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Teilkaskoversicherung – Höchstentschädigungsgrenze

OLG Rostock – Az.:4 U 40/22 – Urteil vom 22.11.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 30.03.2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.147,06 € zuzüglich Jahreszinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.05.2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen Schäden aus dem Diebstahl des PKW Mercedes-Benz G-Modell G 400 CDI, SUV, amtliches Kennzeichen XY, Fahrzeug-Identifikations-Nr.: —, am 31.08./01.09.2018 im X-weg in 1…. N. bis zu einem Betrag in Höhe von 3.352,94 € im Rahmen der in den Versicherungsvertrag der Parteien Nr. — einbezogenen „Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015)“ zu ersetzen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Dieses Urteil und – im Umfang seiner Aufrechterhaltung – das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 95.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Leistung aus einer Kraftfahrzeugteilkaskoversicherung.

Teilkaskoversicherung - Höchstentschädigungsgrenze
(Symbolfoto: Stokkete/Shutterstock.com)

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Versicherungsunternehmen, bei welchem der Kläger eine Versicherung der eingangs genannten Art bezogen auf einen PKW Mercedes Benz G 400 CDI unterhält. Der Kläger erwarb das Fahrzeug mit einer Erstzulassung am 12.06.2001 als Gebrauchtwagen mit Vertrag vom 27.03.2014 zum Preis von 21.000,00 €; in der Folgezeit nahm er diverse Umbauten sowie Restaurationsarbeiten vor und baute Sonderausstattungen ein. Mit einem Bewertungstag am 02.03.2017 ließ der Kläger durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. M. S. ein Bewertungsgutachten erstellen, welches den Wiederbeschaffungswert des Wagens auf 115.000,00 € brutto bezifferte; dabei ging der Sachverständige davon aus, dass durch eine Optimierung des Motorsteuergerätes die Motorleistung auf 210 kW gesteigert worden sei. Zum Ende des Jahres 2017 hin beantragte der Kläger bei der Beklagten über einen Versicherungsmakler den Abschluss einer Kraftfahrzeugversicherung, die eine Haftpflicht- und eine Teilkaskoversicherung einschloss; im Zusammenhang mit der Angebotsanfrage findet sich der Vermerk: „Gutachten aus 09.2017 liegt vor“. Aufgrund der Informationen des Klägers übersandte die Beklagte ein Angebot vom 29.11.2017, in welchem bei einem Alter des Wagens von 12 Jahren bei dem Erwerb durch den Kläger unter anderem eine Motorleistung entsprechend der Eintragung in der Zulassung von 184 kW und ein Fahrzeugwert in Höhe von 113.000,00 € berücksichtigt sind. Nach weiteren Verhandlungen fertigte die Beklagte einen Versicherungsschein vom 17.01.2018 aus mit einem Versicherungsbeginn zum 01.01.2018, in welchem das Auto mit seinem amtlichen Kennzeichen und seiner Fahrzeug-Identifikations-Nummer bezeichnet ist unter Angabe der Motorleistung mit 184 kW und einem Kilometerstand zum 05.12.2017 von etwa 210.000 km; für die Teilkaskoversicherung waren eine Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,00 € sowie eine Höchstwertentschädigung in Höhe von 115.000,00 € vorgesehen. In den Vertrag waren die „Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015)“ der Beklagten (im Folgenden: AKB) einbezogen, die unter anderem die folgenden hier relevanten Regelungen enthielten:

„(…)

A.2 Kaskoversicherung – Schäden an Ihrem Fahrzeug

A.2.1 Was ist versichert?

Versichert ist Ihr Fahrzeug gegen Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalscha- den infolge eines Ereignisses nach A.2.2.1 (Teilkaskoversicherung) (…).

A.2.1.2 Höchstentschädigungsgrenzen

Die Höchstentschädigungsgrenzen betragen für

  • Krafträder, Quads und Trikes 15.000,00 €
  • PKW 100.000,00 €
  • sonstige Fahrzeuge 250.000,00 €.

Sofern Ihr Fahrzeug inklusive der mitversicherten Fahrzeug- und Zubehörteile die oben genannte Summe überschreitet, ist der über diesen Wert hinausgehende Wert gegen Zuschlag versicherbar. Ihrem Versicherungsschein können Sie entnehmen, ob und in welcher Höhe Ihr Fahrzeug über die oben genannten Wertgrenzen versichert ist.

(…)

A.2.2.1 Welche Ereignisse sind in der Teilkaskoversicherung versichert?

Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalscha- den des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgen- den Ereignisse:

(…)

A.2.2.1.2 Entwendung

Versichert ist die Entwendung in nachfolgenden Fällen:

a) Versichert sind Diebstahl und Raub sowie die Herausgabe des Fahrzeugs aufgrund räuberischer Erpressung. Das gilt nur, sofern sich die Handlung auf das Fahrzeug oder seine mitversicherten Teile bezieht.

(…)

A.2.5.1 Was zahlen wir bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust?

A.2.5.1.1 Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert

Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs.

(…)

A.2.5.1.7 Was versteht man unter Wiederbeschaffungswert?

Wiederbeschaffungswert ist der Preis, den Sie für den Kauf eines gleichwertigen ge- brauchten Fahrzeugs am Tag des Schadensereignisses bezahlen müssen.

