Skip to content

Sofortige Kündigung des Versicherungsschutzes: Absprache schlägt AGB-Frist

Ein Versicherungsnehmer vereinbarte die sofortige Kündigung des Versicherungsschutzes seiner Kaskopolice mündlich mit seinem Bankberater. Obwohl die AGB lange Fristen vorsahen, verlor er den Schutz kurz vor einem Totalschaden – nicht grundlos.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 30/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
  • Datum: 21.05.202
  • Aktenzeichen: 5 U 30/24
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Vertragsrecht

  • Das Problem: Eine Autobesitzerin kündigte ihre Differenzkasko-Versicherung per E-Mail. Wenige Tage später erlitt das Fahrzeug einen Totalschaden. Die Versicherung verweigerte die Zahlung, weil der Schutz ihrer Ansicht nach bereits beendet war.
  • Die Rechtsfrage: War die Kündigung sofort wirksam, obwohl der Vertrag eine Frist von zwei Wochen vorsah? Oder bestand der Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Unfalls noch?
  • Die Antwort: Der Versicherungsschutz war bereits vor dem Unfall beendet. Das Gericht entschied, dass die Kündigungsfrist vertraglich aufgehoben wurde. Eine telefonische Zusage der Versicherungsnehmerin machte die sofortige Kündigung wirksam.
  • Die Bedeutung: Mündliche oder per E-Mail getroffene individuelle Absprachen sind bindend. Sie setzen die Fristen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen außer Kraft, auch wenn diese die Schriftform vorschreiben.

War die Kaskoversicherung sofort gekündigt? Warum ein Telefonat die AGB aushebeln kann

Ein Telefonat, eine kurze E-Mail – und wenige Tage später ist das teure Auto nur noch ein Haufen Schrott. Für eine Autokäuferin wurde dieser Albtraum zur bitteren Realität, als ihre Differenzkaskoversicherung die Zahlung verweigerte. Der Grund: Sie habe den Vertrag nur eine Woche vor dem Unfall selbst gekündigt. Doch war diese Kündigung „mit sofortiger Wirkung“ überhaupt gültig, obwohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine zweiwöchige Frist vorschrieben? Das Oberlandesgericht Saarbrücken musste in seinem Urteil vom 21. Mai 2024 (Az.: 5 U 30/24) eine grundlegende Frage klären: Kann eine mündliche Zusage am Telefon die fein gedruckten Klauseln eines Versicherungsvertrags außer Kraft setzen? Die Antwort der Richter ist eine präzise Lektion über die Macht individueller Absprachen im Vertragsrecht.

Was genau war geschehen?

Die Hände einer Frau tippen entschlossen die Formulierung "mit sofortiger Wirkung" in eine Kündigungs-E-Mail auf dem Bildschirm.
Mündliche Absprache kann AGB-Kündigungsfristen im Versicherungsvertrag aushebeln. | Symbolbild: KI

Die Geschichte beginnt mit dem Kauf eines gebrauchten Land Rover Discovery Sport für knapp 50.000 Euro. Um das Fahrzeug zu finanzieren, schloss die spätere Klägerin Ende 2016 einen Darlehensvertrag mit einer Bank ab. Gleichzeitig trat sie einem Gruppenversicherungsvertrag bei, den die Bank als Versicherungsnehmerin mit einer Versicherung abgeschlossen hatte. Es handelte sich um eine sogenannte Differenzkaskoversicherung. Diese spezielle Police ist darauf ausgelegt, bei einem Totalschaden die Lücke zwischen dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs und der noch offenen Darlehenssumme zu schließen – ein finanzieller Schutzschild für den Kreditnehmer.

Knapp vier Jahre später, am 24. September 2020, rief die Autokäuferin bei der finanzierenden Bank an, um sich über eine Kündigung dieser Versicherung zu erkundigen. Ein Mitarbeiter teilte ihr mit, eine Kündigung sei „jederzeit möglich“ und die Prämie werde anteilig erstattet. Noch am selben Tag setzte die Frau eine E-Mail auf, adressiert an die in den Versicherungsbedingungen genannte E-Mail-Adresse der Bank. Mit Verweis auf das Telefonat schrieb sie: „… kündige ich die xxx – Versicherung mit sofortige Wirkung“.

