März 2018 – 5 U 59/16, ZfS 2018, 700). Dagegen gilt für den Beweis der kausalen Verknüpfung dieser beiden Umstände der erleichterte Maßstab des § 287 ZPO, der für die tatrichterliche Überzeugungsbildung eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen ausreichen lässt (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – IV ZR 36/10, VersR 2011, 1171; Urteil vom 23. Juni 2004 – IV ZR 130/03, BGHZ 159, 360; Senat, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 5 U 97/18, VersR 2020, 285).

b)

Vorliegend ist es der Klägerin selbst bei Anwendung des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO jedoch nicht gelungen, zu beweisen, dass das Unfallereignis vom 25. März 2016 überhaupt zu einer dauerhaften Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit (Invalidität) geführt hat, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil letztlich zu Recht ausgeführt hat (Seite 6 LGU). Für diese Annahme spricht hier nämlich bei sachgerechter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch unter Berücksichtigung der unstreitig vorhandenen unfallunabhängigen Vorerkrankungen und -beschädigungen der Klägerin, schon keine ausreichende oder gar überwiegende Wahrscheinlichkeit.

aa)

Mit Recht verweist das Landgericht auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. aus dessen Gutachten vom 4. April 2018 und den unter Berücksichtigung der dagegen erhobenen Einwände der Klägerin erfolgten Ergänzungen. Der Sachverständige hat darin, befragt zum Vorliegen einer unfallbedingten Invalidität, schon keine dauerhaften Beeinträchtigungen feststellen können, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Erstereignis und den Erstkörperschaden zurückgeführt werden können. Er hat dies bereits in seinem Ausgangsgutachten sehr nachvollziehbar mit dem Hinweis auf eine relativ milde unfallbedingte Verletzung („Bagatellverletzung“, Bl. 170 GA) einerseits, die die geklagten Beschwerden nicht erläutere und aus der ein Dauerschaden an sich nicht entstehen könne, und zahlreichen nachweislich unfallunabhängigen Vorerkrankungen und Beschwerden andererseits begründet, die die von der Klägerin geklagten Beschwerden zwanglos erklären. Nach dem beschriebenen Hergang und den in der Erstbefundung festgehaltenen Schilderungen und Feststellungen sei mit hinreichender Sicherheit von einem Umknicken über den Fußaußenrand im Sinne eines Supinationstraumas auszugehen (Bl. 87 GA). Ausgehend von diesem allein denkbaren Verletzungsmechanismus und der Befundbeschreibung in der erstbehandelnden Klinik habe sich das unfallbedingte Verletzungs- und Beschwerdebild auf den Bereich des Außenknöchels und des äußeren Fußrandes konzentriert; daraus resultiere zweifelsfrei unfallbedingt lediglich eine Distorsion des oberen und unteren Sprunggelenks, evtl. auch unter Einbeziehung der außenseitigen Chopart- oder Lisfranc’schen Gelenklinie am Fuß, jedoch ohne eindeutige instabile Bandverletzung und sicher ohne knöcherne Verletzung oder Luxation (Bl. 88 GA). Soweit anhand des sechs Monate später gefertigten Kernspintomogramms eine Ödembildung im innenseitigen Keilbein festzustellen sei, handele es sich dabei eindeutig nicht um eine Folge des Unfalles, weil davon betroffene Bereiche vom Unfallgeschehen nicht erfasst worden seien, auch der Unfallmechanismus diese Schlussfolgerung nicht zulasse und überdies ein unfallbedingter Bone Bruise (Flüssigkeitsansammlung) anerkanntermaßen nach sechs Monaten nicht mehr nachweisbar sei (Bl. 88 f. GA). Demgegenüber sei bildgebend eine beginnende Arthrose zwischen medialem Keilbein und angrenzendem 1. Mittelfußknochen festzustellen, d.h. eine unfallunabhängige Veränderung, wobei sich entsprechende altersbedingte Veränderungen seitengleich auch im nicht vom Unfallgeschehen betroffenen Fuß feststellen ließen (Bl. 90, 91 GA). Zudem bestünden wohl Überlastungsbeschwerden im Bereich des 2. und 3. Mittelfußknochens köpfchennah; außerdem diagnostizierte der Sachverständige ein Krampfaderleiden an beiden Beinen, das sich nach seiner Einschätzung ebenfalls modifizierend auf den klinischen Befund an den Füßen auswirke, und er äußerte darüber hinaus den Verdacht auf das Vorliegen einer Polyneuropathie, d.h. einer – unfallunabhängigen – Erkrankung der Nerven, die zu Schmerzen und Sensibilitätsstörungen führen könne, häufig aber auch die Erhaltungsgrundlage des Fußskeletts reduziere (Bl. 92 f. GA). Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Jahre 1999 offensichtlich eine Verletzung des Sprunggelenks zumindest mit Fraktur des Innenknöchels erlitten habe, weshalb Bewegungseinschränkungen im oberen und unteren Sprunggelenk auch darauf zurückgehen könnten (Bl. 93 GA). Demgegenüber seien im Augenblick strenger Betrachtung keine Funktionseinschränkungen und keine Beschwerden zu objektivieren, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Erstereignis und den Erstkörperschaden, so wie er aufgrund nachvollziehbarer Befunde eindeutig beschrieben werden könne, zurückzuführen wären (Bl. 93 GA). Allenfalls bei großzügiger Auslegung könne eine bei der Klägerin festzustellende leichte Bewegungseinschränkung des unteren Sprunggelenks und möglicherweise ein geringer Anteil der Stand- und Gangunsicherheit als Unfallfolge angesehen werden; aber bereits letztere gehe eher auf die vermutete Polyneuropathie zurück, während bei dem Unfall nachweislich nichts zerstört oder beschädigt worden sei, weshalb eine entsprechende Beeinträchtigung und eine dauerhafte Unfallfolge daraus nicht abgeleitet werden könne (Bl. 94, 96 GA). Vielmehr sei, da ein organpathologischer Schaden als primärer Unfallschaden überhaupt nicht nachvollziehbar sei, streng genommen überhaupt keine unfallbedingte Invalidität zu ermitteln (Bl. 177, 289 GA).

