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Teilkaskoversicherung – Erstattungsfähigkeit Vandalismusschäden an Kfz

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 103/19 – Urteil vom 28.02.2020

Auf die Berufung der Beklagten unter ihrer Zurückweisung im Übrigen wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17.06.2019, Az.: 14 O 1/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 680,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 89 % und die Beklagte 11 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten nach vorgerichtlicher Zahlung von 1644,27 € nach einem am 08.07.2017/09.07.2017 erlittenen Diebstahls- und Vandalismusschaden aus der zwischen den Parteien bestehenden Teilkaskoversicherung unter Abzug einer Selbstbeteiligung in Höhe von 150 € nach Durchführung eines von der Klägerin angestrengten Schiedsverfahrens weitere Versicherungsleistungen unter Einschluss der im Schiedsverfahren entstandenen Gutachterkosten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne einen weiteren Entschädigungsbetrag in Höhe von 6.461,83 € unter Berücksichtigung der schon erfolgten Teilzahlung und der Selbstbeteiligung verlangen. Der Anspruchsumfang sei durch das Sachverständigenverfahren mit Protokoll vom 15.04.2018 verbindlich festgestellt worden. Die getroffene Feststellung sei nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche. Ein Sachverständigenverfahren sei bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe zwischen den Parteien erforderlich. Diese Meinungsverschiedenheit sei hier deshalb gegeben, weil die Beklagte im Schreiben vom 22.02.2018 von einer Schadenshöhe von 201,40 € ausgegangen sei, wohingegen die Klägerin Kosten in Höhe von 5.981,30 € geltend gemacht habe. Die Bindungswirkung sei nicht erschüttert. Soweit die Beklagte das Miteinbeziehen von Vandalismusschäden durch die Sachverständigen beanstandet, könne dem nicht gefolgt werden. Das Protokoll des Sachverständigenverfahrens treffe keine Aussagen zu Vandalismusschäden, sondern setze allein die Höhe der Diebstahlsschäden mit Glasbruchschäden und weiteren im Zusammenhang stehenden Schäden fest. Auch die Kosten des Sachverständigenverfahrens in Höhe von 1.729,43 € seien gemäß A.2.10.4 AKB der Beklagten zu ersetzen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 25.06.2019 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) am 19.07.2019 mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 12.08.2019 begründet.

Die Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang an und führt zur Begründung aus, dass Vandalismusschäden nicht vom Versicherungsschutz der hier abgeschlossenen Teilkaskoversicherung gedeckt seien. Die Beklagte habe den Diebstahls- und Glasbruchschaden ersetzt, soweit dieser erstattungsfähig gewesen sei. Die Klägerin habe den Sachverständigen Q… mit der Erstattung von 2 Gutachten beauftragt, nämlich eines Gutachtens bezüglich des Diebstahlsschadens und eines Gutachtens bezüglich des Gesamtschadens. Das letztgenannte Gutachten habe offensichtlich den Vandalismusschaden berücksichtigt, der auch Grundlage des Sachverständigenverfahrens gewesen sei. Dies sei offensichtlich; um dies zu erkennen, müsse man kein Sachverständiger sein. Im Übrigen müsse man zum Entfernen der vorderen Scheibenwischer nicht auf die Motorhaube und der Antenne auf das Dach klettern. Die Klägerin habe zudem Vandalismusschäden erstinstanzlich selbst eingeräumt.

Sie beantragt sinngemäß, unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die landgerichtliche Entscheidung. Die Sachverständigen hätten bei Glasbruch auch die teilweisen Beschädigungen der Oberfläche von Glasteilen eingeschlossen. Das Gutachten sei bindend. Das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens entfalte nur dann keine Bindung, wenn es ein Fall ganz offenbaren Unrechts sei. Der Beklagten hätte es oblegen, konkret und getrennt nach Glasbruchschaden, Entwendungsschaden und zur Abgrenzung von Vandalismus- und Begleitschäden vorzutragen, um dem Gericht Gelegenheit zur Prüfung zu geben. Dies sei jedoch nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien hingewiesen.

