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Tierhalterhaftpflichtversicherung – Hundehüterin als mitversicherte Person

LG Bielefeld – Az.: 18 O 85/15 – Urteil vom 11.08.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung der Leistungspflicht aus einem Versicherungsvertrag in Anspruch.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Tierhalterhaftpflichtversicherung für den Hund C.. In dem dem Abschluss zugrundeliegenden Antrag heißt es unter der Rubrik „Ihre persönlichen Angaben“: „Firma Q. GmbH, Z.straße x, xxxxx C.“ Die Beklagte policierte den Vertrag per 04.07.2013, wobei in der Versicherungsurkunde als Versicherungsnehmer angegeben ist: „[Name des Klägers], Q. C. GmbH, Z.straße x, xxxxx C.“. Die Parteien vereinbarten die Geltung der allgemeinen Bedingungen für die Haftpflicht- und Krankenversicherung (AHKV). Darin heißt es unter § 2:

(…)

2.

Der Versicherungsschutz erstreckt sich im vereinbarten Umfang ebenso auf die gesetzliche Haftpflicht aus den Gefahren des täglichen Lebens des durch den Tierhalter beauftragten Hüters von in der Versicherungsurkunde genannten Tieren.

§ 3

nicht versicherte Gefahren und Kosten

Der Versicherer ersetzt keine Kosten für:

(…)

10.

Haftpflichtansprüche mitversicherter Personen gegen den Versicherungsnehmer.

Am 29.09.2003 verunfallte die Mutter des Klägers, die Zeugin B. V.. Sie zog sich eine zweitgradig offene distale Unterarmfraktur rechts zu (wegen der Einzelheiten des am 29.09.2013 erhobenen Befundes wird auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.10.2013 Blatt 11 der Akten Bezug genommen).

Der Kläger meldete den Schadensfall als Geschäftsführer der Q. der Beklagten. Diese lehnte unter dem 20.08.2014 die Deckung mit der Begründung ab, bei dem Hund C. handele es sich um einen gewerblich genutztes Tier, für das nach § 1 der AHVK kein Versicherungsschutz gewährt werden könne. Zugleich erklärte die Beklagte die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums.

Da der Kläger als Geschäftsführer der Q. zunächst davon ausging, diese sei Versicherungsnehmerin, klagte die Q. GmbH zunächst vor dem Amtsgericht Hannover auf Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsvertrages. Das Amtsgericht Hannover wies die Klage mit der Begründung ab, Versicherungsnehmer sei nicht die Q., sondern der Kläger persönlich. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung des Amtsgerichts Hannover wird auf das zum Aktenzeichen Amtsgericht Hannover 416 C 12557/14 ergangenes Urteil, Blatt 20 ff. der Akten Bezug genommen.

Daraufhin ließ der Kläger die Beklagte durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.03.2015 erfolglos auffordern, Deckungsschutz aus dem Unfallereignis vom 29.09.2013 zu gewähren.

Tierhalterhaftpflichtversicherung - Hundehüterin als mitversicherte Person
(Symbolfoto: Julneighbour/Shutterstock.com)

Der Kläger behauptet, der Hund C. sei sein „privater“ Hund, den er vor einigen Jahren erworben habe und für den er seither auch insbesondere die Hundesteuer zahle. Als Geschäftsführer der Q. GmbH nehme er den Hund morgens mit in die Firma, um ihn nicht den ganzen Tag allein zu Hause zu lassen. Ab und zu gehe er mit dem Hund Gassi. Er trage auch alle für den Hund anfallenden Kosten. Er wohne im gleichen Haus wie seine Eltern. Wenn er ortsabwesend sei, betreuten gelegentlich auch die Eltern den Hund, wobei die Mutter den Hund, obgleich dieser eine Hundeschule besucht habe, seit Eintritt des Erwachsenenalters des Hundes nicht mehr an der Leine führe, weil sie sich dies angesichts der körperlichen Kräfte des Hundes, der 40 kg wiege, nicht zutraue.

Am Unfalltage habe er den Hund seinem Vater mit der Bitte übergeben, ihn Gassi zu führen, weil er sich selbst nach einer „langen Nacht“ dazu nicht in der Lage gefühlt habe. Die Eltern seien mit dem Hund spazieren gegangen. Der Zeuge V. V. habe den Hund an einer ca. 1,5m langen Leine links von sich geführt, während die Zeugin B. V. ca. 1 m hinter dem Zeugen V. gegangen sei. Als dieser stehen geblieben sei, habe der Hund unvermittelt einen Satz nach hinten in Richtung der Zeugin V. gemacht und sei zwischen deren Beine geraten. Dadurch habe die Zeugin V. das Gleichgewicht verloren und sei auf die Asphaltkante gestürzt, wobei sie sich die o. g. Verletzungen zugezogen habe.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm wegen der gegen diese geltend gemachten Haftpflichtforderung aus dem Versicherungsfall vom 29.09.2013 Versicherungsschutz nach Maßgabe des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages vom 04.07.2013 zur Versicherungsscheinnummer 1200407002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei C. handele es sich um einen gewerblich genutzten Hund. Darüber hinaus vertritt sie die Ansicht, die Zeugin V. sei als Hüterin im Sinne von § 2 AHKV nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen B. und V. V. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 17.03. und 14.07.2016 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Äußerungen der Parteien in den Terminen vom 17.03.2016 und 14.07.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unbegründet.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Hund C. um einen gewerblich genutztes Tier handelt und ob sich der Unfall so, wie vom Kläger behauptet, zugetragen hat. Die Zeugin B. V. ist nämlich als Hüterin des Hundes mitversicherte Person nach § 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 10 AHKV.

