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Risiko-Lebensversicherungsvertrag – arglistige Täuschung bei Gesundheitsfragen

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 89/18 – Urteil vom 26.06.2019

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. Oktober 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 266/17 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch aus einer Risiko-Lebensversicherung sowie Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten bei Abschluss dieses Vertrages.

Der am 23. Juni 2017 infolge eines Lungenkarzinoms verstorbene Ehemann der Klägerin unterhielt für sich und die Klägerin als versicherte Personen bei der Beklagten eine Risiko-Lebensversicherung für zwei verbundene Leben (Versicherungs-Nummer …). Versicherungsbeginn war der 1. November 2015, die garantierte Versicherungssumme betrug 34.783,- Euro, die Laufzeit des Vertrages sollte 10 Jahre betragen (Antrag Bl. 52 GA). Zum 1. November 2017 belief sich die Gesamtleistung einschließlich der Überschussbeteiligung auf 40.000,- Euro (Bl. 67 GA). Widerruflich Bezugsberechtigte im Todesfall war die überlebende versicherte Person. Bereits im Jahre 2010 hatte der Ehemann der Klägerin – im Anschluss an einen ersten, zum 1. Oktober 1999 für die Dauer von elf Jahren abgeschlossenen Vertrag mit der Nummer …, Bl. 15 GA – eine Risikoversicherung bei der Beklagten für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen. Versicherungsbeginn dieses (zweiten) Vertrages war der 1. November 2010 gewesen, die garantierte Versicherungssumme betrug 28.571,- Euro (Bl. 31 GA), die Versicherungsleistung im Todesfall belief sich zzgl. Überschussbeteiligung im Jahre 2010 auf 49.999,- Euro (Bl. 29, 42 GA). Alle Verträge waren durch den Zeugen G., einen Versicherungsvertreter der Beklagten, vermittelt worden.

Das bei Abschluss des zeitlich letzten Vertrages von der Klägerin und ihrem Ehemann unterschriebene Antragsformular vom 26. Oktober 2015 enthielt unter der Überschrift „Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Schweigepflichtentbindungserklärung“ (Bl. 53 f. GA) eine Erklärung zur Abfrage von Gesundheitsdaten bei Dritten, in der unter der Überschrift „Abfrage von Gesundheitsdaten bei Dritten zur Risikobeurteilung und zur Prüfung der Leistungspflicht“ die Möglichkeit eröffnet war, entweder eine „allgemeine Entbindung von der Schweigepflicht“ oder eine „Entbindung von der Schweigepflicht im Einzelfall“ zu erteilen. Durch Ankreuzen war hier von der ersten Möglichkeit Gebrauch gemacht worden. In sich anschließenden „Erklärungen für den Fall Ihres Todes“ heißt es sodann:

Zur Prüfung der Leistungspflicht kann es auch nach Ihrem Tod erforderlich sein, gesundheitliche Angaben zu prüfen. Eine Prüfung kann auch erforderlich sein, wenn sich bis zu zehn Jahre nach Vertragsschluss für den Versicherer konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei der Antragstellung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht wurden und damit die Risikobeurteilung beeinflusst wurde. Auch dafür bedürfen wir einer Einwilligung und Schweigepflichtentbindung.

Für den Fall meines Todes willige ich in die Erhebung meiner Gesundheitsdaten bei Dritten zur Leistungsprüfung bzw. einer erforderlichen erneuten Antragsprüfung ein wie im ersten Ankreuzfeld beschrieben (siehe oben 2.1 – Möglichkeit I).

In einem Fragebogen mit Gesundheitsfragen für die erste zu versichernde Person (Bl. 59 f. GA), der mit „Wichtigen Hinweisen an die zu versichernde Person“ über mögliche Rechtsfolgen fehlerhafter Angaben eingeleitet wurde und den der Ehemann der Klägerin unterzeichnete, fanden sich unter Ziff. 1 mehrere „Fragen an die zu versichernde Person“, u.a.:

„Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten fünf Jahren Krankheiten, Störungen oder Beschwerden …

c) der Atmungsorgane

(z.B. Asthma, chronische Bronchitis, Lungenemphysem, beruflich bedingte Atmungserkrankung, Schlafapnoe)?“

