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Sturmschaden Gebäudeversicherung – Vorschaden Dach

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 1/21 – Urteil vom 22.12.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Dezember 2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 6 O 429/18 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 8.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Leistung aus einer Gebäudeversicherung.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit in der Berufung noch von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe keinen Anspruch gemäß § 1 VVG i.V.m. Teil A I. § 3, § 11 Nr. 1b, § 12 Nr. 1a AVBG 99. Zwar bestehe zwischen den Parteien ein Versicherungsvertrag, der auch Sturmschäden umfasse. Das Gebäude sei zudem zum Neuwert versichert worden. Die AVBG 99 seien Vertragsbestandteil geworden. Soweit die Beklagte vorgerichtlich ihre Einstandspflicht im Umfang von 2.338,35 € zugestanden und mit Schreiben vom 25.4.2018 einen Verrechnungsscheck über 1.375,50 € (Nettozeitwertentschädigung) an den Kläger gesandt habe, sei Erfüllung eingetreten, unabhängig davon, ob der Kläger den Scheck eingelöst oder zerrissen habe. Insoweit fehle es der Klage bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Ein darüber hinausgehender Anspruch stehe dem Kläger nicht zu. Es sei weder ersichtlich, noch vom Kläger vorgetragen, dass der über den Zeitwert hinausgehende Teil der Entschädigung (Neuwert) bereits fällig sei, was die Nachweisführung des Klägers gegenüber der Beklagten voraussetzte, dass er die Wiederherstellung sichergestellt habe. Jedenfalls sei Leistungsfreiheit der Beklagten nach Teil B § 8 AVBG 99 wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit nach Teil A I. § 18 Nr. 2 AVBG 99 durch den Kläger eingetreten. Der Kläger habe nicht das Dach in ordnungsgemäßem Zustand gehalten und Mängel oder Schäden unverzüglich beseitigen lassen. Die Beklagte habe bewiesen, dass der Kläger keine Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen an dem Dach des versicherten Gebäudes ergriffen habe.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.325,46 € an ihn sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, bei Reparaturnachweis einen Neuwert i.H.v. 13.254,94 € zu erstatten. Der Kläger meint, die Argumentation des Landgerichts zur Einbeziehung der Versicherungsbedingungen der Beklagten in den Versicherungsvertrag der Parteien sei weder nachvollziehbar noch schlüssig. Die AVBG 99 der Beklagten seien nicht wirksam einbezogen und damit kein Vertragsbestandteil geworden.

Nachdem der Kläger eingeräumt hat, den ihm von der Beklagten übersandten Verrechnungsscheck eingelöst zu haben, hat er den Zahlungsantrag einseitig für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt schließlich, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Reparaturnachweis einen Neuwert in Höhe von 13.254,94 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Durch Beschluss vom 15.10.2021 hat der Senat den Rechtsstreit dem Einzelrichter gemäß § 526 Abs. 1 ZPO übertragen.

Am 20.10.2021 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, ist der 17.11.2021 bestimmt worden.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Sturmschaden Gebäudeversicherung – Vorschaden Dach
(Symbolfoto: Oliver Knon/Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat richtig erkannt, dass dem Kläger ein über die von der Beklagten vorgerichtlich anerkannte Einstandspflicht i.H.v. 2.338,35 € und den – nunmehr unstreitig – per Verrechnungsscheck gezahlten Betrag von 1.375,50 € hinausgehender Anspruch nicht zusteht. Die Berufungsanträge sind unbegründet.