(…)

A.2.5.1.10 Was versteht man unter Kaufpreis?

Kaufpreis des Fahrzeugs ist der Betrag, der von Ihnen an den Verkäufer gemäß Ihrer kaufvertraglichen Vereinbarung gezahlt wurde.

(…)

A.2.5.4 Mehrwertsteuer

Mehrwertsteuer erstatten wir nur, wenn und soweit diese für Sie bei der von Ihnen ge- wählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.

(…)

A.2.5.6 Bis zu welcher Höhe leisten wir?

Unsere Höchstentschädigung ist beschränkt auf (…) den Kaufpreis des Fahrzeugs nach A.2.5.1.10 (sofern das Fahrzeug als Gebrauchtfahrzeug erworben wurde). Maxi- mal zahlen wir jedoch die in A.2.1.2 genannte Höchstentschädigungssumme, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist.

(…)

A.2.5.7.1 Was wir nicht ersetzen

Wir zahlen nicht für Veränderungen, Verbesserungen, Alterungs- und Verschleißschä- den. Ebenfalls nicht ersetzt werden Folgeschäden wie Verlust von Treibstoff (außer bei PKW), Wertminderung, Zulassungskosten (außer bei PKW im Totalschadensfall, siehe A.2.5.1.1), Überführungskosten, Verwaltungskosten, Nutzungsausfall oder Kos- ten eines Mietfahrzeugs.

(…)

A.2.5.8 Selbstbeteiligung

Ist eine Selbstbeteiligung vereinbart, wird diese bei jedem Schadensereignis von der Entschädigung abgezogen. Ihrem Versicherungsschein können Sie entnehmen, ob und in welcher Höhe Sie eine Selbstbeteiligung vereinbart haben.

(…)“

In der Nacht vom 31.08.2018 auf den 01.09.2018 wurde der PKW des Klägers entwendet, nachdem er ihn im X-weg in 1…. N. abgestellt hatte; der Kläger teilte der Beklagten den Diebstahl mit und übersandte ihr eine Schadensanzeige vom 07.09.2018. Das auf eine Strafanzeige des Klägers eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde mit Bescheid der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg vom 18.12.2018 eingestellt, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte.

Mit Schreiben vom 16.04.2019 rechnete die Beklagte den Schaden aufgrund einer von ihr veranlassten Wertermittlung ab und brachte danach einen Betrag in Höhe von 14.500,00 € an den Kläger zur Auszahlung; sie hatte dabei von dem ermittelten Wiederbeschaffungswert in Höhe von 30.000,00 € die Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,00 € sowie einen weiteren „Anteil“ des Klägers in Höhe der Hälfte der Restsumme in Abzug gebracht.

Auf einen Schriftsatz der daraufhin beauftragten damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers vom 08.05.2019 lehnte die Beklagte weitere Zahlungen mit Schreiben vom 23.05.2019 ab. Bei dieser Haltung blieb die Beklagte auch auf einen weiteren vorgerichtlichen Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03.07.2019 mit Schreiben vom 21.08.2019; ebenfalls erfolglos blieb letztlich eine Aufforderung zur Zahlung von 81.138,66 € unter Fristsetzung zum 24.04.2020 mit Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.03.2020.

Der Kläger hat Ansprüche gegen die Beklagte gerichtlich geltend gemacht. Er hat behauptet, der Wiederbeschaffungswert seines Autos habe zum Zeitpunkt der Entwendung entsprechend dem von ihm im Jahr 2017 eingeholten Bewertungsgutachten 115.000,00 € betragen. Die dortige Angabe einer Motorleistung von 210 kW habe auf einem Versehen des Sachverständigen beruht; tatsächlich sei eine Leistungssteigerung nicht vorgenommen worden. Der Kläger war der Auffassung, eine Gefahrerhöhung habe sich ansonsten bei einer höheren Motorleistung nicht ergeben. Aus der Vereinbarung einer Höchstwertentschädigung in Höhe von 115.000,00 € nach dem Versicherungsschein in Folge einer diesbezüglichen Änderung des vorangegangenen Angebots der Beklagten ergebe sich eine stillschweigende Einigung der Parteien über eine Taxe in dieser Höhe. Auf die Regelung in lit. A.2.5.6 AKB könne sich die Beklagte nicht berufen, weil von der dortigen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und von dem in lit. A.2.1.2 AKB vorgesehenen Wert in Höhe von bereits 100.000,00 € abgewichen worden sei; die Beklagte habe ihren Beitrag auch nach dem höheren Wert berechnet. Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 81.138,66 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2019 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weitere materi- elle Schäden aus dem Diebstalschaden seines Pkw Mercedes-Benz G-Modell G 400 CDI, SUV, amtliches Kennzeichen XY, Fahrzeug-Identifikations-Nr.: — vom 31.08./01.09.2018 in dem X-weg in 1…. N. zu ersetzen, und

