LG Kiel – Az.: 5 O 206/19 – Urteil vom 25.09.2020
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.05.2019 sowie weitere 729,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.07.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung, wonach die Beklagte eine Sofortleistung in Höhe von 7.500 € bei schweren Erkrankungen zahlt.
Der Zeuge …, als Vertreter der Beklagten, beriet den Kläger am 04.05.2018 in dessen privaten Wohnräumen über den Abschluss einer privaten Unfallversicherung. Er erläuterte unter Vorlage eines elfseitigen Prospekts (K1) unter anderem das Versicherungspaket EXTRA-PLUS, das er dem Kläger anbot. Seite 9 unten des Prospekts war versehen mit einem Hinweis, dass für den Leistungsumfang die allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUB) in der zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns neuesten Fassung maßgeblich seien. Bei diesem Gespräch erhielt der Kläger die AUB nicht. Zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches litt der Kläger nicht unter einer schweren Erkrankung.
Mit Schreiben vom 08.05.2018 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Beratungsprotokoll über das Gespräch vom 04.05.2018 (K2) und teilte diesem mit, dass darin Hinweise zum Gesprächsinhalt enthalten seien und der Kläger vorbehaltlich des Ergebnisses einer noch vorzunehmenden Prüfung in den nächsten Tagen bzw. rechtzeitig zum Versicherungsbeginn seinen Versicherungsschein erhalten werde. Dem Beratungsprotokoll ist zu entnehmen, dass sich der Kläger unter anderem für das EXTRA-PLUS-Paket entschieden habe.
Mit einem zweiten Schreiben vom 08.05.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser ab dem 14.07.2018 Versicherungsschutz habe und wies darauf hin, dass der Umfang des Versicherungsschutzes sowie Rechte und Pflichten in den Verbraucherinformationen und dem Versicherungsschein beschrieben seien, den sie rechtzeitig ausstellen und an den Kläger zuschicken werde.
Einige Tage nach dem 08.05.2018 erhielt der Kläger ein drittes Schreiben der Beklagten vom 08.05.2018, mit dem diese dem Kläger die für den Vertrag gültigen Verbraucherinformationen U 500 Ausgabe 08/2017 übersandte. Sie wies darauf hin, dass darin neben den Vertragsbedingungen Hinweise zum Vertrag und vieles mehr zu finden seien.
Unter dem 25.06.2018 erstellte die Beklagte den Versicherungsschein (K4) und übersandte diesen an den Kläger. Dem Versicherungsschein ist zu entnehmen, dass die Beklagte bei schweren Erkrankungen eine Sofortleistung in Höhe von 7.500 € zahlt.
Nach A.3.1.1 der besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit EXTRA-PLUS-Leistungen für Erwachsene zahlt die Beklagte eine Sofortleistung allerdings nur bei Eintritt der folgenden Erkrankungen:
„a) Akuter Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
b) Krankheiten des zerobrovaskulären Systems (Schlaganfälle)
c) Bösartige Neubildung der weiblichen Brustdrüse (bei weiblichen versicherten Personen)
d) Bösartige Neubildung des Hodens (bei männlichen versicherten Personen)
e) Organtransplantation.“
Im Januar 2019 erlitt der Kläger zwei Hörstürze, im Anschluss traten ein Tinnitus und Schwindel auf. Auf Veranlassung eines HNO-Arztes wurde am 18.02.2019 in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis … ein MRT erstellt, wobei im rechten Bereich eine Raumforderung im inneren Gehörgang rechts erkannt wurde.
Am 26.02.2019 fragte der Klägerin den Zeugen … über Whattsapp, ob er eine Unfallversicherung habe und ob sich der Baustein schwere Erkrankung „alles auf Unfall“ beziehe. Der Zeuge … schrieb per Whattsapp an demselben Tag zurück und teilte dem Kläger mit, dass Erkrankungen „on top“ seien, allerdings nur bestimmte. Daraufhin warf der Kläger einen Blick in die Versicherungsbedingungen.
Am 10.04.2019 wurde bei dem Kläger ein Vestibularischwannom T2 rechts diagnostiziert. Dabei handelt es sich um einen langsam wachsenden gutartigen Tumor des 8. Hirnnervs, in der Regel vom Gleichgewichtsnerv ausgehend, umgangssprachlich als Hirntumor zu bezeichnen.
