Skip to content

Unfallversicherung – ärztliche Invaliditätsfeststellung und Hinweispflicht des Versicherers

Ärztliche Invaliditätsfeststellung und Hinweispflicht des Versicherers bei Unfallversicherungen

Ein kürzlich ergangenes Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt (Az.: 1 U 26/21) behandelt die Frage der ärztlichen Invaliditätsfeststellung und der Hinweispflicht des Versicherers im Zusammenhang mit einer Unfallversicherung. Dabei wurde die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Halle zurückgewiesen. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte des Falles und die Argumente des Gerichts dargestellt.

Direkt zum Urteil: Az.: 1 U 26/21 springen.

Hintergrund des Falls

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine private Unfallversicherung für sich und seine Ehefrau abgeschlossen, die unter anderem eine Invaliditätsleistung von 120.000 EUR vorsah. Nach einem Unfall der Ehefrau im Februar 2017 hatte der Kläger die Invaliditätsleistung beantragt. Die Beklagte verwies darauf, dass die Invalidität innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall ärztlich festgestellt und geltend gemacht werden müsse, andernfalls der Anspruch auf Invaliditätsleistung erlischt. Der Kläger füllte daraufhin eine Unfall-Schadensanzeige aus, in der er die Invalidität seiner Ehefrau als noch unklar angab.

Wichtige Aspekte der Entscheidung

Das Gericht entschied, dass die Hinweispflicht des Versicherers erfüllt wurde, indem dieser den Kläger auf die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für die Invaliditätsleistung hingewiesen hatte. Außerdem stellte das Gericht fest, dass die Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung und die Geltendmachung des Anspruchs abgelaufen war, ohne dass der Kläger den erforderlichen Nachweis erbracht hatte.

Das Gericht wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Halle zurück und entschied, dass der Kläger die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen habe. Zudem wurde der Streitwert für den Berufungsrechtszug auf 144.000 EUR festgesetzt.

Bedeutung für Unfallversicherungen

Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, die vertraglichen Bedingungen einer Unfallversicherung genau zu kennen und sich an die festgelegten Fristen zu halten. Andernfalls kann der Anspruch auf Invaliditätsleistungen verloren gehen. Versicherungsnehmer sollten daher stets darauf achten, dass sie alle notwendigen Schritte unternehmen, um ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.

Benötigen Sie Hilfe in einem ähnlichen Fall? Jetzt Ersteinschätzung anfragen oder Beratungstermin vereinbaren: 02732 791079.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 1 U 26/21 – Urteil vom 01.02.2022

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Februar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Dieses und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 144.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten u.a. eine private Unfallversicherung (Partner-Unfallversicherung mit Vorsorgeschutz -PremiumSchutz-). Mitversicherte Person ist die Ehefrau des Klägers, Frau Dr. P. S. . Vereinbart ist insoweit u.a. eine Invaliditätsleistung von 120.000,00 EUR, bei Vollinvalidität unter Berücksichtigung der sog. Progression 300 von 360.000,00 EUR. Zu den vertraglichen Grundlagen zählen vor allem die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2012) Stand 06/2012, die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 300 (BB Progression 2012 – 300 Prozent) und die Besonderen Bedingungen für die Produktlinie Premium (BB Premium 2012). Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsvertrages wird auf den Versicherungsschein PK … vom 18.08.2015 (K1-I/11-13) und die Versicherungsbedingungen (K12-I/43-70) verwiesen.

Am 05.10.2017 (acht Monate nach dem behaupteten Unfall) schrieb die Beklagte unter der Schadensnummer … im Hinblick auf den Schadenstag 10.02.2017 und die verletzte Person Dr. P. S. an den Kläger (K2-I/14-15):

„… wir haben von dem Unfall erfahren und kümmern uns jetzt um Ihr Anliegen.

Wenn Sie eine Invaliditätsleistung beanspruchen, beachten Sie bitte die folgenden vertraglich vereinbarten Voraussetzungen:

Die Invalidität muss innerhalb von einundzwanzig Monaten nach dem Unfall

– eingetreten,

– von einem Arzt schriftlich festgestellt und

– von Ihnen bei uns geltend gemacht sein.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass nach Ablauf dieser Frist ein Anspruch auf die Invaliditätsleistung nicht mehr besteht.

Zur Vervollständigung unserer Unterlagen wollen Sie uns bitte die beigefügte Schadensanzeige vollständig ausgefüllt und von Ihnen sowie ggf. von der verletzten Person unterschrieben zurücksenden.

Wir bitten Sie, beiliegenden Erklärungsentwurf über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht von der verletzten Person unterzeichnet an uns zurückzusenden…“.

Der Kläger füllte das übersandte Formular „Unfall-Schadensanzeige“ aus (K3-I/16-17) und übersandte es am 10.10.2017 an die Beklagte. Zur Schilderung des Unfallhergangs verwies er auf einen beigefügten Mailverkehr. Er gab an, dass es zu einer Kopfverletzung mit Nervenschädigung gekommen und eine Invalidität noch unklar sei. Als erstbehandelnde Ärztin wurde die Hausärztin K. B. angegeben. Weiterbehandelnde Ärzte seien ein Orthopäde, ein Internist, eine Augenärztin und ein Zahnarzt. Hinzu käme seit Mai 2017 die Neurologin Dr. W. . Die „Einwilligung und Schweigepflichtentbindung für die Abfrage von Gesundheitsdaten bei Dritten zur Prüfung der Leistungspflicht und für die Datenweitergabe zur medizinischen Beurteilung und an Assistancedienstleister“ (I/18-20) reichte der Kläger mit Schreiben vom 17.10.2017 nach.

Am 05.10.2018 wandte sich der Kläger an die Beklagte. Er verwies auf die nunmehr 20 Monate andauernde Arbeitsunfähigkeit seiner Ehefrau. Es werde von einer dauernden Beeinträchtigung ausgegangen. Die Beklagte wurde gefragt, wie die ärztliche Stellungnahme erfolgen müsse und ob es hierfür Vordrucke der Beklagten gäbe. Die Beklagte schrieb dem Kläger daraufhin am 15. Oktober 2018 unter der obigen Schadensnummer (K5-I/21):

„… Ihre Geltendmachung einer Invalidität haben wir vorgemerkt.

Zum Nachweis der unfallbedingten Invalidität erhalten Sie in der Anlage einen entsprechenden Vordruck. Bitte senden Sie uns diesen von fachärztlicher (nicht hausärztlicher) Seite ausgefüllt zurück.