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskos- ten in Höhe von 2.217,45 € freizuhalten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Wiederbeschaffungswert des PKWs habe zum Zeitpunkt des Diebstahls einen Betrag in Höhe von 30.000,00 € nicht überschritten. Am 03.05.2013 sei es zu einem Hagelschaden an dem Wagen mit einem Reparaturaufwand in Höhe von 3.961,95 € gekommen und er habe außerdem einen Vorschaden auf der rechten Fahrzeugseite aufgewiesen, der nicht vollständig und fachgerecht repariert worden sei. Der Kläger habe arglistig eine zu geringe Motorleistung angegeben, um eine höhere Prämie zu vermeiden. Bei ordnungsgemäßer Angabe einer erhöhten Motorleistung hätte die Beklagte das Auto nicht versichert. Die Beklagte war der Ansicht, bei unzutreffender Angabe der Motorleistung bestehe für den Kläger gar kein Versicherungsschutz, weil ein solcher PKW nicht versichert worden sei. Gehe damit eine Gefahrerhöhung einher, sei sie nach §§ 23, 26 VVG ebenso leistungsfrei wie aufgrund einer Arglist des Klägers. Die Versicherungsleistung sei nach lit. A.2.5.6 AKB auf den Kaufpreis des gebraucht erworbenen Fahrzeuges beschränkt, wobei nach lit. A.2.5.7.1 AKB Veränderungen und Verbesserungen nicht ersetzt würden.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben zu der Frage des Wertes des streitgegenständlichen Fahrzeuges durch die Vernehmung des Zeugen Dipl.-Ing. M. S.; im Anschluss hat es der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 70.597,48 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2019 stattgegeben, die Beklagte außerdem verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € freizustellen, und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen Schäden aus dem Diebstahlschaden bis zu einem Betrag in Höhe von 16.358,52 € zu ersetzen. Es hat dazu unter anderem ausgeführt, die Rechtsverfolgung scheitere für den Kläger nicht bereits deshalb, weil für das versicherte Fahrzeug schon kein Versicherungsschutz existiert hätte. Eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit nach § 19 Abs. 1 VVG setze positive Kenntnis des Versicherungsnehmers von einem gefahrerheblichen Umstand voraus, die der Versicherer zu beweisen habe. Der Zeuge S. habe aber ausgesagt, er habe die von dem Kläger für seine Begutachtung zur Verfügung gestellten Unterlagen hinsichtlich einer Leistungssteigerung des Motors falsch gedeutet. Bezogen auf einen Anspruch des Klägers auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich eines Restwertes hätten die Parteien dann keine die Beklagte hinsichtlich eines Versicherungswertes in Höhe von 115.000,00 € bindende Vereinbarung geschlossen. Zwar seien der Beklagten die Wertvorstellungen des Klägers aufgrund der Nachverhandlungen über eine Anhebung des Versicherungswertes von 113.000,00 € auf 115.000,00 € bekannt gewesen und zudem eine Höchstwertentschädigung über letzteren Betrag vereinbart worden. Daraus habe der Kläger indes nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Willen der Beklagten zu einer Einigung über eine Taxe in dieser Höhe schließen können. Der Wiederbeschaffungswert sei im Weiteren mit 86.097,48 € netto in Ansatz zu bringen. Die Parteien hätten aber abweichend von der in lit. A.2.1.2 AKB vorgesehenen Höchstentschädigung in Höhe von 100.000,00 € eine Höchstwertentschädigung von 115.000,00 € vereinbart; insoweit sei eine wirksame und gegenüber der Beschränkung auf den Kaufpreis eines Gebrauchtfahrzeuges in den AKB vorrangige individualvertragliche Vereinbarung gegeben. Die Höhe des Wiederbeschaffungswertes sei ausgehend von dem seitens des Klägers eingeholten Privatgutachten gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 102.456,00 € zu schätzen. Dabei sei von dem dortigen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 115.000,00 € zum Bewertungsstichtag am 02.03.2017 nach den Angaben des Zeugen S. ein Abzug in Höhe von 1.160,00 € für das tatsächlich nicht durchgeführte Chiptuning vorzunehmen sowie wegen des Jahressprunges bis zu dem Eintritt des Versicherungsfalles eine Wertminderung in Höhe von zehn Prozent des danach verbleibenden Wertes zu berücksichtigen. Davon wiederum sei nach der Klausel in A.2.5.4 AKB, die einer Inhaltskontrolle standhalte, auf den Nettobetrag abzustellen, der sich abzüglich der bereits von der Beklagten geleisteten Zahlung und der Selbstbeteiligung des Klägers auf die zugesprochene Forderung verringere. Im Rahmen des geschuldeten Schadensersatzes sei der Kläger entsprechend der Höhe der berechtigten Hauptforderung von seinen vorgerichtlichen Kosten freizustellen. Im Hinblick auf den Zinsanspruch habe die Beklagte jedenfalls mit dem Schreiben vom 23.05.2019 ernsthaft und endgültig eine weitergehende Schadensregulierung verweigert. Ein ergänzendes Feststellungsinteresse des Klägers liege vor, nachdem er ein Ersatzfahrzeug noch nicht angeschafft habe; es könne jedoch allenfalls festgestellt werden, dass die Beklagte zu einem Ersatz weiterer materieller Schäden bis zu dem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 102.456,00 € verpflichtet sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 04.04.2022 zugestellte landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 25.04.2022 erhobenen und nach Fristverlängerung bis zu diesem Datum mit Eingang am 04.07.2022 begründeten Berufung. Sie macht geltend, die mit der Vereinbarung einer Höchstwertentschädigung von 115.000,00 € verbundene Aufhebung der in lit. A.2.1.2 AKB vorgesehenen Höchstentschädigungsgrenze von 100.000,00 € sei ohne Auswirkung auf die Regelung in lit. A.2.5.6 AKB geblieben. Denn die beiden Klauseln stünden über die Tatsache hinaus, dass die Höhe der Versicherungsleistung auf die Höchstentschädigungssumme gedeckelt sei, nebeneinander und bedingten sich nicht gegenseitig; letztlich bedeute dies, dass es völlig unabhängig davon, welcher Betrag in dem Versicherungsvertrag als Höchstentschädigungssumme angegeben werde, bei der Entschädigung dennoch allenfalls bei dem Kaufpreis des Fahrzeugs verbleibe. In jedem Fall habe aber die von dem Kläger behauptete Wertverbesserung bewiesen werden müssen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach seiner Angabe eine Vielzahl von Teilen ohne Rechnung gekauft habe, um die Mehrwertsteuer zu sparen, stelle sich bereits die Frage, welche Unterlagen der von ihm beauftragte Privatgutachter gesehen und bei seiner Bewertung beachtet haben wolle. Der Kläger habe zu den Wertverbesserungen auch ergänzend vortragen können, soweit sich die Unterlagen zu dem Vorgang nach der Aussage des Zeugen S. noch in dessen Büro befänden; in der Berufungsinstanz sei er damit nun präkludiert. Es habe nach all dem an einer Grundlage für eine Schätzung des Wiederbeschaffungswertes gemäß § 287 ZPO gefehlt. Der gesamte Umfang der behaupteten werterhöhenden Umbauten bleibe völlig offen und es sei nicht nachvollziehbar, dass dem Kläger keinerlei Unterlagen zur Verfügung stehen sollten; so könne er unter solchen Umständen keine eventuelle Gewährleistung in Anspruch nehmen. Das Landgericht habe die Einwendungen der Beklagten zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis übergangen; die letzte Hauptuntersuchung sei vor der vermeintlichen Fahrzeugbewertung erfolgt und es sei nicht belegt, dass der Wagen nach dem behaupteten Umbau die Hauptuntersuchung wieder bestanden habe. Nachdem es sich bei dem versicherten Auto im Zeitpunkt der Erstellung des Privatgutachtens um ein bereits mehr als 17 Jahre altes Fahrzeug mit einer Laufleistung von über 212.000 km gehandelt habe, dränge sich auf, dass sich eine Bewertung in der Nähe des Neupreises als Gefälligkeitsgutachten darstelle. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils werde nicht ausgeführt, auf welcher Basis die Annahme, es seien erhebliche Umbaumaßnahmen durchgeführt worden, überhaupt beruhe. Es ergebe sich in jedem Fall ein unter der bereits durch die Beklagte geleisteten Zahlung liegender Betrag, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen sei.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neubrandenburg vom 30.03.2022 – 3 O 208/20 – die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Kläger habe Unterlagen, aus denen sich die Wertverbesserung ergebe, gerade in Form des von ihm eingeholten Privatgutachtens vorgelegt. Soweit dessen Existenz dem Makler bei der Beantragung des Vertragsabschlusses mitgeteilt worden sei, gehe es ausschließlich zu Lasten der Beklagten, wenn sie von der Möglichkeit der Einsichtnahme keinen Gebrauch gemacht habe. In dem Gutachten sei im Übrigen jeweils hinter der konkreten Benennung einzelner Ausstattungsmerkmale der betragsmäßige Wert angegeben unter Aufführung der damals dem Sachverständigen überreichten Quittungen mit Art und Preis.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist weit überwiegend begründet.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von (nur) 2.147,06 € gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit dem unstreitig zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag sowie den in diesen einbezogenen AKB.

