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Schließung Spielhalle – einstweiliger Rechtsschutz

OLG Oldenburg – Az.: 1 U 118/21 – Beschluss vom 04.10.2021

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

Gründe

II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung nach Auslegung der einschlägigen Versicherungsbedingungen zutreffend abgewiesen. Die mit der Berufung erhobenen Einwände der Klägerin rechtfertigen keine abweichende rechtliche Beurteilung. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 70.260,– € gemäß § 1 S. 1 VVG in Verbindung mit § 1 Ziff. 1 und 2 der „Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Seuchengefahr (Betriebsschließungsversicherung) – AVB – BS“ (Stand 01.07.1997) (im Folgenden AVB – BS).

Schließung einer Spielhalle; einstweiliger Rechtsschutz
(Symbolfoto: Atmosphere1/Shutterstock.com)

1. Zwar besteht unstreitig zwischen den Parteien mindestens seit Juni 2009 ein Vertrag über eine Betriebsschließungsversicherung, nach dem der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung zu zahlen, wenn es zu einer Schließung des versicherten Betriebs infolge Infektionsgefahr kommt. Der von der Klägerin vorgelegte Nachtrag zum Versicherungsschein verweist für den Versicherungsumfang auf den Antrag, den Versicherungsschein und seine Anlagen, insbesondere die in den Vertrag einbezogenen AVB-BS. Die Erkrankung COVID-19 und der Krankheitserreger SARS-CoV 2, aufgrund derer der Landkreis Wittmund mit der Allgemeinverfügung Nr. 8/2020 vom 20.03.2020 die grundsätzliche Schließung von Restaurants, Speisegaststätten, Mensen und ähnlichen Einrichtungen für den Publikumsverkehr verfügt hat, unterfallen jedoch nicht dem Anwendungsbereich des § 1 der AVB-BS, weshalb hier kein Versicherungsschutz besteht. Zu diesem Ergebnis führt die notwendige Auslegung des § 1 AVB-BS.

Dabei sind allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist von dem Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 04.11.2020 – IV ZR 19/19 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 22.01.2020 – IV ZR 125/18 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 09.05.2018 – IV ZR 23/17 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 11.03.2015 – IV ZR 54/14 -, Rn. 12, juris). Dieser Grundsatz erfährt dann eine Ausnahme, wenn sich Verwender und Kunde oder Versicherter im Einzelfall über ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis des Sinngehalts der Regelung einigen, was auch durch schlüssiges Verhalten geschehen kann. Dann geht diese übereinstimmende Vorstellung wie eine Individualvereinbarung dem Ergebnis der objektiven Auslegung vor (BGH, Urteil vom 14.06.2006 – IV ZR 55/05, Rn. 13, juris, Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Auflage, Einleitung, Rn. 265).

Dass die Parteien sich individuell auf das gemeinsame Verständnis geeinigt hätten, § 1 Ziff. 2 AVB-BS enthalte eine dynamische Verweisung auf das Bundesseuchengesetz bzw. das dieses ablösende Infektionsschutzgesetz, insbesondere auf die Vorschriften der §§ 6, 7 IfSG, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus dem Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe auf seiner Homepage Mitte März 2020 eine Zusage dahin getätigt, Versicherungsschutz bestehe auch für das Corona-Virus, was im Juni 2020 in einem öffentlichen Interview durch den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten wiederholt worden sei. Selbst wenn bei den verantwortlich Handelnden des Beklagten im März oder Juni 2020 die Auffassung bestanden hätte, das Corona-Virus und die Erkrankung Covid-19 seien vom Versicherungsschutz umfasst, kann die Klägerin hieraus keinen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag herleiten, weil sich aus diesen deutlich nach Vertragsschluss erfolgten Äußerungen keinerlei Rückschluss dahin ziehen lässt, wie die Rechtsauffassung des Beklagten bzw. der für ihn handelnden Personen betreffend das Klauselverständnis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der letzten Vertragsänderung im Jahr 2016 gewesen ist. Auch eine nachträgliche Einigung der Parteien über den Bedeutungsgehalt der Klausel ergibt sich aus diesen – einseitigen – Äußerungen nicht. Aus dem gleichen Grund kann die Klägerin auch das Ablehnungsschreiben des Beklagten vom 09.04.2020 (Anlage K 5 – GA I 25), das keinerlei Ausführungen zum nicht bestehenden Versicherungsschutz infolge der nicht erfassten Krankheit Covid-19 bzw. des Erregers SARS-CoV-2 enthält und deshalb darauf hindeuten könnte, dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt der Auffassung war, Versicherungsschutz bestehe grundsätzlich auch hierfür, nicht als anspruchsbegründend anführen. Der klägerische Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens läuft daher ins Leere. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem nur auszugsweise zitierten Urteil des LG Darmstadt vom 19.05.2021 (Az. 28 O 256/20) war dem Senat nicht möglich, weil dieses weder veröffentlich ist noch von der Klägerin mit der Berufungsbegründung vorgelegt worden ist.