Bitte beachten Sie, dass eine eventuelle unfallbedingte Invalidität bis zum 10.12.2018 durch ein ärztliches Attest festgestellt sein muss.

Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nach Ablauf dieser Frist ein Anspruch auf die Invaliditätsleistung nicht mehr besteht.

Wie telefonisch besprochen, haben wir die Invaliditätsfrist um einen Monat, bis zum 10.12.2018 verlängert. …“.

Die Neurologin Dr. W. füllte die „Ärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim privaten Unfallversicherer“ am 03.12.2018 aus (K6-I/22). Die Ärztin setzte im Wesentlichen zwei Kreuze im vorgedruckten Teil der Bescheinigung, ohne nähere Angaben zum Körper- oder Gesundheitsschaden einschließlich der Diagnose(n) zu machen. Dem Kläger fiel dies auf, weshalb er neben der Bescheinigung zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin K. B. vom 07.03.2017 <„Schwindel“> und des Facharztes für Allgemeinmedizin S. L. vom 13.11.2018 <“Schwindel; Trigeminusaffektion“> (K7-I/23, 24) bei der Beklagten einreichte (vgl. dazu Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 23.07.2020 – I/139).

Die Beklagte lehnte es daraufhin mit Schreiben vom 27.12.2018 ab, ihre Leistungspflicht anzuerkennen (K8-I/25). Dort heißt es:

„… Um Invaliditätsansprüche aus der privaten Unfallversicherung geltend zu machen, bedarf es einer unfallbedingten ärztlich gesicherten Erstdiagnose. Frau Dr. W. hat im Attest vom 03.12.2018 jedoch keine Erstdiagnose genannt.

Nach nochmaliger sorgfältiger Prüfung der uns vorliegenden ärztlichen Unterlagen müssen wir Ihnen mitteilen, dass uns bis heute keine fristgerechte ärztliche Bestätigung über einen unfallbedingten Erstkörperschaden vorliegt. Die Invaliditätsfrist hatten wir entgegenkommend bereits um einen Monat verlängert…“.

Der Kläger legte die Ärztliche Bescheinigung nochmals Frau Dr. W. vor (K9-I/26). Die Ärztin ergänzte das Formular am 21.01.2019 im Punkt 1.c) wie folgt:

„c) ErstDiagnose:

Erkrankung Hirnnerv (G52.7)

Anpassungsstörung (F43.2)“.

Diese Bescheinigung reichte der Kläger bei der Beklagten ein. Zusätzlich konsultierte er den Hausarzt der Ehefrau, S. L. , der sich neben der Ärztlichen Bescheinigung, die er nicht weiter ausfüllte, in einem Beiblatt „bzgl. Unfallereignis 10.02.2017“ wie folgt äußerte:

„… Diagnosen:

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (H81.1, V)

Orthostase (I95.1, V), Trigeminusaffektion (G50.9)

Hinsichtlich Frage 1a) war zunächst nicht zwingend mit einer dauernden Beeinträchtigung als Folge des Unfalls zu rechnen. Es ist eher eine dauerhafte Ortostasestörung und ein benigner, paroxysmaler Lagerungsschwindel als Ursache des Sturzereignisses anzusehen. Die genannten Diagnosen können weiterhin eine temporäre Fallneigung und temporäre Sehstörungen bedingen. Weiterhin wurde durch weiterführende Diagnostik die Diagnose einer Trigeminusbeeinträchtigung durch die behandelnde Neurologin gestellt, deren Diagnostik aufgrund anhaltender Beschwerden wie Schwindel, Fallneigung und Sehstörungen auch Wochen und Monate nach dem Sturzereignis auftraten und heute noch auftreten. Vorherige Episoden vor dem Sturzereignis waren nicht eruierbar, so dass ein Zusammenhang zum Sturzereignis 02/2017 anzunehmen bzw. in Zusammenhang zu bringen ist…“.

Auch diese Unterlagen reichte der Kläger bei der Beklagten ein (Schreiben vom 05.02.2019 – K10-I/27-30).

Die Beklagte blieb bei ihrer ablehnenden Haltung, was sie dem Kläger am 23. Januar 2019 schriftlich wie folgt begründete (K11-I/31-32):

„… Um Ansprüche aus der privaten Unfallversicherung geltend zu machen, bedarf es einer unfallbedingten ärztlich gesicherten Erstdiagnose.

– Bei dem ICD-Schlüssel R42 handelt es sich um ein Symptom. Ein Symptom ist ein Anzeichen für eine Erkrankung oder Verletzung aber keine unfallbedingte Erstdiagnose.

– Der aufgeführte ICD-Schlüssel G50.9 V äußert den Verdacht auf eine Krankheit des Nervus trigeminus, und kann somit ebenfalls nicht als Nachweis einer unfallbedingten ärztlich gesicherten Erstdiagnose gewertet werden.

– Mit dem ICD-Schlüssel F32 (Depressive Episode) können wir uns nicht befassen, da krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch den Unfall verursacht wurden, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind.

Der Nachweis der Kausalität zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ist nach der Rechtsprechung im Vollbeweis durch Sie zu erbringen. Dieser Nachweis liegt uns jedoch bis heute nicht vor. Bitte beachten Sie auch, dass die Invaliditätsfrist bereits am 10.11.2018 abgelaufen ist. Die Frist hatten wir Ihnen entgegenkommend um einen Monat, bis zum 10.12.2018, verlängert…“.

Hierauf nahm der Kläger bereits vorgerichtlich anwaltliche Hilfe seiner Prozessbevollmächtigten in Anspruch.

Der Kläger, welcher zunächst nur die Leistungspflicht der Beklagten zur Feststellung begehrte, hat behauptet, seine Ehefrau sei am 10.02.2017 anlässlich eines Saunabesuchs auf den Kopf gestürzt. Anschließend habe sich eine Beule an der Stirn gezeigt, die man mit Hilfe von Eis aus dem Hotelrestaurant gekühlt habe. Der Sturz habe im Kopf zwei Nerven verletzt. Folge seien Schwindelattacken, Kopfschmerzen und Koordinationsstörungen.

Hierdurch sei bedingungsgemäße Invalidität eingetreten. Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person sei unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt. Ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Orthostase und eine Trigeminusaffektion würden nach Erschütterung des Gehirns oder der Verletzung von Hirnnerven auftreten, was beispielsweise durch einen Sturz passieren könne. Mit einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation sei nicht mehr zu rechnen. Allenfalls seien Veränderung im Grad der Invalidität möglich.

