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Rückzahlung von Vermittlerprovisionen eines Versicherungsvertreters

LG Heilbronn – Az.: 4 O 204/19 – Urteil vom 04.09.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Gebührenstreitwert wird auf 12.389,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Vermittlerprovisionen.

Am 02.02.2012 vereinbarten die Parteien, dass der Beklagte ab dem 01.02.2012 hauptberuflicher Versicherungsvertreter mit Ausschließlichkeit und Sitz in … sein sollte. Er war damit betraut, Anträge aus Abschluss, Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrages sowie den Widerruf solcher Anträge entgegenzunehmen. Weitere Berechtigungen des Beklagten ergaben sich aus dem Vertrag vom 09.07.2015, den Nachträgen, den Geschäftsanweisungen und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Seine Hauptaufgabe war es, neue Kundenkreise zu erschließen, die Verbindung zu Bestandskunden aktiv zu pflegen und dadurch in allen von der Klägerin betriebenen Zweigen Neugeschäft zu vermitteln. Der Beklagte erhielt für seine Tätigkeit die sich aus der Provisionstabelle und der Geschäftsanweisung ergebenden und in den Allgemeinen Provisionsbestimmungen erläuterten Provisionen, die mit Policierung, spätestens mit technischem Beginn des Versicherungsverhältnisses entstehen sollten. Im Falle einer Stornierung eines Versicherungsvertrages innerhalb des Provisionshaftungszeitraums sollte die Abschlussprovision im Verhältnis der nicht gezahlten Beiträge zurückbelastet werden. Der Provisionshaftungszeitraum für diskontiert gutgeschriebene Abschlussprovisionen betrug 60 Monate, für laufende Provisionen 12 Monate. Für die Lebensversicherung war vereinbart, dass die Abschlussprovision vorschüssig gebucht wird mit Ausfertigung des Versicherungsscheins und zurückzuzahlen war, sofern und soweit sie nicht ins Verdienen gebracht wurde. Es wurde vereinbart, dass die Abschlussprovision mit 1/60 je Monat über fünf Jahre, höchstens jedoch mit 50 % der bezahlten Beiträge verdient wurde (vgl. Allgemeine Provisionsbestimmungen, im Folgenden: APB). Als Sicherheitsleistung behielt die Klägerin einen Anteil der Provision, die sog. Stornoreserve, vorläufig ein. Bei Kapital- und Risikoversicherungen mit kürzerer Dauer als 60 Monate sollte die Provision zum Ablauftermin voll verdient sein. Bei Rentenversicherungen mit kürzerer Aufschubzeit bis zum Rentenbeginn als 60 Monate sollte die Provisionshaftungsdauer fünf Jahre nach Versicherungsbeginn in der Rentenbezugszeit enden. Bei Nichteinlösung oder Vertragsaufhebung sollte die Abschlussprovision in vollem Umfang bzw. anteilig zurückgefordert werden. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag endete zum 30.06.2015. Seit 01.04.2015 wurde der Kläger von der Beklagten freigestellt.

Rückzahlung von Vermittlerprovisionen eines Versicherungsvertreters
(Symbolfoto: Von 88studio/Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, ihr stünde ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 20.815,90 € zu. Ausweislich der Geschäftspartnerabrechnung Nr. 15/2016 vom 06.09.2016 habe die Klägerin eine Stornoreserve zugunsten des Beklagten verrechnet in Höhe von 8.416,70 €, so dass noch ein Betrag in Höhe von 12.389,20 € verbliebe. Etwaige weitergehende, als die von der Klägerin bzw. der … Lebensversicherung AG durchgeführten Bemühungen, die Verträge durch die Versicherungsnehmer fortzuführen, seien von vornherein aussichtslos gewesen. Da die Versicherungsnehmer unter keinen Umständen bereit gewesen seien, die Verträge doch noch fortzuführen, habe die Klägerin die Nichtausführung im Sinne des § 87a Abs. 3 S. 2 HGB unter keinen Umständen zu vertreten. Eine Aufrechnungsforderung bestehe nicht. Die Stornoreserve sei sukzessive und berechtigterweise verrechnet worden.