Diese Frage wurde handschriftlich mit „ja“ angekreuzt, alle weiteren Fragen wurden durch Ankreuzen verneint. Nähere Angaben zur Krankheiten, Störungen oder Beschwerden, wurden nicht gemacht. Ebenfalls auf diese Weise verneint wurde die Frage unter Ziff. 2:

„Haben Sie in den letzten fünf Jahren länger als vier Wochen Medikamente eingenommen oder nehmen Sie fortlaufend Medikamente ein?“

Als am besten über die gesundheitlichen Verhältnisse informierter Arzt wurde Dr. E. in … angegeben. Eine – unmittelbar oberhalb der Unterschriftenzeile befindliche – Frage Nr. 16, ob der Versicherte in den letzten 12 Monaten aktiv Zigaretten, Zigarillos, Zigarren oder Pfeifen geraucht bzw. elektronische Rauchgeräte genutzt habe, war schon vorgedruckt mit „nein“ angekreuzt.

Die Beklagte nahm diese Erklärungen zum Anlass, mit einem gesonderten „Fragebogen zu Erkrankungen der Atmungsorgane“ nachzufragen. In einem von dem Ehemann der Klägerin am 31. Oktober 2015 unterzeichneten Formular (Bl. 63 f. GA) wurde auf die Frage, „Welche Krankheiten, Störungen oder Beschwerden aufgrund der Erkrankungen der Atmungsorgane in den letzten 5 Jahren“ bestanden, unter den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten – Asthma bronchiale, Bronchitis, Chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD), Lungenemphysem, Lungenentzündung (Pneumonie), Sonstige, bitte nähere Angaben …“ – nur die Option „Bronchitis“ mit „ja“ angekreuzt, auf die Frage „wann?“ wurde „2014“ angegeben. Zur Frage, wie sich die Beschwerden geäußert hätten, war „starker Husten“ angegeben, die Frage, wie lange diese angedauert hätten, „ca. 3 Wochen“. Die weiteren Fragen, ob in den letzten fünf Jahren eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt worden sei, ob er rauche und ob er in den letzten 5 Jahren wegen der Erkrankung/der Beschwerden länger als zwei Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen sei, wurden verneint. Nach Erhalt dieses Fragebogens fertigte die Beklagte den Versicherungsschein aus.

Im Rahmen der nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin durchgeführten Leistungsprüfung erhielt die Beklagte eine Auskunft des Facharztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. H. vom 16. August 2017 (Bl. 69 f. GA), aus der hervorgeht, dass bei diesem am 29. Januar 2013 eine chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD) diagnostiziert wurde, dass in den Jahren 2013 bis 2016 diesbezüglich wiederholt Behandlungen stattfanden und dass initial Atmadisc forte 50/500, ab 22. April 2013 Formotop 12 und ab 6. August 2015 Ultibro Breezhaler 85 als Medikation verordnet worden war. Zur Frage, ob der Patient jeweils über die Diagnose und die Schwere der Erkrankung informiert wurde, heißt es: „ja, es wurden auch regelmäßig Behandlungsberichte an den Hausarzt versendet, über deren Inhalt Herr St. informiert war“. Zur Frage nach weiteren Erkrankungen wird eine Behandlung am 1. März 2013 wegen eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms erwähnt. Aus einem der Beklagten vorliegenden Bericht dieses Arztes geht hervor, dass es im August 2015 zu einer drastischen Verschlechterung der Lungenfunktion kam und ein FEV1 (forciertes expiratorisches Volumen) in Höhe von 49,4% gemessen wurde. Unter Berufung auf diese Umstände erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 27. September 2017 (Bl. 71 ff. GA) die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zum Vertrag Nr. … und hilfsweise den Rücktritt von diesem Vertrag wegen vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Einer anwaltlichen Aufforderung zur Auszahlung der Versicherungsleistung an die Klägerin kam sie auch in der Folgezeit nicht nach.