1. Der auf Zahlung gerichtete Antrag des Klägers ist unbegründet. Das Begehren des Klägers, dass in dessen einseitig gebliebener Erklärung der Erledigung dieses Antrages in der Hauptsache liegt, festzustellen, dass sich dieser Antrag in der Hauptsache erledigt hat, ist ohne Grundlage. Denn im Zeitpunkt der Erledigungserklärung des Klägers lag kein nachträgliches erledigendes Ereignis vor. Vielmehr war der Antrag bereits zuvor und zwar noch vor Rechtshängigkeit der Klage unbegründet. Der Zahlungsanspruch des Klägers war nämlich am 9.8.2019 und damit noch vor der Zustellung der Klage an die Beklagte am 10.9.2018 mit der Einlösung des von der Beklagten ausgestellten Verrechnungsschecks und der Gutschrift des entsprechenden Betrages auf dem Konto des Klägers erloschen. Das hat der Kläger allerdings erst in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 26.3.2021 eingeräumt. Der Zahlungsantrag war deshalb als unbegründet abzuweisen.

2. Der Feststellungsanspruch hinsichtlich der Zahlung des Neuwertes ist unbegründet.

Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Feststellungsantrag ist zwar zulässig, weil es sich gemäß § 264 ZPO nicht um eine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung handelt und ein Feststellungsinteresse zu bejahen ist. Er ist auch hinreichend bestimmt, weil die Beklagte unstreitig nur die streitgegenständlichen AVBG 99 für die Versicherung von Gewerbe und freien Berufen verwendet.

Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger steht wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung kein Anspruch auf Zahlung des Neuwertes aus dem Versicherungsvertrag der Partei zu.

a) Zu Recht und aus zutreffenden Gründen hat das Landgericht festgestellt, dass die Versicherungsbedingungen der Beklagten, die AVBG 99, Vertragsbestandteil des Versicherungsvertrages der Parteien geworden sind.

Das gilt unabhängig davon, ob die Beklagte ihren Informationspflichten gegenüber dem Kläger aus § 7 VVG nachgekommen ist. § 7 VVG trifft inhaltlich keine Regelung über die Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für den Fall, dass diese pflichtwidrig erst nach Vertragsschluss – oder sogar überhaupt nicht – überlassen wurden. Die Regelung der Vorabinformation in § 7 VVG und die Einbeziehung von AVB nach § 305 Abs. 2 BGB betreffen jeweils eigene Regelungskomplexe und stehen selbständig nebeneinander. Die korrekte – oder inkorrekte – Informationsübermittlung nach § 7 VVG lässt also keinen Schluss auf die notwendige Einbeziehung der AVB in den Versicherungsvertrag zu. Ebenso können mithin die AVB wirksam gemäß § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen sein, ohne dass die Informationspflichten nach § 7 VVG erfüllt sind (Pröls/Martin, VVG, 31. A., Rn. 44 zu § 7; Langheid/Rixecker, VVG, 6. A., Rn. 40 zu § 7). Hierbei hat das Landgericht den zutreffenden Ausgangspunkt gewählt, dass der Kläger – unstreitig – Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist. Denn bei einem Versicherungsvertrag mit einem Unternehmer i.S.d. § 14 BGB gelten die Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB nicht. Vielmehr können die AVB in einem solchen Fall durch jede – auch konkludente – Willensübereinstimmung der Parteien einbezogen werden, soweit die AVB hinreichend klar bezeichnet sind (Langheid/Wandt, MüKo VVG, 2. A., Rn. 156 zu § 7).

In Anwendung dieser Regeln ist das Landgericht im vorliegenden Fall zu dem zutreffenden Schluss gelangt, dass die Parteien die einschlägigen AVB der Beklagten, die AVBG 99, konkludent wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen haben. Hierfür reichte es aus, dass die Beklagte unmissverständlich bereits in ihrem vom Kläger unterzeichneten Antragsformular (Anlage K 1, Bl. 14 d.A. / Anlage K 10, Bl. 143 d.A.) auf die Versicherungsbedingungen, die dem endgültigen Versicherungsvertrag (Hauptvertrag) üblicherweise zugrunde liegen, als Grundlage des Vertrages hinwies. Die Versicherungsbedingungen sind damit auch hinreichend klar bezeichnet. Denn für die Versicherung von Gewerbe und Freien Berufen verwendet die Beklagte (nur) diese AVBG 99. Der Kläger dagegen hat durch die widerspruchslose Unterzeichnung des Versicherungsvertrages in Kenntnis des Hinweises der Beklagten auf die Geltung der AVBG 99 deren Einbeziehung in den Versicherungsvertrag – konkludent – zugestimmt. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch.