Die Klägerin beantragt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 12.389,20 € nebst 5 % Zinsen hieraus seit 02.01.2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Der Beklagte behauptet, die Stornoreserve habe sich bei seinem Ausscheiden auf 15.187,22 € belaufen. Weiter habe ein Provisionssaldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von -329,26 € bestanden. In den Abrechnungen ab Freistellung seien Gutschriften in Höhe von 26.598,00 € enthalten, eine Auszahlung aber nur in Höhe von 8.156,08 € erfolgt, so dass 18.441,92 € zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen seien. Auch die Stornoreserve in Höhe von 15.187,22 € sei in voller Höhe zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen. Es ergebe sich daher ein Saldo in Höhe von 33.629,14 € zugunsten des Beklagten. Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Regelung in § 5 Zf. 5 des Vertrages gemäß § 87a Abs. 5 HGB unwirksam sei, soweit sie die durch Gesetz und Rechtsprechung geprägten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung absenke und den Provisionsanspruch des Vermittlers auch bei einer geringerwertigen Nachbearbeitung entfallen lasse. Die Nachbearbeitungsobliegenheit, die aus § 87a Abs. 3 S. 2 HGB folge, sei zugunsten des Handelsvertreters zwingend. Die Darlegungs- und Beweislast für den Ausnahmetatbestand des § 87a Abs. 3 S. 2 HGB treffe den Unternehmer, weshalb für jeden rückabzuwickelnden Vertrag die konkrete Darlegung und Beweisführung erforderlich sei, dass und mit welchem Inhalt eine ausreichende Nachbearbeitung durchgeführt worden sei. Ab der Freistellung des Beklagten sei die Nachbearbeitung von der Klägerin vorzunehmen gewesen. Die bloße Übersendung einer Stornogefahrenmitteilung an den Nachfolger des Handelsvertreters sei ebenso wenig ausreichend wie Mahnungen. Auch beim Ausbleiben des Erstbeitrages, in Fällen des Widerrufs und bei Bagatellstornierungen sei eine Nachbearbeitung erforderlich. Die Klägerin habe die Einzelzahlen so zusammenzustellen, dass das Gericht eine vollständige rechnerische und rechtliche Überprüfung vornehmen könne. Sie könne sich nicht auf ein Anerkenntnis berufen, da dieses nicht dadurch fingiert werde, dass der Handelsvertreter binnen einer bestimmten Frist keinen Widerspruch erhebe. Aus den verschiedenen Forderungen ergebe sich ein Saldo zugunsten des Beklagten, weshalb der Klägerin keine Ansprüche zustünden. Hilfsweise für den Fall, dass Zahlungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten bestünden, werde die Aufrechnung erklärt mit dem Anspruch über 33.629,14 € und zwar in der Reihenfolge der klägerischen Tabelle in der Klageschrift. Das Aufrechnungsverbot in § 11 Zf. 2 des Vertrages sei nach §§ 309 Zf. 3, 310 Abs. 1 S. 2, 307 BGB unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 13.05.2020 (Bl. 145 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war abzuweisen. Sie ist unbegründet.

I.

Einen Anspruch auf Rückzahlung von Vermittlerprovisionen gemäß §§ 87a Abs. 3 S. 2, 92 Abs. 2 HGB konnte die Klägerin trotz Hinweises des Gerichts nicht schlüssig darlegen.

1.

Gemäß § 87a Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 92 Abs. 2 HGB entfällt der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision im Falle der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Die Nichtausführung des Vertrags ist schon dann von dem Versicherer nicht zu vertreten, wenn er den notleidenden Vertrag in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem Versicherer obliegenden Nachbearbeitung notleidender Verträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (BGH, Urteil vom 28.06.2012 – VII ZR 130/11; Urteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 310/09; Urteil vom 25.05.2005 – VIII ZR 279/04 und VIII ZR 274/04).

2.

Vorliegend war zwischen den Parteien in § 5 Zf. 5 des Vertrages vom 02.02.2012 (Anl. K 1, Bl. 11 ff d. A.) vereinbart, dass die Stornonacharbeit nach Vertragsbeendigung bzw. Freistellung des Vermittlers von der Gesellschaft bzw. dem dann betreuenden Vermittler übernommen wird und dass die Stornonacharbeit der Gesellschaft ordnungsgemäß ist, wenn sie oder der dann betreuende Vermittler Kunden, die die Beitragszahlung zunächst aufgenommen, dann aber eingestellt haben, schriftlich zur Zahlung auffordert. In den Fällen der Nichteinlösung muss eine Mahnung oder persönliche Nacharbeit nach der vertraglichen Regelung in § 5 Zf. 5 nicht erbracht werden.