a. Zwar ist es für das Bestehen eines Versicherungsschutzes für den streitgegenständlichen PKW aufgrund des betreffenden Vertrages zunächst unerheblich, ob die Motorleistung des Fahrzeugs korrekt in den Versicherungsschein übernommen worden ist; denn die Identität des versicherten Autos ist durch dessen dort ausgewiesenes amtliches Kennzeichen sowie seine Fahrzeug-Identifikations-Nummer bestimmt, während es sich bei der Motorleistung lediglich um eine objektive Tatsache betreffend die Eigenschaften des zu versichernden Objekts handelt (vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 08.06.2015, Az.: 8 O 40/14, – zitiert nach juris -, Rn. 29).

b. Ebenso ist die Beklagte im Weiteren sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen nicht deshalb leistungsfrei, weil der Kläger ihr gegenüber die Motorleistung seines Wagens falsch angegeben hätte.

aa. Die Darlegungs- und Beweislast für eine derartige Falschangabe trägt die Beklagte als Versicherer sowohl im Hinblick auf eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit und eine arglistige Täuschung des Klägers als auch bezogen auf den Eintritt einer Gefahrerhöhung (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 31. Aufl., 2021, §§ 19 Rn. 155, 22 Rn. 43 und 23 Rn. 114 m. w. N.) oder den Verstoß gegen ein Verbotsgesetz (vgl. Hau/Poseck-Wendtland, BeckOK BGB, Stand: 01.05.2022, § 134 Rn. 30 m. w. N.); bereits ein dahingehender Nachweis ist der Beklagten nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht gelungen.

