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Risikolebensversicherung – Leistungsausschluss bei Falschangaben im Versicherungsantrag

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 57/19 – Urteil vom 26.02.2020

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Mai 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 194/18 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 170.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner am 21. November 2018 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungsleistung aus einer Risikolebensversicherung in Anspruch genommen.

Für die am 27. Januar 2017 verstorbene Ehefrau des Klägers bestand bei der Beklagten aufgrund eines online gestellten Antrages vom 9. Februar 2015 (Anlage B1) ein Versicherungsvertrag über eine sog. „Hinterbliebenen-Absicherung“ nach Tarif CRC.73 (F) – Comfort-Schutz (Versicherungsschein Nr. …, Bl. 4 GA); Versicherungsbeginn war am 1. März 2015, als Ablauf der Versicherung war der 1. März 2035 vereinbart. Die Versicherungssumme im Todesfall betrug 170.000,- Euro; aufgrund eines entsprechenden Bezugsrechts sollte sie „an den zum Zeitpunkt des Todes in gültiger Ehe lebenden Ehepartner“ gezahlt werden. Bestandteil des Vertrages waren u.a. die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Risikoversicherung (LA 803A (10.14), Bl. 62 ff. GA). Mit Vereinbarung vom 9. Februar 2015 trat die Versicherungsnehmerin „die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche“ aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe an die Sparkasse S. ab (Bl. 57 f. GA). Die Abtretung wurde der Beklagten mit Schreiben vom 20. Februar 2015 angezeigt; dieses enthält die Erklärung der Versicherungsnehmerin, dass sie für die Dauer der Abtretung das bisherige Bezugsrecht insoweit widerrufe, als es dieser entgegenstehe (Bl. 56 GA).

Der am 9. Februar 2015 gestellte Online-Antrag, von dem erstinstanzlich noch unstreitig war, dass dieser von der Ehefrau des Klägers beantragt und eingereicht worden war, enthielt Fragen zur Gesundheit der Antragstellerin, u.a.

1. Sind Sie in den letzten 5 Jahren wegen einer oder mehrerer Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden untersucht, behandelt oder beraten worden?

(…)

Lunge, Bronchien, Zwerchfell

(z.B. chronische Bronchitis, Lungenentzündung, Asthma, Atemnot, Schlafapnoe, Emphysem, eingeschränkte Lungenfunktion, Bronchiektasen, Pneumothorax)?

(…)

Psyche

(z.B. Angststörung, Zwangsstörung, chronisches Schmerzsyndrom, Depression, Neurose, Psychose, Essstörung, Burnout-Syndrom, Schizophrenie, psychosomatische Störung, Suizidversuch)?

Diese Fragen wurden ebenso wie alle anderen Fragen nach der Gesundheit der Antragstellerin mit „Nein“ beantwortet. Die Beklagte nahm den Antrag am 9. Februar 2015 an und fertigte unter diesem Datum den Versicherungsschein aus.

Nachdem der Beklagten angezeigt worden war, dass die Versicherungsnehmerin am 27. Januar 2017 infolge eines Krebsleidens verstorben sei, trat diese in die Leistungsprüfung ein. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 bat sie den Kläger um Übermittlung verschiedener Auskünfte, u.a. des betreuenden Arztes seiner Ehefrau und der Krankenkasse (Bl. 10 f. GA). Nach Rücksendung der Unterlagen durch den Kläger zeigten die späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. April 2017 unter Beifügung einer außergerichtlichen Vollmacht gleichen Datums (BI. 39 GA) die anwaltliche Vertretung des Klägers an und forderten die Beklagte unter Fristsetzung von 8 Tagen zur Zahlung der Todesfalleistung auf. Unter Hinweis auf die erhaltenen Auskünfte der Krankenkasse der Versicherungsnehmerin, aus denen zahlreiche ärztliche Behandlungen aus dem Zeitraum vom 25. Mai 2010 bis zum 28. Januar 2015 ersichtlich wurden, darunter wiederholt wegen Asthma bronchiale, Neurasthenie, z.T. schweren depressiven Episoden und Angststörung, erklärte die Beklagte in zwei gleichlautenden Schreiben vom 29. Mai 2017 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie an die Sparkasse S. die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung (u.a. Bl. 14 ff., 60 ff. GA).

Der Kläger, der von der Sparkasse S. mit Schreiben vom 25. September 2018 zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auf die Versicherungssumme ermächtigt wurde mit der Maßgabe, dass die Auszahlung an die Sparkasse zu erfolgen habe (Bl. 9 GA), hat behauptet, der Erbe seiner verstorbenen Ehefrau zu sein. Die von der Beklagten erklärte Anfechtung hat er für wirkungslos gehalten, da sie nicht ihm, sondern gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten erklärt worden sei, die hierzu aufgrund der seinerzeit bestehenden außergerichtlichen Vollmacht nicht empfangsbevollmächtigt gewesen seien. Die Sparkasse S. sei als Zessionarin ohnehin nicht Anfechtungsgegner und auch nach den Versicherungsbedingungen (§ 8 Abs. 9 AVB) nicht wirksam zum Empfang derartiger Erklärungen ermächtigt. Mit dieser Begründung hat der Kläger erstinstanzlich auf Auszahlung der Todesfallleistung zugunsten der Sparkasse Saarbücken sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.313,56 Euro, jeweils zzgl. gesetzlicher Zinsen seit 21. April 2018, angetragen. Die Beklagte hat die von ihr erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für wirksam gehalten. In den –unwidersprochen gebliebenen – Falschangaben der Ehefrau in ihrem Versicherungsantrag durch unterlassene Angabe zahlreicher Behandlungen schwerwiegender Erkrankungen und erheblicher Arbeitsunfähigkeitszeiten, die – ebenfalls unstreitig – für die Entscheidung über die Annahme des Antrages relevant gewesen seien, sei eine arglistige Täuschung der Versicherungsnehmerin über ihren Gesundheitszustand zu erblicken. Die Anfechtung habe aufgrund der ihr vorgelegten Vollmacht wirksam gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie angesichts § 8 Abs. 9 ihrer AVB auch gegenüber der Zessionarin erklärt werden dürfen.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag bestünden nicht, weil dieser infolge der von der Beklagten erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig sei. Die von der Versicherungsnehmerin bei Antragstellung verschwiegenen Behandlungen, auf die die Beklagte nach Kenntniserlangung im Rahmen der Leistungsprüfung ihre Anfechtung zulässigerweise gestützt habe, beträfen schwere oder chronische Erkrankungen, deren Verschweigen mangels nachvollziehbarer Erklärungen des sekundär darlegungsbelasteten Klägers hier nur durch Arglist zu erklären sei. Die Anfechtungserklärung habe aufgrund der vorgelegten Vollmacht zulässigerweise an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtet werden dürfen.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein in erster Instanz erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter. Er beharrt zunächst auf der Ansicht, die Anfechtung sei schon mangels Zuganges beim Anfechtungsgegner unwirksam. Darüber hinaus behauptet er jetzt auch, die Gesundheitsangaben seien nicht von der Versicherungsnehmerin gemacht worden, sondern von dem Kläger, der diese selbst damals am Computer ausgefüllt und damals keine Kenntnis von den jetzt bekannt gewordenen Umständen gehabt habe; mit diesem Vortrag erfülle er seine vom Landgericht ohne den zuvor gebotenen Hinweis vermisste sekundäre Darlegungslast zur Arglist. Unzutreffend sei auch die Annahme des Landgerichts, dass die Beklagte den Antrag bei wahrheitsgemäßer Information nicht oder nicht zu den gleichen Bedingungen angenommen hätte und dass dies sogar auf der Hand läge; dagegen spreche schon, dass die Ehefrau des Klägers an einer ganz anderen Krankheit verstorben sei. Schließlich meint er, die vom Landgericht problematisierte Frage einer Verwertung von personenbezogenen Gesundheitsdaten zur Ermittlung von Falschangaben müsse im Rahmen der gebotenen Abwägung zu einem Beweisverwertungsverbot führen, zumal die eingeholte Schweigepflichtentbindungserklärung der Versicherungsnehmerin nicht die Anforderungen an das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfülle.