Nur eine Woche darauf, am 1. Oktober 2020, ereignete sich das Unvorhergesehene: Das Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert lag bei 22.500 Euro netto, deutlich unter dem ursprünglichen Kaufpreis und der Restschuld des Darlehens. Die Differenz belief sich auf über 17.800 Euro – genau der Betrag, für den die Differenzkaskoversicherung einspringen sollte.

Doch die Versicherung weigerte sich zu zahlen. Ihre Begründung war einfach und schien auf den ersten Blick logisch: Das Versicherungsverhältnis sei durch die Kündigung der Kundin vom 24. September beendet worden – und zwar bevor der Schaden überhaupt eingetreten war. Die Autokäuferin sah das anders und zog vor Gericht. Sie argumentierte, ihre Kündigung sei frühestens zum Ende des Folgemonats wirksam geworden. Der Fall landete zunächst vor dem Landgericht Saarbrücken, das der Klägerin recht gab, und schließlich in der Berufung vor dem Oberlandesgericht.

Welche rechtlichen Prinzipien standen im Zentrum des Konflikts?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie drei zentrale juristische Konzepte verstehen, die in diesem Fall aufeinandertrafen.

Individualabrede schlägt AGB (§ 305b BGB): Das deutsche Vertragsrecht kennt eine klare Hierarchie. An der Spitze stehen individuelle Vereinbarungen, die zwei Parteien bewusst und gezielt treffen. Darunter rangieren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), also das standardisierte „Kleingedruckte“. Der Grundsatz des § 305b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besagt unmissverständlich: Treffen die Parteien eine konkrete, individuelle Absprache, so hat diese immer Vorrang vor anderslautenden Klauseln in den AGB. Eine solche Abrede kann auch mündlich oder – wie hier – durch eine Kombination aus Telefonat und E-Mail zustande kommen.

Die „Versicherung für fremde Rechnung“ (§ 43 VVG): Bei einem Gruppenvertrag, wie er hier vorlag, ist die Konstellation besonders. Die Bank ist die offizielle Versicherungsnehmerin, sie schließt den Vertrag mit der Versicherung ab. Die Autokäuferin ist jedoch die „versicherte Person“. Ihr Risiko wird abgedeckt, und im Schadensfall steht ihr die Leistung zu. Juristen sprechen hier von einer Versicherung für fremde Rechnung, geregelt im Versicherungsvertragsgesetz (§ 43 VVG). Dies gibt der versicherten Person eigene Rechte, insbesondere das Recht, die Leistung direkt vom Versicherer zu fordern (§ 44 VVG).

Die Bank als Vertreterin der Versicherung (§ 71 VVG): Wenn eine Bank im Rahmen einer Fahrzeugfinanzierung eine Versicherung vermittelt, handelt sie nicht nur als Kreditgeber. Nach europäischer und deutscher Rechtsprechung nimmt sie in diesem Moment die Rolle eines Versicherungsvermittlers ein. Als sogenannter Abschlussvertreter ist sie gesetzlich ermächtigt (§ 71 VVG), im Namen der Versicherung zu handeln. Das schließt nicht nur den Vertragsabschluss ein, sondern auch die Entgegennahme und Bearbeitung von Erklärungen, die das Vertragsverhältnis betreffen – zum Beispiel eine Kündigung oder die Vereinbarung abweichender Bedingungen.

Warum entschied das Gericht, dass der Versicherungsschutz sofort endete?

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klage der Autokäuferin vollständig ab. Die Richter folgten einer klaren und stringenten Argumentationskette, die sich auf die Wirksamkeit der Kündigung konzentrierte.

Stand der Käuferin überhaupt ein Klagerecht zu?

Zunächst musste das Gericht einen formalen Einwand der Versicherung aus dem Weg räumen. Diese hatte argumentiert, die Klägerin dürfe gar nicht klagen, weil die Versicherungsnehmerin – also die Bank – dem nicht zugestimmt habe. Diesen Einwand wertete das Gericht als rechtsmissbräuchlich. Da die Bank selbst die Ansicht vertrat, es bestehe kein Anspruch mehr, und den Fall nicht weiterverfolgte, konnte sie der versicherten Person nicht das Recht verwehren, ihre eigenen Ansprüche gerichtlich prüfen zu lassen. Die Klage war also zulässig.