II.

Teilkaskoversicherung - Erstattungsfähigkeit von Vandalismusschäden an einem Kfz
(Symbolfoto: Von Gina Buliga/Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch auf Versicherungsleistungen in Höhe von 680,90 € aus der Teilkaskoversicherung.

Die Voraussetzungen für das Eintreten der Teilkaskoversicherung sind nicht erfüllt, soweit es sich um den Vandalismusschaden handelt, der im Zusammenhang mit der erfolgreichen Entwendung von Gegenständen an dem Pkw verursacht wurde.

Beschädigungen eines Pkw, die durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen herbeigeführt werden, sind vom Versicherer im Rahmen einer abgeschlossenen Teilversicherung nicht erstattungsfähig. Die Schäden müssen nämlich adäquat-kausal auf dem Entwendungsvorgang selbst beruhen. Sie dürfen darüber hinaus aber auch nicht aus sonstigen Motiven des Täters – wie beispielsweise aus Zerstörungswut – verursacht worden sein.

Zwar stehen die Beschädigungen des Fahrzeugs im Zusammenhang mit der Entwendung der Außenspiegel, Wischer und Antenne des klägerischen Fahrzeugs. Die durch die Diebstahlshandlung selbst verursachten Schäden wurden durch die Beklagte im Wesentlichen beglichen. Ebenso gilt das für die eventuellen Glasschäden. Dass es sich bei den mit der Klage nunmehr noch geltend gemachten Schadenspositionen um solche handelt, die durch den Dieb verursacht wurden, um den Diebstahl zu ermöglichen, oder die in einem derartigen Zusammenhang mit der Entwendung stehen, dass sie regelmäßig bei der Durchführung des Diebstahls auftreten, ist weder dargetan, noch ist dies ersichtlich. Kratzer im Lack und Einbeulungen finden sich im gesamten Fahrzeugbereich, ebenso diverse Verkratzungen in den Scheiben. Demzufolge ist davon auszugehen, dass die Beschädigungen lediglich anlässlich des Einbruchsdiebstahls vorgenommen wurden und es sich mithin um so genannte Vandalismusschäden handelt.

Der Ersatz der weiter geltend gemachten Glasschäden kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Glasbruchs in Frage. Glasbruch setzt den Bruch des Glases voraus, oberflächliche Beschädigungen wie Kratzer und Trübungen werden davon nicht erfasst (vergleiche Prölss/Martin-Knappmann, AKB 2008, A.2.2, Rn 53). Damit kann die Klägerin keine Versicherungsleistungen im Hinblick auf die beschädigte Windschutzscheibe geltend machen.