Der Kläger beantragt (Bl. 134 GA):

Unter Abänderung des am 22. Mai 2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az. 14 O 194/18, wird die Beklagte verurteilt,

1. an die Sparkasse S., … …, … S., 170.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. April 2018 zu zahlen;

2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.313,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21. April 2018 zu zahlen;

sowie vorsorglich (Bl. 136 GA): Die Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH, um zu prüfen, ob eine solche Interpretation des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überhaupt europarechtskonform ist.

Der Beklagte beantragt (Bl. 143 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend darauf aufmerksam, dass unbeschadet der zweitinstanzlichen – von ihr bestrittenen – Behauptungen des Klägers zur Antragstellung und zur Kenntnis von den Gesundheitsangaben die Versicherungsnehmerin nach Stellung des Online-Antrages entsprechend dem darin beschriebenen weiteren Verfahren – unstreitig – eine von ihr am 11. Februar 2015 unterzeichnete „Antragsbestätigung/Zusatzerklärung“ (Bl. 152 ff. GA) eingereicht habe, in der sie die Angaben aus ihrem Online-Antrag einschließlich der darin aufgeführten Einwilligung in die Erhebung von Gesundheitsdaten ausdrücklich bestätigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 10. April 2019 (Bl. 76 ff. GA) sowie des Senats vom 5. Februar 2020 (Bl. 176 f. GA) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Kläger günstigere Entscheidung. Der vom Kläger aufgrund einer ihm erteilten Ermächtigung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Sparkasse S. als Abtretungsempfängerin geltend gemachte Anspruch aus dem Bezugsrecht besteht nicht. Vielmehr hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass die Beklagte ihre auf den Abschluss des Versicherungsvertrages Nr. … gerichtete Willenserklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat (§ 22 VVG, § 123 BGB), weshalb dieser Vertrag als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB) und Leistungsansprüche daraus nicht hergeleitet werden können.

1.

Die Beklagte hat in den beiden gleichlautenden Schreiben vom 29. Mai 2017 (Bl. 14 ff., 60 ff. GA) rechtswirksam die Anfechtung des Versicherungsvertrages erklärt, weil sie aus Anlass des Vertragsschlusses durch den Versicherungsnehmer arglistig über dessen Gesundheitszustand getäuscht worden ist (§ 22 VVG, § 123 BGB).

a)

Die Versicherungsnehmerin hat bei Beantragung des Versicherungsvertrages im Februar 2015 wesentliche, von ihr ausdrücklich in Textform erfragte gefahrerhebliche Umstände verschwiegen. Sie hat die in dem Antragsformular der Beklagten gestellten Gesundheitsfragen in mehrfacher Hinsicht unrichtig beantwortet und sich diese unzutreffenden Antworten mit der Antragsbestätigung vom 11. Februar 2015 auch nochmals zu eigen gemacht, dadurch zugleich gegen ihre vorvertragliche Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 VVG verstoßen und die Beklagte objektiv über Tatsachen getäuscht, die für die Annahmeentscheidung erheblich waren:

aa)

Eine objektive Täuschung, die das Erregen oder Aufrechterhalten eines Irrtums bei der Beklagten voraussetzt, bestand hier, wie das Landgericht völlig zu Recht annimmt, in der mehrfach unzutreffenden Beantwortung der Antragsfragen nach in den vorangegangenen fünf Jahren erfolgten Untersuchungen, Behandlungen, oder Beratungen wegen einer oder mehrerer Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden. Denn die Ehefrau des Klägers befand sich ausweislich eines Krankenkassenauszuges unstreitig in der Zeit vom 25. Mai 2010 bis zum 28. Januar 2015 wiederholt in ärztlicher Behandlung, insbesondere wegen Asthma bronchiale (drei Einträge am 25. Mai, 6. September und 23. November 2010), wegen Neurasthenie (drei Einträge am 4. Mai und 11. August 2010 sowie am 18. Oktober 2011) und wegen verschiedener psychischer Diagnosen (insbes. mehrfach wegen schwerer depressiver Episode vom 6. bis 26. September 2011 und vom 27. Oktober bis 29. Dezember 2011, wegen leichter depressiver Episode am 16. Dezember 2013, im Übrigen seit 11. Januar 2012 in regelmäßigen Abständen wegen Angststörung; insgesamt acht Einträge bis 28. Januar 2015). Insbesondere die Art und das Ausmaß der Erkrankung auf psychischem Gebiet wurden durch eine fachärztliche Auskunft vom 27. April 2017 (Anlage B4) bestätigt. Darüber hinaus bestanden unstreitig mehrfach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, so vom 9. bis 27. Mai 2011 wegen Neurasthenie und vom 27. Juni 2011 bis 22. Januar 2012 wegen rezidivierender depressiver Störung mit teilweise schwerer Episode. Die der Versicherungsnehmerin gestellten Fragen zu Krankheiten, Störungen oder Beschwerden von Lunge, Bronchien, Zwerchfell (z.B. u.a. Asthma) oder der Psyche (z.B. u.a. Angststörung, Depression) wurden jedoch in dem Antrag sämtlich verneint, was nicht der Wahrheit entsprach und daher eine objektive Täuschung der Beklagten bei Antragstellung begründet.

bb)