Das gilt schon deshalb, weil der Kläger in seiner Argumentation die Frage der Informationspflicht des Versicherers nach § 7 VVG mit der der AGB-rechtlich wirksamen Einbeziehung von AVB als AGB unzulässig vermengt. Außerdem lässt der Kläger, wenn er für die Frage der AGB-rechtlich wirksamen Einbeziehung der AVB auf § 305 Abs. 2 BGB abstellt, außer Acht, dass für ihn als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB die qualifizierten Einbeziehungsvoraussetzungen aus § 305 Abs. 2 BGB gerade nicht gelten. Auf Weiteres kommt es danach in diesem Zusammenhang schon nicht mehr an.

b) Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die verwiesen wird und die durch das Berufungsvorbringen ebenfalls nicht entkräftet werden, hat der Kläger die Obliegenheit aus Teil A I. § 18 Nr. 2 AVBG 99 grob fahrlässig verletzt, das Dach der versicherten Halle stets in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel und Schäden unverzüglich beseitigen zu lassen mit der Folge, dass die Beklagte gemäß Teil A I. § 18 Nr. 9 AVBG in vollem Umfang leistungsfrei geworden ist.

(1) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht gestützt auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen F… R… festgestellt, dass der Kläger seiner vorbezeichneten Obliegenheit aus Teil A I. § 18 Nr. 2 AVBG 99 nicht erfüllt hat. Die Quelle der Erkenntnis des Landgerichts, die der Kläger ausweislich seiner Berufungsbegründung nicht gesehen hat, ist das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen.

(2) Auf eine positive Kenntnis des Klägers von dem schadhaften Zustand des Daches kommt es nicht an, weil den Kläger der Vorwurf eines „lediglich“ fahrlässigen – wenn auch groben – Sorgfaltsverstoßes trifft.

(3) Rechtlich ist es schließlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht in dem Umstand, dass der Kläger ohne Rücksicht auf seine Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag sich keinerlei Gedanken um den Zustand des Daches macht und auch nichts unternimmt, um eine solche – zumindest laienhafte – Kenntnis vom Zustand des Daches zu erlangen. Im vorliegenden Fall wäre dazu nur erforderlich gewesen, dass der Kläger einmal auf eine Leiter steigt, um das Dach in Augenschein zu nehmen. Der sich daraufhin bietende Anblick des fast vollständig augenscheinlich maroden Daches hätte jeden verständigen Laien und Versicherungsnehmer veranlassen müssen, eine fachkundige Prüfung des Daches zu veranlassen. Deshalb und auch, weil der Kläger dieses äußerst nachlässige Verhalten über einen längeren Zeitraum von fast einem Jahr seit Bestehen des Versicherungsvertrages zeigte, grenzt das Verschulden des Klägers bereits an bedingten Vorsatz. Hätte der Kläger das Dach fachkundig prüfen lassen, wären die Mängel und die erforderlichen Maßnahmen zur Behebung dieser Mängel aufgezeigt worden, zu deren Ergreifung der Kläger vertraglich in Erfüllung seiner Obliegenheit angehalten gewesen wäre. Der Senat verweist ergänzend dazu nochmals auf die in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Landgerichts auf Seiten 10 f. des angefochtenen Urteils, die er sich uneingeschränkt zu eigen macht. Der Kläger hat sich mit diesen Erwägungen in der Berufung nicht einmal ansatzweise auseinandergesetzt.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 GKG, wobei der Senat für den Feststellungsantrag angesichts der Ungewissheit der späteren Realisierung einen Abschlag von 50 % vorgenommen hat.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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