Ob diese vertragliche Regelung wirksam war oder gegen § 87a Abs. 5 HGB verstößt, kann offen bleiben. Denn die Klägerin konnte auch hinsichtlich der darin normierten, geringeren Anforderungen an die Nachbearbeitung nicht schlüssig darlegen, dass diese von ihr eingehalten wurden.

a)

Den Versicherer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen hat (BGH, Urteil vom 28.06.2012 – VII ZR 130/11; Urteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 310/09; Urteil vom 25.05.2005 – VIII ZR 279/04 und VIII ZR 274/04). Im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast hat der Versicherer darzulegen, welche konkrete Nacharbeit erfolgt ist oder aus welchen Gründen die Nacharbeit aussichtslos war (BGH, Urteil vom 28.06.2012 – VII ZR 130/11). Insoweit erscheint ein Hinweis auf allgemein durchgeführte Verfahren nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr Vortrag mit Bezug auf jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag (BGH, Urteil vom 19.11.1982 – I ZR 125/80; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017 – I-16 U 32/16). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer, wie hier, den Vertreter auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Anspruch nimmt, welche dieser im Hinblick auf konkrete Vertragsabschlüsse erhalten hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.09.2017 – 15 U 7/17; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Ein Nachweis über Nachbearbeitungsbemühungen kann lediglich dann nicht verlangt werden, wenn die ausstehenden Zahlungsbeträge verhältnismäßig geringfügig sind (BGH, Urteil vom 12.03.2015 – VII ZR 336/13).

b)

Vorliegend ist die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungslast zu den von ihr unternommenen Nachbearbeitungsbemühungen trotz des Hinweises des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2020 (Bl. 146 d. A.) nicht hinreichend nachgekommen. Es fehlt insoweit bereits an konkretem Vortrag zu jedem einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag. Vielmehr beruft sich die Klägerin lediglich pauschal darauf, dass die jeweiligen Versicherungsnehmer unter keinen Umständen zur Fortführung der Verträge bereit gewesen seien. Auch wenn die Klägerin dies für jeden der streitgegenständlichen Versicherungsverträge wiederholt, handelt es sich hierbei nicht um Darlegungen mit Bezug auf den Einzelfall, sondern um eine nur floskelartige Behauptung, mit der die Klägerin aufzeigen möchte, warum die unstreitig unterlassene Nachbearbeitung von ihr nicht zu vertreten ist. Dies genügt den Anforderungen an die dem Versicherer obliegenden Darlegungen allerdings nicht. Soweit eine Nachbearbeitung nicht erfolgt ist, reicht es gerade nicht, zu behaupten, dass eine solche aussichtslos gewesen sei, sondern es wären mit Bezug auf jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag die Gründe darzulegen gewesen, aus denen sich die Aussichtslosigkeit für die Klägerin ergeben hat. Ein solcher Vortrag ist nicht erfolgt und die Klage damit unschlüssig geblieben.

Insoweit waren auch die benannten Zeugen nicht zu hören. Mangels entsprechenden Vortrages handelte es sich insoweit um einen lediglich der Ausforschung dienenden unzulässigen Beweisermittlungsantrag (vgl. Greger in Zöller, 33. Auflage 2020 § 284 Rn. 8c). Ferner ersetzte auch der Verweis auf umfangreiche Anlagen nicht die erforderlichen Darlegungen. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aus Anlagen zusammenzusuchen. Schlüssiger Tatsachenvortrag kann nicht durch einen Verweis auf Anlagen ersetzt werden (BGH, Beschluss vom 12.12.2013 – IX ZR 299/12).

Dass es sich um verhältnismäßig geringe ausstehende Zahlungsbeträge handelte, für die eine Nachbearbeitung nicht zumutbar war, wird auch von Seiten der Klägerin nicht behauptet.

3.

Zugunsten der Klägerin kann auch nicht vermutet werden, dass für eine bestimmte Anzahl von Stornofällen eine Nachbearbeitung erfolglos geblieben wäre. Denn hierfür fehlen im vorliegenden Fall jegliche hierfür erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2012 – VII ZR 130/11).

II.

Mangels eines Hauptanspruches hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes erfolgt auf Grundlage der §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG, 3 ff ZPO.

 

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