Mit ihrer am 8. Januar 2018 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat die Klägerin ihren vermeintlichen Anspruch auf die Todesfallleistung aus dem Vertrag Nr. … geltend gemacht, hilfsweise hat sie Schadensersatzansprüche wegen angeblich fehlerhafter Information und Beratung aus Anlass des vorangegangenen Vertragsabschlusses im Jahre 2010 erhoben. Sie hat behauptet, anlässlich des Beratungsgesprächs mit dem Zeugen G. in dessen Agentur in … sei der Antrag bereits vorbereitet und ausgedruckt gewesen, die Gesundheitsfrage Nr. 16 sei bereits vom Computer ausgefüllt gewesen, was ihr nicht aufgefallen sei. Das Formular sei von dem Zeugen anhand der von ihr abgefragten Angaben ausgefüllt worden, wobei die Gesundheitsfragen bezüglich ihres nicht anwesenden Ehemannes durch den Zeugen nur angerissen, nicht wortwörtlich wiedergegeben, sondern „heruntergerattert“ worden seien. Diese habe sie nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet und dem Zeugen mitgeteilt, dass ihr Ehemann im Jahre 2014 wegen Bronchitis in Behandlung und mehrere Wochen krankgeschrieben gewesen sei, was dieser aber nicht in dem Antrag vermerkt habe; die Diagnose COPD habe sie damals nicht gekannt. Dem Zeugen sei auch mitgeteilt worden, dass ihr Ehemann in der Vergangenheit starker Raucher gewesen sei, im Mai 2015 aber damit aufgehört habe. Ihr Ehemann habe den Antrag später zu Hause unterschrieben, ohne ihn vorher nochmals durchzulesen, weil er davon ausgegangen sei, dass alles bekannt sei und es ja nur um die Verlängerung eines schon bestehenden Vertrags gehe. Entgegen dem Empfangsbekenntnis (Bl. 61 GA) sei eine ausreichende Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG nicht erteilt worden. Auch den späteren Nachfragebogen habe die Klägerin ausgefüllt, wobei sie ihrem Mann die Fragen vorgelesen und die Eintragungen nach dessen Antworten vorgenommen habe. Diesem seien die Diagnose „COPD“ und die Durchführung von Lungenfunktionsprüfungen damals nicht bewusst gewesen, auch sei ihm als Laien der Unterschied zwischen einer Bronchitis und COPD nicht geläufig gewesen, vielmehr sei er vom Vorliegen einer „Raucherbronchitis“ ausgegangen, Medikamente habe er nicht fortlaufend oder über einen längeren Zeitraum hinweg eingenommen. Ohnehin habe die Beklagte vom behandelnden Arzt erlangte Angaben mangels ordnungsgemäßer Schweigepflichtentbindung nicht verwerten dürfen. Vor Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahre 2010 habe der Zeuge G. keine Unterlagen nach § 7 VVG übergeben, lediglich eine fünfjährige Laufzeit des Vertrages empfohlen und nicht hinsichtlich einer möglichen längeren Laufzeit beraten, auch die Beklagte habe die gewählte Laufzeit nicht hinterfragt; bei ordnungsgemäßer Aufklärung und Beratung wäre damals ein Vertrag mit zehn Jahren Laufzeit geschlossen worden. Zuletzt hat die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe im Oktober 2015 gar nicht an COPD gelitten, weil die entsprechenden Merkmale dieser Erkrankung bei ihm nicht vorgelegen hätten (Bl. 155 GA).

Die Beklagte hat behauptet, der Antrag sei auf Wunsch der Klägerin mit „Blanco-Gesundheitsfragen“ ausgedruckt und ohne weitere Erörterung ausgehändigt worden, diesen habe sie am 28. Oktober 2015 unterschrieben zurückgegeben. Über den Gesundheitszustand ihres Ehemanns sei mit dem Zeugen G. nicht gesprochen worden. Entgegen seinen Angaben in dem Nachfragebogen habe der Ehemann der Klägerin seit dem Jahre 2001 an COPD gelitten, diese Diagnose sei ihm durch den behandelnden Arzt mitgeteilt und verständlich erläutert worden. Erst auf ärztlichen Rat vom 7. August 2015 habe er danach das Rauchen eingestellt. Durch seine objektiv falschen, verharmlosenden und letztlich ins Blaue hinein getätigten Angaben habe er bewusst auf die Aufnahmeentscheidung der Beklagten Einfluss nehmen wollen. Bei Kenntnis von der tatsächlichen gesundheitlichen Situation des Ehemanns der Klägerin hätte die Beklagte den Vertrag aus dem Jahr 2015 nicht abgeschlossen. Bei einem FEV1-Wert der aufgezeigten Größenordnung werde der entsprechende Antrag regelmäßig abgelehnt. Allgemein bestehe bei COPD-Patienten über 60 Jahre ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken. Alle aufeinanderfolgenden Verträge mit dem Ehemann der Klägerin seien jeweils auf ausdrücklichen Kundenwunsch wegen der geringeren Kosten mit der vereinbarten kurzen Laufzeit abgeschlossen worden. Anlässlich des Vertragsabschlusses im Jahre 2010 habe der Zeuge G. der Klägerin mehrere Angebote mit unterschiedlichen Laufzeiten unterbreitet, die Klägerin habe sich entgegen der Empfehlung des Zeugen für das Angebot mit fünf Jahren Laufzeit entschieden.