Der Invaliditätsgrad betrage ungefähr 55%, was mit Blick auf die vereinbarte Progression eine Invaliditätsleistung von 144.000,00 EUR verlange.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liege mit der Stellungnahme der Neurologin Dr. W. eine ausreichende Invaliditätsfeststellung vor. Im Vordruck der Beklagten habe die Ärztin nur ankreuzen müssen. Darüber hinaus sei der Beklagten durch die mitgesandte Diagnose „Trigeminusaffektion“ alles bekannt gemacht worden, was für die ärztliche Invaliditätsfeststellung erforderlich sei. Für den Kläger sei aus dem Versicherungsvertrag nicht zu entnehmen, dass es neben der ärztlichen Feststellung der Invalidität weiterer Angaben, insbesondere einer Erstdiagnose bedürfe. Aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers habe das Ausfüllen des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formulars genügt.

Zu Unrecht habe die Beklagte erst wenige Wochen vor Fristablauf darauf bestanden, die Feststellung nicht vom Hausarzt treffen zu lassen, bei dem es sich aber ebenfalls um einen bedingungsgemäßen Facharzt handele. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer werde der Zweck der fachärztlichen Invaliditätsfeststellung gewahrt, wenn diese von einem Facharzt stamme, der sich zur Feststellung fachlich in der Lage fühle. Damit sei der Kläger (zumindest nachträglich) über Anspruchsvoraussetzungen unrichtig informiert worden, weshalb sich die Beklagte auf das vermeintliche Fristversäumnis nicht berufen könne (§ 186 S. 2 VVG).

Von ihrem Hausarzt habe die Ehefrau des Klägers die Bescheinigung viel früher erhalten können. Außerdem habe bei einer frühzeitigeren Einreichung der Bescheinigung für die Beklagte noch Gelegenheit bestanden, den Kläger auf die Unvollständigkeit der ärztlichen Stellungnahme hinzuweisen. Der Kläger wäre so in die Lage versetzt worden, die jetzt außerhalb der Frist eingereichten Ergänzungen fristgerecht vornehmen zu lassen. Das gelte selbst mit Blick auf die am 04.12.2018 bei der Beklagten eingereichte Anlage K6. Auch hier habe ein sofortiger Hinweis durch die Beklagte noch zu einer Korrektur führen können.

Die versicherte Person sei sowieso nicht auf die vertraglichen Fristen hingewiesen worden, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Zumindest verhalte sich die Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf die nicht fristgerechte Invaliditätsfeststellung berufe.

Der Kläger hat gemeint, der Anspruch sei mit der Feststellungsklage geltend zu machen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Beklagte angesichts eines Feststellungsurteils vertragsgemäß verhalten und die notwendigen Feststellungen zur Anspruchshöhe selbständig treffen werde. Es erhöhe das Prozessrisiko des Klägers unnötig, von ihm eine Leistungsklage zu verlangen. Der Kläger sei bereit, einen sich im Ergebnis notwendiger Begutachtung ergebenden geringeren Grad der Invalidität zu akzeptieren.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag zur Schaden-Nr. … wegen des Unfalls vom 10.02.2017 zur Leistung verpflichtet ist.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 144.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 3.047,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Feststellungsklage für unzulässig gehalten, weil der Kläger auf die Invaliditätsleistung klagen könne.

Sie hat behauptet, die Anspruchsvoraussetzungen für die Invaliditätsleistung lägen nicht vor. Vom Kläger werde nicht einmal eine unfallbedingte Erstschädigung schlüssig vorgetragen. Aussagefähige Behandlungsunterlagen bringe der Kläger nicht bei. Es sei nicht ersichtlich, dass die unfallbedingte Schädigung zweier Nerven das Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung sei. Noch weniger sei ein unfallbedingter Dauerschaden ersichtlich. Die Ärztlichen Bescheinigungen der Neurologin seien dementsprechend unzureichend. Soweit sich der Hausarzt geäußert habe, sei der dort gezogene Schluss nicht zwingend, zumal auch idiopathische Abläufe in Betracht kämen. Damit sei die vertragliche Frist, auf die die Beklagte immer wieder hingewiesen habe (so auch in den Schreiben vom 17. und 31.10.2017 – E4, E5-I/103, 104), nicht gewahrt. Eine Belehrung über die an die ärztliche Feststellung der Invalidität zu stellenden inhaltlichen Anforderungen sei nicht geschuldet.

Außerdem lägen die Ausschlusstatbestände der Ziff. 5.1.1 AUB 2012 (Bewusstseinsstörung) und der psychischen Reaktion (Ziff. 5.2.6 AUB 2012) vor. Aufgrund der Stellungnahme des Hausarztes, die inhaltlich nicht anders zu interpretieren sei, ginge der (bestrittene) Sturz auf einen (ggf. kreislaufbedingten) Schwindel zurück. Die vom Kläger behaupteten Folgen seien mangels objektivierbarer Gesundheitsbeeinträchtigungen psychisch bedingt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 4. Februar 2021 die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Feststellungsantrag zulässig. Der vom Kläger angegebene Grad der Invalidität sei nur eine Schätzung. Eine abschließende Bezifferung sei nicht möglich. Zumindest die Prozesswirtschaftlichkeit spreche für das Feststellungsinteresse des Klägers.

Die der Beklagten vorliegenden ärztlichen Äußerungen genügten den vertraglichen Anforderungen. Das gelte bereits für die Bescheinigung der Neurologin vom 03.12.2018. Das Erfordernis weiterer Angaben habe die Beklagte dem Kläger nicht nahe gebracht. An die ärztliche Invaliditätsfeststellung seien keine hohen Anforderungen zu stellen. Aus ihr müsse sich nur die vom Arzt angenommene Ursache der Invalidität ergeben. Der Arzt treffe dort die Feststellung, dass das Unfallereignis für den dauerhaften Schaden mitursächlich sei. Dies lasse sich der Bescheinigung entnehmen. Den Bezug zum Unfall vom 10.02.2017 stelle bereits der von der Beklagten vorgedruckte Text her. Raum für Weiteres habe der Vordruck sowieso nicht geboten. Dass es um die Verletzung von Kopfnerven gegangen sei, folge aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Stichwort: Trigeminusaffektion).