(1) Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das erstinstanzliche Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder unwahr zu erachten ist. Der Berufungsinstanz obliegt seit der Reform der ZPO zum 01.01.2002 nicht mehr eine vollumfängliche Wiederholung der Tatsacheninstanz des ersten Rechtszuges, sondern sie dient der Fehlerkontrolle und -beseitigung (BT-Drs. 14/4722, S. 64 und 100). Deshalb bestimmt § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, dass das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden ist, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen begründen. Anhaltspunkte in dem vorgenannten Sinne können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, wenn etwa die vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht den von der Rechtsprechung zu § 286 ZPO entwickelten Grundsätzen genügt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Gericht die von einer Partei unter Beweis gestellten Behauptungen nicht berücksichtigt, die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatsachengericht bei seinen Feststellungen von einer falschen Beweislastverteilung ausgegangen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.03.2004, Az.: I ZR 205/01, Rn. 24, Urteil vom 12.07.2005, Az.: VI ZR 83/04, Rn. 47, und Urteil vom 30.09.2010, Az.: I ZR 39/09, Rn. 25; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.06.2017, Az.: 21 U 106/16, Rn. 18, jeweils zitiert nach juris und m. w. N.).

(2) Die Beweiswürdigung des Landgerichtes ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden, soweit es aufgrund der Aussage des Zeugen Dipl.-Ing. M. S. zu der Überzeugung gelangt ist, dass seine Angabe einer Motorleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges von 210 kW in dem von ihm erstellten Bewertungsgutachten statt entsprechend der Zulassung und der Angabe des Klägers gegenüber der Beklagten von 184 kW auf einem Versehen insofern beruhte, als der Zeuge von der erfolgten Durchführung einer Optimierung ausgegangen sei, während für eine solche nur ein entsprechendes Angebot vorgelegen habe.

(a) Der der Beklagten obliegende Beweis für eine Falschangabe des Klägers wäre ansonsten wiederum deshalb nicht geführt, weil sich vor dem Hintergrund der Beweislast der Beklagten etwa (nur) aus einer fehlenden Glaubhaftigkeit des den Vortrag des Klägers bestätigenden Inhaltes der Aussage des Zeugen S. nicht zwangsläufig der Umkehrschluss ziehen ließe, dass damit das Vorbringen des Klägers in einer dem Beweismaß des Vollbeweises gemäß § 286 Abs. 1 ZPO genügenden Weise widerlegt wäre.

(b) Kann der Abschluss einer Kraftfahrzeugversicherung für einen PKW, dessen Betriebserlaubnis wegen vorgenommener Veränderungen erloschen ist, gemäß § 134 BGB nichtig sein, (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.10.2014, Az.: 4 U 69/13, – zitiert nach juris -, Rn. 17 ff.), ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten im Übrigen nicht, aus welchen anderen Gründen als einer nicht eingetragenen Optimierung der Motorleistung dies der Fall gewesen sein sollte. Lediglich mit dem Einwand, es sei nicht belegt, dass der Wagen nach den Umbauten durch den Kläger die Hauptuntersuchung wieder bestanden habe, wird die Beklagte schon ihrer diesbezüglichen Darlegungslast (gerade) nicht gerecht; es fehlt an Anhaltspunkten dafür, welche Umbaumaßnahmen, wie sie jedenfalls dem von dem Kläger vorgelegten Bewertungsgutachten zu entnehmen sind, überhaupt eine Auswirkung auf die Betriebserlaubnis haben konnten bzw. einer entsprechenden Zulassung bedurften.

bb. Davon abgesehen wären auch die rechtlichen Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit der Beklagten im Falle einer Falschangabe des Klägers zu der Motorleistung nicht gegeben.

(1) So ergibt sich wegen der Verletzung einer Anzeigeobliegenheit oder einer arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers für den Versicherer ein Rücktrittsrecht gemäß § 19 Abs. 2 VVG oder ein Anfechtungsrecht nach § 22 VVG; allein aus dem Verweis der Beklagten auf eine für sie bestehende Leistungsfreiheit folgt jedoch noch nicht einmal schlüssig die Erklärung eines Rücktritts von dem Versicherungsvertrag oder dessen Anfechtung.

(2) Eine Gefahrerhöhung hat gemäß § 23 VVG nur Rechtsfolgen für die Leistungspflicht des Versicherers, wenn sie nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers vorgenommen wird; eine Veränderung der Motorleistung wäre hier allerdings – wenn überhaupt – vor der Erstellung des Bewertungsgutachtens mit einem Stichtag am 02.03.2017 und damit vor der Beantragung der Kaskoversicherung durch den Kläger bei der Beklagten (erst) im November 2017 eingetreten.

c. Ist dann der Versicherungsfall aufgrund der unbestrittenen Entwendung des Autos des Klägers eingetreten, ist die ihm zustehende Versicherungsleistung allerdings nach lit. A.2.5.6 AKB beschränkt.

aa. Zu Recht hat das Landgericht noch angenommen, dass es sich bei der Angabe einer Höchstwertentschädigung in Höhe von 115.000,00 € in dem Versicherungsschein nicht um eine Taxe im Sinne von § 76 Satz 2 VVG handelt, die als Versicherungswert im Versicherungsfall ohne weiteren Nachweis der Schadenshöhe zu zahlen wäre (vgl. Marlow/Spuhl-Car, BeckOK VVG, Stand: 01.08.2022, § 76 Rn. 8 m. w. N.).