Das Landgericht Saarbrücken hat die Klägerin angehört und den Zeugen G. vernommen. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei leistungsfrei, weil sie den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche scheiterten daran, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine schuldhafte Falschberatung und keine Verletzung einer Pflicht aus § 7 VVG vorliege.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens ihr in erster Instanz erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass es schon am Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht fehle, weil nicht feststehe, dass dem Versicherungsnehmer die Diagnose „COPD“ bekannt gewesen sei. Dass er an dieser Krankheit gelitten habe, stehe ebenfalls nicht fest. Auch den Arglistvorwurf habe das Landgericht nicht in tragfähiger Weise begründet, dabei erheblichen Sachvortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und das aus der rechtswidrigen Datenerhebung folgende Beweisverwertungsverbot missachtet. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Ehemann der Klägerin lediglich vom Vorliegen einer „Raucherbronchitis“ ausgegangen sei. Die rechtzeitige Übergabe der Informationen nach § 7 VVG werde durch das Empfangsbekenntnis nicht nachgewiesen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 199 GA), unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 18. Oktober 2018 wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.590,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 6. September 2018 (Bl. 131 ff. GA) und des Senats vom 12. Juni 2019 (Bl. 334 ff. GA) verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G., M., Dr. H. und Dr. E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Juni 2019 Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Kläger günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO). Unter Berücksichtigung auch der vom Senat ergänzend getroffenen Feststellungen hat die Beklagte ihre auf den Abschluss des Versicherungsvertrages Nr. … gerichtete Willenserklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten (§ 22 VVG, § 123 BGB), weshalb dieser Vertrag als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB) und Leistungsansprüche daraus nicht hergeleitet werden können. Ebenso wenig bestehen Ansprüche der Klägerin unter Schadensersatzgesichtspunkten wegen der Verletzung von Informations- oder Beratungspflichten bei Abschluss des Vertrages Nr. … (§ 6 Abs. 5 VVG, § 280 Abs. 1 BGB) im Jahre 2010.

1.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 27. September 2017 (Bl. 71 ff. GA) rechtswirksam die Anfechtung bezüglich des zeitlich letzten Versicherungsvertrages Nr. … erklärt, weil sie aus Anlass des Vertragsschlusses durch den Versicherungsnehmer arglistig über dessen Gesundheitszustand getäuscht worden ist (§ 22 VVG, § 123 BGB).

a)

Der Versicherungsnehmer hat bei Beantragung des Versicherungsvertrages im Oktober 2015 wesentliche, von ihm ausdrücklich in Textform erfragte und auch nachgewiesenermaßen gefahrerhebliche Umstände verschwiegen. Er hat die in dem Antragsformular der Beklagten und in dem später übersandten Nachfragebogen gestellten Gesundheitsfragen in mehrfacher Hinsicht unrichtig beantwortet, dadurch zugleich gegen seine vorvertragliche Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 VVG verstoßen, die bei entsprechender Nachfrage auch nach Antragstellung bis zur Vertragsannahme fortbesteht, und die Beklagte objektiv über Tatsachen getäuscht, die für die Annahmeentscheidung erheblich waren:

aa)

