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Rückzahlung von Krankentagegeld des Bezugs von Berufsunfähigkeitsrente?

Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 37/17, Urteil vom 14.03.2018

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 6. April 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 227/16 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.163,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rückerstattung von Versicherungsleistungen, die die Klägerin in Form von Krankentagegeld an den Beklagten erbracht hat.

Der Beklagte unterhielt seit Mai 1998 bei der Klägerin eine Krankentagegeldversicherung im Tarif TN 7 (Versicherungsnummer …G, Bl. 26 GA). Versichert war ein Krankentagegeld in Höhe von 51,13 Euro je Kalendertag mit einer Karenzzeit von 7 Tagen. Bestandteil des Vertrages waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankentagegeldversicherung“, bestehend aus Teil I – Musterbedingungen 1994 (MB/KT 94) und Teil II – Tarifbedingungen der A. Krankenversicherung AG (TB), Nr. 1-31 (Bl. 27 ff. GA).

§ 11 MB/KT lautet: Der Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit oder der Eintritt der Berufsunfähigkeit (vgl. § 15 Buchstabe b) einer versicherten Person ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Erlangt der Versicherer von dem Eintritt dieses Ereignisses erst später Kenntnis, so sind beide Teile verpflichtet, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren.

In § 15 MB/KT 94 heißt es u.a.: Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen

a) beim Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist. (…).

b) Mit Eintritt der Berufsunfähigkeit (…).

In Nr. 30 der Tarifbedingungen heißt es u.a.:

(2) Berufsunfähigkeitsrente

Grundsätzlich endet das Versicherungsverhältnis ohne Anspruch auf Nachleistungen nach § 15b MB/KT 94 mit dem Bezug von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die Differenz zwischen der Rentenzahlung und dem vertraglich vereinbarten Tagegeld wird für längstens 3 Monate nach Beginn der Rentenzahlung ausgezahlt, sofern nicht bereits wegen festgestellter Berufsunfähigkeit die 3-monatige Nachleistung in Anspruch genommen wurde. Rentenzahlungen wegen vermuteter Berufsunfähigkeit (z.B. § 2 Abs. 3 BUZ) werden nicht angerechnet.

Wegen Bezuges einer Rente aufgrund lediglich vermuteter Berufsunfähigkeit (z.B. § 2 Abs. 3 BUZ) endet das Versicherungsverhältnis nicht.

In Nr. 31 der Tarifbedingungen heißt es:

Wird das Versicherungsverhältnis wegen Aufgabe einer Erwerbstätigkeit, wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit oder wegen Bezugs einer Berufsunfähigkeitsrente beendet, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis für die Dauer der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, die Dauer der Berufsunfähigkeit oder die Dauer des Bezugs von Berufsunfähigkeitsrente hinsichtlich der betroffenen versicherten Person im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung fortsetzen. (…).

In der Zeit ab dem 18. Februar 2013 war der Beklagte krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Klägerin erbrachte nach Ablauf der Karenzzeit bis zum 2. Dezember 2013 Leistungen für 281 Tage in Höhe von insgesamt 14.367,53 Euro.

Der Beklagte unterhält bei der N. Lebensversicherung AG unter der Versicherungsnummer L-280356.152.012 eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

Diese teilte ihm mit Schreiben vom 10. Juni 2013 (Bl. 61 GA) mit, dass für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 1. Januar 2014 „kulanterweise und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ Leistungen wegen Berufsunfähigkeit erbracht würden, darunter eine monatliche Rente in Höhe von 2.645,25 Euro. Mit Schreiben vom 17. Januar 2014 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass es angesichts des Wegfalls der Versicherungsfähigkeit mit Wirkung ab 1. März 2013 zu einer Überzahlung gekommen sei. Die Klägerin forderte den Beklagten auf, die ausgezahlten Krankentagegelder für die Zeit vom 1. März 2013 bis 2. Dezember 2013 in Höhe von 14.163,01 Euro zurückzuzahlen. Zugleich bot sie ihm an, die Krankentagegeldversicherung ab 1. März 2013 in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzuführen. Da Rückzahlungen nicht erfolgten, mahnte die Klägerin den mit der Klage geltend gemachten Betrag u.a. mit Schreiben vom 24. Februar 2014 (Bl. 67 GA) unter Fristsetzung auf den 31. März 2014 zur Zahlung an. Weitere Zahlungsaufforderungen unter Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten blieben erfolglos.