(1) Auch soweit eine entsprechende Vereinbarung konkludent möglich ist, muss nämlich feststellbar sein, dass die Parteien den Versicherungswert übereinstimmend auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betrag verbindlich festlegen wollten. Bei einer einseitigen Wertangabe des Versicherungsnehmers, etwa auf einem Bewertungsbogen, kann nur von einer Vereinbarung ausgegangen werden, wenn der Versicherer erkennbar einverstanden ist, wobei etwa die bloße Vereinbarung einer Versicherungssumme im Sinne eines Höchstbetrages der Entschädigung nicht genügt (vgl. Langheid/Wandt-Halbach, MüKo VVG, 3. Aufl., 2022, § 76 Rn. 4 m. w. N.); letzteres ergibt sich schon nach dem üblichen Wortverständnis schlichtweg daraus, dass anders als bei einem schon abschließend feststehenden Mindestbetrag demgegenüber bis zu der Ausschöpfung eines maximalen Wertes regelmäßig noch ein Spielraum bei der Ermittlung der letztlichen Forderungshöhe besteht.

(2) Mehr als eine Kenntnisnahme der Wertvorstellung des Klägers durch die Beklagte und deren Berücksichtigung bei der Festlegung einer die allgemeinen Vorgaben in lit. 2.1.2 AKB übersteigenden Höhe einer individualvertraglich bestimmten Höchstentschädigung lässt sich danach in dem vorliegenden Fall nicht erkennen.

bb. Sodann hat das Landgericht aber das Verhältnis der einzelnen Regelungen bezüglich einer Beschränkung der Entschädigungshöhe zueinander in lit. A.2.1.2 einerseits und lit. A.2.5.6 AKB andererseits nicht zutreffend gewürdigt.

(1) Nach der letztgenannten Klausel ist die Höchstentschädigung im Falle eines gebraucht erworbenen Fahrzeuges auf dessen Kaufpreis als den Betrag beschränkt, den der Versicherungsnehmer an den Veräußerer gezahlt hat, maximal jedoch die in lit. A.2.1.2 AKB genannte Höchstentschädigungssumme, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist; nach dieser Klausel wiederum kann ein über die dort genannten Grenzen hinausgehender Betrag gegen einen Prämienzuschlag versichert werden.

(a) Das ist so zu lesen, dass die Entschädigungsgrenzen nach lit. A.2.1.2 AKB (allein) im Sinne einer zweiten Stufe für die Prüfung der Leistungshöhe ausgehend von lit. A.2.5.6 AKB relevant werden, während eine Vereinbarung über ihre Erhöhung das (vorrangige) Limit nach der letzteren Klausel unberührt lässt. An einem konkreten Beispiel lässt sich dies wie folgt verdeutlichen: Versichert ist ein gebrauchter PKW, welchen der Versicherungsnehmer aufgrund eines für ihn günstigen Geschäfts bei einem tatsächlichen Wert von 200.000,00 € für bloß 150.000,00 € erworben hat; tritt der Versicherungsfall ein, hat die Beklagte nach lit. A.2.5.6 AKB unabhängig von dem objektiven Wert des Fahrzeuges höchstens den Kaufpreis in Höhe von 150.000,00 € zu erstatten, wegen der ergänzenden Beschränkung durch den Verweis auf lit. A.2.1.2 AKB aber sogar nur 100.000,00 €. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet das umgekehrt, dass die Beklagte dem Kläger nach lit. A.2.5.6 AKB höchstens den Kaufpreis für das von ihm gebraucht gekaufte Auto in Höhe von 21.000,00 € zu ersetzen hat, während die Erhöhung der Höchstentschädigungssumme nach lit. A.2.1.2 AKB auf 115.000,00 € deshalb nicht zum Tragen kommt, weil dieser Betrag noch über der Leistungsgrenze nach der ersteren Klausel liegt. Ein widersprüchliches oder sonst vorwerfbares Handeln lässt sich der Beklagten im Hinblick auf die vereinbarte Heraufsetzung der Höchstentschädigungsgrenze von 100.000,00 € auf 115.000,00 € insoweit nicht vorhalten, weil nicht ersichtlich ist, dass ihr bekannt gewesen wäre, zu welchem Preis der Kläger das zu versichernde gebrauchte Fahrzeug erworben hat; Überlegungen bezüglich der Sinnhaftigkeit einer solchen Vertragsgestaltung oblagen vielmehr gegebenenfalls dem Kläger und dem bei dem Abschluss des Versicherungsvertrages für ihn tätigen Versicherungsmakler.

(b) Die fragliche Regelung begegnet im Übrigen keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nach den §§ 307 ff. BGB.

(aa) Sie ist zum einen nicht als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB anzusehen.