War die Kündigung per E-Mail überhaupt formell wirksam?

Die Klägerin hatte argumentiert, ihre Kündigung per E-Mail verstoße gegen die in den AGB geforderte „Schriftform“. Das Gericht sah dies anders. Nach § 127 Abs. 2 BGB genügt für die gesetzlich nicht zwingend vorgeschriebene Schriftform auch eine „telekommunikative Übermittlung“, also eine E-Mail, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben. Die Richter stellten fest, dass die AGB selbst eine E-Mail-Adresse für Kündigungen benannten. Damit war für das Gericht klar: Die Versicherung hatte die Kommunikation per E-Mail nicht nur erlaubt, sondern sogar erwartet. Der Formeinwand war somit hinfällig.

Hebelte die mündliche Zusage die Kündigungsfrist aus den AGB aus?

Dies war der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Falles. Die AGB sahen eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende vor. Die Klägerin hatte jedoch „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt. Das Gericht wertete das Telefongespräch und die anschließende E-Mail als eine zusammenhängende Willenserklärung. Die Aussage des Bankmitarbeiters, eine Kündigung sei „jederzeit möglich“, war aus Sicht eines objektiven Empfängers mehr als nur eine unverbindliche Auskunft. Es war das Angebot, von der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist im konkreten Fall abzusehen.

Die E-Mail der Klägerin mit den Worten „wie telefonisch besprochen … kündige ich … mit sofortige[r] Wirkung“ war die Annahme dieses Angebots. In diesem Moment kam eine Individualabrede nach § 305b BGB zustande, die die starre Fristenregelung der AGB ersetzte. Die Folge: Der Versicherungsvertrag wurde nicht erst Wochen später, sondern exakt am 24. September 2020 beendet. Der Versicherungsschutz war erloschen, eine Woche bevor das Fahrzeug zu Schrott gefahren wurde.

Durfte die Bank eine solche Zusage überhaupt machen?

Zuletzt prüften die Richter, ob die Bank überhaupt die Befugnis hatte, eine solch weitreichende, von den AGB abweichende Vereinbarung im Namen der Versicherung zu treffen. Sie bejahten dies uneingeschränkt. Aufgrund ihrer Rolle als Versicherungsvermittlerin im Gruppenvertrag besaß die Bank die gesetzliche Vertretungsmacht nach § 71 VVG. Sie war bevollmächtigt, Erklärungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, für die Versicherung entgegenzunehmen und abzuändern. Diese gesetzliche Vollmacht, so das Gericht, kann auch nicht durch Klauseln in den AGB eingeschränkt werden (§ 72 VVG). Die Zusage des Bankmitarbeiters war daher für die Versicherung rechtlich bindend.

Da die Kündigung bereits vor dem Unfall wirksam war, mussten sich die Richter mit weiteren Argumenten, wie einer möglicherweise verspäteten Schadensmeldung, nicht mehr befassen. Der Anspruch war bereits an der Wurzel erloschen.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieses Urteil verdeutlicht eindrücklich mehrere Prinzipien, die weit über den konkreten Fall hinaus Bedeutung für die Lebensrealität von Verbrauchern haben. Es geht nicht um juristische Spitzfindigkeiten, sondern um die grundlegende Mechanik von Verträgen.

Die erste und wichtigste Lehre ist die enorme Kraft einer individuellen Vereinbarung. Was Sie persönlich mit einem Vertragspartner oder dessen Vertreter besprechen und vereinbaren, hat in der Regel Vorrang vor standardisierten Klauseln. Eine mündliche Zusage, die Sie sich idealerweise schriftlich (zum Beispiel per E-Mail) bestätigen lassen, kann ein entscheidender Faktor sein. Das Prinzip „Gesagt ist gesagt“ wiegt im Zweifel schwerer als das, was im Kleingedruckten steht.