Die Klägerin hat den Beklagten für rückzahlungspflichtig gehalten, weil das Versicherungsverhältnis und, damit einhergehend, ihre Leistungspflicht wegen des Bezugs von Berufsunfähigkeitsrente ab 1. März 2013 geendet habe. Dass der Kläger die Rente lediglich als Kulanzleistung bezogen habe, sei rechtlich ohne Belang. Allein für den Fall der vermuteten Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 BUZ, der hier – unstreitig – nicht vorliege, sei eine Fortzahlung des Krankentagegeldes vereinbart. Die vorgerichtliche Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Prüfung und Durchsetzung ihrer Ansprüche sei zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich gewesen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die seitens der N. Lebensversicherung AG bewilligte Kulanzleistung habe nicht zur Beendigung des Versicherungsvertrages geführt. Diese Leistung sei bei verständiger Auslegung nicht als Berufsunfähigkeitsrente im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen. Da der Vertrag bei lediglich vermuteter Berufsunfähigkeit nicht ende, müsse dies erst recht und auch vorliegend für solche Leistungen gelten, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht würden.

Mit dem am 6. April 2017 verkündeten Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin vollumfängliche Klageabweisung begehrt. Er meint, der Versicherungsvertrag sei nicht beendet worden, weil kein Bezug von Berufsunfähigkeitsrente vorliege. Die N. Lebensversicherung AG habe seine Berufsunfähigkeit nicht anerkannt, sondern Leistungen nur „aus Kulanz“ erbracht. Bei zutreffender Auslegung der Tarifbedingungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers hätte das Landgericht im vorliegenden Fall die Ausnahmeregelung für Fälle „lediglich vermuteter Berufsunfähigkeit (z. B. durch § 2 Abs. 3 BUZ)“ zur Anwendung bringen müssen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 159 GA), das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6. April 2017, Az. 14 O 227/16, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 150 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 9. März 2017 (Bl. 119 GA) und des Senats vom 21. Februar 2018 (Bl. 190 GA) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513,517,519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Landgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Krankentagegeldleistungen in geltend gemachter Höhe von 14.163,01 Euro verlangen kann.

1.

Das Landgericht hat den Beklagten auf der Grundlage von § 11 Satz 2 i.V.m. § 15 Buchst. a MB/KT 94 und den vertraglichen Tarifbedingungen Nr. 30 und 31 (Bl. 31 GA) für verpflichtet gehalten, die im streitgegenständlichen Zeitraum empfangenen Krankentagegeldleistungen in unstreitiger Höhe von 14.163,01 Euro an die Klägerin zurückzugewähren.

Das ist richtig:

a)

§ 11 Satz 2 MB/KT 94 regelt die Rückabwicklung erhaltener Versicherungsleistungen für den Fall, dass nach einer Vertragsbeendigung noch beiderseits Leistungen erbracht wurden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1992 – IV ZR 59/91, VersR 1992, 477). Die Klausel begründet eine wechselseitige Verpflichtung der Vertragsparteien zur Rückgewähr empfangener Leistungen für den Fall des Wegfalls einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit oder des Eintritts der Berufsunfähigkeit. § 15 Buchst. a) MB/KT 94 bestimmt hierzu, dass das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats endet, in dem die Voraussetzung weggefallen ist. Aus Nr. 30 Abs. 2 der zugrunde liegenden Tarifbedingungen folgt weiter, dass das Versicherungsverhältnis grundsätzlich „mit dem Bezug von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente“ endet. Die Bedingungen enthalten damit eine ausdrückliche Regelung, wonach der Rentenbezug als Beendigungsgrund des Versicherungsverhältnisses vereinbart wurde (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1997 – IV ZR 67/96, VersR 1997, 481; OLG Oldenburg, VersR 2000, 752; OLG Köln, VersR 2005, 822; KG RuS 2017, 362) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird in den Bedingungen nur für den Fall des „Bezuges einer Rente aufgrund lediglich vermuteter Berufsunfähigkeit (z.B. § 2 Abs. 3 BUZ)“ gemacht: dann endet das Versicherungsverhältnis nicht. Soweit außerdem unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Fortzahlung des Krankentagegeldes in Höhe der Differenz zwischen der Rentenzahlung und dem vertraglich vereinbarten Tagegeld für den Zeitraum von längstens 3 Monaten nach Beginn der Rentenzahlung erfolgen kann, kommt dies hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die vom Berufsunfähigkeitsversicherer gewährte Rentenzahlung der Höhe nach das vertraglich vereinbarte Tagegeld übersteigt.