Der Begriff des (Tier-) Hüters knüpft nicht an den Begriff des Tieraufsehers gemäß § 834 BGB an. Es handelt sich bei der Bezeichnung eines Hüters um einen auslegungsfähigen Begriff. Bei der vorzunehmenden Auslegung von Versicherungsklauseln ist grundsätzlich auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne Spezialkenntnisse abzustellen. Insoweit folgt das Landgericht den Ausführungen des Landgerichts München in seiner Entscheidung zum Aktenzeichen 23 O 17590/14. Zu berücksichtigen ist primär der Wortlaut der Klausel. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der „Hüter“ eine Person, die auf jemanden oder etwas aufpasst oder ein Auge auf etwas hat (vgl. Duden, Deutsche Rechtschreibung). Ein Hüter hat damit die Aufgabe, etwas oder jemanden vor Schäden zu bewahren. Der in § 834 BGB verwendete Begriff des Tieraufsehers knüpft demgegenüber an eine Überwachungspflicht in Bezug auf das Tier an. Er umfasst die Schäden, die von Tieren verursacht werden, während sie etwa von einem Herden- oder Tiertrainer beaufsichtigt werden (vgl. Palandt, BGB, 75. Auflage, Rz 2 zu § 834). Der Hüter hat demgegenüber die Aufgabe, das ihm anvertraute Tier vor Beeinträchtigungen zu schützen und nicht andere von dem Tier ausgehenden Beeinträchtigungen zu schützen.

Für eine Unterscheidung zwischen Tiefaufseher und Tierhüter spricht ferner die Ratio der Klausel des § AHKV. Denn es geht hier darum, den Hüter insoweit in den Versicherungsschutz einzubeziehen, als er bei durch das Tier verursachten Schadensfällen Versicherungsschutz genießen soll, egal ob der Schaden bei Ausübung einer Hütetätigkeit oder auf vertraglicher Basis entstanden ist oder ob er die Hüterstellung allein aus Gefälligkeit übernimmt.

Sollte die Stellung des Hüters demgegenüber unmittelbar an die Stellung des Aufsehers anknüpfen, wäre jedes Mal ein Vertrag erforderlich, um die Haftpflicht der Versicherung für Schäden, die durch das Tier während der Betreuung durch eine dritte Person entstehen zu begründen. Dies ist schon nicht im Interesse eines verständigen Dritten, da er sich, für den Fall, dass er die Betreuung nicht durch Vertrag übernimmt, einer erhöhten Haftungsgefahr ausgesetzt sehe.

Ausschlaggebend für die Einordnung als Hüter ist dabei eine Beauftragung durch den Halter, wobei nicht erforderlich ist, dass diese ausdrücklich erfolgt. Es genügt vielmehr, dass aus dem üblichen Verhalten geschlossen werden kann, dass eine Person für das Wohl eines Tieres verantwortlich sein soll, es folglich hütet. Dass vorliegend auch die geschädigte Hüterin des Hundes sein sollte und war, ergibt sich schon aus den unstreitigen Umständen, denn sie hat den Hund mit Wissen und Wollen des Halters gelegentlich in ihrer Wohnung betreut und ihn zumindest als Welpen auch spazieren geführt. Dass der Kläger am Unfalltage nicht sie, sondern den Vater gebeten hat, den Hund auszuführen, ändert daran nichts, denn daraus ergibt sich nicht, dass der Zeugin V. eine grundsätzlich ihr eingeräumte Betreuungsfunktion entzogen werden sollte. Das Führen des Hundes durch Halten der Leine kann für die Bestimmung der Hütereigenschaft zwar ein ausreichendes Indiz sein. Ein zwingendes Kriterium zur Begründung der Hütereigenschaft ist es nicht. Das ergibt sich schon daraus, dass im Falle eines freilaufenden Hundes eine Hüterstellung für den Hund unabhängig davon zu erörtern wäre, wer den Hund an der Leine führen sollte.

Der Kläger mag sich zwar Gedanken dazu gemacht haben, dass sein Vater das wegen der körperlichen Kraft des Hundes nur sein Vater die Leine halten sollte (was allerdings angesichts des Umstandes, dass es sich nach eigenem Bekunden des Klägers um ein durchaus führiges Tier, das eine Hundeschule besucht hat, handelt und die Zeugin B. V. in der mündlichen Verhandlung einen eher selbstbewussten und bestimmten Eindruck gemacht hat, zumindest erstaunlich erscheint). Dass die Zeugin V. den Vater bei einem Spaziergang begleiten würde, sollte damit aber sicher nicht ausgeschlossen werden. Damit musste der Kläger rechnen; er wird nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen sein, dass die Zeugin V. trotz ursprünglich vorhanden gewesener gemeinschaftlicher Planung des Sonntags den Sonntag nunmehr alleine verbringen sollte, um so von der Betreuung des Hundes ausgeschlossen zu sein.

Der Kläger musste deshalb davon ausgehen, dass auch die Zeugin V. bei einem gemeinsamen Spaziergang auf den Hund unabhängig davon, ob sie nun die Heilleine in der Hand hielt oder nicht, aufpassen würde, also seine Hüterin sein würde. Eine andere Betrachtungsweise würde letztlich zu einer Zersplitterung des Versicherungsschutzes führen, denn dann wäre die Zeugin V. vor dem Verlassen der Wohnung noch als Hüterin anzusehen und als solche von der Deckung der Tierhalterhaftpflichtversicherung umfasst. Sobald allerdings das Haus verlassen würde wäre ihr Versicherungsschutz gegenüber Dritten beendet.

Die Klage war deshalb insgesamt mit der sich aus § 91 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziffer 11, und 710 ZPO.

 

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