Zweitens zeigt der Fall die besondere Verantwortung von Institutionen, die als Vermittler auftreten. Eine finanzierende Bank ist im Kontext von Gruppenversicherungen nicht nur ein Kreditgeber, sondern agiert mit der Autorität eines Vertreters der Versicherungsgesellschaft. Aussagen ihrer Mitarbeiter können die Versicherung direkt binden. Als Kunde dürfen Sie sich auf solche Zusagen verlassen, solange sie klar und eindeutig sind. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Partner und deren Mitarbeiter sorgfältig schulen müssen, da deren Handeln rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Drittens bestätigt das Urteil die Rechtsgültigkeit moderner Kommunikationswege. Die Anforderung der „Schriftform“ bedeutet heute nicht mehr zwangsläufig einen Brief mit eigenhändiger Unterschrift. Eine E-Mail ist in vielen vertraglichen Kontexten ein absolut gleichwertiges und wirksames Mittel. Wenn ein Unternehmen selbst eine E-Mail-Adresse für Vertragserklärungen angibt, zementiert es diesen Kommunikationskanal als offiziell und rechtssicher.

Die Urteilslogik

Individuelle Abreden zwischen Vertragspartnern entfalten eine größere Bindungswirkung als die standardisierten Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

  • [Die Macht der individuellen Absprache]: Eine gezielte, zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die Kündigung übersteuert die Fristen und Vorgaben, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festgelegt sind, und beendet das Vertragsverhältnis sofort.
  • [Gültigkeit der digitalen Form]: Wenn ein Unternehmen selbst eine E-Mail-Adresse für Vertragserklärungen bereitstellt, erfüllt die telekommunikative Übermittlung die Anforderung der einfachen Schriftform und erzeugt volle Rechtsgültigkeit.
  • [Bindung durch den Abschlussvertreter]: Die Zusage eines gesetzlich bevollmächtigten Versicherungsvermittlers (Abschlussvertreters) im Rahmen eines Gruppenvertrages bindet den Versicherer unmittelbar, selbst wenn diese Aussage den AGB des Hauptvertrages widerspricht.

Der klare Wille zur sofortigen Beendigung eines Vertrages führt zur unmittelbaren Aufhebung des Versicherungsschutzes, ungeachtet längerer vertraglicher Kündigungsfristen.


Benötigen Sie Hilfe?


Setzt eine mündliche Absprache die Kündigungsfrist Ihres Versicherungsvertrags außer Kraft? Lassen Sie Ihre Situation prüfen und fordern Sie eine rechtliche Ersteinschätzung an.


Experten Kommentar

Ein Kunde kämpft oft hart darum, eine Kündigungsfrist zu umgehen. Genau dieser Erfolg wurde hier zur bitteren Falle. Das Gericht stellt klar: Wenn Sie eine sofortige Vertragsbeendigung aushandeln, gilt diese individuelle Absprache sofort – die starre Frist der AGB zählt nicht mehr. Das bindet selbst große Versicherer, weil der Vermittler als gesetzlicher Vertreter handelt. Wer eine sofortige Kündigung wünscht, muss sich darüber im Klaren sein, dass der Schutzschirm in diesem Moment ohne Übergangszeit zusammenklappt.


FAQ Versicherungsrecht: Waage, Geld und Versicherungspolice unter Schirm mit Fragezeichen-Schild illustrieren häufige Rechtsfragen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann eine mündliche Zusage am Telefon die Kündigungsfristen meiner Versicherung den AGB aushebeln?

Ja, eine mündliche Vereinbarung besitzt im deutschen Vertragsrecht eine höhere Gewichtung als das Kleingedruckte. Die Individualabrede hat nach § 305b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) immer Vorrang vor starren Regeln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die Zusage eines Mitarbeiters, etwa zur sofortigen Kündigung, kann die vertraglichen Kündigungsfristen der Versicherung damit wirksam aushebeln.

Dieses Prinzip schützt Verbraucher vor pauschalen Klauseln, die im Widerspruch zu gezielten Absprachen stehen. Entscheidend ist hierbei die Vertretungsmacht des Gesprächspartners. Ein Versicherungsvermittler oder eine Bank, die als Abschlussvertreter im Kontext des Vertrages agiert, ist gesetzlich ermächtigt, bindende Erklärungen im Namen des Versicherers abzugeben (§ 71 VVG). Die Versicherung wird durch eine solche Zusage rechtlich verpflichtet, selbst wenn die Auskunft fehlerhaft war.