bb)

Soweit das Landgericht diesen sehr eingehenden, in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Ausführungen des von ihm bestellten Sachverständigen gefolgt ist und dementsprechend bereits den Eintritt eines unfallbedingten Dauerschadens für nicht ausreichend erwiesen erachtet hat, ist das nicht zu beanstanden. Die schon erstinstanzlich von der Klägerin geltend gemachten und mit ihrer Berufung jetzt wiederholten Einwände, die dem Sachverständigen vorgehalten worden sind und zu denen er eingehend Stellung bezogen hat, vermögen dies auch weiterhin nicht in Zweifel zu ziehen; vielmehr teilt der Senat nach ergänzender Anhörung der Klägerin (§ 141 ZPO) und einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen die Einschätzung der Erstrichterin, dass schon für das Vorliegen eines unfallbedingten Dauerschadens hier keine, erst recht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 287 ZPO besteht.

(1)

Vergeblich beanstandet die Klägerin, der Sachverständige Prof. Dr. R. habe das bei ihr vorliegende Beschwerdebild nicht ausreichend erfasst und insbesondere die von ihr geschilderten, in den vorgerichtlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. L. und Dr. M. festgehaltenen Schmerzen zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Das Gegenteil ist der Fall, lediglich hat der Sachverständige die geklagten Beeinträchtigungen schlicht nicht für unfallursächlich angesehen und dies auch für den Senat nachvollziehbar und verständlich begründet. Schon in dem Ergänzungsgutachten vom 28. Dezember 2018 hatte der Sachverständige zu diesem Vorhalt eingehend Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass er die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden, die in dem Gutachten im Einzelnen wiedergegeben sind, vollumfänglich in seine Bewertung eingestellt habe (Bl. 134 ff. GA). Dabei hat der Sachverständige auch die Darstellung der Klägerin, sie habe derartige Beschwerden am linken Fuß vor dem Unfall nicht verspürt, berücksichtigt, was bereits in seinem Ausgangsgutachten anklang (Bl. 78 GA) und von ihm auf Nachfrage des Senats nochmals ausdrücklich bestätigt und erläutert wurde (Bl. 289 GA). Soweit der Sachverständige selbst unter diesen Voraussetzungen keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Dauerschaden und dem Unfallereignis herstellen konnte, hat er dies sehr eingehend und verständlich mit dem Hinweis auf den dazu ungeeigneten Unfallmechanismus, den Umfang der daraus resultierenden Erstverletzung und zahlreiche nachgewiesene oder zumindest sehr naheliegende unfallfremde Vorschäden begründet, deren Vorhandensein im Übrigen auch die Klägerin selbst eingeräumt hat. Auf Nachfrage hat er erläutert, dass nach dem Unfall vorhandene Schmerzempfindungen der Klägerin vielfältige – auch nicht zwingend körperliche – Ursachen haben können und dass allein der angegebene zeitliche Zusammenhang kein tauglicher Nachweis für die Unfallursächlichkeit geklagter Beschwerden ist (Bl. 290 GA). Deshalb muss auch auf dieser ergänzten Grundlage dem Vorliegen eines unfallbedingten Dauerschadens jede ausreichende Wahrscheinlichkeit abgesprochen werden.