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf die nicht eingehaltene Frist von 21 Monaten. Denn sie habe dem Kläger erst zwanzig Monate nach dem Unfall das Formular zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang sei ein fehlerhafter Hinweis zu den Anspruchsvoraussetzungen erfolgt, der mit dem Vertrag nicht zu vereinbaren sei und zum Nachteil des Versicherungsnehmers darüber hinaus gehe. Natürlich könne die Invalidität auch vom Hausarzt festgestellt werden, denn nicht immer müsse ein weiterer Facharzt in die Behandlung eingebunden sein.

Die vertragliche Frist von 21 Monaten gelte aber sowieso nur für den Eintritt der Invalidität.

Weitere Feststellungen zu den verletzten Nerven und der in Mitleidenschaft gezogenen Körperregion fänden sich in den Behandlungsunterlagen der Frau Dr. W. , die vom Berufungsgericht beizuziehen seien.

Die Beklagte habe aufgrund der Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht die Behandlungsunterlagen der Frau Dr. W. abgefordert, aus denen sich klar ergebe, dass eine Schädigung der Nerven im Kopfbereich vorliege. Es komme nicht darauf an, dass diese Unterlagen der Beklagten nicht vom Kläger zugänglich gemacht worden seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Halle vom 4. Februar 2021 abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag zur Schaden-Nr.: … wegen des Unfallereignisses der versicherten Person Dr. P. S. vom 10.02.2017 zur Leistung verpflichtet ist.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 144.000,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.047,35 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen.

Hilfsweise beantragt der Kläger die Zurückverweisung an das Landgericht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die ärztliche Feststellung der Invalidität habe gewissen Mindestanforderungen zu genügen, die das Landgericht zu Recht nicht habe feststellen können. Es sei jedenfalls erforderlich gewesen, den Vordruck der Beklagten vollständig auszufüllen. Die Bescheinigung der Neurologin habe dem so offensichtlich nicht entsprochen, dass dem Kläger dies ohne weiteres erkennbar gewesen sei.

Für eine ausreichende Bescheinigung komme es nicht darauf an, dass ein Facharzt des richtigen Fachbereichs gehandelt habe. Es bedürfe nur eines Facharztes. Mehr habe die Beklagte nie verlangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht auf keiner Rechtsverletzung, denn es trifft zum Feststellungsantrag zu und erweist sich mit Blick auf die (hilfsweise erhobene) Leistungsklage als im Ergebnis richtig (§ 513 I ZPO), sodass auch der die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers betreffende Schadensersatzanspruch (aus § 280 I BGB) nicht besteht. Für die Feststellungsklage fehlt es am in § 256 I ZPO vorausgesetzten Feststellungsinteresse (1.). Der mit der zulässigen Leistungsklage geltend gemachte Anspruch auf die Invaliditätsleistung für die mitversicherte Ehefrau (§§ 178, 179 I, 180, 43, 45 I VVG i.V.m. dem Versicherungsschein (K1) sowie Ziff. 2.2, 13.1 AUB 2012, Ziff. 18 BB Premium 2012) ist mangels ärztlicher bzw. fachärztlicher Feststellung der bedingungsgemäßen Invalidität nicht entstanden (2.).

1. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 28.12.2021 klargestellt, dass er den auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichteten Hauptantrag erster Instanz auch im Berufungsrechtszug weiterverfolgt und nur hilfsweise die Invaliditätsleistung von 144.000,00 EUR beansprucht.

Das Landgericht hat im Urteil vom 04.02.2021 hierzu ausgeführt, der Feststellungsantrag sei unzulässig. Dem Kläger fehle das notwendige Feststellungsinteresse. Er sei nach seinem eigenen Vorbringen in der Lage, die Beklagte auf Leistung in Anspruch zu nehmen.

Dies trifft zu.

Nach § 256 I ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Feststellungsinteresse ist Prozessvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGH NJW 2018, 3025, 3026). Es ist gegeben, wenn dem Recht oder der rechtlichen Situation des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, die Gefahr zu beseitigen (BGH a.a.O.). Davon ist auszugehen, denn die Beklagte bestreitet den Anspruch des Klägers aus dem Versicherungsvertrag (BGH NJW 2019, 1002, 1003).

Das Feststellungsinteresse fehlt dennoch grundsätzlich dann, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (BGH NJW 1984, 1118, 1119). Es besteht zwar keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Leistungsklage. Die Feststellungsklage bleibt trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH a.a.O.). Ist indes die Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt dem Kläger das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann (BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20). Von Letzterem ist hier auszugehen.

Der Kläger stützt die Zulässigkeit der Feststellungsklage auf den nicht geklärten Grad der Invalidität, der sich in der Entwicklung befinde, sodass die Leistungsklage noch nicht möglich oder zumutbar sei. Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen:

Die Klageerhebung i.S.v. § 253 I ZPO erfolgte drei Jahre nach dem behaupteten Unfall. Für die Erstbemessung der Invalidität – worum es hier geht – kommt es zu Grund und Höhe der Invaliditätsleistung auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist an (BGH, Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15). Diese Frist beträgt mit dem Unfall beginnend 21 Monate (Ziff. 2.2.1.1.1 AUB 2012 i.V.m. Ziff. 18 BB Premium 2012). Sie war zur Zeit der Klageerhebung abgelaufen, sodass der Kläger seinen Anspruch beziffern kann und sich im Rahmen der Erstfestsetzung nichts mehr in der Entwicklung befindet. Der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz hat nur dafür Bedeutung, ob sich rückschauend bezogen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Invaliditätseintrittsfrist bessere tatsächliche Einsichten zu den Prognosegrundlagen bezüglich des Eintritts der Invalidität und ihres Grades eröffnen (BGH a.a.O.). Alles andere ist dann eine Frage der vertraglich eingeräumten Möglichkeit zur Neubemessung des Grades der Invalidität innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall (vgl. Ziff. 9.2.4 S. 1 AUB 2012). Dass es auf die Dreijahresfrist ankommen kann, wenn der Versicherungsnehmer noch vor Ablauf der dreijährigen Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend macht (BGH a.a.O.), hat auf die Zulässigkeit der nach Ablauf der für die Erstbemessung heranzuziehenden Frist erhobenen Feststellungsklage keinen Einfluss.