b)

Gegen die Wirksamkeit dieser vertraglichen Regelung bestehen vorliegend keine Bedenken. Mit Recht verweist das Landgericht in diesem Zusammenhang auf die grundlegende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach die zwingende Beendigung des Vertrages gerade in Verbindung mit Klauseln der hier in Rede stehenden Art nach § 9 AGBG a.F. (jetzt: § 307 BGB) für unwirksam erklärt wurde, soweit dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit eingeräumt war, den Vertrag als Anwartschaftsversicherung fortzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1992 – IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92). Grund hierfür war, dass bei einer späteren Rückkehr in das Berufsleben die Rentenzahlung einerseits entfiele, andererseits eine Fortsetzung des beendeten Versicherungsvertrages nicht mehr möglich und ein neues Vertragsverhältnis (wenn überhaupt) nur unter beträchtlich erschwerten Bedingungen begründet werden könnte. Die Beklagte hat dieser Rechtsprechung jedoch dadurch Rechnung getragen, dass sie der betroffenen versicherten Person in ihren Tarifbedingungen ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, den Vertrag für die Dauer des Bezuges von Berufsunfähigkeitsrente in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzusetzen (Nr. 31 Satz 1 TB). Unter diesen Voraussetzungen ist eine vertragliche Reglung wie die vorliegende als wirksam anzusehen (so insbesondere zu den hier verwendeten Bedingungen schon OLG Oldenburg VersR 2000, 752; s. weiterhin OLG Köln, NJW-RR 2003, 810; OLG Karlsruhe VersR 2007, 51; OLG Celle, VersR 2008, 526; KG, RuS 2017, 362; vgl. auch Senat, Urteil vom 8. September 2004 – 5 U 90/03-10, RuS 2005, 515; Urteil vom 15. Februar 2017 – 5 U 12/15, jeweils zu § 15 Buchst. b MB/KT). Davon abgesehen, bestünde ein Rückforderungsanspruch der Klägerin aber auch sonst: Er würde sich dann nämlich aufgrund einer entsprechenden Vertragsauslegung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1992 – IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92 = VersR 1992, 477; Urteil vom 26. Februar 1992 – IV ZR 339/90, VersR 1992, 479; Senat, Urteil vom 26. Juli 2017 – 5 U 15/17).

c)

Die vertraglichen Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht hat das Landgericht im vorliegenden Fall zu Recht bejaht. Die Klägerin hat nachträglich Kenntnis davon erlangt, dass der Beklagte aufgrund der mit Schreiben vom 10. Juni 2013 erfolgten Zusage der N. Lebensversicherung AG in der Zeit vom 1. März 2013 bis zum 1. Januar 2014 Berufsunfähigkeitsleistungen, darunter eine monatliche Rente in Höhe von 2.645,25 Euro, bezogen hat, was nach den Bedingungen zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses führte. Dies berechtigte die Klägerin zur Rückforderung des erbrachten Krankentagegeldes im geltend gemachten Umfang:

aa)

Nach Nr. 30 Abs. 2 der zugrunde liegenden Tarifbedingungen (TB) kommt es für die Beendigung des Versicherungsverhältnisses und damit für das Ende der Leistungspflicht der Beklagten allein auf den „Bezug von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente“ an; bereits dadurch endet der Vertrag in Ansehung der betroffenen versicherten Person, der die Möglichkeit des Abschlusses einer Anwartschaft offen steht. Das tatsächliche Vorliegen von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, die nach Maßgabe des § 15 Buchst. b MB/KT 94 einen eigenständigen Grund für die Beendigung des Vertrages darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1989 – IV ZR 201/88, VersR 1989, 943), ist nicht erforderlich. Vom Standpunkt eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist die Regelung vielmehr dahin auszulegen, dass zumindest auch der Rentenbezug wegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen des Berufsunfähigkeitsversicherers der Fortsetzung des Vertrages entgegensteht (vgl. OLG Hamm, VersR 2016, 1181). Denn unter Anwendung des Grundsatzes, dass allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (grundlegend BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83), wird dieser die hier verwendete Formulierung – „mit dem Bezug“ – nur dahin verstehen können, dass es insoweit – unbeschadet der Sachlage – allein auf den tatsächlichen Erhalt einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ankommt (OLG Hamm, VersR 2016, 1181; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51). Dem liegt die – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare und auch billigenswerte – Erwägung zugrunde, dass ein Nebeneinander von Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsleistungen von der Klägerin nicht gewollt ist (OLG Hamm, VersR 2016, 1181; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51). Die Berufung stellt das auch nicht in Frage.