Am 29.04.2019 meldete sich der Kläger telefonisch in der Schadensabteilung der Beklagten und berichtete über seine aktuelle schwere Erkrankung. Ein Mitarbeiter der Beklagten teilte dem Kläger mit, dass ein Hirntumor nicht als schwere Erkrankung anzusehen sei.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.05.2019 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 7.500 € sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € bis zum 24.05.2019 auf (K5). Mit Schreiben vom 17.05.2019 wies die Beklagte den Anspruch des Klägers zurück (K6).
Der Kläger behauptet, er habe während des Gespräches mit dem Zeugen … diesen ausdrücklich gefragt, ob hier wirklich alle schweren Erkrankungen vom Leistungsumfang umfasst seien, was der Zeuge … ausdrücklich bestätigt habe. Dieser habe das Spektrum der schweren Erkrankungen in keiner Form eingegrenzt. Aufgrund der Aussage des Zeugen habe er sich dazu entschlossen, den Baustein abzuschließen. Der Zeuge habe für das EXTRA-PLUS Paket damit geworben, dass keine andere Versicherung in Deutschland diesen Schutz so anbiete. Er habe betont, dass die Beklagte sofort zahlen würde, wenn man schwer erkranke oder verletzt sei. Er habe noch einmal ausdrücklich nachgefragt, ob alle schweren Erkrankungen oder Verletzungen versichert seien, woraufhin der Zeuge erklärt habe, ja, die … zahle bei allen schweren Erkrankungen und schweren Verletzungen anstandslos. Auf ausdrückliche Nachfrage hin habe der Zeuge erklärt, dass es insoweit keinerlei Einschränkungen gebe. Seine Erkenntnis darüber, dass nur bestimmte Erkrankungen vereinbart worden seien, habe sich erst Monate nach Vertragsschluss ergeben.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.500 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.05.2019 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 729,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe dem Kläger mit ihrem dritten Schreiben vom 08.05.2018 die AUB übersandt. Der Zeuge … habe bei dem Beratungsgespräch ausdrücklich erklärt, dass nur bestimmte in den Versicherungsbedingungen bezeichnete Erkrankungen im Zuge der Erbringung einer Sofortleistung versichert seien. Der Kläger habe dem Zeugen per Whattsapp-Nachricht mitgeteilt, dass ihm bekannt sei, dass seine Erkrankung nicht unter den Versicherungsschutz falle.
Die Klage ist der Beklagten am 10.07.2019 zugestellt worden. Das Gericht hat im Termin vom 03.07.2020 den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 03.07.2020.
Mit Zustimmung der Parteien hat das Gericht am 20.08.2020 beschlossen, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden wird und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, den 11.09.2020 bestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 7.500 € gegen die Beklagte aus dem mit dieser geschlossenen privaten Unfallversicherung.
Nach dem Vertrag hat die Beklagte sich verpflichtet, bei schweren Erkrankungen eine Sofortleistung in Höhe von 7.500 € zu erbringen. Dies folgt aus dem Versicherungsschein der Beklagten vom 25.06.2018. Danach leistet diese eine Sofortzahlung in Höhe von 7.500 € bei schwere Erkrankungen. Der Hirntumor des Klägers ist eine schwere Erkrankung.
Ob die AUB nach § 305 BGB Vertragsbestandteil geworden sind, kann dahinstehen. Denn die darin für den vorliegenden Fall relevante Klausel unter A.3.1.1 der besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit EXTRA-PLUS-Leistungen für Erwachsene, auf die sich die Beklagte beruft und wonach schwere Erkrankungen lediglich ein Herzinfarkt, Schlaganfall, bösartige Neubildungen an der Brustdrüse oder des Hodens und eine Organtransplantation sind, ist überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB und damit – eine wirksame Einbeziehung der AUB der Beklagten einmal unterstellt – nicht Vertragsbestandteil geworden.
Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Der Kunde muss darauf vertrauen dürfen, dass sich AGB im Rahmen dessen halten, was bei Würdigung aller Umstände bei Verträgen dieser Art zu erwarten ist (Köln NJW 06, 3358). Gehen AGB über diese Grenze hinaus, werden sie als überraschende Klauseln von der Einbeziehung nicht erfasst und nicht Vertragsinhalt (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 305c Rn. 2). Es muss sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handeln. Ob das der Fall ist, ist nach den Gesamtumständen zu beurteilen. Die Ungewöhnlichkeit kann sich aus der Unvereinbarkeit mit dem Leitbild des Vertrages, der Höhe des Entgelts, einem Widerspruch zum Verlauf der Vertragsverhandlungen oder von den üblichen Vertragsbedingungen, aber auch aus der Unvereinbarkeit mit dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages ergeben (a. a. O. Rn. 3).