[1] Dies setzte nämlich voraus, dass die Klausel in einem Vergleich mit dem, was als gewöhnliche Regelung berechtigterweise erwartet werden kann, objektiv ungewöhnlich wäre; dafür ist auf den Erwartungshorizont des Erklärungsempfängers abzustellen ausgehend von einem solchen, wie er sich bei einem Durchschnittskunden des angesprochenen vertragstypischen Kundenkreises redlicherweise entwickelt hat (vgl. Hau/Poseck-Schmidt, a. a. O., § 305c Rn. 14 m. w. N.). Insofern ist die Kaskoversicherung ihrer Natur nach typischerweise nicht auf vollen Ersatz des Vermögensschadens nach den Maßstäben der §§ 249 ff. BGB gerichtet; denn es werden etwa Sachfolgeschäden nicht ersetzt und bei einem reinen Sachschaden sind Einschränkungen durch Selbstbeteiligungen und den Ausschluss des Ersatzes von Wertminderungen üblich (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2006, Az.: IV ZR 263/03, – zitiert nach juris -, Rn. 20); ebenso haben die Versicherer von der Möglichkeit, den Versicherungswert in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichend von § 88 VVG zu regeln, umfassend Gebrauch gemacht (vgl. Marlow/Spuhl-Rust, a. a. O., § 88 Rn. 23).

[2] Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass sich die Berechnung der Versicherungsprämie nach der vereinbarten Höchstentschädigungsgrenze richtet; denn diese ist die einzige der Beklagten zur Verfügung stehende Richtgröße bezogen auf eine möglicherweise fällig werdende Versicherungsleistung, nachdem ihr der Kaufpreis eines zu versichernden Fahrzeuges, das gebraucht erworben worden ist, nicht mitgeteilt wird.

(bb) Ebenso wenig ist zum anderen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB gegeben.

[1] Ein gesetzliches Leitbild nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, von dem abgewichen würde, existiert nicht; insbesondere ergibt es sich nicht aus § 88 VVG.

[a] Diese Vorschrift stellt vielmehr schon lediglich eine Auslegungsregel dar für den Fall, das von dem ausdrücklichen Vorbehalt einer anderweitigen Vereinbarung kein Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Marlow/Spuhl-Rust, a. a. O., § 88 Rn. 1 m. w. N.; eventuell missverständlich insoweit Langheid/Wandt-Staudinger, a. a. O., § 88 Rn. 8).

[b] Zudem handelt es sich bei lit. A.2.5.6 AKB ohnehin nicht um eine Regelung zum Versicherungswert, sondern vielmehr um eine diesen für sich genommen nicht verändernde Entschädigungsgrenze (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 31. Aufl., 2021, § 88 Rn. 45).

[2] Die Klausel gefährdet auch nicht den Vertragszweck gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, entgegen den vertragstypischen Erwartungen des redlichen Geschäftsverkehrs einschränkte; dies folgt erneut daraus, dass die Kaskoversicherung nach dem schon oben unter lit. (aa)[1] Gesagten nicht zwangsläufig einen vollen Ausgleich des Vermögensschadens gewährleistet.

[3] Schließlich erscheint eine den Geboten von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erkennbar. Zwar kann der Versicherungsnehmer bei der konkreten Schadensbeseitigung einen Nachteil von erheblichem – und in dem vorliegenden Einzelfall zugegebenermaßen eventuell eklatantem – Gewicht erleiden. Die darin liegende Benachteiligung kann aber nicht als unangemessen bezeichnet werden, wenn man zum einen seitens der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer Vereinfachung der Schadensregulierung eine Überlegung dahingehend berücksichtigt, dass der Wert eines Gebrauchtfahrzeuges üblicherweise seinem am Markt gezahlten Kaufpreis entspricht; damit lassen sich gerade Streitigkeiten der vorliegenden Art im Hinblick auf eine Wertverbesserung durch nachträgliche Umbauten des Fahrzeuges vermeiden. Zum anderen kann der Versicherungsnehmer Nachteile vermeiden, wenn ihm die betreffenden Konsequenzen in den Versicherungsbedingungen ausreichend deutlich vor Augen geführt werden (vgl. auch BGH, a. a. O., Rn. 23); hinsichtlich der Transparenz des Klauselwerkes bestehen insofern keine Bedenken (vgl. auch OLG Dresden, Urteil vom 28.11.2017, Az.: 4 U 1002/17, – zitiert nach juris -, Rn. 3 ff.).

(2) Hat die Beklagte einen Wert des Wagens im Zeitpunkt des Versicherungsfalles in Höhe von zumindest 30.000,00 € selbst angenommen bzw. damit gleichzeitig als solchen nicht (substantiiert) bestritten, ergibt sich ausgehend von dem Nettobetrag gemäß lit. A.2.5.4 AKB, nachdem der Kläger noch kein Ersatzfahrzeug angeschafft hat, sowie unter Abzug der vereinbarten Selbstbeteiligung und des von der Beklagten bereits geleisteten Betrages ein aktueller Restanspruch des Klägers in Höhe von (21.000,00 € Kaufpreis – 19 % MwSt. = 17.647,06 € – 1.000,00 € Selbstbeteiligung – 14.500,00 € bisherige Versicherungsleistung =) 2.147,06 €. Eine Grundlage für einen von der Beklagten bei ihrer Abrechnung vorgenommenen hälftigen Abzug ist nach den Ausführungen oben unter lit. a) und b) nicht gegeben.

d. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einer zuzusprechenden Hauptforderung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB (erst) seit dem 25.05.2019. In dem Schreiben der Beklagten vom 23.05.2019 ist eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen, welche eine Mahnung entbehrlich machte; dass eine solche vorangegangen wäre, hat der Kläger nicht dargetan. Bei einer unterstellten Postlaufzeit von einem Tag ist für den Beginn des Zinslaufes dann unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 187 Abs. 1 BGB auf den Tag abzustellen, welcher dem Eintritt des verzugsbegründenden Ereignisses folgt (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1990, Az.: VIII ZR 296/88, – zitiert nach juris -, Rn. 25).