bb)

Auf welcher Grundlage der Bezug der Rentenleistungen durch den Versicherungsnehmer erfolgt, spielt danach grundsätzlich ebenfalls keine Rolle. Die Wendung „Bezug von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente“ erfasst nach allgemeinem Sprachgebrauch jede Art der Leistung, die ein privater Berufsunfähigkeitsversicherer wegen Berufsunfähigkeit erbringt: Nur auf diese Weise kann der von der Rechtsprechung gebilligte Grundsatz der Spezialität zwischen Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsrente (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1989 – IVa ZR 178/87, VersR 1989, 392; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51) effektiv verwirklicht werden. Die Ausgangsbestimmung greift deshalb insbesondere auch dann ein, wenn die Zahlungen des Berufsunfähigkeitsversicherers – wie hier – ohne förmliches Anerkenntnis lediglich „kulanzweise“ erfolgen (Senat, Urteil vom 26. Juli 2017 – 5 U 15/17; OLG Oldenburg, VersR 2000, 752; OLG Hamm, VersR 2002, 1138; OLG Köln, NJW-RR 2003, 810; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51). Ebenso unerheblich ist es, wenn dem Versicherungsnehmer die private Berufsunfähigkeitsrente nur befristet oder auf Zeit bewilligt wurde (BGH, Urteil vom 12. Juli 1989 – IVa ZR 201/88, NJW-RR 1989, 1298; Senat, Urteil vom 28. November 1990 – 5 U 29/90, VersR 1991, 650; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51). Auch die lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum erbrachten Rentenzahlungen auf Grund einer solchen „außervertraglichen“ Vereinbarung stellen einen „Bezug von Berufsunfähigkeitsrente“ dar, der zu einem Wegfall der Versicherungsfähigkeit und des Versicherungsverhältnisses führt. Der Wegfall der Leistungspflicht tritt dabei auch rückwirkend ein, wenn die Rentenbewilligung – wie hier – rückwirkend erfolgte, da auch dies zur Folge hat, dass der Verdienstentgang des Versicherungsnehmers ab dem Zeitpunkt, für welchen die Rente bewilligt ist, kompensiert wird (OLG Oldenburg, VersR 2000, 752; OLG Schleswig, VersR 2016, 1305; Rogler, in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG 3. Aufl., § 15 MB/KT 2009 Rn. 2; vgl. auch Senat, Urteil vom 28. Juni 2017 – 5 U 15/17).

cc)

Mit Recht hat es das Landgericht auch abgelehnt, den vorliegenden Sachverhalt unter die in den Tarifbedingungen enthaltene, den Versicherungsnehmer begünstigende Ausnahmeregelung für Fälle sog. „vermuteter Berufsunfähigkeit (z.B. § 2 Abs. 3 BUZ)“ in Nr. 30 Abs. 2 Satz 3 TB zu fassen. Die dagegen gerichteten Argumente der Berufung verfangen insoweit nicht.

(1)

Da es für den Wegfall des Versicherungsverhältnisses auf Grund des (bloßen) „Bezuges“ von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente keine Rolle spielt, aus welchem Rechtsgrund die Rentenleistungen erfolgen, werden hiervon grundsätzlich auch Fälle sog. „vermuteter Berufsunfähigkeit“ – präziser: als fortbestehend fingierter Berufsunfähigkeit – erfasst (OLG Hamm, VersR 2016, 1181; VersR 2002, 1138; vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1989 – IVa ZR 178/87, VersR 1989, 392). Freilich können die Bedingungen Abweichendes vorsehen. Die in Nr. 30 Abs. 2 Satz 3 der Tarifbedingungen enthaltene Regelung, wonach das Versicherungsverhältnis „wegen Bezuges einer Rente aufgrund lediglich vermuteter Berufsunfähigkeit (z.B. durch § 2 Abs. 3 BUZ)“ nicht endet, beinhaltet eine solche, zugunsten des Versicherungsnehmers wirkende Ausnahme. Diese greift allerdings, wie das Landgericht richtig annimmt, nur bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen ein; im Übrigen hat es bei dem eingangs dargestellten Grundsatz zu verbleiben, dass das Versicherungsverhältnis mit dem Bezug von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente endet und der Versicherungsnehmer den Vertrag für die Dauer des Bezuges im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung fortsetzen kann (Nr. 30 Abs. 2 Satz 1, Nr. 31 Satz 1 TB, Bl. 32 GA). Das ist auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Bestimmungen aufmerksam liest, ohne weiteres ersichtlich. Dieser erkennt schon aus der verwendeten Formulierung, dass der Bezug von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente den Vertrag beendet, und dass dies nur dann nicht gilt, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung eingreifen.