(2)

Die mit der Berufung wiederholte Ansicht der Klägerin, ihre gesamte Schmerzsymptomatik und sämtliche vorliegenden Beeinträchtigungen müssten „denknotwendig“ durch einen unfallkausalen Erstschaden am rechten Mittelfuß verursacht sein, weil die Klägerin vorher nicht unter Schmerzen und erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen gelitten habe und andere, gesicherte Ursachen von dem Sachverständigen nicht aufgezeigt worden seien, vermag folglich ihrem Rechtsmittel ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der mit diesem Einwand befasste Sachverständige hat schon in seinem Ergänzungsgutachten eingehend und nachvollziehbar ausgeführt, dass bei der Klägerin ein ganzer Komplex unfallunabhängiger Erkrankungen vorliege bzw. klinisch zu vermuten sei, die das Beschwerdebild teilweise erklärten, während ein anderer Teil der angegebenen Beschwerden durch keine dieser Erkrankungen so richtig nachvollziehbar zu belegen sei, aber eben auch nicht durch eine – hier allein in Rede stehende – primäre Verletzung am ersten Keilbein und angrenzenden Mittelfußstrahl (Bl. 165 GA). Speziell zu den eingewandten Schwellungen und Schmerzen hat er erläutert, dass diese schon angesichts des (gesicherten) Befundes eines Krampfaderleidens (Varikosis) für jeden Arzt geläufig seien, dass aber auch die (beidseitig gesicherte) Arthrose, die (vermutete) Nervenerkrankung sowie die von ihm festgestellte Vorinvalidität in der Summe zu subjektiven Einschränkungen führten, wobei all dies jedoch keine Unfallfolge darstelle und dementsprechend auch nicht unkritisch als eine solche aufgefasst werden dürfe (Bl. 135 GA). Auf Frage des Senats hat er erläutert, welche Hintergründe ein subjektives Schmerzempfinden der Klägerin haben könne und weshalb dies kein Indiz für eine Unfallursächlichkeit bestehender Beschwerden sei. Deshalb ist es in der Konsequenz nachvollziehbar und richtig, dass der Sachverständige und, ihm folgend, auch schon das Landgericht nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einem unfallbedingten Dauerschaden ausgehen, wohingegen sich der mit der Berufung erneut proklamierte Umkehrschluss, wonach das Fehlen anderer Ursachen auf einen zwingenden Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis hindeute, schlichtweg verbietet. Das zum Beleg dieser Schlussfolgerung angebotene Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin mit Schwerpunkt Phlebologie (Gefäßerkrankungen) war dementsprechend nicht einzuholen. Gegenstand einer solchen Begutachtung könnten allenfalls einzelne, bei der Klägerin ohnehin unstreitig vorhandene unfallunabhängige Erkrankungen sein, insbesondere das Krampfaderleiden, dessen Vorliegen ohnehin unstreitig ist und von dem nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. bereits ohne weiteres anzunehmen ist, dass es als eine Ursache vorhandener Beschwerden oder Beeinträchtigungen in Betracht kommt. Zusätzliche Erkenntnisse für die auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet zu beantwortende Frage, ob das Unfallereignis und die dabei erlittene Primärverletzung zu einem Dauerschaden geführt haben, wären damit nicht zu gewinnen; vielmehr ist diese Frage im Zuge der erfolgten Begutachtung ausreichend, wenn auch aus Sicht der Klägerin nicht mit befriedigendem Ergebnis, beantwortet worden.