Das Vorliegen einer Täuschung wird durch den – erstmals im Berufungsrechtszug geltend gemachten – Einwand des Klägers, nicht die Versicherungsnehmerin, seine Ehefrau, sondern er selbst habe die Antragsfragen ausgefüllt, und er habe von den erfragten Behandlungen keine Kenntnis gehabt, nicht in Frage gestellt. Zwar gehört nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die positive Kenntnis des Versicherungsnehmers von den anzuzeigenden Umständen zum objektiven Tatbestand der Anzeigeobliegenheit, den der Versicherer zu beweisen hat (BGH, Beschluss vom 25. September 2019 – IV ZR 247/18, VersR 2020, 18). Auch erfordert der Nachweis einer objektiven Täuschung durch den Versicherungsnehmer ein diesem zurechenbares Verhalten, durch das auf Seiten des Versicherers ein Irrtum erregt oder aufrechterhalten wird; hat dagegen ein Dritter die Täuschung verübt, ist die Anfechtung nur unter den weitergehenden Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB zulässig. Beides hindert hier die Annahme einer Täuschung aber nicht:

(1)

Im Streitfall stand erstinstanzlich außer Streit, dass die Versicherungsnehmerin, die von den anzuzeigenden Behandlungen unstreitig und unzweifelhaft Kenntnis hatte, die Antragsfragen selbst beantwortet hatte, mithin die Beklagte dadurch selbst getäuscht hatte. Dementsprechend ist im Tatbestand des angefochtenen Urteils, dessen Berichtigung nicht beantragt worden ist (vgl. § 314 ZPO), festgestellt worden, dass die Ehefrau des Klägers am 9. Februar 2015 online bei der Beklagten den Abschluss des Vertrages beantragt hatte. Das mit der Berufungsbegründung vorgebrachte anderslautende bestrittene Vorbringen des Klägers, die Gesundheitsangaben seien nicht von der Versicherungsnehmerin gemacht worden, sondern von ihm selbst, der diese selbst damals am Computer ausgefüllt und damals keine Kenntnis von den jetzt bekannt gewordenen Umständen gehabt habe, ist deshalb ein neues Angriffsmittel (§ 531 Abs. 2 ZPO), das hier an sich schon mangels Zulassungsgrundes außer Betracht bleiben muss. Denn es betrifft weder einen Gesichtspunkt, den der vom Landgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, noch legt der Kläger schlüssig dar, dass dieses neue Vorbringen infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, oder dass das Versäumnis nicht auf seiner Nachlässigkeit beruht. Soweit er allein einen fehlenden Hinweis des Erstgerichts auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast vermisst, beträfe eine solches etwaiges Versäumnis allein die – weitere – Frage der Arglist und nicht das hier in Rede stehende, davon zu unterscheidende Tatbestandsmerkmal einer objektiven Täuschung durch den Vertragspartner. Davon abgesehen, hat der Kläger in seiner Anhörung (§ 141 ZPO) vor dem Senat aber eingeräumt, dass unbeschadet seiner eigenen behaupteten Mitwirkung auch die Versicherungsnehmerin am Ausfüllen des Online-Antrages maßgeblich beteiligt gewesen ist. Er hat angegeben, den Antrag am Computer ausgefüllt zu haben; seine Ehefrau sei dabei gewesen und sei die Fragen mit ihm gemeinsam durchgegangen; er habe diese dann entsprechend ihren Angaben beantwortet. Der Kläger hat auf Nachfragen auch klargestellt, dass die Fragen von der Versicherungsnehmerin im Einzelnen zur Kenntnis genommen worden sind. Deshalb besteht auch auf Grundlage der in zweiter Instanz geänderten Darstellung zum Ablauf an der objektiven Falschbeantwortung der Fragen durch die Versicherungsnehmerin kein Zweifel. Denn die Einschaltung einer Hilfsperson bei der Beantwortung von Antragsfragen ändert nichts daran, dass eine in diesem Zusammenhang begangene Täuschung dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden müsste (§ 166 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 – IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465; Urteil vom 29. November 1989 – IVa ZR 257/88, RuS 1990, 95; RG, Urteil vom 28. März 1930 – VII 436/29, RGZ 128, 116; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 24 ff.). Ohnehin liegen eigene Falschangaben durch den Versicherungsnehmer auch dann vor, wenn dieser – wie hier – die Fragen selbst zur Kenntnis nimmt und beantwortet und seine Antworten lediglich – wie hier – von einer anderen Person in das Antragsformular übernommen werden (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 26; vgl. auch Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91, für den Fall, dass sich der Versicherungsnehmer das ohne seine Mitwirkung ausgefüllte Antragsformular durch Unterzeichnen zu eigen macht).

(2)

Darüber hinausgehend, steht auf der Grundlage des vom Senat im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhaltes, der auch neues unstreitiges – und schon deshalb nicht präkludiertes – Vorbringen der Beklagten einschließt (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138), fest, dass die Versicherungsnehmerin sich die Falschangaben aus dem Online-Antrag, ohne Rücksicht auf dessen genaues Zustandekommen, jedenfalls dadurch zu Eigen gemacht hat, dass sie am 11. Februar 2015, zwei Tage nach Ausfüllen des Online-Antrages und Erhalt des Versicherungsscheines, eine entsprechende „Antragsbestätigung/Zusatzerklärung“ (Bl. 152 ff. GA) unterzeichnet hat. Diese schloss mit einer ausdrücklichen Erklärung der Versicherungsnehmerin, wonach sie hiermit „die in der Antragskopie beschriebenen Angaben in meinem Online-Antrag, einschließlich die eventuell in dieser Antragsbestätigung von uns dokumentierten Änderungen bzw. Ergänzungen“ bestätigte und „insbesondere“ erklärte, „die Risiko- und Gesundheitsfragen im Online-Antrag nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig beantwortet“ zu haben (Bl. 156 GA). Dadurch hat die Versicherungsnehmerin zum Ausdruck gebracht, dass sie die in dem Online-Antrag enthaltenen Erklärungen insbesondere zu ihrem Gesundheitszustand als eigene Erklärungen gegen sich gelten lassen wolle. Zugleich folgt auch daraus, dass der nach seiner neuerlichen Behauptung am Vertragsschluss beteiligte Kläger nicht als Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB anzusehen wäre und die Versicherungsnehmerin sich etwaige von diesem unter fremdem Namen verübte Täuschungshandlungen als eigene zurechnen lassen müsste (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 – IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465; Urteil vom 17. November 1978 – V ZR 210/74, WM 1979, 235; Ellenberger, in: Palandt, BGB 79. Aufl. § 123 Rn. 13).

b)

Diese objektive Täuschung der Beklagten durch die Versicherungsnehmerin über deren Gesundheitszustand ist auch arglistig geschehen.

aa)

Arglistiges Handeln ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 – IV ZR 161/03, VersR 2004, 1297; Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510; OLG Hamm, VersR 2017, 808). Der Versicherungsnehmer muss erkennen und billigen, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937; Senat, a.a.O.; Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91).

