Skip to content

Stichentscheid – umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage und Erfolgsaussicht

Ein gebrauchter Tesla mit zu geringer Reichweite sorgt für gerichtliches Nachspiel: Weil die versprochene Kilometerzahl nicht eingehalten wurde, zog ein Käufer vor Gericht – und bekam Recht. Doch seine Rechtsschutzversicherung weigerte sich, die Kosten für das Berufungsverfahren zu übernehmen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Traunstein
  • Datum: 25.08.2022
  • Aktenzeichen: 1 O 495/22
  • Verfahrensart: Zivilverfahren bezüglich Deckungsschutz durch Rechtsschutzversicherung
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Kläger ist der Versicherungsnehmer, der von seiner Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für ein Berufungsverfahren verlangt. Er argumentiert, dass das Ersturteil des Landgerichts München I fehlerhaft war, da sein gekaufter Tesla Model S90D die zugesicherte Reichweite nicht erreicht, was seiner Meinung nach einen Sachmangel darstellt. Der Stichentscheid seiner Anwältin sei korrekt und rechtmäßig erstellt worden.
  • Beklagte: Die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die der Ansicht ist, dass die Ablehnung der Kostenübernahme korrekt erfolgte und der erstellte Stichentscheid nicht bindend ist, da er nicht den Anforderungen entspricht. Sie argumentiert, dass das Urteil des Landgerichts München I korrekt war und kein Deckungsanspruch besteht.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Kläger fordert von seiner Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für ein Berufungsverfahren gegen zwei Firmen, da das erstinstanzliche Gericht seine Klage abgewiesen hat. Dabei geht es um angebliche Mängel bei einem Tesla-Fahrzeug, das seiner Meinung nach die garantierten Spezifikationen nicht erfülle. Die Versicherung verweigerte den Deckungsschutz, und der Kläger hat durch seinen Anwalt einen Stichentscheid erstellen lassen, um den Anspruch zu untermauern.
  • Kern des Rechtsstreits: Kann der Kläger auf Deckungsschutz für das Berufungsverfahren bestehen, basierend auf dem von seinem Anwalt erstellten Stichentscheid, den die Versicherung nicht anerkennt?

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die Versicherung Deckungsschutz für das Berufungsverfahren gewähren muss. Zudem muss die Beklagte den Kläger von den Kosten der Erstellung des Stichentscheids freistellen.
  • Begründung: Der Stichentscheid war korrekt und erfüllte die Anforderungen, die an ihn gestellt werden. Er widerspricht nicht erheblich der Rechtslage, und die Versicherung konnte keine Gründe für eine erhebliche Abweichung nachweisen. Somit ist der Stichentscheid für beide Parteien bindend.
  • Folgen: Der Kläger erhält Deckungsschutz für das Berufungsverfahren und wird von den Kosten des Stichentscheids befreit. Die Versicherung trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Wichtige Erkenntnisse zum Stichentscheid: Risiko, Mediation und Verfahrenswahl

Der Stichentscheid ist ein zentrales Instrument in der rechtlichen Streitbeilegung, das oft den Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem gescheiterten Verfahren ausmachen kann. Bei der Anwendung dieses Verfahrens wird eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage notwendig, um die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels realistisch einschätzen zu können. Anwälte und Fachleute aus dem juristischen Bereich analysieren sorgfältig die Beweisaufnahme und den Parteivortrag, um die häufig komplexen Entscheidungsfaktoren zu berücksichtigen.

In der folgenden Fallanalyse wird eine konkrete gerichtliche Entscheidung zum Stichentscheid beleuchtet, die wichtige Erkenntnisse über Risikobewertungen, außergerichtliche Mediationsmöglichkeiten sowie die Wahl zwischen Schiedsgericht und Gerichtsverfahren bietet.

Der Fall vor Gericht


Rechtsschutzversicherung muss Berufungsverfahren nach Stichentscheid decken

Gebrauchter Tesla Model S steht in der Auffahrt eines Hauses, digitale Anzeige zeigt niedrigere Reichweite als angegeben.
Rechtsschutzversicherung und Stichentscheid. | Symbolfoto: Flux gen.