Eine objektive Täuschung, die das Erregen oder Aufrechterhalten eines Irrtums bei der Beklagten voraussetzt, bestand zunächst darin, dass der Versicherungsnehmer, nachdem er die Frage nach „Krankheiten, Störungen oder Beschwerden … der Atmungsorgane“ in dem Gesundheitsfragebogen schlicht bejaht hatte, die hierzu von der Beklagten gestellten Nachfragen unrichtig beantwortet hat. Auf die Nachfrage, welche „Krankheiten, Störungen oder Beschwerden aufgrund von Erkrankungen der Atmungsorgane…“ in den letzten fünf Jahren bestanden, erklärte er – lediglich – eine „Bronchitis“ und gab hierzu an, diese habe „2014“ vorgelegen. Auf Frage, wie sich die Beschwerden geäußert hätten, gab er „starken Husten“ an, auf Frage, wie lange diese angedauert hätten, „ca. 3 Wochen“. Sämtliche weiteren Fragen verneinte er ausdrücklich; weitere Angaben zu seiner Erkrankung, für die unter dem Stichwort „Sonstige, bitte nähere Angaben“ ausreichend Raum gewesen wäre, tätigte er nicht. Dies entsprach objektiv nicht der Wahrheit. Die Klägerin selbst hat, auch anlässlich ihrer Anhörung durch den Senat, eingeräumt, dass ihr verstorbener Ehemann nicht lediglich im Jahre 2014 an einer dreiwöchigen Bronchitis gelitten hat (Bl. 336 GA). Die objektive Unrichtigkeit der Angabe folgt ferner aus den von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die in den Zeiträumen 21. Oktober bis 4. November 2014 (Bl. 139 GA) und 25. November bis 4. Dezember 2015 (Bl. 130 GA) jeweils längere Krankschreibungen wegen „J40G“ (akute Bronchitis) ausweisen und mit seinen Angaben gegenüber der Beklagten nicht übereinstimmen. Letztlich steht aufgrund der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und der ergänzenden Beweisaufnahme vor dem Senat fest, dass der Versicherungsnehmer über viele Jahre hinweg an einer dauerhaften, schweren Erkrankung der Atemwege litt, die er nach Angaben des behandelnden Lungenarztes Dr. H. von diesem erstmals im Januar 2013 und daran anschließend wiederkehrend behandeln ließ und die dieser als COPD Grad II einordnete, was er dem Versicherungsnehmer nach eigenen, glaubhaften Angaben auch nachvollziehbar vermittelte, indem er ihn insbesondere auf die Ursache des Rauchens und die Notwendigkeit, damit aufzuhören, hinwies, ihm Medikation verordnete und mit ihm über weitere Untersuchungen sprach, die dieser nach seinen Angaben hatte vornehmen lassen. Damit stehen auch die Angaben der Hausärztin Dr. E. im Einklang, die allerdings – ohne dass es entscheidend darauf ankäme – angemerkt hat, der Versicherungsnehmer habe, trotz entsprechender Aufklärung ihrerseits, seine Erkrankung wohl – „nur“ – als chronische Bronchitis eingeordnet und nicht als chronisch obstruktive Bronchitis (Bl. 34a GA). Denn der Versicherungsnehmer hat der Beklagten – trotz ausdrücklicher Nachfrage – nichts von alldem erklärt. Als Empfänger des Frageborgens musste die Beklagte die dortigen Angaben dahin verstehen, dass es sich bei der mitgeteilten dreiwöchigen „Bronchitis“ im Jahre 2014 um eine einmalige, abgeschlossene und mithin belanglos verlaufene Erkältung handelte und nicht, wie ihn Wahrheit, um eine chronische, auch aus Sicht des Versicherungsnehmers mit erheblichen Einschränkungen und Risiken für die Gesundheit verbundene Lungenerkrankung.

bb)

Die objektive Täuschung über das Ausmaß der Erkrankung wird weiter dadurch verstärkt, dass in dem Nachfragebogen auch die Frage nach einzelnen Untersuchungen unrichtig beantwortet worden ist. Die Beklagte hatte dort ausdrücklich danach gefragt, ob „in den letzten fünf Jahren eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt“ worden sei und, wenn ja, welches Ergebnis festgestellt worden sei. Außerdem hatte sie danach gefragt, welche Ärzte (Fachrichtung), etc., der Versicherungsnehmer in Anspruch genommen habe und welcher Arzt über die Erkrankung am besten informiert sei, woraufhin erneut – nur – „Dr. E.“ angegeben wurde. Aus den vorliegenden Unterlagen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgt indes, dass sich der Ehemann der Klägerin seit 2013 nicht nur in regelmäßiger Behandlung durch Herrn Dr. H. befand, sondern dass dieser im fraglichen Zeitraum auch wiederholt Lungenfunktionsprüfungen durchgeführt hatte, die insbesondere im August 2015, kurz vor Beantragung des Versicherungsvertrages, eine deutliche Verschlechterung der Lungenfunktion ergaben (Bl. 339 GA). Auch wurden der Hausärztin hierüber regelmäßig Behandlungsberichte erstattet. Sowohl Herr Dr. H. als auch Frau Dr. E. gaben überdies an, hierüber mit dem Versicherungsnehmer gesprochen zu haben, dem seine Beschwerden und die zu diesem Zweck vorgenommenen Untersuchungen und Behandlungen sowie ihre Bedeutung fraglos bekannt waren. Über all dies verhalten sich seine Antworten in dem Nachfragebogen nicht. Die Beantwortung der Frage nach durchgeführten Lungenfunktionsprüfungen ist objektiv falsch. Die bloße – wiederholte – Angabe (nur) des Hausarztes, obschon die Frage für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar (auch) auf die Angabe der im Zuge der Behandlung der erfragten Erkrankung in Anspruch genommenen (Fach-)ärzte abzielte, ist es ebenso. Darin liegt eine weitere objektive Täuschung der Beklagten, die zugleich die Täuschung über Art und Ausmaß der verschwiegenen Erkrankung verstärkte und bekräftigte, weil diese Angaben ihrerseits geeignet waren, die Vorstellungen der Beklagten über die Schwere der angegebenen Erkrankung zu beeinflussen.