Ebenso wenig kann sich der Kläger für die Zulässigkeit der Feststellungsklage auf die Bemessung des Grades der Invalidität nach freier Überzeugung des Gerichts durch Schätzung entsprechend § 287 ZPO berufen. Dem Kläger ist es in einem solchen Fall gestattet, unter Darlegung der tatsächlichen Grundlagen für die Ermessensausübung des Gerichts und der Größenordnung des Anspruchs einen unbezifferten Klageantrag zu stellen (BGH NJW 2014, 939, 943). Wo unbeziffert auf Leistung geklagt werden kann, fehlt das Interesse an der Feststellungsklage, zumal gerade nicht anzunehmen ist, dass es im Zuge der Bestimmung des Grades der Invalidität nicht zu Streitigkeiten der Parteien kommt (BGH MDR 2017, 657, 658).

2. Der Kläger begehrt Leistung der Beklagten aus der Unfallversicherung seiner Ehefrau. Die Versicherung gilt insoweit im Zweifel als für Rechnung der Ehefrau genommen (§§ 179 I, 43 I VVG). Obwohl danach die Rechte aus dem Versicherungsvertrag der Ehefrau zustehen (§ 44 I S. 1 VVG), ist der Kläger anspruchsberechtigt (§ 45 I VVG, Ziff. 13.1 AUB 2012).

Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Falle eines Unfalls der versicherten Person die vereinbarten Leistungen zu erbringen (§ 178 I VVG). Steht Invalidität im Raum, schuldet der Versicherer die versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist (§ 180 VVG). Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen (Ziff. 2.2.1.1.1 S. 3 AUB 2012 i.V.m. Ziff. 18 BB Premium 2012) ist die von der Beklagten für die versicherte Person zugesagte Invaliditätsleistung davon abhängig, dass die Invalidität innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall eingetreten, von einem Facharzt schriftlich festgestellt und bei der Beklagten schriftlich geltend gemacht worden ist. Dabei unterliegt die rechtzeitige Geltendmachung keinen Bedenken. Die Beklagte hat dem Kläger die rechtzeitige Geltendmachung mit Schreiben vom 15.10.2018 bestätigt.

Der Eintritt der Invalidität ist zwischen den Parteien einschließlich des zugrunde liegenden Unfalls streitig. Beides bedarf im Prozess keiner Klärung. Der Anspruch auf die Invaliditätsleistung ist mangels ärztlicher bzw. fachärztlicher Feststellung nicht entstanden.

Bei der ärztlichen Feststellung der Invalidität, die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen wirksam vereinbart werden kann, handelt es sich nach einhelliger Auffassung um eine Anspruchsvoraussetzung (BGH NJW 1995, 2854, 2855), die die Gerichte von Amts wegen zu prüfen haben (OLG Naumburg r+s 2006, 124, 125; Prölls/Martin/Knappmann, VVG, 31. Aufl., Ziff. 2 AUB 2014 Rdn. 32).

Das Landgericht hat hierzu (für die Zeit bis zum 10.12.2018) ausgeführt:

Die Ärztliche Bescheinigung der Neurologin Dr. W. vom 03.12.2018 sei ungenügend. Die fachärztliche Invaliditätsfeststellung erfordere neben der Mitteilung einer Erstdiagnose eine von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Beurteilung, ob und in welchem Umfang bestimmte Gesundheitsschädigungen auf dem Unfallereignis beruhen und ob diese die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person auf Dauer mindern würden. Dem werde die Bescheinigung (K6) nicht gerecht. Sie beschreibe weder bestimmte unfallbedingte Gesundheitsschäden noch den dadurch hervorgerufenen Dauerschaden. Eine Erstdiagnose fehle. Die Nichtbeantwortung der von der Beklagten vorformulierten Fragen sei derart offenkundig, dass sie einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht verborgen bleiben könne. Die weiter eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien schon deshalb untauglich, weil sie nicht von einem Neurologen stammen würden.

Dies trifft im Ergebnis zu.

An die ärztliche Feststellung der Invalidität sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie muss die Versicherung nur in die Lage versetzen, dem Versicherungsfall nachzugehen, ihre Leistungspflicht in medizinischer Hinsicht fachbereichsbezogen zu prüfen und Spätschäden abzugrenzen (BGH NJW-RR 1988, 601, 602). Hierzu sind die ärztlicherseits angenommene Schädigung sowie der Bereich, auf den sich diese auswirkt, und die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so zu umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss (BGH r+s 1997, 84, 85; 2015, 250, 252). Die schriftliche Feststellung bezieht sich auf den Teil des Sachverhalts, dessen Ermittlung medizinischen Sachverstand und ärztliche Wertung von Befunden (OLG Naumburg r+s 2006, 124, 125) erfordert, wie

– Schadenshergang/Verletzungsmechanismus,

– Verletzungsbild,

– Vorerkrankungen (Grimm/Kloth, Unfallversicherung, 6. Aufl., Ziff. 2. AUB Rdn. 22).

Erforderlich sind die Angabe eines konkreten, die Leistungsfähigkeit beeinflussenden Gesundheitsschadens und die Aussage, dieser sei Unfallfolge und von Dauer (a.a.O. Rdn. 23). Darüber hinaus müssen sich aus der Feststellung die ärztlicherseits für die Invalidität angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben (a.a.O. Rdn. 24; Prölls/Martin/Knappmann, Ziff. 2 AUB 2014 Rdn. 12). Die bloße Feststellung von Invalidität ist ungenügend (a.a.O. Rdn. 23). Erforderlich ist eine Wertung erhobener Befunde in Form eines ärztlichen Schlusses auf die eingetretene dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der versicherten Person (OLG Naumburg VersR 2005, 70).

Dies erschließt sich auch aus den von den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit (auch) auf seine Interessen an. Die Allgemeinen Bedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH r+s 2015, 250, 251). Nach dem Wortlaut der zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen ist die Invalidität von einem Facharzt schriftlich festzustellen. Invalidität definiert Ziff. 2.2.1.1.1 AUB 2012 in Übereinstimmung mit § 180 VVG als die unfallbedingte dauerhafte, also voraussichtlich länger als drei Jahre andauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der versicherten Person, deren Änderung nicht erwartet werden kann. Nichts anderes, aber zumindest dies muss sich auch aus Sicht des Klägers aus der von ihm beizubringenden ärztlichen Bescheinigung ergeben.

Dem wird offensichtlich keine der vom Kläger eingereichten Ärztlichen Bescheinigungen gerecht, was sich schon aus den vom Kläger selbst dargestellten Anforderungen an die ärztliche Invaliditätsfeststellung ergibt. Das gilt für die Erklärungen der Neurologin Dr. W. vom 03.12.2018 und deren Ergänzung vom 21.01.2019 sowie für das vom Hausarzt L. unterschriebene und mit der Stellungnahme vom 31.01.2019 versehene Formular. Die zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Hausärztin B. und des Hausarztes L. vom 07.03.2017 und 13.11.2018 treffen ebenso wenig Feststellungen zu einer unfallbedingt nach 21 Monaten eingetretenen dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der Ehefrau des Klägers.