Das Landgericht Traunstein hat entschieden, dass eine Rechtsschutzversicherung nach einem bindenden Stichentscheid die Kosten eines Berufungsverfahrens übernehmen muss. Der Versicherungsnehmer hatte gegen ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts München I Berufung eingelegt. Die Versicherung verweigerte jedoch die Deckungszusage für das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München.

Streit um Tesla-Reichweite und Versicherungsdeckung

Der Fall dreht sich um Gewährleistungs- und Garantieansprüche beim Kauf eines gebrauchten Tesla Model S90D. Der Kläger hatte das Fahrzeug am 1. November 2019 erworben und machte geltend, dass die im Kaufinserat zugesicherte Reichweite von 557 Kilometern nach WLTP nicht erreicht werde. Nachdem das Landgericht München I die Klage abgewiesen hatte, legte der Kläger Berufung ein. Die Rechtsschutzversicherung, die bereits die Kosten der ersten Instanz getragen hatte, lehnte die Deckung für die Berufung mit der Begründung mangelnder Erfolgsaussichten ab.

Bindende Wirkung des Stichentscheids

Nach Ablehnung der Deckung ließ der Kläger einen Stichentscheid durch seine Rechtsanwältin erstellen. Die Versicherung argumentierte, dieser erfülle nicht die notwendigen Anforderungen und entfalte keine Bindungswirkung. Das Landgericht Traunstein stellte jedoch fest, dass der Stichentscheid den rechtlichen Anforderungen genügte. Die Rechtsanwältin hatte sich detailliert mit den Ablehnungsgründen der Versicherung auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb die Berufung Erfolgsaussichten habe.

Umfang der Prüfungspflicht im Stichentscheid

Das Gericht betonte, ein Stichentscheid müsse nicht in jedem Fall eine umfassende Prüfung der gesamten Sach- und Rechtslage vornehmen. Es sei ausreichend, wenn der Stichentscheid auf die strittigen Punkte eingehe, die der Versicherer zur Begründung seiner Ablehnung angeführt habe. Die Versicherung müsse Deckung gewähren, wenn der Stichentscheid nicht offensichtlich von der tatsächlichen Sach- oder Rechtslage abweiche und den Ablehnungsgründen ausreichend entgegentrete.

Kostenübernahme und Urteilsfolgen

Das Landgericht Traunstein verpflichtete die Versicherung zur Übernahme der Berufungskosten sowie zur Freistellung von den Kosten des Stichentscheids in Höhe von 599,80 Euro. Die Versicherung kann nach dem bindenden Stichentscheid keine weiteren Ablehnungsgründe mehr nachschieben. Die Kostenübernahme für den Stichentscheid ist laut den Versicherungsbedingungen unabhängig von dessen Ergebnis zu leisten.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stärkt die Position von Versicherungsnehmern bei Deckungsansprüchen gegen ihre Rechtsschutzversicherung. Ein Stichentscheid muss sich nicht umfassend mit allen denkbaren Aspekten befassen, sondern nur mit den konkreten Ablehnungsgründen der Versicherung. Wurde den Ablehnungsgründen im Stichentscheid ausreichend entgegengetreten, ist die Versicherung an diese Entscheidung gebunden und kann keine weiteren Gründe nachschieben.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Versicherungsnehmer haben Sie nun eine stärkere Position gegenüber Ihrer Rechtsschutzversicherung. Wenn diese Ihre Deckungsanfrage ablehnt, können Sie einen Stichentscheid einholen, der sich gezielt mit den genannten Ablehnungsgründen auseinandersetzt. Die Versicherung muss dann alle Gründe für die Ablehnung direkt nennen – spätere Nachschieben weiterer Gründe ist nicht möglich. Dies gibt Ihnen mehr Planungssicherheit und vereinfacht den Weg zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche, da Sie sich auf die konkret genannten Ablehnungsgründe konzentrieren können.