2. Auf den Klageantrag zu 2) ist vor dem Hintergrund des bisher Gesagten festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitere Schäden aus dem Versicherungsfall (bloß) bis zu einem Betrag in Höhe von 3.352,94 € im Rahmen der in den Versicherungsvertrag der Parteien Nr. — einbezogenen „Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015)“ zu ersetzen.

a. Bei dem genannten Betrag handelt es sich um die Differenz zwischen der Höchstentschädigung von 21.000,00 € nach lit. A.2.5.6 AKB unter Abzug der Selbstbeteiligung des Klägers, des von der Beklagten schon geleisteten Betrages in Höhe von 14.500,00 € und dem Betrag in Höhe von 2.147,06 €, wie er nach den Ausführungen zuvor unter Ziffer 1a) bis c) zuzusprechen ist.

b. Außerdem sind nicht – wie von dem Kläger begehrt – „sämtliche“ weiteren Schäden aufgrund des Diebstahls von der Beklagten zu ersetzen; denn neben den unter lit. a) erwähnten Entschädigungsgrenzen gilt etwa auch die weitere Regelung in lit. A.2.5.7.1 AKB, sodass eine entsprechende (weitere) Ergänzung des Feststellungstenors angebracht ist.

3. Der Klageantrag zu 3) hinsichtlich der Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten ist mangels hinreichender Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO schon unzulässig und in der Sache auch unbegründet.

a. Nach der genannten Vorschrift muss die Klageschrift unter anderem die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten; dies bedingt im Falle eines Schuldbefreiungsantrages eine Konkretisierung in dem Klageantrag, von welcher Verbindlichkeit wem gegenüber der Beklagte den Kläger freistellen soll (vgl. Saenger/Ullrich/Siebert-Kießling/Pukall, ZPO-Formulare, 5. Aufl., 2021, § 253 Rn. 62). Für den Kläger waren hier vorgerichtlich sowohl seine jetzigen Prozessbevollmächtigten als auch zunächst schon vor ihnen mandatierte andere anwaltliche Vertreter tätig; ist damit von einem doppelten Anfall vorprozessual entstandener Anwaltsgebühren bei dem Kläger auszugehen, lässt sich weder dem Klageantrag noch im Wege von dessen Auslegung seiner Begründung entnehmen, ob nun eine Freistellung des Klägers gegenüber seinen zuerst beauftragten anwaltlichen Vertretern oder aber gegenüber seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten erfolgen soll.

b. In der Sache hätte der Kläger ansonsten auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 249 Abs. 1, 257 BGB. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes durch den Kläger verzugsbedingt erfolgt wäre. So geht er selbst im Zusammenhang mit den verlangten Zinsen davon aus, dass ein Verzug der Beklagten (erst) aufgrund deren Ablehnungsschreibens vom 23.05.2019 eingetreten ist; dieses war aber schon an die damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers adressiert, sodass diese bereits zuvor mandatiert gewesen sein müssen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens war gemäß §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO auf bis zu 95.000,00 € festzusetzen.

1. Maßgeblich ist danach zum einen der Hauptforderungsbetrag des bezifferten Zahlungsantrages, dessen (vollständige) Abweisung die Beklagte im Umfang des erstinstanzlichen Erfolges der Klage in Höhe von 70.597,48 € mit ihrer Berufung erstrebte.

2. Hinzukam entsprechend ein Wertanteil für das Rechtsmittel, welches sich auf die Abweisung der Feststellungsklage in dem Umfang der zu Lasten der Beklagten ergangenen Verurteilung richtet, in Höhe von (16.358,52 € x 80 % =) 13.086,82 €.

a. Wertbestimmend im Falle einer Feststellungsklage ist gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO der Wert des Gegenstandes des Rechts oder Rechtsverhältnisses, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll. Bei positiver Feststellungsklage ist hierbei ein Abschlag von 20 Prozent gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage zu machen, und zwar auch dann, wenn der Kläger damit rechnen kann, dass sein Gegner wie im Falle eines Versicherers auf ein Feststellungsurteil hin freiwillig zahlen werde; denn die weniger weit tragende, weil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähige Wirkung eines Feststellungsurteils gegenüber dem Leistungsurteil muss hier ebenfalls Berücksichtigung finden (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 3 Rn. 16.76 m. w. N.).

b. In dem vorliegenden Fall ist dabei von dem mit einer Deckelung nach oben tenorierten Höchstbetrag für eine mögliche ergänzende Leistungspflicht der Beklagten auszugehen.

3. In der Addition ergibt sich ein Gesamtstreitwert, der in die hier angenommene Gebührenstufe fällt.

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