Entgegen der möglicherweise vom Kläger vertretenen Auffassung sind die Äußerungen unterschiedlicher Ärzte zu unterschiedlichen Umständen auch nicht derart zusammenzuziehen, dass sie ein nachvollziehbares Ganzes ergeben (so wohl auch der Hinweis des Landgerichts vom 15.09.2020). Die ausreichende fachärztliche Feststellung der Invalidität muss in Gänze von einem Arzt stammen, der für die Bescheinigung die Verantwortung übernimmt (Prölls/Martin/Knappmann, Ziff. 2 AUB 2014 Rdn. 12). Hierauf kommt es jedoch nicht einmal an, denn selbst die übergreifende Gesamtbetrachtung lässt eine bedingungsgemäße Invalidität nicht erkennen. Die ärztlichen Äußerungen sind im Hinblick auf die Invaliditätsfeststellung und deren Zweck unergiebig, denn es wird nicht einmal deutlich, welche ärztlich bestätigte Verletzung die versicherte Person erlitten hat und wie diese Schädigung mit welchen Folgen aus medizinischer Sicht im weiteren Verlauf Einfluss auf die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit nahm. Gerade die Stellungnahme des Hausarztes L. vom 31.01.2019 steht dem sogar entgegen, weil die vom Kläger behaupteten Langzeitfolgen dort eher als Ursache des Unfalls gesehen werden. Außerdem handelt es sich um die Wiedergabe von Vermutungen und nicht um die Darstellung einer eigenen durch erhobene Befunde und Diagnosen untersetzte Expertise. Soweit der Kläger hierzu geltend macht, der Hausarzt sei anders zu verstehen, ist dies mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut nicht nachvollziehbar, zumal es die Aufgabe des Klägers ist, für die zutreffende ärztliche Feststellung Sorge zu tragen, die sich auch aus Sicht des Klägers aus der Stellungnahme des Hausarztes gerade nicht ergibt.

Der Versicherungsnehmer ist i.d.R. gehalten, sich selbst kundig zu machen, was er beachten muss, um eine Leistung des Versicherers zu erhalten (Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 186 Rdn. 1). Die aus § 186 VVG oder § 242 BGB folgende Hinweispflicht des Versicherers geht nicht soweit, dass die an die ärztliche Feststellung zu stellenden Anforderungen zu definieren und dem Versicherungsnehmer mitzuteilen sind. Was der Versicherer an ärztlicher Sachkunde benötigt, wird sich auch nicht für jeden Einzelfall verallgemeinern lassen. Gewöhnlich wird der mit dem Fall des Versicherungsnehmers vertraute Arzt wissen, was aus medizinischer Sicht zur Feststellung der Invalidität erforderlich ist.

Stellt die Versicherung – wie hier – einen Vordruck zur Verfügung, bringt sie damit indessen zum Ausdruck, welche Punkte für sie von Bedeutung sind. Soweit diese Punkte hinter dem normalerweise notwendigen Inhalt einer fachärztlichen Feststellung zurückbleiben, wird sich die Versicherungsseite hierauf nicht berufen können, solange das Formular vollständig ausgefüllt ist (Grimm/Kloth, Ziff. 2 AUB Rdn. 36). Aber von einem vollständigen Ausfüllen kann bezogen auf die Ärztliche Bescheinigung der Neurologin Dr. W. keine Rede sein. Denn das Formular ist auch in der ergänzten Fassung nach wie vor unvollständig ausgefüllt geblieben. Die „Vervollständigung“ der Bescheinigung durch die Neurologin vom 21.01.2019 erwähnt unter 1.c) nur zwei Diagnosen, ohne dass die von der Beklagten verlangten oder die in eine ärztliche Feststellung der Invalidität gehörenden Angaben gemacht werden. Erwähnt werden eine Hirnnervenerkrankung und eine Anpassungsstörung, welche ausdrücklich nicht als Erstdiagnose ausgewiesen sind. Eine Erstdiagnose findet sich trotz der vorausgegangenen Beanstandung der Beklagten nach wie vor nicht. Für die Beklagte bleibt damit offen, auf welchen medizinischen Zusammenhang mit welcher Reichweite sich ihre Erhebungen zu erstrecken haben.

Soweit die Berufung erstmals (ergänzend) auf die Behandlungsunterlagen der Neurologin verweist, ist daran richtig, dass jede ärztliche Dokumentation der unfallbedingten Invalidität genügt, die sich auch in den Behandlungsunterlagen befinden kann (Grimm/Kloth, § 2 AUB Rdn. 27; Prölls/Martin/Knappmann, Ziff. 2 AUB 2014 Rdn. 12). Der Kläger behauptet jedoch nicht, dass sich in den Behandlungsunterlagen die Feststellung der bedingungsgemäßen Invalidität findet, sondern lediglich, dass dort weitere Angaben zu den verletzten Nerven und der in Mitleidenschaft gezogenen Körperregion zu erschließen seien. Aufgrund der Abforderung der Unterlagen durch die Beklagte sei die Schädigung von Nerven im Kopfbereich bekannt. Dies genügt für die notwendige fachärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität ersichtlich nicht. Außerdem ist dieser Sachvortrag neu, streitig und nicht nach § 531 II S. 1 ZPO zu berücksichtigen. Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Tatsachen die neuen Angriffsmittel zuzulassen sind (vgl. hierzu § 520 III S. 2 Nr. 4 ZPO).

Entgegen den noch in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörterten Überlegungen des Senats, ist es dem Kläger nicht mehr möglich, die (fach-) ärztliche Invaliditätsfeststellung im laufenden Prozess beizubringen. Die Argumente der Beklagten haben überzeugt.