(3)

Mit dem Hinweis auf die augenscheinlich teilweise abweichenden Einschätzungen der vorgerichtlichen Sachverständigen Dr. L. und Dr. M. vermag die Klägerin den erforderlichen Nachweis eines unfallursächlichen Dauerschadens ebenfalls nicht zu führen. Zwar wird dort die Frage einer unfallbedingten Invalidität scheinbar großzügiger behandelt und letztendlich ohne vertiefende medizinische Ausführungen bejaht. Angesichts der fundierten abweichenden Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. R. genügt dies jedoch – selbst im Rahmen des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO – nicht, weil die vorgerichtlichen Gutachten, mit denen sich der gerichtliche Sachverständige eingehend auseinandergesetzt hat, ersichtlich nicht auf vergleichbar sorgfältig ausermittelter Tatsachengrundlage beruhen und auch inhaltlich in ihrer Qualität und Tiefe deutlich hinter dem gerichtlichen Sachverständigengutachten zurückbleiben. Die mangelnde Fundiertheit des Gutachtens Dr. L., der seine Schlussfolgerungen zum unfallbedingten Dauerschaden nur sehr knapp begründet und letztlich auf allgemeine Plausibilitätserwägungen gestützt hat (Bl. 35 GA), folgt neben dem bewussten Verzicht auf aktuelle Röntgenaufnahmen (Bl. 35 GA), auf deren Notwendigkeit für die Beurteilung dieses komplexen Sachverhaltes der gerichtliche Sachverständige eindringlich und nachvollziehbar hingewiesen hat, auch daraus, dass dieser im Zuge der körperlichen Untersuchung der Klägerin die Möglichkeit einer Vorinvalidität nicht in Betracht gezogen hat, obschon die entsprechende Operationsnarbe nach den Feststellungen in dem gerichtlichen Sachverständigengutachten ohne weiteres sichtbar war und zu diesem Schluss nötigte (Bl. 93 GA). Noch dürftiger sind die Ausführungen des Sachverständigen Dr. M., der sein Gutachten lediglich nach Aktenlage erstattet und dabei die Feststellungen des Sachverständigen Dr. L. einer erneuten Bewertung zugeführt hat, ohne seine z.T. abweichende Einschätzung insbesondere zur Höhe einer etwaigen Invalidität auch nur annähernd vertieft zu begründen. Dass eine solche, auf unvollständigen Anknüpfungstatsachen beruhende und auch sonst eher oberflächliche vorgerichtliche Begutachtung zum Nachweis eines unfallbedingten Dauerschadens untauglich ist, hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten anhand konkreter Argumente eingehend herausgearbeitet (Bl. 85 ff. GA). Sein begründeter Hinweis, die bisherigen Einschätzungen seien nur sehr grob und mit hoher Unsicherheit vorgenommen worden, ist für den Senat evident.

(4)

Vor diesem Hintergrund geht auch die Rüge der Klägerin, das Landgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einzuholen, fehl: Hierfür bestand und besteht auch weiterhin keine Veranlassung (zu den Voraussetzungen im Einzelnen: BGH, Urteil vom 4. März 1980 – VI ZR 6/79, VersR 1980, 533; Senat, Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, RuS 2019, 214; Greger, in: Zöller, ZPO 33. Aufl., § 412 Rn. 2). Dass die Klägerin das Ergebnis der gerichtlichen Begutachtung nicht teilt, weil sie die – vom gerichtlichen Sachverständigen vollständig erfasste und nachvollziehbar beurteilte – Tatsachengrundlage abweichend bewertet wissen will, macht das Gutachten weder unvollständig, noch gibt es Anlass dazu, es für unrichtig oder gar unbrauchbar zu halten; das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Die Einschätzungen des Sachverständigen beruhen auf einer eigenen körperlichen Untersuchung der Klägerin und einer sorgfältigen Auswertung sämtlicher dem Sachverständigen zur Verfügung gestellten Befunde. Sie sind in jeder Hinsicht schlüssig und auch aus Laiensicht ohne weiteres verständlich, dagegen erhobene Einwände wurden in wiederholten schriftlichen Ergänzungen und im Rahmen der mündlichen Erläuterung vor dem Senat vollständig ausgeräumt. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bewertung der Beweisfrage verbleiben hiernach nicht; vielmehr ist das Gutachten schlicht überzeugend, und die fachliche Qualifikation des dem Senat langjährig bekannten Sachverständigen steht ebenfalls außer Zweifel. Schließlich liegen nach dem oben Gesagten hier auch nicht mehrere, gleichwertige Gutachten vor, von denen das Gericht ohne einleuchtende, nachvollziehbare Begründung keinem den Vorzug hätte geben können; denn die vorgerichtlich eingeholten Gutachten, die hinsichtlich der Kausalitätsfrage zu abweichenden Erkenntnissen gelangt waren, sind aufgrund ihrer handwerklichen Mängel keine hinreichende Grundlage für eine gerichtliche Überzeugungsbildung und im vorliegenden auch nicht ansatzweise geeignet, die Erkenntnisse aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten zu erschüttern, auf die obigen Ausführungen wird ergänzend verwiesen.