Zu dem empirischen Tatbestandsmerkmal „ungewöhnlich“ muss als zweite normative Voraussetzung hinzukommen, dass der andere Teil mit der Klausel nicht zu rechnen braucht (BGH NJW 13, 1803). Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Zu den Erwartungen des Kunden und dem Klauselinhalt muss eine Diskrepanz bestehen (BGH 84, 113; 130, 19/25; NJW-RR 14, 937); der Klausel muss ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen (BGH 100, 85; NJW 90, 577; NJW-RR 17, 501). Ob die Klausel überraschend ist, beurteilt sich in der Regel nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH 101, 33; NJW-RR 12, 1261).
Die Prüfung nach § 305c Abs. 1 BGB erfolgt in drei Schritten. Zunächst ist festzustellen, welche Vorstellungen und Erwartungen der Kunde vom Inhalt des abgeschlossenen Vertrages nach den Umständen hatte und haben durfte. Sodann ist der Inhalt der streitigen AGB-Klausel zu ermitteln. Schließlich ist zu fragen, ob die Diskrepanz zwischen den Vorstellungen des Kunden und dem Inhalt der AGB-Klausel so groß ist, dass sich die Annahme rechtfertigt, es handele sich um eine „überraschende“ Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB (Basedwo, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 305c Rn. 6).
Für die Frage, welche Vorstellungen und Erwartungen der Kunde vom Inhalt des Vertrages hatte und haben durfte, kommt es auf die gesamten, bei Vertragsschluss obwaltenden Umstände an. Maßgeblich ist also nicht nur der Inhalt des ausdrücklich Vereinbarten und der vorausgegangenen Verhandlungen, sondern auch der Eindruck, den der Kunde nach der (z. B. im Internetauftritt oder in Prospekten enthaltenen) Werbung des Verwenders, nach seinem äußeren Auftreten sowie nach dem „äußeren Erscheinungsbild des Vertrages“, d. h. auf Grund der Aufmachung, der drucktechnischen Anordnung und des Schriftbildes der von dem Verwender vorgelegten Urkunden von dem zu erwartenden Vertragsinhalt gewinnen konnte. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Vorstellungen und Erwartungen an, die ein redlicher Kunde von durchschnittlicher Geschäftserfahrung, Aufmerksamkeit und Umsicht sich vom Inhalt des Vertrages auf Grund der genannten Umstände gebildet hätte; ungewöhnliche Erwartungen, die gerade nur der in Rede stehende Kunde auf Grund besonderer persönlicher Erfahrungen oder Vorstellungen mit dem Vertragsinhalt verknüpft, verdienen nicht den Vertrauensschutz, der durch § 305c Abs. 1 BGB gewährleistet werden soll (a. a. O. Rn. 7).
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist die Klausel in A.3.1.1. der besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit EXTRA-PLUS-Leistungen für Erwachsene überraschend. Dem Kläger wurde unter Vorlage des elfseitigen Prospekts der Beklagten dargelegt, dass bei dem Auftreten einer schweren Erkrankung eine Leistung in Höhe von 7.500,00 € sofort gezahlt werden würde. Dies ergab sich aus Seite 9 des Prospekts. Hiernach bestand das EXTRA-PLUS-Paket aus einer Sofortleistung bei schweren Erkrankungen. Darin ist kein Hinweis enthalten, dass lediglich bestimmte schwere Erkrankungen vom Vertragsschutz umfasst sind. Eine Einschränkung, dass davon ein Hirntumor nicht umfasst sein würde, ist darin nicht zu finden. Auch sind dort nicht etwa exemplarisch bestimmte schwere Erkrankungen aufgeführt, was den Eindruck vermittelt hätte, es seien nicht alle schweren Erkrankungen vom Leistungsumfang erfasst. An dem Eindruck, dass eine Sofortleistung bei schweren Erkrankungen ohne Einschränkung gezahlt wird, ändert auch der Hinweis auf Seite 9 ganz unten des Prospekts nichts, dass für den Leistungsumfang die allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUB) maßgeblich seien. Zum einen geht dieser Hinweis im Vergleich zum übrigen Textinhalt auf Seite 9 aufgrund des Umstandes, dass der