Dem Kläger ist nur dann auch jetzt noch eine schlüssige Begründung seines Anspruchs möglich, wenn er die schriftliche ärztliche Invaliditätsfeststellung nachholen darf (vgl. zum notwendigen Nachholen – Dörner, in: MünchKomm.-VVG, 2. Aufl., § 186 Rdn. 10; Grimm/Kloth, § 2 AUB Rdn. 41; Prölls/Martin/Knappmann, § 186 Rdn. 4; a.A. Langheid/Rixecker, § 186 Rdn. 11), weil sich die Beklagte nicht auf den Ablauf der bis zum 10.12.2018 verlängerten Frist berufen kann (vgl. § 186 S. 2 VVG). Entgegen der Auffassung des Klägers gilt die Frist von 21 Monaten auch für die schriftliche ärztliche Feststellung der Invalidität (Ziff. 2.2.1.1.1 S. 3 AUB 2012 i.V.m. Ziff. 18 BB Premium 2012). Spätestens der Blick auf Ziff. 18 BB Premium 2012 macht dies jedem Leser unmissverständlich deutlich. Seine Ehefrau als versicherte Person musste hierauf nicht aufmerksam gemacht werden (BGH NJW 2019, 2534, 2535).

Das Landgericht führt im angefochtenen Urteil aus:

Die Beklagte könne sich auf die versäumte Frist berufen. § 186 S. 2 VVG stehe dem nicht entgegen. Der Kläger sei ausreichend und korrekt über die Frist und die Folgen ihrer Nichtwahrung belehrt worden. Die Belehrung habe das Schreiben vom 15.10.2018 nochmals zutreffend wiederholt. Eine hausärztliche Bescheinigung habe nicht ausgereicht. Die Bedingungen der Beklagten seien so auszulegen, dass die Feststellung der Invalidität von einem Facharzt stammen müsse, in dessen Gebiet die behauptete Beeinträchtigung falle. Gehe es um eine Nervenschädigung im Bereich des Kopfes, sei das Fachgebiet eines Neurologen und nicht eines Allgemeinmediziners angesprochen. Die Belehrung über die inhaltlichen Anforderungen an die Invaliditätsfeststellung werde nicht verlangt. Die Beklagte habe beim Kläger zudem kein Vertrauen dahingehend hervorgerufen, dass man sich nicht auf die versäumte Frist berufen werde.

Dies hält nur im Ergebnis einer Überprüfung stand.

Unrichtig ist die Auffassung des Landgerichts, eine hausärztliche Feststellung der Invalidität hätte nicht ausgereicht. Aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers setzen die Versicherungsbedingungen nicht voraus, dass ein bestimmter, nämlich der richtige Facharzt mit der Feststellung betraut wird. Es genügt die Expertise jedes beliebigen Facharztes, was die Beklagte zumindest im Berufungsrechtszug nicht anders sieht.

Ihre Informationsobliegenheit hat die Beklagte dennoch nicht verletzt.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat ihn der Versicherer auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen (§ 186 S. 1 VVG). Gemeint ist damit in erster Linie die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgehaltene Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität (Jacob, in: BeckOK-VVG, 13. Ed., § 186 Rdn. 1; Langheid/Rixecker, § 186 Rdn. 1). Der Hinweis muss inhaltlich richtig sein (Langheid/Rixecker, § 186 Rdn. 11; Dörner, § 186 Rdn. 5). Nach der Schadensanzeige des Klägers wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 an den Versicherungsnehmer und hob darin die Anspruchsvoraussetzungen und die einzuhaltenden Fristen hervor. Der Hinweis entsprach den Versicherungsbedingungen in einem Punkt allerdings nicht. Ziff. 2.2.1.1.1 S. 3 AUB 2012 verlangt die schriftliche Feststellung durch einen Facharzt, während der Hinweis vom Oktober 2017 auf einen Arzt abstellte. Diese Ungenauigkeit ist, worauf der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat, nicht geeignet, die Rechtsfolge des § 186 S. 2 VVG auszulösen.

Der Hinweis war richtig. Es bedarf der fristgemäßen ärztlichen Invaliditätsfeststellung. Setzen die Bedingungen die Feststellung durch einen Facharzt voraus und beschränkt sich der notwendige Hinweis des Versicherers auf einen Arzt, ist damit das Angebot zum möglichen Abweichen von den Bedingungen zugunsten des Versicherungsnehmers verbunden (vgl. § 191 VVG), das der Versicherungsnehmer annimmt (§ 151 BGB), wenn er sich auf die fristgerecht eingereichte Invaliditätsfeststellung eines Arztes stützt. Reicht er dennoch die Bescheinigung eines Facharztes ein, ist dem Versicherungsvertrag auch genügt, denn der Facharzt ist Arzt im Sinne des Vertrages.

War der Kläger damit zutreffend belehrt, vermochte auch das Schreiben der Beklagten vom 15.10.2018 hieran nichts zu ändern. § 186 S. 1 VVG knüpft die Hinweispflicht zeitlich an die Unfallmeldung (Dörner, § 186 Rdn. 5; Jacob, § 186 Rdn. 3; Langheid/Rixecker, § 186 Rdn. 3; Prölls/Martin/Knappmann, § 186 Rdn. 3). In dieser Zeit hat die Beklagte richtig belehrt. Kann unter Umständen auch zu einem späteren Zeitpunkt Anlass zur erneuten oder weitergehenden Belehrung bestehen, hatte die Beklagte aus eigenem Antrieb hierzu keinen Anlass. Der Kläger kannte die Frist und die notwendige ärztliche Feststellung und wandte sich einen Monat vor Fristablauf an die Beklagte. Die Beklagte sah darin nicht nur die Geltendmachung der Invalidität, sondern übersandte auf Anfrage des Klägers sogar einen Vordruck und verlängerte die Frist zur Invaliditätsfeststellung bis zum 10.12.2018. Auch jetzt bestand kein Grund (erneut) nach § 186 S. 1 VVG zu belehren. Weder der Zeitpunkt noch der Wissenstand des Versicherungsnehmers verlangte danach, sodass auch aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung des im Fließtext gehaltenen Schreibens vom 15.10.2018 keine neuerliche Belehrung zu erwarten oder zu vermuten war. Eher stellte sich das Schreiben, wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vertreten, als Übergang in die individuelle Bearbeitung dar, welcher mit der geäußerten Bitte verbunden wurde, das Formular nicht vom Hausarzt, sondern von fachärztlicher Seite ausfüllen zu lassen. Aus der Unfallanzeige des Klägers waren der Beklagten die behandelnden Ärzte bekannt, worunter sich neben den Hausärzten diverse andere Fachärzte befanden. Dies ließ die Behandlung der invaliditätsauslösenden Unfallfolgen durch den Hausarzt unwahrscheinlich erscheinen und die Sachnähe eines anderen Facharztes vermuten. Dass mit der Bitte der Beklagten neue Regeln für die bedingungsgemäße Invaliditätsfeststellung aufgestellt werden sollten, konnte ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer vor diesem Hintergrund spätestens mit dem nachfolgenden Satz verwerfen, wonach eine eventuelle unfallbedingte Invalidität bis zum 10.12.2018 durch ein ärztliches Attest festgestellt sein müsse. Wenn überhaupt, ließ sich nur dieser Satz als Belehrung oder Hinweis interpretieren. Der Kläger hat das im Ergebnis auch richtig verstanden und fristgerecht Schriftstücke der Neurologin und der Hausärzte eingereicht.