c)

Der Beklagten war es nicht versagt, das Fehlen unfallbedingter Dauerfolgen – wie zuletzt ausdrücklich geschehen – in Abrede zu stellen. Dass sie erstinstanzlich mit Klageerwiderung zunächst nur die Unfallbedingtheit einer „weitergehenden“, d.h. über die vorgenommene Regulierung hinausgehenden Invalidität bestritten und erst nach Kenntnis von dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen unfallbedingte Dauerschäden insgesamt in Abrede gestellt hatte, ist unschädlich, weil ein schlichtes Nichtbestreiten – im Gegensatz zu einem gerichtlichen Geständnis (§ 288 ZPO; dazu Senat, Urteil vom 23. Oktober 2019 – 5 U 19/19, VersR 2020, 281, m.w.N.), das hier nicht erklärt wurde, nachdem das Landgericht ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden hat – die Partei für das weitere Verfahren nicht bindet (Greger, in: Zöller, a.a.O., § 138 Rn. 9). Ebenso wenig hatte die Beklagte die Beeinträchtigungen der Klägerin bereits im Rahmen des vorprozessualen Schriftverkehrs anerkannt. Anlass ihrer beiden dafür in Betracht kommenden Schreiben vom 8. Juni 2017 und vom 13. Oktober 2017 (Anlagen K6, K8) war allein die in § 11 AUB vorgesehene, in § 187 VVG auch gesetzlich bestimmte (Erstbemessungs-) Pflicht der Beklagten, innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Nachweises des Unfallhergangs, der Unfallfolgen und – soweit notwendig – des Nachweises über den Abschluss des Heilverfahrens zu erklären, ob und in welcher Höhe sie einen Anspruch anerkennt. Ein solches Anerkenntnis beinhaltet regelmäßig aber nur die Mitteilung an den Versicherungsnehmer, in welchem Umfang Ansprüche als berechtigt angesehen und entsprechend reguliert werden sollen (Wissenserklärung; vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1976 – IV ZR 222/74, VersR 1977, 471; Senat, Urteil vom 25. Februar 2013 – 5 U 224/11-34, VersR 2014, 456; OLG Düsseldorf, VersR 2019, 610; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 187 Rn. 6; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl., § 187 Rn. 1). Anhaltspunkte dafür, dass zuvor Streit über die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten, insbesondere über die Unfallbedingtheit der körperlichen Beeinträchtigungen oder über den Grad der Invalidität bestanden hätte, sind nicht erkennbar, so dass die Klägerin das erste Abrechnungsschreiben vom 8. Juni 2017 deshalb nicht dahin verstehen konnte, die Beklagte sei über eine reine Mitteilung ihrer Erfüllungsbereitschaft hinaus bereit, sich insoweit endgültig und verbindlich festzulegen. Nichts anderes gilt für das weitere Schreiben vom 13. Oktober 2017, mit dem die Beklagte der Klägerin nach Einholung der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. M. M. ein Abfindungsangebot unterbreitet hat, das ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt worden war, dass die Klägerin hierzu ihre Zustimmung erteilte, was diese nicht getan hat, und sich die Beklagte andernfalls alle Rechte aus dem Vertrag für die weitere Bearbeitung des Unfalles vorbehalte.