Mangels einer Einigung der Parteien entweder bei oder nach Vertragsschluss über den konkreten Bedeutungsgehalt der Klausel § 1 Ziff. 2 AVB-BS verbleibt es daher beim Grundsatz der objektiven Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

2. Unter Heranziehung der vorgenannten Auslegungsmaßstäbe ist das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise zu der Auffassung gelangt, § 1 Ziff. 2 AVB-BS sei nach dem Wortlaut der Klausel trotz der Verweisung auf das Bundesseuchengesetz dahingehend zu verstehen, dass vom Versicherungsschutz nur die unter § 1 Ziff. 2 AVB-BS genannten, einzeln aufgezählten Krankheiten umfasst seien.

Dieses Auslegungsergebnis begegnet auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Klägerin keinen Bedenken.

Die streitgegenständliche Klausel definiert näher den in § 1 Ziff. 1 lit. a) AVB-BS enthaltenen Begriff der „Seuchen“ und grenzt damit den Versicherungsschutz ein, der nach § 1 Ziff. 1 lit. a) AVB-BS dann besteht, wenn „der versicherte Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird“. Nach § 1 Ziff. 2 AVB-BS sind „Seuchen [sind] die im folgenden aufgeführten – nach dem Bundes-Seuchengesetz meldepflichtigen – Krankheiten“. An diese Formulierung schließt sich die Aufzählung einzelner Erkrankungen an.

Schon der Wortlaut der Klausel bietet für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer keinen Anlass, davon ausgehen zu können, er sei gegen jedwede Schließung seines Betriebs aufgrund einer Infektions-/Seuchengefahr versichert.

a) Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des den Versicherungsumfang konkretisierenden § 1 Ziff. 2 AVB-BS, der eine Aufzählung derjenigen Krankheiten enthält, die als Seuchen im Sinne der vorgenannten, allgemeinen Formulierung in § 1 Ziff. 1 AVB-BS gelten sollen. Der Wortlaut „Seuchen sind die im folgenden aufgeführten (…) Krankheiten“ bietet keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die nachfolgende Aufzählung nur beispielhaft und damit nicht abschließend sein könnte. Dies gilt umso mehr, als, wie auch vom Landgericht zutreffend ausgeführt (vgl. LGU 5), die streitgegenständliche Klausel keinerlei auf eine Öffnung hindeutende Worte enthält, wie etwa „insbesondere“ oder „beispielsweise“. In diesem Punkt unterscheidet sich die vorliegende Klausel auch maßgeblich von denjenigen in der Betriebsschließungsversicherung verwendeten Klauseln anderer Versicherungsgesellschaften, in denen durch die Verwendung des Wortes „namentlich“, das auch in der Bedeutung „in besonderer Weise“ verwendet werden kann, das hier nach Auslegung vertretene Verständnis der Klausel nicht in gleicher Weise deutlich wird.

b) Etwas anderes folgt auch nicht aus der – zwischen Bindestrichen eingeschobenen – Formulierung „nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtigen…“.