Dass die Belehrungen zu den Rechtsfolgen stets davon ausgingen, nach Ablauf der Frist bestehe ein Anspruch auf die Invaliditätsleistung nicht mehr, machte sie nicht unrichtig. Zwar handelt es sich bei der (fach-) ärztlichen Feststellung um eine Anspruchsvoraussetzung, deren Fehlen den Anspruch erst gar nicht entstehen und nicht in Wegfall (so aber auch Ziff. 8.1 AUB 2012) geraten lässt. Aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers kommt es auf diese juristische Spitzfindigkeit nicht an. Er erfährt zutreffend, dass er nach Fristablauf keine Invaliditätsleistung beanspruchen kann.

Darüber hinaus sähe der Senat nach Sinn und Zweck des § 186 VVG keinen Raum für die Rechtsfolge des § 186 S. 2 VVG. Die Feststellungsfrist zeigt sich nicht deshalb versäumt, weil der Kläger (vermeintlich) unrichtig belehrt wurde.

Die Informationsobliegenheit des Versicherers betrifft die zeitlichen Anspruchsvoraussetzungen und die Nichtbeachtung dieser Fristen durch den Versicherungsnehmer (BT-Drs. 16/3945 S. 109). Die Regelung beschränkt sich auf den Schutz der Versicherungsnehmer, durch Unkenntnis über einzuhaltende Fristen Rechtsnachteile zu erleiden (Prölls/Martin/Knappmann, § 186 Rdn. 1; Langheid/Rixecker, § 186 Rdn. 1). Darum geht es hier nicht. Der Kläger hat die Frist von 21 Monaten nicht versäumt. Er wurde fristgerecht tätig und hat rechtzeitig ärztliche Bescheinigungen bei der Beklagten eingereicht. Nicht die Frist, über die nach § 186 S. 1 VVG zu belehren war, steht dem Anspruch entgegen, sondern es sind die inhaltlichen Defizite der ärztlichen Äußerungen bzw. der bis zum 10.12.2018 vorgelegten Ärztlichen Bescheinigung. Davor, dass sich die behandelnden Ärzte nicht in der Lage sehen, die Invalidität festzustellen, oder dies nicht wollen, schützt § 186 VVG nicht. Die Notwendigkeit medizinischer Dokumentation als Voraussetzung der Invaliditätsleistung lässt die Vorschrift unangetastet (BT-Drs. 16/3945 S. 109). Scheitert die fristgerechte Invaliditätsfeststellung also nicht an versäumten Fristen, sondern an inhaltlichen Mängeln, ist der Anwendungsbereich des § 186 S. 2 VVG nicht eröffnet.

So war der Kläger auf Grund der ihm gegebenen Informationen in der Lage, fristgerecht ärztliche Stellungnahmen beizubringen. Nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 23.07.2020 war ihm sogar klar, dass die Ärztliche Bescheinigung vom 03.12.2018 lückenhaft und damit inhaltlich unzulänglich war, weshalb er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zusätzlich einreichte. Solche Nachlässigkeiten gehen allein auf den Versicherungsnehmer zurück und nicht auf ein vom Versicherer verursachtes Informationsdefizit. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn der Kläger tatsächlich durch das Schreiben vom 15.10.2018 dazu veranlasst worden wäre, die Bescheinigung nicht vom Hausarzt, sondern von der Neurologin einzuholen. Hieraus ergab sich keine Fristversäumnis. Die Neurologin konnte rechtzeitig konsultiert werden, zumal die Ehefrau des Klägers sich ausweislich der Unfallanzeige vom 10.10.2017 dort schon seit Mai 2017 in laufender Behandlung befand. Außerdem war der Hausarzt L. , wie von der Beklagten wohl schon im Zusammenhang mit ihrem Schreiben vom 15.10.2018 vermutet, nach dem Inhalt seiner Stellungnahme vom 31.01.2019 nicht in der Lage, die bedingungsgemäße Invalidität zu bescheinigen. Soweit der Kläger geltend macht, ihm sei die Möglichkeit eines Hinweises durch die Beklagten auf die Unzulänglichkeit der ärztlichen Äußerung genommen worden, weil die Konsultation der Neurologin längere Zeit beansprucht habe als das Aufsuchen des Hausarztes, wird dieser vermeintliche Zusammenhang durch das tatsächliche Geschehen anschaulich widerlegt. Trotz der Begründung der Ablehnung durch die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2018 brachte der Kläger nachfolgend keine ausreichenden ärztlichen Feststellungen bei. Es geht hier also nicht um Fristen, sondern um Inhalte, die nicht zur Informationsobliegenheit der Beklagten zählen.

Woher die Berufung nach alledem einen von der Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestand herzunehmen gedenkt, der es der Beklagten über § 242 BGB verbieten würde, sich auf die fehlende ärztliche Feststellung und die mittlerweile abgelaufene Frist zu berufen (vgl. zu in Betracht kommenden Nebenpflichtverletzungen des Versicherers BGH r+s 2006, 122 f.; so auch OLG Naumburg r+s 2013, 452), ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat ersichtlich nicht darauf vertraut, dass die Beklagte handeln werde, zumal die im Rechtsstreit vorgetragenen vertrauensbegründenden Maßnahmen für sich betrachtet sowieso nicht geeignet waren, einem Versicherungsnehmer den Eindruck zu vermitteln, er müsse nichts mehr tun. Die Schweigepflichtentbindungserklärung, die die Beklagte nach der Schadensmeldung abforderte, genügte dafür nicht (BGH r+s 2006, 122, 123). Das Schreiben der Beklagten vom 15.10.2018 und die vorausgegangene Initiative des Klägers belegen letzten Endes das Gegenteil.

Soweit der Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24.01.2022 auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verweist, steht diese der Auffassung des Senats nicht entgegen, sondern scheint sie eher zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung verlangen nach einer Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert ist nach §§ 47 I S. 1, 39 I, 40, 43 I, 45 I S. 2, 3, 48 I S. 1 GKG; § 3 ZPO festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!