(1)

Der Begriff der Arglist erfasst nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, 463). Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937; Senat, Urteil vom 1. Februar 2006 – 5 U 207/05-17, VersR 2006, 1482). Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen immer oder nur in der Absicht geschieht, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, gibt es nicht (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 338; Senat, Urteil vom 9. September 2009 – 5 U 510/08-93, VersR 2009, 1479; Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11-57, VersR 2013, 1157). Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 338; Senat, Beschluss vom 19. Juli 2006 – 5 W 138/06-46, NJW-RR 2006, 1467).

(2)

Da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt, ist der Beweis in der Praxis meist nur aufgrund von Indizien zu führen. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht es, wenn dieser Erkrankungen verschweigt, die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten, wie namentlich schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen (Senat, Urteil vom 9. November 2005 – 5 U 50/05-6, VersR 2006, 681; Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11-57, VersR 2013, 1157). Indizien für ein arglistiges Handeln sind weiter, dass der Antragsteller Störungen nicht angibt, die noch relativ kurz vor Antragstellung bestanden haben, oder dass er zwar weniger schwere oder länger zurückliegende Erkrankungen angibt, zeitnähere oder erheblich schwerer wiegende hingegen verschweigt (Senat, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 5 U 82/05-9, VersR 2006, 824; Urteil vom 10. August 2011 – 5 U 509/10-79). Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände – auch Untersuchungen und ärztliche Behandlungen – stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2013, 869). Liegen – wie hier – objektive Falschangaben vor, so ist es überdies Sache des Anspruchstellers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2007 – IV ZR 103/06, VersR 2008, 242; Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510 und vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91).

bb)

Das Landgericht hat unter Beachtung dieser Grundsätze im Streitfall zu Recht erhebliche und durchgreifende Indizien festgestellt, die auch nach Auffassung des Senats die Annahme eines arglistigen Verschweigens von Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden und mit diesen im Zusammenhang stehenden Untersuchungen oder Behandlungen rechtfertigen. Der Senat ist unbeschadet der hiergegen mit der Berufung erhobenen Einwände bei umfassender Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die objektiv unrichtigen Angaben vorliegend bewusst getätigt wurden, um die Beklagte über den Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin zu täuschen und den beabsichtigten Vertragsabschluss nicht zu gefährden:

(1)

Dafür sprechen hier schon Art, Dauer und Ausmaß der verschwiegenen Umstände, insbesondere die zunächst über rund sechs Monate ärztlich behandelte Atemwegserkrankung und sodann die über mehrere Jahre hinweg erfolgten Behandlungen wegen Krankheiten der Psyche. Vor allem bei Letzteren handelte es sich offenkundig um lang anhaltender, wiederkehrender Behandlungen bedürfende Beschwerden, die auch aus Sicht der Versicherungsnehmerin erhebliche Gefahrumstände darstellten. So befand diese sich im Jahre 2011 – unstreitig – zwei Mal über mehrere Wochen hinweg in fachärztlicher Behandlung wegen schwerer depressiver Episoden. Hieraus resultierten langfristige Arbeitsunfähigkeitszeiträume von mehr als sechs Monaten (vom 27. Juni 2011 bis zum 22. Januar 2012). Auch danach und bis zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrages erfolgten weitere Behandlungen wegen Angststörung bzw. leichter depressiver Episode in regelmäßig wiederkehrenden Abständen, zuletzt sogar nur wenige Tage vor der Antragstellung, am 28. Januar 2015. Dass das Wissen um diese Umstände, von denen die Versicherungsnehmerin zweifelsfrei Kenntnis hatte, schon angesichts der in Rede stehenden Beschwerden für die Beklagte als Risikoversicherer von Bedeutung war, musste sich der Versicherungsnehmerin bei dieser Sachlage aufdrängen. Die Erheblichkeit psychischer Beschwerden ist in der Bevölkerung allgemein bekannt, zumal darüber verbreitet berichtet wird und diese auch in der jüngeren Zeit zugenommen haben sollen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510). Dass die Versicherungsnehmerin spürbar beeinträchtigt war, zeigt sich schon in den erheblichen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Solche Umstände sind auch aus Sicht eines Laien nicht mehr als belanglos anzusehen. Hinzu kommt, dass die wahrheitswidrigen Angaben nicht einen einzigen Vorgang betrafen, der u.U. auch schon länger zurücklag und daher möglicherweise hätte vergessen werden können, sondern die dauerhafte, regelmäßig wiederkehrende, erst wenige Tage zuvor letztmalig erfolgte Behandlung einer schweren, chronischen Erkrankung. Schließlich springt ins Auge, dass die Versicherungsnehmerin auf die Frage nach ihrem Hausarzt bzw. dem am besten über ihre Gesundheitsverhältnisse informierten Arzt lediglich Herrn Dr. J., Neunkirchen, mit dem Zusatz „Hausarzt“ angab, nicht hingegen ihren behandelnden Facharzt für Psychiatrie M. Pf. (Anlage B4), was unter den gegebenen Umständen wesentlich näher gelegen, bei der Beklagten aber zweifelsfrei auch aus Sicht der Versicherungsnehmerin Anlass zur Nachfrage gegeben hätte. Das Verhalten der Versicherungsnehmerin, die entsprechenden Fragen mit „nein“ zu beantworten, dadurch erhebliche Erkrankungen wahrheitswidrig zu verschweigen und auch jegliche Angaben zu vermeiden, die einen solchen Verdacht erwecken könnten, ist bei lebensnaher Betrachtung nur dadurch zu erklären, dass sie den beabsichtigten Vertragsschluss nicht durch Offenlegung der wahren Umstände gefährden wollte.