(2)

Die Voraussetzungen der vom Beklagten eingewandten Ausnahmebestimmung liegen im Streitfall nicht vor. Der Beklagte bezog im gegenständlichen Zeitraum keine Rente „aufgrund lediglich vermuteter Berufsunfähigkeit“ im Sinne der dort beispielhaft erwähnten Regelung aus § 2 Abs. 3 BUZ. Die von ihm „kulanzweise“ erhaltenen Rentenzahlungen fallen nicht darunter.

(a)

Gegenstand der Verweisung auf § 2 Abs. 3 BUZ, die sich mit Blick auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ersichtlich auf die damals üblichen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ 90) bezieht, ist, wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt wird, die unwiderlegbare Vermutung, wonach bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit über einen bestimmten Zeitraum – hier: sechs Monate – die Fortdauer dieses Zustandes als Berufsunfähigkeit gilt. Dadurch wird allerdings lediglich die Prognose fehlender Besserung unwiderlegbar festgeschrieben, nicht hingegen der Zustand selbst oder der Grad der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes (BGH, Urteil vom 14. Juni 1989 – IVa ZR 74/88, VersR 1989, 903). Ein solcher Sonderfall liegt hier jedoch nicht vor, wie auch der Beklagte einräumt. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der N. Lebensversicherung AG vom 10. Juni 2013 (Bl. 61 GA) wird deutlich, dass diese seinerzeit aufgrund der vorliegenden Unterlagen den Eintritt von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit gerade nicht für hinreichend nachgewiesen erachtet hatte, weshalb auch für eine „vermutete Berufsunfähigkeit“ im Sinne des § 2 Abs. 3 BUZ, d.h. eine unwiderlegbare Vermutung der Fortdauer eines solchen Zustandes, keine Grundlage bestand, und sie Leistungen lediglich „kulanterweise und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ für einen begrenzten Zeitraum zu erbringen bereit war. Dies wurde dem Beklagten in der Formulierung des Schreibens auch hinreichend deutlich gemacht, soweit er darin insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass er bei Inanspruchnahme von Leistungen über den Kulanzzeitraum hinaus weitere Informationen und Nachweise beizubringen habe (Bl. 62 GA).

(b)

Die aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers vorzunehmende Auslegung der Klausel gebietet im Streitfall keine andere Betrachtung; insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass die erfassten Fälle „vermuteter“ Berufsunfähigkeit in der Klausel nur beispielhaft unter Hinweis auf § 2 Abs. 3 BUZ erläutert werden, kein dem Beklagten günstigeres abweichendes Verständnis. Die von der Klägerin gewählte Darstellung unter Verwendung des Zusatzes „z.B.“ rechtfertigt sich ersichtlich dadurch, dass auf Bedingungen eines anderen Vertrages, ggf. auch bei einem anderen Versicherer, Bezug genommen wird und Klauseln von Berufsunfähigkeitsversicherern, die diesen Sonderfall regeln, in den seit der Deregulierung im Jahre 1994 verwendeten Bedingungswerken an unterschiedlicher Stelle enthalten sein können, weil diese nach Inhalt und Reihenfolge nicht zwingend den Musterbedingungen des Gesamtverbandes entsprechen müssen. Eine präzisere Verweisung auf einen bestimmten Paragraphen oder Absatz würde sich deshalb unter Umständen ähnlichen Vorwürfen nicht hinreichender Klarheit ausgesetzt sehen, wie sie der Beklagte hier gegenüber der verwendeten Klausel erhebt. Freilich kann dieses Motiv für das Verständnis der Regelung aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der die Entwicklung des Rechts der Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht kennt, nicht allein entscheidend sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2015 – IV ZR 214/14, VersR 2015, 485; Beschluss vom 11. September 2013 – IV ZR 259/12, VersR 2013, 1395). Doch sieht und versteht auch ein solcher Versicherungsnehmer bei sorgsamer Lektüre der Klausel, dass diese hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „vermutete Berufsunfähigkeit“ – auch wenn dieses lediglich beispielhaft anhand einer Klausel aus den Muster-BUZ erläutert wird – nur auf entsprechende, in den Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung tatsächlich geregelte Fälle verweist. Eine „Kulanzleistung“, die in den Bedingungen nicht geregelt ist und daher bisweilen auch als „außervertragliche“ Leistung bezeichnet wird (vgl. Senat, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 5 U 8/10 – 1, VersR 2011, 1166; Urteil vom 30. November 2011 – 5 U 123/09 – 31, juris), fällt nicht darunter.