Rechtsschutzversicherung verweigert die Kostenübernahme?

Das Urteil des Landgerichts Traunstein zeigt, wie wichtig ein präziser Stichentscheid im Streit mit der Rechtsschutzversicherung sein kann. Gerade bei komplexen Sachverhalten ist es entscheidend, die Argumentation der Versicherung gezielt zu entkräften und die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits überzeugend darzulegen. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte gegenüber der Versicherung durchzusetzen und die Kostenübernahme für Ihr Verfahren zu sichern. Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zu Ihrem individuellen Fall haben oder Unterstützung bei der Erstellung eines Stichentscheids benötigen.
Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen zu versicherungsrechtlichen Themen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Stichentscheid und wann kann ich ihn bei meiner Rechtsschutzversicherung einfordern?

Ein Stichentscheid ist ein Verfahren, das Versicherungsnehmern einer Rechtsschutzversicherung zur Verfügung steht, wenn die Versicherung die Übernahme der Kosten für einen Rechtsstreit ablehnt. Dies geschieht häufig mit der Begründung, dass die Erfolgsaussichten des Falls zu gering seien oder die Klage als mutwillig eingestuft wird. Der Stichentscheid dient dazu, eine unabhängige Überprüfung dieser Einschätzung durch einen Rechtsanwalt zu ermöglichen.

Voraussetzungen für einen Stichentscheid

Damit Sie einen Stichentscheid einfordern können, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:

  • Ablehnung der Deckungszusage: Die Versicherung muss die Kostenübernahme schriftlich verweigern und dabei entweder fehlende Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit als Grund angeben.
  • Hinweis auf den Stichentscheid: Die Versicherung ist verpflichtet, Sie über die Möglichkeit des Stichentscheids zu informieren (§ 3a Abs. 1 ARB 2010). Dieser Hinweis muss unverzüglich erfolgen.
  • Einhaltung der Fristen: Sie müssen den Stichentscheid innerhalb der vertraglich festgelegten Frist beantragen, falls eine solche vorgesehen ist.

Ablauf des Stichentscheids

  1. Sie beauftragen einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl, der die Erfolgsaussichten Ihres Falls prüft.
  2. Der Anwalt erstellt eine Stellungnahme, in der er die Begründung der Ablehnung durch die Versicherung bewertet.
  3. Diese Stellungnahme wird der Versicherung vorgelegt und ist in der Regel bindend. Allerdings kann die Versicherung Einwände erheben, wenn die Stellungnahme offensichtlich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage abweicht.

Kostenübernahme

Die Kosten für den Stichentscheid trägt grundsätzlich Ihre Rechtsschutzversicherung – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Dies gilt jedoch nur, wenn die Ablehnung der Deckungszusage auf Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit gestützt wurde.

Bindungswirkung und Alternativen

  • Der Stichentscheid ist meist bindend für beide Parteien. Sollte das Ergebnis jedoch nachweislich von der Sachlage abweichen, können weitere Schritte unternommen werden (z. B. eine Deckungsklage).
  • Alternativ zum Stichentscheid bieten manche Versicherer ein Schiedsgutachtenverfahren an, das ebenfalls eine unabhängige Überprüfung ermöglicht. Dieses Verfahren kann jedoch mit zusätzlichen Kosten für den Versicherungsnehmer verbunden sein.

Beispiel aus der Praxis

Stellen Sie sich vor, Ihre Versicherung lehnt die Übernahme eines Falls ab, weil sie ihn für aussichtslos hält. Sie sind jedoch anderer Meinung und beauftragen Ihren Anwalt mit einem Stichentscheid. Der Anwalt kommt zu dem Schluss, dass Ihr Fall gute Erfolgsaussichten hat. In diesem Fall muss die Versicherung nicht nur die Kosten des Rechtsstreits übernehmen, sondern auch alle Kosten des Stichentscheids tragen.