(2)

Plausible Erklärungen, die den Vorwurf der Arglist entkräften könnten, hat das Landgericht hier auf der Grundlage des ihm unterbreiteten Sachverhaltes zu Recht nicht gesehen; auf die entsprechende Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Solche werden auch mit der Berufung nicht vorgebracht, weshalb der Vorwurf des Klägers, das Landgericht habe ihn nicht ausreichend auf seine sekundäre Darlegungslast hingewiesen, unbeschadet der beklagtenseits in Zweifel gezogenen Existenz einer solchen Hinweispflicht von vornherein ins Leere geht. Denn die Rüge, das Erstgericht habe Hinweispflichten verletzt, kann nur dann Erfolg haben, wenn gleichzeitig ausgeführt wird, wie die betreffende Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen und welche rechtlichen Ausführungen sie in diesem Fall gemacht hätte; der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden (BGH, Beschluss vom 24. April 2008 – I ZB 72/07, GRUR 2008, 1126; Senat, Urteil vom 11. April 2018 – 5 U 28/17, GesR 2018, 531; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung 33. Aufl., § 139 ZPO Rn. 20). Daran fehlt es hier. Die neuerliche Behauptung des Klägers, nicht die Versicherungsnehmerin habe die Gesundheitsangaben im Online-Antrag gemacht, sondern er selbst, vermag die wahrheitswidrigen Angaben nicht nachvollziehbar zu erklären und entkräftet den Arglistvorwurf aus mehreren Gründen nicht. Zum einen müsste sich der Kläger, sollte er unter dem Namen seiner Ehefrau gehandelt haben, vorwerfen lassen, ungeprüfte „Angaben ins Blaue hinein“ gemacht zu haben, was arglistig und der Versicherungsnehmerin zuzurechnen wäre (§ 166 BGB). Das arglistige Verhalten läge dann gerade darin, dass dem Erklärenden, was ihm auch bewusst war, jegliche zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlte und er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschwieg (Senat, Urteil vom 6. Oktober 2010 – 5 U 88/10-16, VersR 2011, 1511; vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1980 – IVa ZR 1/80, NJW 1980, 2460; Urteil vom 11. Mai 2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326). Indes war nach den Angaben des Klägers vor dem Senat die Versicherungsnehmerin an dem Ausfüllen des Online-Antrages selbst beteiligt; die Fragen sollen, wie der Kläger zuletzt selbst geschildert hat, entsprechend ihrer Angaben beantwortet worden sein. Dass diese von ihren Erkrankungen und den Behandlungen Kenntnis hatte und diese selbst bewusst verschwieg, kann dementsprechend nicht zweifelhaft sein. Zudem hat die Versicherungsnehmerin, indem sie am 11. Februar 2015 die Antragsbestätigung unterschrieb, erneut selbst versichert, die in dem Online-Antrag gestellten Risiko- und Gesundheitsfragen nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig beantwortet zu haben (Bl. 156 GA). Auch dadurch hat sie sich die in dem Online-Antrag getätigten Angaben, deren Unrichtigkeit ihr bekannt war, zu Eigen gemacht. Dass es ihr darauf ankam, dies zu bekunden, folgt schon daraus, dass sie aufgrund des entsprechenden Hinweises in dem Formular wusste, dass dessen Eingang bei der Beklagten Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages war. Sollte sie dagegen die Antragsbestätigung ungeprüft unterzeichnet haben, wäre auch das als Arglist zu werten. Denn für eine arglistige Täuschung genügt es, dass sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis angabepflichtiger Umstände arglistig entzieht und „blindlings“ wichtige Umstände verschweigt (Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91; KG VersR 2007, 381; Langheid, in: Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl., § 22 Rn. 8; Rolfs in: Bruck/Möller, VVG 9. Aufl., § 22 Rn. 22; allgemein BGH, Urteil vom 6. November 2007 – XI ZR 322/03, NJW 2008, 644). Dem steht der Fall gleich, dass der Versicherungsnehmer mit seiner Unterschrift eine eigene Erklärung zu den Gesundheitsfragen abgibt, obwohl ihm der diesbezügliche Inhalt des Formulars zu diesem Zeitpunkt unbekannt gewesen sein soll. Er nimmt hier nämlich in Kauf, dass der Versicherer letztlich nicht zutreffend informiert wird und dadurch Nachteile erleidet (Senat, a.a.O.; OLG Frankfurt, VersR 2005, 1136; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 26).

(3)

Der zuletzt nochmals erneuerte Hinweis des Klägers, die Versicherungsnehmerin sei doch gar nicht an den verschwiegenen Erkrankungen verstorben, sondern einem Krebsleiden erlegen, das bei Antragstellung noch nicht vorgelegen habe, ändert an dieser Betrachtung nichts. Für die Versicherungsnehmerin war im Zeitpunkt ihrer Erklärung nicht vorhersehbar, aus welchen Gründen später einmal der Versicherungsfall – möglicherweise – eintreten würde. Ob dessen Eintritt mit verschwiegenen Umständen nicht in Zusammenhang steht, kann immer nur nachträglich beurteilt werden; soweit das nicht der Fall ist, lässt das nicht den Schluss darauf zu, die Versicherungsnehmerin habe deswegen andere, ihr bei Antragstellung bekannte und verschwiegene Gefahrumstände als nicht risikorelevant angesehen oder gar nicht als solche ansehen dürfen. Vielmehr ist für die Wertung, ob ein Verschweigen arglistig geschah, immer allein die Kenntnis des Antragstellers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich (vgl. Ellenberger, in Palandt a.a.O. § 123 Rn. 11). Auf das Vorliegen von Kausalität zwischen den verschwiegenen Umständen und dem Eintritt des Versicherungsfalles kommt es – anders als im Falle des Rücktritts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 VVG – bei der arglistigen Täuschung nach § 22 VVG, § 123 BGB ebenfalls nicht an (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 2 VVG; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – IV ZR 140/08, VersR 2010, 97).

c)

Die arglistig verschwiegenen Umstände sind für die Annahmeentscheidung der Beklagten auch ursächlich gewesen:

aa)

Die arglistige Täuschung muss für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 337; Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187), wobei Mitursächlichkeit genügt (OLG Hamm, VersR 2017, 808). Darlegungs- und beweisbelastet für die Ursächlichkeit der Täuschung ist der Versicherer. Der Kausalitätsnachweis kann prima facie geführt werden (Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 VVG Rn. 46): Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94, VersR 1995, 1496). Wird dies vom Versicherungsnehmer substantiiert in Abrede gestellt, muss der Versicherer den entsprechenden Nachweis führen. Einfluss auf die Annahmeentscheidung des Versicherer ist gegeben, wenn der Getäuschte die Vertragserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht, mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben hätte (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11-57, VersR 2013, 1157; Knappmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 14 Rn. 160; Müller-Frank, in: MünchKomm-VVG 2. Aufl., § 22 Rn. 22). Dies ist offenkundig, wenn die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände „auf der Hand liegt“ (Senat, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – IV ZR 26/06, VersR 2009, 529). Fehlt es daran, muss der Versicherer unter Offenlegung seiner Geschäftsgrundsätze darlegen und ggf. beweisen, dass der Vertrag bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände nicht oder mit welchem abweichenden Inhalt er in diesem Fall zustande gekommen wäre (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 VVG Rn. 46; Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91).

bb)