Hinweistext eine kleinere Textgröße aufweist und sich ganz unten auf der Seite befindet, neben den übrigen Angaben unter. Zum anderen ergibt sich aus diesem Hinweis unmittelbar auch keine Beschränkung in Bezug auf schwere Erkrankungen, sondern es hätte einen Blick in die besonderen Bedingungen bedurft, die dem Kläger vorliegend zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches mit dem Zeugen … nicht vorlagen und von dem Zeugen nicht an den Kläger überreicht worden waren. Hinzu kommt, dass unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Seite 9 zu erwarten gewesen wäre, dass eine Einschränkung hinsichtlich der schweren Erkrankungen – so sie denn gewollt war – unter dem Baustein der EXTRA-PLUS-Leistungen mit aufgenommen worden wäre. Denn bei den weiteren von dem Baustein EXTRA-PLUS umfassten Leistungen sind jeweils die vom Versicherungsschutz umfassten Erkrankungen genau bezeichnet. So leistet die Beklagte laut des EXTRA-PLUS-Bausteins neben der Sofortleistung bei Schwerstverletzungen und schweren Erkrankungen unter anderem 250 € Schmerzensgeld bei Knochenfraktur. Ferner ist danach ein Unfall durch Herzinfarkt oder Schlaganfall und ein Zeckenbiss (FSME und Borreliose) vom Versicherungsschutz umfasst. Ein durchschnittlicher Kunde durfte vor diesem Hintergrund erwarten, dass bei der Sofortleistung von 7.500 € etwaige Einschränkungen ebenfalls genau bezeichnet und aufgeführt worden wären. Da es an einer Einschränkung in Bezug auf die Sofortleistung bei schweren Erkrankungen gänzlich fehlt, muss ein durchschnittlicher Kunde mit einer sich aus A.3.1.1 der besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit EXTRA-PLUS-Leistungen für Erwachsene ergebenden Einschränkung dahingehend, dass lediglich Herzinfarkt, Schlaganfall, bösartige Neubildungen der Brustdrüse oder des Hodens und eine Organtransplantation, vom Versicherungsschutz umfasst sind, nicht rechnen. Aus dem weiteren Umstand, dass der Zeuge …, einmal als bewiesen unterstellt, den Kläger im Zuge des Beratungsgespräches vom 04.05.2018 mitgeteilt hat, dass nur bestimmte schwere Erkrankungen vom Leistungsumfang umfasst seien, ergibt sich unter Würdigung aller Umstände für den vorliegenden Fall nichts anderes. Denn auch bei einem solchen Hinweis durfte der Kläger erwarten, dass jedenfalls die streitgegenständliche Tumorerkrankung im Gehirn eine schwere Erkrankung im Sinne des Versicherungsvertrages darstellt. Der Kläger hatte auch keine Veranlassung, nach dem vom Zeugen … als wahr unterstellten, erteilten Hinweis nachzufragen, welche bestimmten schweren Erkrankungen denn dann abgesichert sind. Denn jedenfalls mit einer Einbeziehung einer Tumorerkrankung im Gehirn durfte der Kläger rechnen. Auch unter Berücksichtigung des an den Kläger vor Zustandekommen des Vertrages übersandten Beratungsprotokolls zum Unfall-Antrag des Klägers vom 04.05.2018 musste bei diesem kein anderer Eindruck entstehen. Denn darin sind ebenfalls keinerlei Einschränkungen in Bezug auf die Sofortleistung bei schweren Erkrankungen enthalten. Daraus ergibt sich noch nicht einmal, welchen Inhalt das EXTRA-PLUS-Paket hat. Aus dem Beratungsprotokoll folgt schlicht, dass sich der Kläger unter anderem für das EXTRA-PLUS-Paket entschieden habe.
Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Mit Ablauf der mit Schreiben vom 10.05.2019 gesetzten Zahlungsfrist (24.05.2019) ist die Beklagte in Verzug geraten. Denn die Leistung der Beklagten war nach dem hier maßgeblichen Versicherungsschein vom 25.06.2018 sofort fällig, d. h. mit Auftreten der schweren Erkrankung.
Der Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 729,23 € folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 281 Abs. 1 BGB, der Zinsanspruch hieraus aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 40, GKG, 3, 4, ZPO.