LG Aachen – Az.: 9 O 34/17 – Urteil vom 03.08.2017
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten für das Kraftrad der Marke T mit dem amtlichen Kennzeichen …, das er als Geschenk für seinen Sohn H erworben hatte, gemäß Versicherungsschein Nummer … (Anlagenkonvolut zum Schriftsatz des Klägers vom 10.07.2017) unter anderem eine Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 150 €. Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB der Beklagten (Anlagenkonvolut zum Schriftsatz des Klägers vom 10.07.2017) zugrunde.
E.1.1.3 AKB enthält folgende Regelung zur Aufklärungspflicht:
„Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten: […]
– Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses […] wahrheitsgemäß und vollständig beantworten.“
E.2.1 AKB regelt das Folgende:
„Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1.1 bis E.1.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. […].“
E.2.2 AKB lautet:
„Abweichend von E.6.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.“
Am 28.09.2016 erstattete der Sohn des Klägers Strafanzeige bei der Polizei, da das versicherte Kraftrad zwischen dem 27.09.2016, 23:00 Uhr, und dem 28.09.2016, 3:15 Uhr, entwendet worden sei (Bl. 1 BA). Das unter dem Az. 505 UJs 421/16 eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft später gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, da ein Täter nicht habe ermittelt werden können.
Nachdem der Kläger der Beklagten die vermeintliche Entwendung gemeldet hatte, übersandte diese ihm mit Schreiben vom 28.09.2016, in der sie auf die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit bei Verletzung bestehender Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheiten hinwies (Bl. 41 GA), ein Formular zur Schadenanzeige (Bl. 27 ff. GA), das der Sohn für den Kläger unter dem 04.10.2016 ausfüllte. Dabei bestätigte er auch, den Hinweis über die Rechtsfolgen zur Kenntnis genommen zu haben (Bl. 46 GA).
Die Frage (Bl. 34 GA)
„Wollten Sie das Fahrzeug verkaufen?“
verneinte der Sohn.
Tatsächlich aber hatte er das Fahrzeug am 25.09.2016 und 26.09.2016 auf der Internetplattform eBay-Kleinanzeigen zum Kauf angeboten (Bl. 43 f GA). Dies verschwieg er aufgrund der Befürchtung, dass die Beklagte das Inserat so auslegen könnte, als liege nur ein vorgetäuschter Diebstahl vor.
Derweil holte die Beklagte eine Fahrzeugbewertung vom 25.10.2016 ein. Diese ergab einen Wiederbeschaffungswert von 5400 € brutto bzw. 5273,44 € netto (Bl. 5 ff. GA).
Ein von der Beklagten beauftragter Schadenermittler nahm am 30.11.2016 mit dem Sohn des Klägers Kontakt auf, um mit ihm über den streitgegenständlichen Schaden und die Schadenmeldung zu sprechen. Bei diesem Gespräch fragte er den Sohn, ob er Verkaufsabsichten bezüglich des Fahrzeugs gehabt habe, was der Sohn verneinte. Auch die konkrete Frage, ob hinsichtlich des Motorrades im Internet ein Verkaufsinserat geschaltet worden sei, verneinte er. Erst nachdem der Schadenermittler den Sohn mit der Verkaufsanzeige konfrontiert hatte, bestätigte dieser, dass es sich dabei um das fragliche Fahrzeug handele. Eine Erklärung, weshalb er Verkaufsabsichten zunächst geleugnet habe, gab der Sohn nicht ab.
Mit Schreiben vom 05.12.2016 (Bl. 8 GA) lehnte die Beklagte Leistungen ab, da der Kläger im Schadenanzeigeformular vorsätzlich keine oder falsche Angaben gemacht habe. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.12.2016 (Bl. 9 GA) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 06.01.2017 zur Erläuterung auf. Hierauf entgegnete die Beklagte mit Schreiben vom 02.01.2017 (Bl. 11 GA), dass sie sich weiteren Vortrag für ein eventuelles Gerichtsverfahren vorbehalte.
Der Kläger behauptet, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zwischen dem 27.09.2016, 23:00 Uhr, und dem 28.09.2016, 3:15 Uhr, entwendet worden sei. Mit dem Verkaufsinserat im Internet habe sein Sohn testen wollen, für welchen Preis das Motorrad zu verkaufen sein könnte. Es sei ihm nicht auf eine schnelle Regulierung angekommen, da er keine finanziellen Schwierigkeiten gehabt habe. Überdies fehle es an der Kausalität zwischen der vermeintlichen Obliegenheitsverletzung für den behaupteten Diebstahl und das Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5123,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, im Hinblick auf das Verschweigen der Verkaufsbemühungen wegen arglistiger, aber zumindest vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung leistungsfrei zu sein. Die Falschbeantwortung der Frage aus dem Schadenformular durch seinen Sohn sei dem Kläger zuzurechnen, da er als Wissenserklärungsvertreter gehandelt habe. Dabei habe der Sohn arglistig gehandelt, zumal er die Falschangabe nicht nur in der Schadenanzeige, sondern auch im Gespräch mit dem Schadenermittler und dort auf mehrfache Nachfrage wiederholt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Die Akte 505 UJs 421/16 der Staatsanwaltschaft Aachen lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages zu; ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit den Versicherungsbedingungen.