cc)

Auch in dem zugrunde liegenden Antragsformular der Beklagten sind Angaben zu ausdrücklich erfragten Umständen objektiv falsch beantwortet und dadurch ebenfalls der Eindruck vom Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers verfälscht worden. Das gilt insbesondere für die – verneinte – Frage, ob dieser in den letzten fünf Jahren länger als vier Wochen Medikamente eingenommen habe oder fortlaufend Medikamente einnehme. Denn nach Auskunft des behandelnden Arztes Dr. H. war dem Versicherungsnehmer wegen seiner Erkrankung eine dauerhafte Medikation verordnet worden, initial Atmadisc forte 50/500, ab 22. April 2013 Formotop 12 und ab 6. August 2015 Ultibro Breezhaler 85. Der Zeuge hat in seiner Vernehmung ergänzend angeführt, dass die Medikation wiederholt entsprechend dem Behandlungserfolg umgestellt und angepasst wurde. Die Zeugin Dr. E. hat bestätigt, entsprechende Verordnungen aus akutem Anlass ausgestellt zu haben. Bei dieser Sachlage war die Verneinung dieser weiteren Antragsfrage unrichtig.

(1)

Insoweit kann die Klägerin nicht damit gehört werden, ihr Ehemann habe die ihm verordnete Medikation nicht oder jedenfalls nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen, wenn diese ihm zur dauerhaften Einnahme verordnet war. Denn für das Verständnis der Antragsfragen kommt es auf den objektiven Sinn der Frage aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an; entscheidend ist, was „ersichtlich damit gemeint“ ist (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., § 19 Rn. 43) Die ihm gestellte Frage, ob in den letzten fünf Jahren länger als vier Wochen oder auch fortlaufend Medikamente „eingenommen“ wurden, konnte der Ehemann der Klägerin jedoch aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nur dahin verstehen, dass die Beklagte damit wissen wollte, ob diesem dauerhaft oder fortlaufend Medikamente zur Einnahme verordnet wurden und nicht um den – möglicherweise – hiervon abweichenden Entschluss des Versicherungsnehmers, entgegen ärztlichem Rat die verordneten Medikamente nicht einzunehmen.

(2)

Dessen unbeschadet, ist der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass der Ehemann der Klägerin jedenfalls im Jahre 2013 über einen längeren Zeitraum hinweg die ihm ärztlich verordnete Medikation tatsächlich eingenommen hat und diese daher hätte angeben müssen. Denn der Zeuge Dr. H. hat nach Auswertung seiner im Termin vorgehaltenen Patientenkartei davon berichtet, dass nach der erstmaligen Diagnose der Lungenerkrankung und einem ersten sehr negativen Lungenfunktionstest in der Folgezeit vorübergehend eine deutliche Besserung der Lungenfunktion eingetreten ist, was auf die Einnahme der Medikation zurückzuführen sei, weshalb er in der Folge eine Umstellung auf ein nicht kortisonhaltiges Präparat verordnet habe. Der Senat hat daher keine Zweifel daran, dass vom Versicherungsnehmer während eines nicht unerheblichen Zeitraumes Medikamente eingenommen worden sind, und dies selbst wenn die Klägerin – wie sie in ihrer Anhörung beteuert hat – davon nichts bemerkt haben will.