Ein Stichentscheid gibt Ihnen somit ein wichtiges Instrument an die Hand, um sicherzustellen, dass Ihre rechtlichen Interessen gewahrt bleiben und Entscheidungen Ihrer Versicherung überprüfbar sind.


zurück

Welche Kosten muss die Rechtsschutzversicherung nach einem erfolgreichen Stichentscheid übernehmen?

Die Rechtsschutzversicherung muss grundsätzlich alle Kosten des Stichentscheid-Verfahrens tragen – und zwar unabhängig davon, wie der Stichentscheid ausfällt.

Umfang der Kostenübernahme

Wenn Sie einen Stichentscheid beantragen, übernimmt Ihre Rechtsschutzversicherung die vollständigen Kosten für die anwaltliche Stellungnahme. Diese Kostenübernahme erfolgt auch dann, wenn der Stichentscheid zu Ihren Ungunsten ausfällt.

Zusätzliche Kostenübernahme bei positivem Stichentscheid

Fällt der Stichentscheid zu Ihren Gunsten aus, muss die Versicherung darüber hinaus sämtliche Kosten des ursprünglichen Rechtsstreits übernehmen. Dies umfasst:

  • Die Anwaltsgebühren für das Hauptverfahren
  • Gerichtskosten
  • Eventuell entstehende Sachverständigenkosten
  • Weitere notwendige Auslagen

Bindungswirkung und Kostenfolgen

Der Stichentscheid ist für die Versicherung grundsätzlich bindend. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Rechtsanwalt in seiner Bewertung offensichtlich und erheblich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage abweicht. Die Bindungswirkung gilt auch bei der Kostenübernahme – wenn der Stichentscheid die Erfolgsaussichten bejaht, kann sich die Versicherung der Kostenübernahme nicht mehr entziehen.


zurück

Welche Anforderungen muss ein Stichentscheid erfüllen, damit er rechtlich bindend ist?

Ein Stichentscheid muss als rechtsgutachterliche Stellungnahme von einem Rechtsanwalt erstellt werden und dabei mehrere formale und inhaltliche Kriterien erfüllen.

Formale Voraussetzungen

Der Stichentscheid muss sich auf eine Ablehnung der Kostenübernahme beziehen, die ausschließlich wegen Mutwilligkeit oder mangelnder Erfolgsaussichten erfolgt ist. Die Ablehnung muss dem Versicherungsnehmer unverzüglich und schriftlich mit einer Begründung mitgeteilt worden sein.

Inhaltliche Anforderungen

Die Stellungnahme muss eine von der Interessenvertretung losgelöste Beurteilung der Sach- und Rechtslage darstellen. Der entscheidungserhebliche Streitstoff ist darzustellen und es muss angegeben werden, inwieweit für bestrittenes Vorbringen Beweis oder Gegenbeweis angetreten werden kann.

Prüfungsumfang

Der Stichentscheid muss nicht in jedem Fall eine umfassende Prüfung der gesamten Sach- und Rechtslage vornehmen. Es ist ausreichend, wenn er sich mit den konkreten Streitpunkten zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer auseinandersetzt, die der Versicherer in seiner Ablehnungsentscheidung aufgeführt hat.

Bindungswirkung

Die Entscheidung ist für beide Parteien bindend, außer sie weicht offenbar erheblich von der tatsächlichen Sach- oder Rechtslage ab. Für eine wirksame Bindung muss der Stichentscheid eine zumindest vertretbare Begründung enthalten. Die Beweislast für eine erhebliche Abweichung trägt derjenige, der die Bindungswirkung anzweifelt.


zurück

Wie kann die Versicherung nach einem bindenden Stichentscheid die Deckung noch ablehnen?