Es kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug entwendet wurde, denn jedenfalls ist die Beklagte gemäß E.2.1 AKB leistungsfrei, da der Kläger arglistig gegen seine aus E.1.1.3 AKB folgende Aufklärungsobliegenheit, die Fragen der Beklagten zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, verstoßen hat.
1.
Der Sohn des Klägers hat die in der Schadenanzeige gestellte Frage nach Verkaufsabsichten objektiv falsch beantwortet, indem er sie wahrheitswidrig verneint hat.
2.
Hierbei handelte es sich auch subjektiv um eine Falschangabe, denn dem Sohn des Klägers war bewusst, das Fahrzeug im Internet zum Kauf angeboten zu haben.
Dabei kann dahinstehen, ob er, wie vom Kläger vorgetragen, „insbesondere“ (Bl. 57 GA) hat in Erfahrung bringen wollen, für welchen Preis er das Motorrad verkaufen könnte. Denn jedenfalls gab es das Verkaufsangebot, nach dem die Beklagte gefragt hat.
3.
Die Frage der Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Feststellung bzw. den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten, kann gemäß E.2.2 AKB dahinstehen. Denn bei der Falschbeantwortung der Frage handelte der Sohn des Klägers arglistig.
Arglist verlangt über das Wollen der Obliegenheitsverletzung hinaus, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen. Dieser Nachteil muss nicht in einer ungerechtfertigten Zahlung bestehen. Eine Bereicherungsabsicht ist mithin nicht erforderlich. Daher genügt es als vom Versicherungsnehmer gewollter Nachteil des Versicherers, wenn das inkorrekte Verhalten des Versicherungsnehmers Beweisschwierigkeiten überwinden oder wenn der Versicherer davon abgehalten werden soll, an sich gebotene Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruches anzustellen. Es genügt auch, wenn der Versicherungsnehmer lediglich die Regulierung beschleunigen wollte (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 29. Aufl., § 28, Rn. 197 f, beck-online).
Es mag sein, dass dem Sohn des Klägers sein Verhalten leid tut und er keinen Schlaf mehr finden konnte, weil er nach dem Fahrzeug im Internet recherchiert hat. Aber das beseitigt die bewusste Falschangabe nicht, zumal er diese unstreitig gegenüber dem Schadenermittler erneut wiederholt hat. Erst nach Konfrontation mit der Anzeige räumte der Sohn das Inserat ein. Er hielt also an seiner ursprünglichen Version fest, anstatt gleich die Gelegenheit zu nutzen, seinen von ihm vorgeblich so bedauerten Fehler einzugestehen.
Und selbst wenn der Sohn des Klägers unerfahren sein sollte in Angelegenheiten wie der vorliegenden, muss selbst ihm angesichts der ihm im Formular zur Schadenanzeige erteilten Belehrung über die Obliegenheiten und die Folgen ihrer Verletzung klargeworden sein, dass er wahrheitsgemäße Angaben zu machen hat.
Entscheidend kommt aber vor allem hinzu, dass der Kläger sogar selbst Umstände anführt, die eine Arglist seines Sohnes belegen. So habe sich dieser durch die Falschbeantwortung der Frage davor schützen wollen, „dass ihm die Internetannonce nachteilig ausgelegt wird“ (Bl. 58 GA). Damit bestätigt er das Bestreben, die Beklagte von Ermittlungen abzuhalten.
4.
Die arglistige Falschangabe seines Sohnes ist dem Kläger zuzurechnen. Bei dem Sohn handelte es sich nämlich um seinen Wissenserklärungsvertreter.
Der Versicherungsnehmer haftet für die Angaben derjenigen Personen, die er mit der Erstattung von Auskünften gegenüber dem Versicherer betraut hat (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, a.a.O., § 28 Rn. 153).
Den Versicherungsnehmer trifft im Falle folgenloser Arglist (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG) eine Sanktion, die rein pönalen Charakter hat, wenn der Wissenserklärungsvertreter deren Voraussetzungen erfüllt. Wenn der Versicherungsnehmer sich von eigenem Tätigwerden entlastet, muss er auch die Sanktionen, die sich an folgenlose Arglist knüpfen, auf sich nehmen (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, a.a.O., § 28 Rn. 156).
Das Argument des Klägers, eine Wissenszurechnung sei nicht möglich, weil nicht auch er die Schadenanzeige ausgefüllt habe, greift nicht. Denn es ist gerade das Wesen der Zurechnung, dass der Versicherungsnehmer selbst keine Erklärung abgegeben hat.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: bis 6000 €