3.

Dessen unbeschadet, hat die Klägerin vorliegend auch nicht bewiesen, dass ein vermeintlich unfallbedingter Dauerschaden, der hier schon nicht erwiesen ist, zu einer höheren Invaliditätsentschädigung führen könnte, als von der Beklagten bereits mit Schreiben vom 8. Juni 2017 auf der Grundlage von 1/5 Fußwert nach der Gliedertaxe ermittelt und reguliert worden ist (= 8 Prozent Gesamtinvalidität aus der Grundsumme von 116.736,- Euro: 9.338,88 Euro). Nach den im Berufungsrechtszug ergänzten und den Vorgaben des Senats entsprechend präzisierten sachverständigen Feststellungen hätte eine – unterstellt – unfallbedingte Invalidität vorliegend unter Berücksichtigung mitwirkender unfallunabhängiger Vorschäden allenfalls eine Invaliditätsleistung von 4.669,44 Euro zur Folge (5/20 Fußwert = 10 Prozent Gesamtinvalidität, abzüglich 60 Prozent Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen). Auch diesbezügliche Einwände zur Höhe sind der Beklagten – ungeachtet der rechtlichen Einordnung ihrer vorgerichtlichen Korrespondenz – nicht verschlossen, weil selbst ein etwaiges deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das hier nicht hingegeben wurde, nur in Bezug auf seinen konkreten Inhalt Bindungswirkung entfalten, nicht aber die Unfallbedingtheit weiterer, von seinem Inhalt nicht umfasster „Folgen“ des Unfallereignisses außer Frage stellen könnte (vgl. Senat, Urteil vom 25. Februar 2013 – 5 U 224/11-34, VersR 2014, 4569).

a)

Vergeblich erneuert die Klägerin ihre Auffassung, die Bewertung einer – im Folgenden als gegeben unterstellten – unfallursächlichen Invalidität habe anhand des Beinwertes der Gliedertaxe und nicht – wie vom Landgericht im Einklang mit allen Sachverständigen angenommen – nach dem Fußwert zu erfolgen.

aa)

Für die Bemessung einer unfallbedingten Invalidität ist vorrangig – und so auch hier – die in § 8 II. Abs. 2 AUB vorgesehene Gliedertaxe anzuwenden; diese bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Gebrauchsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder; gleiches gilt auch bei Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 – IV ZR 34/11, VersR 2012, 351; Urteil vom 1. April 2015 – IV ZR 104/13, VersR 2015, 617). Dieser ist maßgeblich für die Frage, welcher „feste“ Invaliditätsgrad im Einzelfall als maßgebend zugrunde zu legen ist. Abzustellen ist auf die rumpfnächste Stelle, an der sich die Verletzung auswirkt. Entscheidend ist nicht, an welchem Glied die Verletzung eingetreten ist, sondern vielmehr, welches Glied in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist, so dass etwa bei einer Mittelfußfraktur, die aufgrund von Nervenschädigungen auch die Funktionsfähigkeit des Beins beeinträchtigt, der für die Invalidität eines Beins angesetzte Grad zu berücksichtigen ist (vgl. Senat, Urteil vom 21. März 2018 – 5 U 59/16, ZfS 2018, 700; OLG Frankfurt, VersR 2006, 964; OLG Naumburg, VuR 2017, 360; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 35). Dagegen sind die Auswirkungen auf die Gebrauchsfähigkeit eines verbliebenen, nicht selbst geschädigten Restglieds oder Teilbereichs eines Glieds oder die in diese Bereiche ausstrahlenden Schmerzen bereits in den Prozentsätzen der Taxe berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1991 – IV ZR 60/90, VersR 1991, 413; Senat, Urteil vom 21. März 2018 – 5 U 59/16, ZfS 2018, 700; Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O., Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 36).

bb)