(c)

Auch der vom Beklagten zuletzt angeführte Vergleich mit zeitlich späteren Bedingungsfassungen, die – sprachlich abweichend von den vorliegend verwendeten Bedingungen – die „vermutete Berufsunfähigkeit“ nicht lediglich beispielhaft erläutern, sondern konkret – nur – auf „§ 2 Abs. 3 BUZ“ verweisen, verfängt nicht. Bei der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen kommt es auf die Verständnismöglichkeiten des Versicherungsnehmers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., Einl. Rn. 261; vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – IV ZR 201/13, VersR 2014, 321; Urteil vom 26. April 2017 – IV ZR 126/16, VersR 2017, 741). In erster Linie ist dabei vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind nur zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 6. Juli 2016 – IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51). Deshalb kann für die Auslegung der streitgegenständlichen Klausel nur auf das dem Beklagten vorliegende, seinerzeit in den Vertrag einbezogene Bedingungswerk abgestellt werden. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die ihm vorliegenden Bedingungen der Beklagten und die darin enthaltene beispielhafte Erwähnung des § 2 Abs. 3 BUZ jedoch dahin verstehen, dass nur die darin geregelten Sachverhalte oder solche, die sich aus vergleichbaren, in den Bedingungen seines Berufsunfähigkeitsversicherers enthaltenen Klauseln ausdrücklich ergeben, als „vermutete Berufsunfähigkeit“ im Sinne der Nr. 30 Abs. 2 Satz 3 TB gelten sollen. Er wird deshalb erkennen, dass die im vorliegenden Fall einschlägige, außerhalb der Bedingungen erbrachte Kulanzleistung dem nicht gleichsteht. Rückschlüsse aus anders formulierten, ihm nicht vorliegenden und auch nicht zwingend bekannten anderen Bedingungswerken wird er nicht ziehen.

d)

Die Höhe des sich mithin ergebenden, mit der Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs hat der Beklagte nicht bestritten.

3.

Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte befand sich auf Grund der Zahlungsaufforderung der Klägerin gemäß Schreiben vom 24. Februar 2014 seit Ablauf der dort gesetzten Frist auf den 31. März 2014 mit der Rückzahlung der berechtigten Forderung im Verzug (§ 286 BGB).

4.

Die Klägerin kann von dem Beklagten auch die Erstattung der von ihr zum Zwecke der Rechtsverfolgung aufgewandten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Diese sind unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß § 280 Abs. 1 und 2 BGB erstattungsfähig, nachdem der Beklagte der außergerichtlichen Aufforderung der Klägerin zur Zahlung aus dem vorgenannten Schreiben vom 24. Februar 2014 binnen der darin gesetzten Frist keine Folge geleistet hat, er sich infolgedessen im Verzug (§ 286 BGB) befand und die anschließende Mandatierung der späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin zwecks vorgerichtlicher Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem auch schon seinerzeit anwaltlich vertretenen Beklagten sich vor diesem Hintergrund als zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung darstellte (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14, VersR 2016, 727). Der geltend gemachte Anspruch im Umfange einer 1,3-Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 14.163,- (845,- Euro) zzgl. Telekommunikationspauschale (20,- Euro) und 19 Prozent gesetzlicher Umsatzsteuer, insgesamt: 1.029,35 Euro, ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

6.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf den geltend gemachten Rückzahlungsbetrag festzusetzen (§§ 3, 4 ZPO, §§ 47Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

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