Wird Ihnen beispielsweise am Telefon die Kündigung „jederzeit möglich“ zugesagt, handelt es sich um das Angebot, von der AGB-Frist abzuweichen. Nehmen Sie dieses Angebot an, indem Sie in Ihrer schriftlichen Kündigung ausdrücklich „mit sofortiger Wirkung“ formulieren, endet der Versicherungsvertrag exakt in diesem Moment. Das Aushebeln der Kündigungsfrist führt somit dazu, dass der Versicherungsschutz unmittelbar erlischt, was bei einem kurz darauf eintretenden Schaden problematisch ist.

Senden Sie nach Erhalt einer mündlichen Zusage sofort eine E-Mail, um zu klären, ob die Kündigung fristgerecht erfolgen muss oder die „sofortige Wirkung“ den Schutz unmittelbar beendet.


zurück zur FAQ Übersicht

Verliere ich den Versicherungsschutz sofort, wenn ich die Kündigung mit „sofortiger Wirkung“ einreiche?

Ja, verwenden Sie die Formulierung „mit sofortiger Wirkung“ in Ihrer Kündigung, erlischt der Versicherungsschutz unmittelbar. Diese Erklärung werten Gerichte juristisch als Annahme einer Individualabrede zur sofortigen Vertragsbeendigung. Der Vertrag endet exakt in dem Moment, in dem die Kündigung beim Versicherer oder dessen Vertreter eingeht. Tritt ein Schaden auch nur eine Stunde später ein, besteht kein Schutz mehr.

Diese sofortige Beendigung entsteht, weil individuelle Absprachen stets Vorrang vor den standardisierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) haben (§ 305b BGB). Hat Ihnen ein Mitarbeiter zuvor am Telefon mitgeteilt, die Kündigung sei „jederzeit möglich“, gilt dies als Angebot, von der vertraglichen Frist abzuweichen. Reichen Sie dann die Kündigung mit „sofortiger Wirkung“ ein, nehmen Sie dieses Angebot rechtswirksam an. Sie selbst legen somit den präzisen Endzeitpunkt des Vertrages fest, unabhängig von der Frist im Kleingedruckten.

Konkret führte dieser Fehler im Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken zum Verlust einer Schadenssumme von 17.800 Euro. Die Kundin hatte die Kaskoversicherung per E-Mail „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt. Der Totalschaden ereignete sich nur eine Woche später. Die Richter urteilten, dass der Versicherungsschutz bereits am Tag der E-Mail endete. Da kein Schutzpuffer mehr existierte, konnte die Versicherung die Leistung vollständig verweigern.

Sollten Sie „sofortige Wirkung“ formuliert haben, überprüfen Sie umgehend das Datum Ihrer E-Mail und gleichen Sie es mit dem Datum Ihres letzten versicherten Ereignisses ab.


zurück zur FAQ Übersicht

Gilt die Kündigung meiner Versicherung per E-Mail, wenn im Vertrag die Schriftform vorgeschrieben ist?

Die kurze Antwort lautet: Ja, eine Versicherungskündigung per E-Mail ist in den meisten Fällen wirksam, selbst wenn der Vertrag die Schriftform vorschreibt. Die deutsche Rechtsprechung erkennt moderne, telekommunikative Übermittlungswege an. Ausschlaggebend ist, ob die Schriftform zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist oder nur vertraglich vereinbart wurde.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält hierzu eine wichtige Öffnungsklausel in § 127 Abs. 2. Diese besagt, dass für eine vertraglich vereinbarte Schriftform in der Regel eine telekommunikative Übermittlung genügt, wozu E-Mails klar zählen. Eine einfache E-Mail ist nur dann unzureichend, wenn das Gesetz zwingend die eigenhändige Unterschrift vorschreibt. Die meisten Versicherungsverträge fallen nicht unter diese strenge Regelung.

Der Versicherer kann sich nachträglich nicht auf einen Formfehler berufen, wenn er den digitalen Kommunikationsweg selbst zulässt. Konkret: Wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder die Vertragsunterlagen selbst eine E-Mail-Adresse für Vertragserklärungen oder Kündigungen nennen, akzeptiert das Unternehmen diesen Weg. Die Gerichte sehen in solchen Fällen keinen Formmangel, da die Versicherung die Kommunikation per E-Mail erwartet und zugelassen hat.