Nach einem bindenden Stichentscheid kann die Versicherung die Deckung nur unter sehr spezifischen Umständen ablehnen. Hier sind die wichtigsten Punkte, die Sie beachten sollten:

Grenzen der Bindungswirkung

Ein Stichentscheid ist für die Versicherung grundsätzlich bindend, es sei denn, die Bewertung des Rechtsanwalts weicht offensichtlich und erheblich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage ab. Dies bedeutet, dass die Versicherung die Deckung nur dann ablehnen kann, wenn der Stichentscheid eine grobe Verkennung der Rechtslage aufweist.

Beispielhafte Situationen

Stellen Sie sich vor, Ihr Anwalt hat in einem Stichentscheid festgestellt, dass Ihr Rechtsstreit gute Erfolgsaussichten hat. Die Versicherung könnte die Deckung dennoch ablehnen, wenn:

  • Offensichtliche Rechtsverkennung: Der Anwalt hat eine Rechtsfrage so falsch interpretiert, dass dies selbst nach gründlicher Prüfung offensichtlich ist. Zum Beispiel, wenn er eine abwegige Auffassung vertritt, die erkennbar nicht vertreten werden kann.
  • Erhebliche Abweichung von der Sachlage: Der Anwalt hat wesentliche Tatsachen ignoriert oder falsch dargestellt, die für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend sind. Zum Beispiel, wenn er behauptet, dass ein bestimmtes Ereignis nicht stattgefunden hat, obwohl dies eindeutig dokumentiert ist.

Rechtliche Grundlagen

Die Bindungswirkung eines Stichentscheids ist in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) geregelt. Nach den ARB 2012/2008/2000 ist der Stichentscheid bindend, wenn er die Ablehnung der Kostendeckung durch den Versicherer überprüft und begründet, warum die Erfolgsaussichten als hinreichend gut angesehen werden können.

Verfahren und Voraussetzungen

Der Stichentscheid muss:

  • Schriftlich erfolgen und von einem unabhängigen Rechtsanwalt oder Notar erstellt werden.
  • Alle relevanten rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigen, auf die sich die Deckungsablehnung stützt.
  • Eine ausführliche Begründung enthalten, die die rechtliche Situation umfassend analysiert und die Erfolgsaussichten detailliert darlegt.

Handlungsschritte

Wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der die Versicherung die Deckung nach einem Stichentscheid ablehnt, sollten Sie:

  • Die Ablehnung schriftlich anfordern: Verlangen Sie eine schriftliche Begründung der Ablehnung von der Versicherung.
  • Die Begründung prüfen: Überprüfen Sie, ob die Ablehnung auf einer offensichtlichen und erheblichen Abweichung des Stichentscheids von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage beruht.
  • Rechtsberatung einholen: Wenn Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung haben, können Sie sich an eine auf Versicherungsrecht spezialisierte Kanzlei wenden, um Ihre Rechte zu prüfen und gegebenenfalls eine Deckungsklage einzureichen.

Wichtige Hinweise

  • Kostenübernahme: Die Kosten für den Stichentscheid trägt in der Regel die Versicherung, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.
  • Deckungsklage: Selbst bei einer negativen Entscheidung im Stichentscheid bleibt Ihnen die Möglichkeit, eine Deckungsklage einzureichen.

Durch das Verständnis dieser Grenzen und Voraussetzungen können Sie besser abschätzen, wie die Versicherung nach einem Stichentscheid vorgehen kann und welche Schritte Sie unternehmen können, um Ihre Rechte durchzusetzen.


zurück

Wer erstellt den Stichentscheid und welche Rolle spielt mein Anwalt dabei?

Der Stichentscheid wird von einem Rechtsanwalt erstellt, in der Regel von dem Anwalt, den Sie mit der Wahrnehmung Ihrer rechtlichen Interessen beauftragt haben oder beauftragen möchten. Ihr Anwalt spielt dabei eine zentrale Rolle:

Erstellung des Stichentscheids

Ihr Anwalt verfasst den Stichentscheid als eine begründete Stellungnahme zur Erfolgsaussicht Ihres Rechtsanliegens. Er muss sich dabei von seiner Rolle als einseitiger Interessenvertreter lösen und eine möglichst neutrale, objektive Beurteilung vornehmen.

