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Rückforderungsprozess – Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen von Provisionsansprüchen

OLG Dresden – Az.: 4 U 2314/19 – Beschluss vom 02.03.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Es sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.03.2020 wird aufgehoben.

4. Es wird beabsichtigt, den Gegenstandswert auf 11.182,11 € festzusetzen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

1.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zurückzahlung von vorschüssig gezahlten Provisionen in Höhe von 11.182,11 € aus dem Handelsvertretervertrag über die Vermittlung von Versicherungen vom 01.05.2013, gekündigt zum 30.09.2014, (Anlagenkonvolut B2) zu. Die Klägerin muss als Versicherungsunternehmen, das Provisionsrückzahlungsansprüche geltend macht, darlegen und im Bestreitensfall nachweisen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Rückforderungsanspruches vorliegen (vgl. OLG München, Urteil vom 07.06.2017 – 7 U 1889/16 – juris). Daran fehlt es.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass es an einer übersichtlichen Abrechnung fehlt und die Saldenaufstellung vom 12.12.2018 (Anlage K1) nicht nachvollziehbar ist. Die Klägerin, die für den Beklagten kontokorrentmäßig ein Provisionskonto führt, muss für die Rückforderung eines ausgewiesenen Negativsaldos die der Saldenberechnung zugrunde liegenden gegenseitigen Ansprüche und Leistungen so substantiiert darlegen, dass sie rechtlich und rechnerisch umfassend überprüft werden können. Dies erfordert zumindest eine übersichtliche Abrechnung, deren Buchungstechnik erläutert ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.05.1998 – 35 U 56/97 – juris). Daran fehlt es hier. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in seinem Urteil wird insoweit Bezug genommen. Insoweit kann sich die Klägerin nicht auf ein Saldoanerkenntnis stützen. Die jahrelange widerspruchslose Hinnahme von Provisionsabrechnungen genügt dafür nicht. Ein Einverständnis mit den Provisionsabrechnungen und damit das Anerkenntnis, keine weiteren Ansprüche zu haben, kann im Allgemeinen nicht aus einem untätigen Verhalten des Handelsvertreters gefolgert werden; für eine Einigung über die Abrechnung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter bedarf es vielmehr einer in der Regel eindeutigen Willenserklärung des Handelsvertreters (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1995 – VIII ZR 293/94 – juris). Unabhängig davon hat der Beklagte den Provisionsabrechnungen von August und Dezember 2016 sowie Januar und September 2017 widersprochen (Anlagenkonvolut B3).

Wenn wegen stornierter Versicherungsverträge Provisionen bzw. Vorschüsse zurückverlangt werden, hat der Unternehmer wegen § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB für jeden Einzelfall die Gründe der Vertragsbeendigung, den Zeitpunkt der und die Art der Mahnung sowie der Unterrichtung des Versicherungsvertreters über die Stornogefahr darzulegen und die Höhe der zurückzuzahlenden Abschlussprovisionen zu errechnen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.09.2017 – 15 U 7/17 – juris). Auch hierzu hat die Klägerin nicht vorgetragen. Ihre Behauptung, die „durchzuführenden Nachbearbeitungsbemühungen“ seien in das Verfahren eingeführt worden, ist unzutreffend. An keiner Stelle hat die Klägerin zu „Nachbearbeitungsbemühungen“ substantiierten Vortrag gehalten, was von dem Beklagten auch gerügt wurde.

2.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Klägerin auch kein Teilbetrag in Höhe von 9.370,96 € aus einem Teilzahlungsvergleich vom 08.03.2015 zusteht. Denn ein Vergleich ist – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – nicht abgeschlossen worden. Ein Anerkenntnis des Beklagten liegt ebenso wenig vor.

Der Beklagte hat den ihm von der Klägerin am 26.02.2015 unterbreiteten Teilzahlungsvergleich nicht angenommen, sondern seinerseits Änderungen vorgenommen und mit Begleitschreiben vom 15.03.2008 mitgeteilt, dass er diese Vereinbarung in der vorliegenden Form nicht unterzeichnen könne. Er hat sich zugleich die Prüfung der Provisionsabrechnung sowie die Geltendmachung von Einsprüchen und Gegenforderungen vorbehalten. Zwar hat er erklärt, eine Ratenzahlung von 200,00 € vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung leisten zu wollen, im Begleitschreiben vom 08.03.2015 (B4) jedoch zugleich klargestellt, hierauf kein Anerkenntnis der Forderung abgeben zu wollen. Des Weiteren hat er die Klägerin aufgefordert, zu prüfen, ob sie mit dieser Vorgehensweise einverstanden sei und dies gegebenenfalls schriftlich zu bestätigen.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihrerseits dieses abgeänderte Angebot angenommen hat. Ohne Erfolg machte sie in der Berufung geltend, dass sie sich spätestens mit der Verwendung des Teilzahlungsvergleiches im Prozess konkludent zur Annahme bereit und diese auch erklärt habe. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Annahmefrist gemäß § 147 Abs. 2 BGB abgelaufen. Die Klägerin hat den Teilzahlungsvergleich mit Schriftsatz vom 02.09.2019 in das Verfahren eingeführt und ihre Forderung auch auf diesen gestützt. Dies war mehr als vier Jahre nachdem der Beklagte das Angebot vom 08.03.2015 unterbreitet hatte. Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, § 147 Abs. 2 BGB. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin eine Bearbeitungs- und Überlegungsfrist von vier oder acht Wochen zubilligen sollte, war diese Annahmefrist bei Klageerhebung seit Langem verstrichen.