Prüfen Sie immer Ihre Versicherungsunterlagen. Finden Sie die spezifische, im Vertrag genannte E-Mail-Adresse für Vertragserklärungen und nutzen Sie ausschließlich diese.


zurück zur FAQ Übersicht

Was muss ich tun, wenn mein Versicherungsvermittler oder die Bank mir falsche Auskünfte zur Kündigung erteilt?

Sie dürfen sich auf die Auskünfte Ihres Vermittlers oder Bankmitarbeiters verlassen, selbst wenn die erhaltene Information den Vertragsbedingungen widerspricht. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sieht vor, dass ein Abschlussvertreter als gesetzlicher Vertreter der Versicherung handelt. Die Versicherung ist daher durch die Aussage ihres Mitarbeiters gebunden, auch wenn diese Auskunft falsch oder von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abweichend war.

Die rechtliche Basis hierfür bildet die gesetzliche Vertretungsmacht nach § 71 VVG. Weil die Bank im Rahmen eines Gruppenvertrages als Versicherungsvermittlerin agiert, ist sie bevollmächtigt, bindende Erklärungen im Namen der eigentlichen Versicherung abzugeben und entgegenzunehmen. Diese gesetzliche Vollmacht kann der Versicherer selbst durch Klauseln in seinen AGB nicht einschränken (§ 72 VVG). Die Konsequenz ist klar: Die Versicherung muss ihre Vertriebspartner sorgfältig schulen, denn deren Fehler binden das Unternehmen.

Obwohl die Aussage bindend ist, liegt die Beweispflicht für diese individuelle Absprache beim Kunden. Verlassen Sie sich niemals nur auf Ihr Gedächtnis. Dokumentieren Sie die falsche Auskunft sofort und lückenlos, indem Sie den Namen des Mitarbeiters, das Datum, die Uhrzeit und den genauen Wortlaut der Auskunft präzise notieren. Senden Sie zusätzlich unmittelbar danach eine Bestätigungs-E-Mail an den Vertreter und fragen Sie darin direkt: „Bitte bestätigen Sie die Aussage, dass [genaue Aussage des Mitarbeiters] im Rahmen unserer Kündigung gilt.“

Sichern Sie Ihre Ansprüche immer durch unmittelbare schriftliche Fixierung der mündlichen Absprache ab.


zurück zur FAQ Übersicht

Wie formuliere ich meine Versicherungskündigung richtig, um den Schutz nicht vorzeitig zu verlieren?

Der häufigste Fehler bei einer Vertragskündigung ist die Wahl der falschen Formulierung. Um Ihren Versicherungsschutz nicht vorzeitig und unbeabsichtigt zu beenden, vermeiden Sie Formulierungen, die eine sofortige Wirkung signalisieren. Kündigen Sie Ihren Vertrag immer fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Diese Standardformulierung garantiert Ihnen, dass die reguläre Frist aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eingehalten wird und keine ungewollten Deckungslücken entstehen.

Die Regel: Die sofortige Wirkung einer Kündigung tritt oft als ungewollte Folge einer individuellen Absprache ein. Hat Ihnen ein Mitarbeiter mündlich zugesagt, die Kündigung sei „jederzeit möglich“, interpretiert das Gericht Ihre schriftliche Bestätigung („mit sofortiger Wirkung“) als Annahme dieses Angebots. Dadurch hebt Ihre Erklärung die eigentliche Kündigungsfrist aus den AGB sofort auf. Das birgt die Gefahr, dass der Schutz unmittelbar im Moment der Kündigungsabgabe erlischt.

Um jegliches Risiko auszuschließen, fordern Sie vom Versicherer die schriftliche Bestätigung des genauen Enddatums an. Die sicherste Formulierung ist: „Hiermit kündige ich den Vertrag fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt und bitte um schriftliche Bestätigung des Enddatums.“ Warten Sie unbedingt auf diese Bestätigung, bevor Sie eine neue Police abschließen. Der teuerste Fehler ist die Kombination aus einer mündlichen Zusage und der Annahme der „sofortigen Wirkung“, da diese den Vertrag unmittelbar beendet und zu teuren Deckungslücken führt.