Umfassende Prüfung

Ihr Anwalt ist verpflichtet, alle rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, auf die der Rechtsschutzversicherer seine Deckungsablehnung stützt. Er muss sich mit den Argumenten des Versicherers auseinandersetzen und ein Für und Wider gegeneinander abwägen.

Beurteilung der Erfolgsaussichten

Im Stichentscheid bewertet Ihr Anwalt, ob eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für Ihr Rechtsanliegen besteht und ob die Durchsetzung Ihrer rechtlichen Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht.

Unabhängigkeit und Objektivität

Obwohl Ihr Anwalt den Stichentscheid erstellt, muss er dabei ähnlich einem Schiedsgutachter agieren. Er soll eine möglichst neutrale Warte einnehmen, um eine objektive Klärung über den streitigen Deckungsschutz herbeizuführen.

Wenn Sie also eine Ablehnung Ihres Rechtsschutzversicherers erhalten, können Sie Ihren Anwalt mit der Erstellung eines Stichentscheids beauftragen. Dieser wird dann eine fundierte rechtliche Einschätzung vornehmen, die für den weiteren Verlauf Ihres Anliegens entscheidend sein kann.


zurück


Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Stichentscheid

Ein rechtliches Prüfverfahren bei Streitigkeiten zwischen Rechtsschutzversicherung und Versicherungsnehmer. Wenn die Versicherung die Kostenübernahme für ein Verfahren wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnt, kann der Versicherte einen Anwalt mit der Prüfung beauftragen. Dessen Einschätzung ist dann für beide Seiten bindend. Geregelt in § 128 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) sowie den Versicherungsbedingungen. Beispiel: Ein Anwalt prüft nach Ablehnung der Kostenübernahme die Erfolgsaussichten einer Berufung und kommt zum Schluss, dass diese bestehen – die Versicherung muss dann die Kosten übernehmen.


Zurück

Gewährleistungsansprüche

Gesetzliche Rechte des Käufers bei Mängeln einer gekauften Sache, geregelt in §§ 437 ff. BGB. Der Verkäufer muss dafür einstehen, dass die Kaufsache bei Übergabe frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Bei Mängeln kann der Käufer Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz verlangen. Die Ansprüche verjähren bei gebrauchten Sachen meist nach einem Jahr. Beispiel: Ein Auto erreicht nicht die zugesicherte Reichweite – der Käufer kann Nachbesserung oder Rückabwicklung des Kaufs verlangen.


Zurück

Deckungszusage

Die verbindliche Erklärung einer Rechtsschutzversicherung, die Kosten für ein bestimmtes Rechtsverfahren zu übernehmen. Sie umfasst typischerweise Anwalts-, Gerichts- und Sachverständigenkosten gemäß den vereinbarten Versicherungsbedingungen. Die Versicherung prüft vor der Zusage die Erfolgsaussichten und das Kostenrisiko. Beispiel: Eine Versicherung sagt zu, die Kosten für eine Klage wegen eines Verkehrsunfalls zu übernehmen, nachdem sie die Erfolgsaussichten positiv bewertet hat.