Dieser Einschub enthält lediglich die Information, dass die nachfolgend aufgeführten Krankheiten nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtig sind. Ein weitergehender Informationsgehalt, insbesondere im dem Sinne, dass grundsätzlich alle nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtigen Krankheiten vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, lässt sich der Formulierung jedoch auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht entnehmen. Dies wird besonders deutlich durch den Umstand, dass infolge der Setzung dieser Textpassage innerhalb Bindestrichen diese vom übrigen Text klar abgegrenzt und damit aus dem laufenden Satz herausgelöst ist. Auch insoweit besteht ein erheblicher Unterschied zu den Versicherungsbedingungen anderer Anbieter, wie sie in der Mehrzahl Gegenstand der von der Klägerin zitierten Urteile waren: Dort ist die Bezugnahme auf §§ 6 und 7 IfSG Teil des fortlaufenden Satzes.

c) Gegen die Annahme einer dynamischen Verweisung spricht zudem, dass die hier verwendeten AVB-BS nicht auf das seit dem 01.01.2001 geltende Infektionsschutzgesetz (IfSG) verweisen, sondern auf das mit Ablauf des 31.12.2000 außer Kraft getretene Bundesseuchengesetz (BSeuchG). Dieses hatte – jedenfalls bei Wirksamwerden der Änderungen zum hier vorliegenden Versicherungsvertrag – keine Gültigkeit mehr und konnte daher auch keine Änderungen mehr erfahren. Auch aus diesem Grund verbietet sich – auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar – die Annahme, die in § 1 Ziff. 2 AVB-BS enthaltene Auflistung von Krankheiten könne nicht abschließend sein. Hinzu kommt, dass – anders als in den in den zitierten Urteilen genannten Versicherungsbedingungen anderer Anbieter – hier kein konkreter Verweis auf bestimmte Vorschriften des BSeuchG, die ein abweichendes Klauselverständnis deswegen stützen könnten, weil sie ihrerseits eine Auflistung von als Seuchen geltenden Krankheiten enthalten, erfolgt. Ferner ist die Annahme eines dynamischen Verweises des § 1 Ziff. 2 AVB-BS auf die jeweils aktuelle Fassung des IfSG hinsichtlich der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger auch deswegen fernliegend, weil § 3 BSeuchG als der §§ 6, 7 IfSG vergleichbare Vorschrift, anders als diese in §§ 6 Abs. 1 Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG, keine Generalklausel enthielt, die eine Anwendung des Gesetzes und der Meldepflicht auch auf nicht ausdrücklich mit Namen genannte Krankheiten hätte ermöglichen können. Der Verweis der Klägerin auf S. 12 der Berufungsbegründung (GA II 145) auf eine nach den Generalklauseln bestehende Meldepflicht für COVID-19 bzw. deren Erreger SARS-CoV-2 überzeugt vor diesem Hintergrund daher nicht.

d) Schließlich ist die Annahme einer dynamischen Verweisung auch insofern fernliegend, als die Klägerin selbst vorbringt (S. 15 der Berufungsbegründung – GA II 148), dass die Auflistung der den Versicherungsschutz begründenden Krankheiten bzw. Krankheitserreger in § 1 Ziff. 2 AVB-BS abweichend von derjenigen sowohl in § 3 BSeuchG als auch in §§ 6, 7 IfSG ist. Dem um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer ist jedoch zuzumuten, sich beim Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung Kenntnis von den in § 1 Abs. 2 AVB-BS genannten gesetzlichen Regelungen zu verschaffen (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 – 7 U 351/20, Rn. 36, juris). Der Vergleich zwischen den Katalogen in den AVB-BS einerseits und im Gesetz andererseits kostet nur wenige Minuten. Bei einem solchen Abgleich kann auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse schnell erkennen, dass diese Kataloge nicht deckungsgleich sind. Aus diesen Abweichungen wird ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer schließen, dass der in § 1 Abs. 2 AVB-BS enthaltenen Aufzählung abschließender Charakter zukommt (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 – 7 U 351/20, Rn. 40, juris), zumal es keinen Sinn haben würde, die verschiedenen Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen aufzulisten, wenn letztlich für den Umfang des Versicherungsschutzes doch die gesetzliche Regelung in der jeweils geltenden Fassung entscheidend wäre.

Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen auch die Überlegung, dass die Verwendung des Katalogs in den Versicherungsbedingungen erkennbar macht, dass der Versicherer, hier also der Beklagte, nur die Risiken abdecken möchte, die sich aus bekannten Krankheiten und Krankheitserregern ergeben. Auch einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse wird einleuchten, dass die Übernahme unbekannter Risiken für den Versicherer nicht kalkulierbar wäre. Eine berechtigte Erwartung des Versicherungsnehmers, der Versicherer wolle ein unkalkulierbares Risiko eingehen, lässt sich indes nicht begründen (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 – 7 U 351/20, Rn. 47, juris).

Aus den genannten Gründen ist die streitgegenständliche Klausel auch nicht überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB.

3. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 305c Abs. 2 BGB berufen. Nach dieser Vorschrift gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Unklar in diesem Sinne sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (BGH, Urteil vom 14.06.2017 – IV ZR 161/16 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 23.06.2004 – IV ZR 130/03 -, Rn. 21). Dies ist hier nicht der Fall. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist das Ergebnis der objektiven Auslegung eindeutig. Die Bedeutung des Begriffs „Seuchen“ in § 1 AVB-BS ist hier also nicht etwa infolge einer Lücke in den AVB-BS durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.

4. Mit dem Landgericht ist die streitgegenständliche Klausel des § 1 Ziff. 2 AVB-BS auch als hinreichend transparent und damit als wirksam nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen.

Aus § 307 Abs. 1 S 2 BGB folgt, dass sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders allgemeiner Geschäftsbedingungen auch daraus ergeben kann, dass die jeweilige Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach dem somit geltenden Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 14.08.2019 – IV ZR 279/17 -, Rn. 18, juris). Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (BGH, 04.04.2018 – IV ZR 104/17, Rn. 8). Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (BGH, Urteil vom 20.11.2019 – IV ZR 159/18 -, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 06.07.2016 – IV ZR 44/15 -, Rn. 30). Hierbei bedarf es weder eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 04.04.2018 – IV ZR 104/17 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 -, Rn. 15, juris). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (BGH, Urteil vom 20.11.2019 – IV ZR 159/18 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 04.04.2018 – IV ZR 104/17 -, Rn. 9, juris).