Im Streitfall hat die Beklagte schon erstinstanzlich dargelegt, ohne dass der Kläger dem auch nur ansatzweise entgegengetreten wäre, dass der Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen wäre, wenn die Ehefrau des Klägers im Rahmen ihres Versicherungsantrages bei den Gesundheitsfragen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte (Bl. 26 GA). Bei diesem eher rudimentären Vortrag zur Kausalität der Täuschung durfte sie es mangels konkreter Erwiderung des Klägers hierauf auch bewenden lassen, denn die Anforderungen an die Substanz eines Sachvortrages können niemals absolut aufgestellt werden, sondern hängen immer auch von der Einlassung des Prozessgegners ab. Unterbleibt diese wie hier vollständig, so wird auch nicht näher substantiierter Sachvortrag unstreitig. Weitergehender Ausführungen der Beklagten zu den Grundsätzen der Risikoprüfung vor Antragsannahme bedurfte es deshalb hier nicht. Dessen unbeschadet, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt, dass es sich bei den verschwiegenen Umständen, insbesondere soweit es um Krankheiten der Psyche und darauf gestützte – erhebliche – Behandlungs- und Arbeitsunfähigkeitszeiträume geht, auch um solche handelt, bei denen die Gefahrerheblichkeit für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegt. Es ist allgemein bekannt, dass Depressionserkrankungen, wie sie auch hier in Rede stehen, das Risiko des Eintritts des Versicherungsfalles – etwa durch Selbsttötung, die nach Ablauf der in § 161 VVG bestimmten Frist vom Versicherungsschutz umfasst ist – maßgeblich erhöhen und der Lebensversicherer dieses nicht, jedenfalls nicht zu unveränderten Konditionen im Verhältnis zu gesunden Versicherungsnehmern, tragen will. Deshalb hat das Landgericht vollkommen zu Recht angenommen, dass die arglistige Täuschung für den Vertragsabschluss ursächlich gewesen ist. Dass der Kläger diese Feststellungen mit der Berufung als „nicht zutreffend“ bezeichnet, ändert daran nichts. Ohnehin könnte er den zu Grunde liegenden – unstreitigen – Vortrag der Beklagten zweitinstanzlich nicht mehr wirksam bestreiten; denn Gründe, solches Vorbringen jetzt zuzulassen, bestehen nach Maßgabe des § 531 Abs. 2 ZPO nicht. Davon abgesehen, sind die von ihm angeführten Erwägungen, insbesondere der Verweis auf § 21 VVG, kein Grund, die die offenkundige Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände in Frage zu stellen, weil diese allein nach objektiven Kriterien festzustellen ist und nicht davon abhängt, ob sich ein bestimmtes Risiko im Nachhinein auch verwirklicht hat.

d)

Der erstmals mit der Berufung ausdrücklich geltend gemachte Einwand des Klägers, die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch die Beklagte sei rechtswidrig gewesen, steht der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht entgegen. Ein solcher Verstoß kann hier bereits nicht festgestellt werden; überdies wären die erlangten Daten jedenfalls verwertbar:

aa)

Der im Jahre 2015 von der Versicherungsnehmerin gestellte Versicherungsantrag enthielt neben der Erklärung über die Abfrage von Gesundheitsdaten durch die Beklagte zur Risikobeurteilung und zur Prüfung der Leistungspflicht auch eine weitere Erklärung der Versicherungsnehmerin für den Fall ihres Todes. Darin erteilte diese für den Fall des Todes ihre Einwilligung „in die Erhebung meiner Gesundheitsdaten bei Dritten zur Leistungsprüfung bzw. einer erforderlichen erneuten Antragsprüfung“; sie willigte außerdem ein, dass die Beklagte „– soweit es für die Leistungsfallprüfung erforderlich ist –„ ihre Gesundheitsdaten bei den darin im Einzelnen benannten Stellen (u.a. Ärzten, Pflegepersonen, Bediensteten von Krankenhäusern, sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen, Personenversicherern, gesetzlichen Krankenkassen; vgl. § 213 Abs. 1 VVG) erhebt und für diese Zwecke verwendet. Die vorbezeichneten Stellen wurden von der Schweigepflicht befreit, „soweit meine zulässigerweise gespeicherten Gesundheitsdaten aus Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen sowie Versicherungsanträgen und -verträgen aus einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor Antragstellung“ an die Beklagte übermittelt werden (Seite 6/9 d. Anlage B1). Eine entsprechende Erklärung enthielt auch die von der Versicherungsnehmerin am 11. Februar 2015 eigenhändig unterzeichnete „Antragsbestätigung/Zusatzerklärung“ (dort Seite 2/5, Bl. 153 GA). Die mit dieser Maßgabe erteilte Einwilligung der Versicherungsnehmerin in die Datenerhebung erfüllte die Anforderungen des seit 1. Januar 2008 geltenden § 213 Abs. 1 VVG (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11, VersR 2013, 1157; Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91) und begegnet auch im Lichte verfassungsrechtlicher Vorgaben (vgl. BVerfG, VersR 2006, 1669; VersR 2013 1425) keinen durchgreifenden Bedenken. Der beschränkte Umfang der Reichweite der Einwilligung auf die darin explizit genannten Stellen entspricht dem Gesetz. Dass sie allgemein und vom Einzelfall gelöst erteilt wurde, steht ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit nicht entgegen (BGH, Urteil vom 5. Juli 2017 – IV ZR 121/15, VersR 2017, 1129). Dies folgt letztlich auch daraus, dass die – grundsätzlich höchstpersönliche – Entscheidung über die Erteilung der Einwilligung notwendigerweise vor dem Tode der versicherten Person erfolgen muss und deshalb insoweit nicht von späteren Erweiterungen oder Einzelanweisungen abhängig gemacht werden kann (Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 U 89/18, VersR 2020, 91; vgl. auch Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 213 Rn. 7; Voit, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 213 Rn. 11). Dass die Beklagte die Erteilung einer den Vorgaben des § 213 VVG widersprechenden Schweigepflichtentbindung verlangt hätte, kann bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden.

bb)

