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Unfallversicherung – Anforderungen an ärztliche Feststellung der Invalidität als Unfallfolge

LG Göttingen – Az.: 8 O 192/10 – Urteil vom 27.01.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung der Beklagten. Er begehrt Leistungen aufgrund eines Vorfalls vom ….

Der Kläger behauptet, er sei an diesem Tag gegen 8.30 Uhr mit seinem Hund spazieren gegangen. Der Boden sei vereist und leicht mit Schnee bedeckt gewesen. Sein Hund habe ihn bei einem wilden Spiel mit einem anderen Hund umgelaufen. Durch den Sturz sei er auf seinen Rücken, die Schulter und den Nacken gefallen. Sofort nach dem Unfall habe er erhebliche Schmerzen gehabt. Als die Beschwerden trotz Ruhe und der Einnahme von Schmerzmitteln nicht abgeklungen seien, habe er sich einige Tage später in ärztliche Behandlung seines Hausarztes … begeben. Dieser habe zunächst Massagen verordnet, ihn dann aber an einen Orthopäden überwiesen. Am … sei dann eine MRT- Untersuchung erfolgt, die eine Bandscheibenprotusion C3/4, einen Bandscheibenvorfall C4/5 und eine weitere Bandscheibenprotusion C5/6 sowie einen älteren Bandscheibenvorfall C6/7 gezeigt habe.

Der Kläger behauptet, die Bandscheibenschädigungen der Halswirbelsäule seien ursächlich auf den Sturz vom … zurückzuführen. Es sei eine dauerhafte Schädigung der Halswirbelsäule eingetreten, die zu ständigen Schmerzen im rechten Schulter-Nackenbereich mit teilweisen Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen im rechten Arm bzw. in einzelnen Fingern des rechten Armes sowie zu einer Kraftminderung des rechten Armes geführt hätten. Diese Dauerfolgen führten zu einer Invalidität von 20 v. H. und somit zu einem Anspruch aus der Unfallversicherung von 15.448,20 €.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Eintritt der unfallbedingten Invalidität durch die ärztliche Bescheinigung des … vom … (Anlage K7) innerhalb der nach den Bedingungen der Beklagten erforderlichen 18 Monate ärztlich festgestellt worden sei.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.448,20 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem ….

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zum Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten 461,60 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Sturzgeschehen und die Witterungsverhältnisse mit Nichtwissen. Sie bestreitet zudem, dass der geschilderte Sturz für die Bandscheibenschäden adäquat kausal gewesen sei. Sie behauptet, dass der Kläger in diesem Fall sofort so starke Beschwerden hätte haben müssen, dass er keinesfalls 11 Tage bis zu einer ärztlichen Konsultation hätte warten können. Angesichts des auch vom Kläger als älter bezeichneten Bandscheibenvorfalls C6/7 sei davon auszugehen, dass eine schon vor dem behaupteten Unfall vorhandene Veränderung der Halswirbelsäule zu 100 % die jetzigen Erkrankungen und Beschwerden verursacht habe, die sie ebenfalls mit Nichtwissen bestreiten. Die Beklagte bestreitet eine Invalidität von 20 v. H.

Jedenfalls aber bestehe der Anspruch aus der Unfallversicherung unabhängig hiervon deshalb nicht, weil die Invalidität nicht innerhalb von 15 Monaten -somit bis zum … – ärztlich festgestellt worden sei. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung K7 bescheinige eine unfallbedingte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit und deren Dauerhaftigkeit nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht aus der Unfallversicherung wegen des Vorfalls vom … kein Anspruch auf Versicherungsleistungen zu.

Nach den Versicherungsbedingungen steht dem Kläger ein Anspruch auf Versicherungsleistungen zu, wenn er aufgrund eines Unfalls eine dauernde Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) erlitten hat. Nach den (verbesserten) Bedingungen muss die Invalidität innerhalb von 18 Monaten angemeldet werden.

Dabei muss die Invalidität nach § 7 I GUB 95 innerhalb von einem Jahr nach dem Unfall eingetreten und spätestens binnen weiterer drei Monate ärztlich festgestellt sein. Die ärztliche Feststellung ist Anspruchsvoraussetzung (BGH VersR 1978, 1036-1038; OLG Naumburg VersR 2005, 970-971).

Die ärztliche Feststellung hat bestimmten Anforderungen zu genügen. Aus ihr muss sich „die ärztlicherseits angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben“ (BGH RuS 1997, 84-85). Sie hat inhaltlich eine „von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Beurteilung (zu enthalten), ob und in welchem Umfang bestimmte Körperschäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Es genügt danach nicht die Erhebung von Befunden, sondern es ist eine Wertung der Befunde … erforderlich, …“ (OLG Frankfurt VersR 1993, 174-1759).

Die ärztliche Bescheinigung vom … genügt den vorstehenden Anforderungen nicht. Zunächst führt sie als Körperschäden eine Schulterprellung und Thoraxprellung rechts und Myalgien der Hals- Nackenregion auf. Sodann bescheinigt sie eine Beschwerdepersistenz und erforderliche weitere Untersuchungen. Schließlich legt sie deren Befunde eines Bandscheibenvorfalles und Bandscheibenvorwölbungen dar. Diese neuen Befunde werden lediglich als „unfallbedingt“ bezeichnet, eine begründete ärztliche Beurteilung der Ursächlichkeit des vom Kläger benannten Unfallereignisses findet nicht statt, obwohl diese Befunde bei der Erstuntersuchung noch nicht festgestellt worden waren. Eine nähere Erläuterung der „persistierenden Beschwerden“ nach Art und Auswirkung fehlt. Insbesondere kann der ärztlichen Bescheinigung auch nicht entnommen werden, dass die Beschwerden zu einer dauernden Beeinträchtigung im Sinne der Versicherungsbedingungen führen. Dies kann auch nicht aus dem Begriff der „persistierenden“ Beschwerden entnommen werden. Zwar bedeutet dieser Begriff „anhaltend/dauernd“ (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch), bedeutet aber in der Regel nur, dass Beschwerden länger anhalten und nicht innerhalb der im Regelfall üblichen Zeit abgeklungen sind. Dieser Begriff vermag damit nicht die Unveränderlichkeit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung festzustellen. Dies kann der allgemeine Verweis darauf, dass der Kläger seine Umschulung beenden musste, nicht ersetzen.

Der Beklagten ist auch nicht zu verwehren, sich auf eine nicht fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu berufen. Dies wäre nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn bei einem Versicherungsnehmer unzweifelhaft binnen Jahresfrist aufgrund eines Unfalls unveränderliche Gesundheitsschäden entstanden wären (BGH VersR 1995, 1179-1181). Hierüber herrscht vorliegend aber gerade Streit.

Mangels hinreichender ärztlicher Feststellung war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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