Eine solche Annahme ist auch nicht nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens entbehrlich gewesen. Die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens sind nur auf Handelsgeschäfte, d. h. auf unternehmerische Außengeschäfte, in der Regel Umsatzgeschäfte (vgl. Schmidt in Münchner Kommentar zum HGB, 2018, § 346 Rn. 157) anwendbar. Dies ist bei Vereinbarung einer Teilzahlungsabrede über Provisionsrückforderungen zwischen einem Unternehmer und seinem Handelsvertreter nicht der Fall. Im Übrigen hat der Beklagte in seinem Begleitschreiben vom 08.03.2015 die Klägerin ausdrücklich um Mitteilung und kurze schriftliche Bestätigung gebeten, ob Einverständnis mit der Vorgehensweise besteht. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin nicht annehmen, der Beklagte werde ihr Schweigen als Einverständnis ansehen.

Es handelt sich hier entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht um ein „tatsächliches Anerkenntnis“. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, dass auch bloße Bekenntnisse der Schuld, die keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Erklärenden verkörpern, die Beweislage des Erklärungsempfängers verbessern können (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1984 – VI ZR 64/82 – juris). In dem in Rede stehenden Fall ging es um ein Schuldbekenntnis nach einem Verkehrsunfall. Der Bundesgerichtshof hat hierzu seinerzeit ein Äquivalent dafür gesehen, dass der Erklärungsempfänger von der Wahrnehmung seiner Aufklärungsmöglichkeiten abgesehen habe (BGH, a.a.O.). Solche Erklärungen hätten den Zweck, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen, um diesen dadurch von Maßnahmen abzuhalten und/oder ihm den Beweis zu erleichtern. Es handelt sich um ein Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst, dass mindestens ein Indiz für den Richter bei der Beweiswürdigung darstellt oder zu einer Umkehr der Beweislast führt (Sprau in Palandt, 79. Aufl., 2020, § 781 Rdnr. 6). Diese Wirkung kann allerdings den tatsächlichen Erklärungen des Beklagten nicht entnommen werden. Er hat in dem Teilzahlungsvergleich die Worte „der Schuldner anerkennt … einen Betrag von 9.370,96 € … zu schulden“ durchgestrichen und sie ersetzt durch die Worte „gemäß Provisionsabrechnung 02.15/1 vom 15.02.2015 besteht eine Forderung … von 9.370,96 €“. Gleichzeitig wollte er sich verpflichten, monatliche Teilbeträge von 200,00 € zu zahlen. Allerdings hat der Beklagte in seinem Begleitschreiben vom 08.03.2015 – wie bereits ausgeführt – ausdrücklich klargestellt, dass er die Forderung auch nicht der Höhe nach anerkennen, sondern sich die Prüfung der zugrundeliegenden Provisionsabrechnungen und notwendigen Einsprüche vorbehalten wolle. Des Weiteren hat er sich eine Rückforderung ebenso vor wie die Aufrechnung mit weiteren behaupteten eigenen Forderungen vorbehalten. In seinem Schreiben vom 08.03.2015 (B4) bringt der Beklagte deutlich zum Ausdruck, dass er die Forderung auch in tatsächlicher Hinsicht so nicht akzeptieren könne und seine Bereitschaft, Ratenzahlungen auf die Provisionsabrechnung zum 15.02.2015 zu leisten, nur vorbehaltlich einer eingehenden Prüfung erfolge. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann die Erklärung des Beklagten auch nicht als ein „Zeugnis gegen sich selbst“ mit der entsprechenden Indizwirkung angesehen werden, die zu Beweiserleichterungen für die Klägerin im Prozess oder gar einer Beweislastumkehr führt. Selbst die vorbehaltlose Bezahlung einer Rechnung rechtfertigt für sich genommen weder die Annahme eines deklaratorischen noch eines „tatsächlichen“ Anerkenntnisses der beglichenen Forderung (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2008 – VIII ZR 265/07 – juris).

Auch der Umstand, dass beide Parteien zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung Kaufleute waren, rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sache. Handelt es sich um ein Handelsgeschäft, dann ist das Anerkenntnis zwar auch formfrei möglich, §§ 343, 350 HGB. Hier scheitert die Annahme eines Anerkenntnisses aber nicht an der fehlenden Form, sondern an dem erkennbar fehlenden Willen des Beklagten, ein solches abgeben zu wollen.

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