Davon abgesehen, würde aber auch die bei – unterstellt – rechtswidriger Erlangung von Gesundheitsdaten im Rahmen der Leistungsprüfung vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2017 – IV ZR 121/15, VersR 2017, 1129; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11, VersR 2013, 1157) hier im Ergebnis zu Lasten des Klägers ausfallen. Die Versicherungsnehmerin hat die Beklagte über ihre Gesundheitsverhältnisse arglistig getäuscht und ihr Interesse an einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung erheblich verletzt. Dadurch hat sie in schwerwiegender Weise gegen ihre vorvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Die Beklagte hingegen hätte nach den zugrunde zu legenden Umständen allenfalls unter fahrlässiger Verkennung ihrer rechtlichen Befugnisse gehandelt. Denn die vorliegende, von der Versicherungsnehmerin unterzeichnete Einwilligungserklärung orientierte sich an den Vorgaben des Gesetzes. Die Beklagte durfte sich auf dieser Grundlage jedenfalls für berechtigt halten, erforderliche Auskünfte zu verlangen und, nachdem ihr diese vorliegend durch den Kläger auch zur Verfügung gestellt worden waren, bei ihrer Entscheidung zu verwerten. Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die ihr erteilte Schweigepflichtentbindung treuwidrig dazu missbraucht hätte, systematisch Daten auf unzureichender Einwilligungsgrundlage zu erheben (vgl. Senat, a.a.O.; Urteil vom 6. Oktober 2010 – 5 U 573/09; Eberhard, in: MünchKomm-VVG 2. Aufl., § 213 Rn. 139). Dagegen spricht schon, dass hier lediglich allgemeine Auskünfte der Krankenkasse der Versicherungsnehmerin sowie des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie eingeholt wurden, um deren Erteilung die Beklagte den Kläger routinemäßig gebeten hatte und die ihr daraufhin zur Verfügung gestellt wurden.

cc)

Aus dem Berufungsvorbringen des Klägers ergibt sich ebenfalls nichts für die Annahme eines erheblichen Verstoßes der Beklagten und, infolgedessen, die Notwendigkeit, den vorliegenden Sachverhalt abweichend zu beurteilen. Der wiederholte Hinweis auf das Unterlassen einer stufenweisen Entbindung von der Schweigepflicht und ein daraus seines Erachtens folgendes vorsätzliches Verhalten auch der Beklagten übersieht, dass ein solches Verfahren nach dem Tode des Versicherungsnehmers nicht mehr möglich ist. Andererseits wird es regelmäßig – und so auch hier – im zumindest mutmaßlichen Interesse auch des Versicherungsnehmers liegen, dem Versicherer die zur Fälligkeit der Leistung führenden notwendigen Informationen (vgl. § 14 VVG) zeitnah zur Verfügung zu stellen; daran war im Übrigen offenkundig auch dem Kläger gelegen, der auf die entsprechende Anfrage der Beklagten umgehend reagiert hat und sich dazu angesichts des von seiner Ehefrau zu Lebzeiten erklärten Einverständnisses auch als befugt ansehen durfte. Bei all dem erscheint jedoch das Verhalten der Beklagten, soweit es – unterstellt – rechtswidrig gewesen sein sollte, in einem deutlich milderen Licht als die arglistige Täuschung der Versicherungsnehmerin bei Vertragsschluss, so dass die auf zweiter Stufe vorzunehmende Abwägung auch vor diesem Hintergrund zu Lasten des Klägers ausfallen muss. Für seinen Antrag auf (wörtlich) „die Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH, um zu prüfen, ob eine solche Interpretation des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überhaupt europarechtskonform ist“, bestand hier kein Anlass. Ein solches Vorabentscheidungsverfahren kommt nur in Betracht, wenn sich im Rechtsstreit eine Frage über die Auslegung der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union stellt und eine Entscheidung darüber zum Erlass des Urteils erforderlich ist (vgl. Artikel 267 Abs. 1 und 2 AEUV). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil es allein um die Abwägung von Einzelfallumständen bei der Frage geht, ob personenbezogene Gesundheitsdaten verwertet werden dürfen, was sich vorrangig und abschließend nach § 213 VVG beantwortet (vgl. Voit, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 213 Rn. 7; Rixecker, in: Langheid/Rixecker, a.a.O., § 213 Rn. 2), und eine dem Europäischen Gerichtshof vorbehaltene Auslegung von Gemeinschaftsrecht nicht in Rede steht.

e)

Die Beklagte hat die mit der vorbezeichneten Täuschung begründete Anfechtung ihrer auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung in zwei gleichlautenden Schreiben vom 29. Mai 2017 (Bl. 14 ff., 60 ff. GA) erklärt; diese Erklärung ist dem Kläger rechtzeitig binnen der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB zugegangen, nachdem die Beklagte im Zuge der Leistungsprüfung nach dem Tode der Versicherungsnehmerin erstmals von einzelnen verschwiegenen Behandlungen – und damit von der Täuschung – Kenntnis erlangte (§ 124 Abs. 1 und 2 BGB); auch die 10-Jahres-Frist des § 124 Abs. 3 BGB wurde ersichtlich gewahrt. Dass das für den Kläger bestimmte Anfechtungsschreiben der Beklagten nicht an diesen, sondern an dessen Prozessbevollmächtigte gerichtet war, steht der Annahme, die Erklärung sei dem Kläger als dem richtigen Anfechtungsgegner rechtzeitig zugegangen und dadurch wirksam geworden, ebenfalls nicht entgegen:

aa)

Die Beklagte durfte die Anfechtungserklärung unbeschadet der Sicherungsabtretung der Ansprüche an die Sparkasse S. weiterhin an den – auch schon seinerzeit anwaltlich vertretenen – Kläger richten. Dieser war jedenfalls auch zur Entgegennahme der Anfechtungserklärung als Bezugsberechtigter gemäß § 8 Abs. 9 Buchstabe b der AVB (Bl. 66 GA) empfangsbevollmächtigt. Nach dieser Bestimmung gilt, sofern der Versicherungsnehmer der Beklagten keine andere Person als Bevollmächtigten benannt hat, nach seinem Tod ein Bezugsberechtigter als bevollmächtigt, eine Anfechtungserklärung entgegenzunehmen. Solche Klauseln, die den Versicherer berechtigen, nach dem Tod des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass dieser bestimmte Personen zur Entgegennahme von Willenserklärungen des Versicherers nach Eintritt des Versicherungsfalles bevollmächtigt hat, sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung in einer Lebensversicherung, grundsätzlich rechtlich unbedenklich (BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 – IV ZR 53/17, VersR 2018, 339; Reiff/Schneider, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 6 ALB 2016 Rn. 25). Die Versicherungsnehmerin hatte gegenüber der Beklagten ihren Ehemann als Bezugsberechtigten bestimmt und keinen anderen Bevollmächtigten benannt. Dadurch dass sie die Ansprüche aus der Versicherung sicherungshalber an die Sparkasse abgetreten hatte, ist diese auch nicht alleinige oder vorrangige Empfangsbevollmächtigte im Sinne der Klausel geworden, weil diese sachgerecht nicht dahin ausgelegt werden kann, dass im Fall einer Sicherungszession Bezugsberechtigter nur noch der Sicherungszessionar ist (BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 – IV ZR 53/17, VersR 2018, 339).

bb)

Dem Kläger ist die für ihn bestimmte Anfechtungserklärung der Beklagten, vermittelt durch seine Prozessbevollmächtigten, auch rechtzeitig binnen Jahresfrist zugegangen; dadurch hat die Erklärung Wirksamkeit erlangt.