Die Parteien, insbesondere die Beklagte, sind auch nicht in dem Umfang wie von dem Landgericht angenommen an die Feststellungen in dem Schlichtungsverfahren gemäß A.2.10 AKB der Beklagten gebunden. Nach dieser Regelung entscheidet ein Sachverständigenausschuss bei einer Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes oder über den Umfang der erforderlichen Wiederherstellungsarbeiten. Allein der Umstand, dass die Beklagte die Auffassung vertritt, dass bestimmte Schadenspositionen nicht vom Versicherungsschutz gedeckt sind, und damit zu einem niedrigeren Betrag kommt als die Klägerin, rechtfertigt an sich nicht die Einholung einer Entscheidung durch den Sachverständigenausschuss, der für die Parteien bindend ist. Vielmehr ist die Regelung so zu verstehen, dass es sich um den Streit über die Höhe des Schadens handelt, der bedingungsgemäß bei der Beklagten versichert ist. Die Entscheidung eines Ausschusses kann nicht darüber hinausgehen. Insofern entfaltet die Entscheidung des Ausschusses insoweit keine Bindungswirkung, zumal das Missverständnis offenkundig ist, was aber die Verbindlichkeit der Feststellungen des Sachverständigenausschusses im Übrigen hinsichtlich des Entwendungsschadens nicht ausschließt (vergleiche insoweit BGH, VersR 1989, 395). In dem Schadensgutachten hat der Sachverständige Q…, der von der Klägerin für den Ausschuss benannt worden ist, einen Betrag in Höhe von 3.426,15 € brutto errechnet, der nach seiner Auffassung den Teilkaskoschaden Diebstahl und Glasbruch abdeckt, wobei allerdings die Positionen „Frontscheibe, Klebesatz, Schlussleuchte L und R“ und der anteilige Arbeitseinsatz aus den obengenannten Gründen keine Berücksichtigung finden konnten. Dass diese Kosten eine Änderung erfahren haben, die plausibel erscheint, ist weder dargetan noch ersichtlich. Demgemäß verbleibt es bei der Bindungswirkung nur hinsichtlich der Teile des Gutachtens entstehen, die von der Teilkaskoversicherung der Beklagten erfasst sind. Die Beteiligten des Ausschusses sind fehlerhaft davon ausgegangen, dass sämtliche Kosten anlässlich des Schadensereignisses zu berücksichtigen sind. Die Beklagte wendet aber zu Unrecht ein, dass ein Streit über die einzelnen Schadenspositionen in Bezug auf ihre Höhe zu dem Zeitpunkt noch gar nicht entstanden war, da sie sich hierzu gar nicht geäußert hat. Erst nach Durchführung des Schiedsverfahrens teilte sie der Klägerin mit, geringere Beträge anzusetzen hinsichtlich der Positionen, die sie nunmehr zu erstatten gedachte, ohne dies zunächst weiter zu erläutern, für welche Positionen die Erstattung erfolgen sollte, und überwies den entsprechenden Betrag. Insofern indiziert dieses Verhalten doch eine Meinungsverschiedenheit. Ihr wäre es unschwer möglich gewesen, sich insofern gegenüber der Klägerin vor dem Schiedsverfahren zu offenbaren, dass sie mit den geltend gemachten Positionen in ihrer Höhe nicht einverstanden war, bzw. sich entsprechend aktiv an dem Verfahren zu beteiligen. Derartiges Schweigen, das gegen das hier bestehende Kooperationsgebot als Ausfluss des Rücksichtnahmegebots gemäß § 241 Abs. 1 BGB verstößt (vergleiche insoweit Prölls/Martin-Armbrüster, Einl. I Rn 247), kann nicht zulasten der Klägerin gehen. Insofern ist die Beklagte gemäß ihren Bedingungen entsprechend des Obsiegens und Unterliegens im Rahmen des Schiedsverfahrens an den Kosten zu beteiligen. Denn dieses hätte nach Offenlegung ihrer Position zur Schadenshöhe der erstattungsfähigen Kosten – wie von der Klägerin gewollt – eigentlich durchgeführt werden müssen und wäre insoweit für sie auch erfolgversprechend gewesen. Dass die Beklagte die Positionen nunmehr im Berufungsverfahren unstreitig stellt, ist für die Verteilung der Kosten ohne Belang.

Insgesamt ergibt sich somit ein festgestellter Entwendungsschaden in Höhe von 1973,64 €, der an sich zu erstatten wäre, wobei der Selbstbehalt in Höhe von 150 € abzuziehen ist. Mithin ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1823,64 €. Demgemäß ist unter Abzug der gezahlten Beträge in Höhe von 51,40 € und 1592,87 € noch ein Betrag in Höhe von 179,37 € offen. Für die Verteilung der Kosten in dem Schiedsverfahren ergibt sich eine Quote von 29 % zulasten der Beklagten und von 71 % zulasten der Klägerin. Die Kosten des Verfahrens sind von der Klägerin mit 1729,43 € angegeben, was einem Betrag in Höhe von 501,53 € entspricht.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es war keine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und die deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die vorliegende Entscheidung beruht vielmehr auf der Anwendung bereits geklärter Rechtssätze im Hinblick auf die konkreten Umstände des hier zu entscheidenden Falles.

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