Senden Sie die Kündigung immer beweisbar, etwa als E-Mail mit Lesebestätigung, und notieren Sie die Vertragsnummer klar im Betreff.


zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Illustration zum Glossar Versicherungsrecht: Waage, aufgeschlagenes Buch und Siegelrolle.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abschlussvertreter

Ein Abschlussvertreter ist eine Person oder Institution – im vorliegenden Fall die Bank –, die gesetzlich ermächtigt ist, bindende Erklärungen und Verträge im Namen der eigentlichen Versicherungsgesellschaft abzuschließen oder abzuändern. Das Versicherungsvertragsgesetz (§ 71 VVG) will damit den Geschäftsverkehr erleichtern, da Kunden sich darauf verlassen dürfen, dass die Aussagen des Vermittlers für das Unternehmen gelten.

Beispiel: Aufgrund ihrer Rolle als Abschlussvertreterin besaß die finanzierende Bank die notwendige gesetzliche Vertretungsmacht, um die Kündigungsfristen der Versicherung durch die mündliche Zusage des Mitarbeiters wirksam außer Kraft zu setzen.

Zurück zur Glossar übersicht

Differenzkaskoversicherung

Die Differenzkaskoversicherung ist eine spezielle Police, die bei einem Totalschaden die finanzielle Lücke schließt zwischen dem aktuellen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs und der noch offenen Darlehens- oder Kreditsumme. Diese Versicherung dient als wichtiger Schutzschild für Kreditnehmer, die sonst bei einem frühzeitigen Totalschaden auf einer hohen Restschuld sitzen bleiben würden.

Beispiel: Obwohl der Land Rover nur einen Wiederbeschaffungswert von 22.500 Euro hatte, sollte die Differenzkaskoversicherung einspringen, um die verbleibende Restschuld von über 17.800 Euro abzudecken.

Zurück zur Glossar übersicht

Individualabrede

Eine Individualabrede ist eine konkrete, gezielte Absprache, die Vertragsparteien bewusst treffen und die nach deutschem Recht immer Vorrang vor standardisierten Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat (§ 305b BGB). Dieser juristische Grundsatz schützt die Vertragsfreiheit und verhindert, dass das „Kleingedruckte“ nachträglich über das hinausgeht, was die Parteien individuell verhandelt haben.

Beispiel: Im vorliegenden Streitfall wertete das Oberlandesgericht Saarbrücken die Zusage des Bankmitarbeiters, die Kündigung sei „jederzeit möglich“, in Kombination mit der anschließenden E-Mail als wirksame Individualabrede.

Zurück zur Glossar übersicht

Schriftform

Juristen sprechen von Schriftform, wenn ein Dokument im Vertragswesen eine Textform erfordert, wobei nach § 127 Abs. 2 BGB oft auch eine telekommunikative Übermittlung wie die E-Mail genügt, sofern das Gesetz keine eigenhändige Unterschrift zwingend vorschreibt. Die Anforderung der Schriftform dient primär der Beweissicherheit und der Klarheit darüber, welche vertragsrelevanten Erklärungen tatsächlich abgegeben wurden.

Beispiel: Die Richter stellten fest, dass die Kündigung des Versicherungsvertrags per E-Mail die vertraglich vereinbarte Schriftform erfüllte, da die Versicherung den digitalen Kommunikationskanal selbst zugelassen hatte.

Zurück zur Glossar übersicht

Versicherung für fremde Rechnung

Von einer Versicherung für fremde Rechnung sprechen Juristen, wenn der offizielle Versicherungsnehmer (hier die Bank) nicht identisch ist mit der Person (hier die Autokäuferin), deren Risiko versichert wird und der die Leistung im Schadensfall zusteht (§ 43 VVG). Diese Konstruktion ist typisch für Gruppenversicherungen und stellt sicher, dass die versicherte Person eigene Rechte gegenüber dem Versicherer geltend machen kann, obwohl sie den Vertrag nicht selbst abgeschlossen hat.

Beispiel: Obwohl die Bank den Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, konnte die Autokäuferin aufgrund der Regelung zur Versicherung für fremde Rechnung ihre Ansprüche auf die Auszahlung der Differenzkaskoversicherung direkt vor Gericht geltend machen.

Zurück zur Glossar übersicht



Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 30/24 – Urteil vom 21.05.2025


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
Kontaktformular für Anfragen auf Ersteinschätzung
info@ra-kotz.de oder ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!