Soweit das Landgericht die (vermeintliche) Invaliditätsleistung anhand des Fußwertes errechnet und damit unausgesprochen diesen Bereich als Sitz der Schädigung zugrunde gelegt hat, entspricht das den Erkenntnissen aus der durchgeführten Beweisaufnahme und ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass sich die objektivierbaren Veränderungen auch im Kernspintomogramm ein halbes Jahr nach dem Unfall – ihre Unfallbedingtheit unterstellt – ausschließlich auf die Fußwurzel und hier den Übergang zum Mittelfuß und auf die Köpfchen der Mittelfußknochen 2 und 3 bezögen; aktuell lasse sich auch keine Umfangsminderung im Bereich der rechten Wade mehr nachvollziehen (Bl. 96 GA). Zu den dagegen erhobenen Einwendungen der Klägerin, die statt dessen den Beinwert angewendet wissen will, hat er erklärt, dass maßgeblich der anatomisch-topographische Sitz der auf Dauer bleibenden Funktionseinbuße, beruhend auf der Primärverletzung, sei, der hier auch nach Angaben der Klägerin im Bereich des Mittelfußes verortet werde. Die Bewertung anhand des Fußwertes bei vergleichbaren Verletzungen entspreche sämtlichen Empfehlungen in der einschlägigen Begutachtungsliteratur; dies gelte sogar für Verletzungen des Sprunggelenkes, die bereits sehr viel weiter zum Bein hin angeordnet sei als die vorliegende Mittelfußverletzung, solange daraus keine erhebliche Funktionsstörung im Sinne eines Spitzfußes folge (Bl. 172 GA). Zu unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des rechten Beines, die über den Bereich des Fußes hinausgehen, hat der Sachverständige dagegen keine Feststellungen treffen können. Deshalb erweist sich die Bewertung der Invalidität anhand des Fußwertes, von der im Übrigen auch die vorgerichtlich tätigen Sachverständigen übereinstimmend ausgegangen sind, nach Maßgabe der eingangs dargestellten Rechtsprechung als in jeder Hinsicht nachvollziehbar und zutreffend.

b)

Im Ergebnis völlig zu Recht hat das Landgericht für den Fall, dass die Annahme eines Dauerschadens unterstellt werden müsste, aber jedenfalls keine höhere als die von der Beklagten bereits vorgerichtlich regulierte Invaliditätsentschädigung für berechtigt erachtet. Denn bei Anwendung zutreffender Berechnungsgrundsätze gebührte der Klägerin allenfalls eine Leistung in Höhe von 4.669,44 Euro; dementsprechend wäre ihr Anspruch durch die bereits erhaltene, diesen Betrag übersteigende Zahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB):

aa)

Wie der Senat in seinem kurz vor Erlass der angefochtenen Entscheidung verkündeten Urteil vom 2. Oktober 2019 (– 5 U 97/18, VersR 2020, 285 = NJW-RR 2020, 96) ausgeführt hat, ist der vom Ausgangsgericht im Anschluss an die Ausführungen des – insoweit nicht ausreichend angeleiteten – Sachverständigen gewählte Ansatz, mitwirkende Vorschäden schon bei der Bemessung des Gesamtinvaliditätsgrades zu berücksichtigen, rechtsfehlerhaft, weil die Systematik der von den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen hierzu etwas anderes vorgibt. Hat ein Unfall zu einer dauerhaften Beeinträchtigung geführt, wofür Mitursächlichkeit genügt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492; Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O., Nr. 2 AUB 2010 Rn. 3), so richtet sich die Höhe der Leistung nach dem „Grad der Invalidität“, der sich in Fällen wie dem vorliegenden einheitlich nach der Gliedertaxe (§ 8 II Abs. 2 AUB) bemisst. In diese Feststellung fließen naturgemäß auch Gesundheitsbeeinträchtigungen ein, die nicht erst infolge des Unfallgeschehens eingetreten sind, das Anlass der Untersuchung ist; diese Vorschäden sind jedoch nicht – schon – unter dem Gesichtspunkt der Kausalität zu berücksichtigen, sondern – erst – nachgeordnet als möglicher Leistungsminderungsgrund, für den der Versicherer nach den Bedingungen beweisbelastet ist. Denn eine etwa gegebene – über Unfallfolgen hinausgehende – Gesamtinvalidität ist danach nur ein notwendiges Glied in der Kette der Schritte, die hin zur Feststellung einer unfallbedingten, d.h. versicherten und bedingungsgemäß zu entschädigenden Invalidität führen (so schon BGH, Urteil vom 24. Februar 1988 – IVa ZR 220/86, VersR 1988, 461). Diesbezüglich gilt hier: Wenn vor Eintritt des Unfalls der Versicherte schon durch Krankheit oder Gebrechen in seiner Arbeitsfähigkeit dauernd behindert war oder Körperteile oder Sinnesorgane ganz oder teilweise verloren oder gebrauchsunfähig gewesen sind, hat ein Abzug dieser – im Ansatz nach denselben Grundsätzen zu bemessenden – Vorinvalidität zu erfolgen (§ 10 Abs. 4 AUB). Haben bei den Unfallfolgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt, so ist die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen, sofern dieser Anteil mindestens 25 Prozent beträgt (§ 10 Abs. 1 AUB).