Zurück

Bindungswirkung

Rechtliche Verpflichtung, sich an eine bestimmte Entscheidung oder Beurteilung zu halten. Im Kontext des Stichentscheids bedeutet dies, dass die Versicherung an die Einschätzung des prüfenden Anwalts gebunden ist und keine weiteren Ablehnungsgründe nachschieben kann. Die Bindungswirkung ist in § 128 VVG sowie in den Versicherungsbedingungen verankert. Beispiel: Wenn der Stichentscheid die Erfolgsaussichten bejaht, muss die Versicherung die Kosten übernehmen, auch wenn sie anderer Ansicht ist.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 3a Abs. 2 b) ARB 2019 (Stichentscheid):
    Nach den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) kann der Versicherungsnehmer im Falle der Ablehnung eines Deckungsschutzes durch den Versicherer einen sogenannten Stichentscheid einholen. Dabei handelt es sich um eine unabhängige Stellungnahme eines Rechtsanwalts zu der Frage, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Dieser Stichentscheid ist für beide Parteien bindend, sofern er nicht offenkundig erheblich von der tatsächlichen Sach- oder Rechtslage abweicht.
    Im vorliegenden Fall lehnt die Versicherung die Deckung für die Berufung mit Verweis auf mangelnde Erfolgsaussichten ab. Der Kläger legt einen Stichentscheid vor, der sich dezidiert mit den Ablehnungsgründen der Versicherung und dem erstinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. Da der Stichentscheid die Anforderungen erfüllt und nicht von der Sach- und Rechtslage abweicht, entfaltet er Bindungswirkung, was den Deckungsanspruch begründet.
  • § 128 Abs. 1 VVG (Vertragliche Pflichten des Versicherers):
    Gemäß § 128 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hat der Versicherer im Falle eines Rechtsschutzfalles die vereinbarte Leistung zu erbringen, sofern die Voraussetzungen des Versicherungsvertrags erfüllt sind. Eine unbegründete Ablehnung kann zur Leistungspflicht führen, sofern keine erheblichen Einwände vorliegen.
    Im Fall wurde die Deckung durch die Beklagte trotz Vorliegen eines ordnungsgemäßen Stichentscheids verweigert. Da die Ablehnung nicht ausreichend begründet wurde und keine erheblichen Abweichungen vorliegen, hat die Versicherung den vertraglichen Pflichten gemäß VVG zu entsprechen.
  • § 631 ff. BGB (Gewährleistungsrecht bei Kaufverträgen):
    Die Normen zum Gewährleistungsrecht bei Kaufverträgen verpflichten den Verkäufer, die vereinbarte Beschaffenheit der Kaufsache sicherzustellen. Abweichungen stellen einen Sachmangel dar (§ 434 BGB), der Gewährleistungsansprüche begründen kann. Hierzu gehören Nachbesserung, Rücktritt oder Minderung.
    Im konkreten Fall stellt die zugesicherte Reichweite des Tesla-Fahrzeugs (557 km WLTP) eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Die Klägerseite argumentiert, dass das Fahrzeug diese Reichweite nicht erreicht und somit ein Sachmangel vorliegt. Da die Versicherung auf die fehlenden Erfolgsaussichten verweist, wird im Stichentscheid ausgeführt, dass die Mängelrüge substantiiert und vertretbar ist, was die Erfolgsaussichten bekräftigt.
  • § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht):
    Ein Anspruch auf Schadensersatz kann entstehen, wenn eine Vertragspartei eine Pflicht aus dem bestehenden Vertrag verletzt. Dies gilt auch bei schuldhafter Verweigerung von Leistungen. Die Kosten für die Erstellung eines Stichentscheids können als notwendige Kosten zur Rechtswahrnehmung geltend gemacht werden.
    Der Kläger hat die Versicherung aufgrund der Ablehnung zur Übernahme der Kosten für den Stichentscheid aufgefordert. Da die Ablehnung rechtswidrig war und der Stichentscheid ordnungsgemäß erstellt wurde, besteht ein Anspruch auf Freistellung von diesen Kosten in Höhe von 599,80 Euro.
  • § 91 ZPO (Kostenverteilung im Rechtsstreit):
    Gemäß § 91 der Zivilprozessordnung trägt die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits. Dies umfasst auch notwendige Kosten, die zur Rechtswahrnehmung entstanden sind.
    Da die Klage vollumfänglich begründet war und die Versicherung ihrer Deckungspflicht nicht nachgekommen ist, trägt die Beklagte als unterlegene Partei die gesamten Verfahrenskosten. Dies bezieht sich sowohl auf die Kosten des Hauptverfahrens als auch auf die Kosten des Stichentscheids.

Das vorliegende Urteil


LG Traunstein – Az.: 1 O 495/22 – Endurteil vom 25.08.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!