Die hier vorgenommene Bestimmung der dem Versicherungsschutz unterfallenden Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziff. 2 AVB-BS wird diesen Anforderungen gerecht. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, wird der durchschnittliche, um Verständnis bemühte Versicherungsunternehmer die Klausel so verstehen, dass der dort enthaltene Katalog abschließend ist. Es wird gerade nicht der Eindruck vermittelt, es komme auf die Aufzählungen in einer – hier zudem nicht näher genannten – Vorschrift des BSeuchG oder gar in den nicht ausdrücklich in Bezug genommenen §§ 6, 7 IfSG an. Somit kann der Versicherungsunternehmer dem § 1 Ziff. 2 AVB-BS unmittelbar entnehmen, für welche Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz besteht. Unschwer wird sich ihm im Umkehrschluss erschließen, dass dies für dort nicht genannte Krankheiten und Krankheitserreger nicht der Fall ist. Der Katalog lässt nicht unklar, was der Beklagte versichern will und was nicht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 – 7 U 351/20, Rn. 56, juris). Damit besteht eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Versicherungsnehmers, ob er den Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin zitierten Urteils des OLG Karlsruhe vom 30.06.2021 (Az. 12 U 4/21, veröffentlicht bei juris). Abgesehen davon, dass dieses Urteil zu Versicherungsbedingungen ergangen ist, die mit der „namentlich“ – Klausel und einem konkreten Verweis auf §§ 6, 7 IfSG abweichend von der vorliegenden Klausel formuliert waren, ist hier aus den o.g. Gründen eine Unklarheit hinsichtlich des Umfangs des Versicherungsschutzes, abstellend auf den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, nicht festzustellen. Dies gilt umso mehr, als hier gerade keine konkrete Verweisung auf bestimmte, eine Auflistung von Krankheiten enthaltene Vorschriften des BSeuchG oder des IfSG erfolgt und abgesehen von der Klausel in § 1 Ziff. 2 AVB-BS, anders als in dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall (vgl. aaO, Rn. 65 ff. (juris)), ein Verweis auf gesetzliche Vorschriften, aus denen sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ein abweichendes Verständnis vom Versicherungsumfang ergeben könnte, an anderer Stelle in den AVB, insbesondere in deren Überschrift, hier ebenfalls nicht gegeben ist.

Dem Argument der Klägerin, bei dem hier vertretenen Verständnis der AVB genieße ein Versicherungsnehmer nur „historischen“, sich jährlich verringernden Versicherungsschutz (S. 22 der Berufungsbegründung – GA II 155), ist entgegenzuhalten, dass es der Regel entsprechen dürfte, dass nur solche, bei Vertragsschluss feststehende Risiken versichert werden – etwaige neuerliche Entwicklungen aufgrund hier vor allem gesetzlicher Weiterungen beim Infektionsschutz müssen daher entsprechend durch eine Vertragsänderung/-anpassung berücksichtigt werden.

Dass § 1 Ziff. 2 AVB-BS noch klarer hätte formuliert werden können – vor den Worten die „im folgenden aufgeführten […] Krankheiten“ hätte das Wort „nur“ aufgenommen werden können (so in dem Fall, der dem Beschluss des OLG Hamm vom 15. Juli 2020 – 20 W 21/20 -, juris, zugrunde gelegen hat) – rechtfertigt ebenfalls nicht, die Regelung als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu beurteilen. Wie oben bereits dargelegt worden ist, führt nicht zur Intransparenz, dass im Einzelfall eine deutlichere und klarere Formulierung möglich wäre.

5. Die Frage, ob für die Gewährung des Versicherungsschutzes das Vorliegen einer betriebsinternen Gefahr erforderlich ist oder nicht, kann aus den vorgenannten Gründen dahinstehen.

6. Die Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses infolge der getätigten Aussagen von Mitarbeitern des Beklagten im März bzw. Juni 2020 scheitert bei der vom Senat zugrunde gelegten Auslegung der einschlägigen Klausel in den Versicherungsbedingungen daran, dass es eindeutig keinen Leistungsanspruch aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag gibt, der mittels der Äußerungen hätte bestätigt werden können. Hinzu kommt, dass pauschale Werbeaussagen keine Regulierungszusage gegenüber der Klägerin für den konkreten Einzelfall darstellen – insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall entscheidend von den von der Klägerin zitierten Urteilen des LG München (Az.: 23 O 5937/20) und des LG Memmingen (Az.: 25 O 598/20).

7. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1a Abs. 3 VVG besteht ebenfalls nicht.

Unabhängig von der Frage einer Pflichtverletzung ist schon ein Schaden der Klägerin nicht ersichtlich, zumal sich Auswirkungen der im Jahr 2020 getätigten Äußerungen zum Versicherungsumfang auf den zeitlich deutlich davor liegenden Vertragsschluss nicht feststellen lassen und damit auch eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und einem Schaden nicht erkennbar ist.

8. Mangels Anspruchs in der Hauptsache kommt auch ein Anspruch auf die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen nicht in Betracht.

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