bb)

Danach wäre im Streitfall, soweit man eine unfallbedingte dauerhafte Beeinträchtigung der Klägerin als gegeben unterstellen wollte, die daraus resultierende (Gesamt-)Invalidität zunächst mit 5/20 Fußwert anzusetzen, wie der gerichtliche Sachverständige in weitgehender Übereinstimmung auch mit den vorgerichtlich tätigen Gutachtern schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat. Unter Hinweis auf literaturbasierte Referenzwerte hat er ausführlich begründet, dass dieser Wert angesichts der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigung, sei sie unfallbedingter oder unfallfremder Ursache, dem maximal denkbaren Invaliditätsgrad entspreche (Bl. 96, 290 GA). Zu einer durch den früheren Unfall und die damals erfolgte Operation bedingten Vorinvalidität vermochte sich der Sachverständige auf Nachfrage des Senats mangels hinreichender Anhaltspunkte für daraus resultierende tatsächliche Beeinträchtigungen nicht abschließend zu äußern. Jedoch ist nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme von der aus einer Gesamtinvalidität von 10 Prozent (5/20 des Fußwertes von 40 Prozent) errechneten Leistung ein Mitwirkungsanteil von 60 Prozent für Krankheiten und Gebrechen gemäß § 10 Abs. 1 AUB in Abzug zu bringen. Denn nachgewiesenermaßen – und letztlich unbestritten – sind am betroffenen Fuß zahlreiche, eindeutig unfallunabhängige krankheitsbedingte Vorschäden vorhanden, die an dem (vermeintlichen) Dauerschaden als Unfallfolge mitgewirkt haben; das gilt insbesondere für die beginnende Arthrose zwischen medialem Keilbein und angrenzendem 1. Mittelfußknochen, die vorhandenen Überlastungsbeschwerden im Bereich des 2. und 3. Mittelfußknochens köpfchennah sowie das Krampfaderleiden an beiden Beinen. Wie der Sachverständige auf Nachfrage des Senats dezidiert erklärt hat, besteht insoweit eine überwiegende Mitverursachung, die mit der erforderlichen Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2011 − IV ZR 70/11, VersR 2012, 92) das bedingungsgemäß geforderte Mindestmaß von 25 Prozent erreicht und die unter Berücksichtigung aller Umstände im Streitfall mit 60 Prozent bewertet werden kann (Sitzungsniederschrift Bl. 290 f. GA). Der Senat schließt sich dieser verständlich und nachvollziehbar begründeten Einschätzung des Sachverständigen an. Er teilt nach eigener Überprüfung die Ansicht, dass selbst bei großzügiger Unterstellung eines unfallbedingten Dauerschadens, für den streng genommen aber schon keine ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, der Mitwirkung der unfallunabhängigen Vorschäden ein insgesamt deutlich überwiegendes Gewicht beigemessen werden muss und hält deshalb allenfalls eine Invaliditätsleistung von 4.669,44 Euro (10 Prozent Gesamtinvalidität aus der Grundsumme von 116.736,- Euro, abzüglich 60 Prozent für mitwirkende Krankheiten und Gebrechen) für gerechtfertigt. Ein Betrag in dies übersteigender Höhe wurde bereits vorgerichtlich gezahlt, weitere Ansprüche der Klägerin bestehen daher nicht. Auch deshalb hat das Landgericht ihre Klage insgesamt, auch in Bezug auf die das Schicksal der Hauptforderung teilenden Nebenforderungen, zu Recht abgewiesen und musste das dagegen eingelegte Rechtsmittel erfolglos bleiben.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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