(1)

Zu Recht hat das Landgericht den fristgemäßen Zugang der Anfechtungserklärung bei dem Kläger schon darin gesehen, dass das Schreiben der Beklagten zeitnah den damals zur außergerichtlichen Vertretung und insbesondere auch zum Empfang von Erklärungen bevollmächtigten späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen ist. Eine Erklärung unter Abwesenden geht ihrem Empfänger auch dann zu und wird gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam, wenn der Zugang bei dem Vertreter des Empfängers erfolgte (§ 164 Abs. 3 BGB; Ellenberger, in: Palandt, a.a.O., § 130 Rn. 8). Im Streitfall durfte die Beklagte bei Abgabe ihrer Anfechtungserklärung die späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgrund der ihr gegenüber zuvor erfolgten Bestellung unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht als empfangsbefugte Vertreter ansehen. Das aus Gründen der Offenkundigkeit erforderliche erkennbare Handeln im fremden Namen folgt für den hier gegebenen Fall einer passiven Stellvertretung bereits daraus, dass die Beklagte ihre Erklärung gegenüber den Prozessbevollmächtigten abgab mit dem erkennbaren Anliegen, diese solle dem Kläger zugehen und ihm gegenüber Wirkung entfalten (vgl. Schubert, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl. § 164 Rn. 244; Ellenberger, in: Palandt, a.a.O., § 164 Rn. 17). Auch die erforderliche Vertretungsmacht hat das Landgericht zu Recht bejaht. Aus der am 12. April 2017 vom Kläger unterzeichneten Vollmachtsurkunde (u.a. Bl. 39 GA), mit der der Kläger den dort aufgeführten Rechtsanwälten in der Angelegenheit „Lehmann/Cosmos“ wegen „Forderung“ eine „außergerichtliche Vollmacht“ erteilt hatte und die diese insbesondere „zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigung) in Zusammenhang mit der oben unter „wegen“ genannten Angelegenheit“ berechtigte, hat es mit überzeugenden, vom Senat geteilten Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Erteilung einer die Entgegennahme der vorliegenden Anfechtungserklärung einschließenden Empfangsvollmacht durch den Kläger gefolgert. Anlass für Zweifel an der Richtigkeit dieser tatsächlichen Feststellungen hat der Senat nicht (vgl. § 529 Abs. 1 ZPO); solche werden auch von der Berufung nicht aufgezeigt. Bei einer einem Rechtsanwalt erteilten außergerichtlichen Vollmacht hängt es von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, zu welchen konkreten Rechtsgeschäften der Bevollmächtigte berechtigt sein soll (BAG, Urteil vom 31. August 1979 – 7 AZR 674/77, AP Nr 3 zu § 174 BGB). Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Vollmachtsurkunde, die ausdrücklich die Entgegennahme einseitiger Willenserklärungen im Zusammenhang mit der im Betreff genannten Angelegenheit einschloss, entspricht anerkannten Grundsätzen und ist nicht zu beanstanden. Da diese der Beklagten zur Kenntnis gegeben worden war, ist maßgebend, wie diese als Erklärungsempfängerin das Verhalten des Vollmachtgebers verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 – XI ZR 218/90, NJW 1991, 3141; Ellenberger, in: Palandt, a.a.O., § 167 Rn. 5). Insoweit rechtfertigte gerade die weite Formulierung – „wegen Forderung“ – in Verbindung mit dem Rubrum und den im Bestellungsschreiben niedergelegten Gründen aus Sicht der Beklagten die Annahme, zur Erklärung der Anfechtung in vorliegender Angelegenheit gegenüber den dazu bevollmächtigten Rechtsanwälten berechtigt zu sein.

(2)

Darüber hinaus steht weiter zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) fest, dass – unbeschadet der Frage einer wirksamen Empfangsvollmacht – die Anfechtungserklärung der Beklagten dem Kläger aber auch in Person rechtzeitig binnen Jahresfrist zugegangen ist. Dazu wäre, da die Anfechtungserklärung nach dem Gesetz formfrei möglich ist (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 32) nicht einmal ein Zugang der verkörperten Erklärung beim Kläger notwendig. Auch eine formlose Übermittlung ihres Inhaltes an den Kläger durch dessen Prozessbevollmächtigten als Erklärungsboten wäre ausreichend, weil eine Willenserklärung nur in der Form zugehen muss, die für ihre Abgabe vorgeschrieben ist (Ellenberger, in: Palandt, a.aO., § 130 Rn. 10; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213). Dafür genügte es hier, dass die Erklärung aus Sicht eines verständigen Empfängers als Anfechtung des Versicherungsvertrages verstanden werden musste (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – IV ZR 58/94, VersR 1995, 648; Ellenberger, in: Palandt, a.a.O., § 143 Rn. 3). Daran, dass der Inhalt der Anfechtungserklärung dem Kläger tatsächlich zugegangen ist, bestehen hier aber keine vernünftigen Zweifel. Dieser hat erstinstanzlich – mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. April 2019 – eingeräumt, diese „nach Ausspruch der Anfechtung“ bevollmächtigt zu haben, ihn „ab diesem Zeitpunkt“ auch „im Anfechtungsverfahren“ zu vertreten (Bl. 80 GA). Das in Bezug genommene Auftragsschreiben, das auf den 30. Juni 2017 datiert und den Eingangsstempel der klägerischen Kanzlei vom 6. Juli 2017 trägt, wurde deutlich innerhalb der Anfechtungsfrist verfasst. Dieser Vortrag und das zum Beleg vorgelegte Schreiben, mit dem überdies eine „außergerichtliche Vollmacht“ übersandt wurde, lassen jedoch nur den Schluss zu, dass dem Kläger die Anfechtungserklärung damals bekannt war, weil andernfalls eine solche Beauftragung keinen Sinn machen würde. Auch deshalb steht fest, dass ihm diese Erklärung der Beklagten auch selbst rechtzeitig zugegangen ist.

f)

Infolge der wirksamen Anfechtung des Versicherungsvertrages ist dieser gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Folglich bestehen aus diesem Vertrag keine Leistungspflichten gegen die Beklagte, so dass der Kläger als Bezugsberechtigter weder zu eigenen Gunsten, noch – wie hier – infolge der Sicherungsabtretung und aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung zugunsten der Zessionarin aus diesem Vertrag Leistungen beanspruchen kann. Ein Anspruch auf die Todesfallleistung in Höhe von 170.000,- Euro besteht infolgedessen nicht, ebenso wenig wie die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen aus diesem Betrag. Die Beklagte schuldet dem Kläger auch nicht die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, weil mangels Hauptforderung kein Rechtsgrund für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte besteht und die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Durchsetzung der Hauptforderung keine zweckentsprechende Rechtsverfolgung darstellte.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 3, 4 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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