dd)

Letztlich hat der Versicherungsnehmer auch die Frage in dem Antragsformular, ob er in den letzten 12 Monaten aktiv Zigaretten, Zigarillos, Zigarren oder Pfeifen geraucht bzw. elektronische Rauchgeräte genutzt habe, unzutreffend beantwortet. Auch dies entsprach objektiv nicht der Wahrheit. Schon nach dem Vorbringen der Klägerin hat der Versicherungsnehmer erst im Mai 2015 mit dem Rauchen aufgehört; nach den Angaben des Zeugen Dr. H., die durch entsprechende medizinische Feststellungen belastbar begründet wurden und an deren uneingeschränkter Glaubhaftigkeit der Senat keine Zweifel hegt, rauchte er tatsächlich aber auch noch im August 2015, als er sich erneut wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in der Praxis vorstellte.

(1)

Dass die Frage schon in dem Antragsformular vorgedruckt mit „nein“ angekreuzt war, weil, wie von dem Zeugen G. in seiner erneuten Vernehmung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert wurde, der Zeuge diese falsche Angabe aus einem anderen Antrag durch Überschreiben des Formulars versehentlich mit übernommen hatte, steht der Annahme, der Versicherungsnehmer habe die Frage falsch beantwortet, nicht entgegen. Denn unstreitig war der Versicherungsnehmer bei der Erstellung des Antragsformulars nicht zugegen; vielmehr wurde dieses von der Klägerin nur in Empfang genommen und diesem zu Hause zur Unterschrift vorgelegt. Soweit der Versicherungsnehmer sich daraufhin trotz ausreichend vorhandener Möglichkeit, sich in aller Ruhe Kenntnis vom Inhalt des Bogens zu verschaffen und dabei auch Fehler in den Antragsfragen zu korrigieren, diese Antragsfragen nicht noch einmal durchgelesen haben, sondern das Formular schlicht unterzeichnet haben will, hat er sich dessen (unzutreffenden) Inhalt zu eigen gemacht. Die objektiv falschen Angaben zum Rauchen sind daher hier solche des Versicherungsnehmers gewesen. Die darin liegende weitere Täuschung war überdies ebenfalls geeignet, den vorhandenen Irrtum der Beklagten über die gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherungsnehmers noch weiter zu vertiefen, weil schon eine – wie hier – „nur“ als „Bronchitis“ bezeichnete Erkrankungen in der Kenntnis, dass der Betroffene raucht, aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers anders gedeutet wird, als die entsprechende Erklärung eines Nichtrauchers.

(2)

Der Annahme, darin liege eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und infolgedessen auch eine objektive Täuschung der Beklagten, steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellung hier unter Mitwirkung eines Versicherungsvertreters der Beklagten erfolgte und die Klägerin behauptet hat, dieser sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Versicherungsnehmer geraucht, damit aber im Mai 2015 aufgehört habe (Bl. 187 GA). Zwar genügt es zum Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nicht, dass die schriftlichen Antworten auf Antragsfragen objektiv falsch sind, wenn die Fragen – wie hier – von einem Versicherungsvertreter (früher: Agenten) nach den mündlichen Angaben des Versicherungsnehmers ausgefüllt werden. Der Versicherer kann dann allein mit dem Inhalt des vom Versicherungsagenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer falsche Angaben gemacht hat, sofern dieser substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben; maßgeblich für die Frage, ob der Versicherungsnehmer – auch objektiv – falsche Angaben gemacht hat, sind in einem solchen Falle allein die Angaben, die er gegenüber dem Agenten mündlich gemacht hat (sog. „Auge-und-Ohr-Rechtsprechung“, jetzt § 70 Satz 1 VVG; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – IV ZR 508/14, VersR 2018, 85; Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510). Dieser Nachweis ist hier jedoch geführt, denn der Senat erachtet es auf der Grundlage der Aussage des Zeugen G. und der Angaben der Klägerin für erwiesen, dass anlässlich des Vertragsschlusses dem Zeugen gegenüber keine weitergehenden mündlichen Angaben zum Rauchverhalten des Versicherungsnehmers gemacht worden sind. Dieser hat in seiner Vernehmung vor dem Senat nachvollziehbar geschildert, wie es zu dem Ausfüllen des Antrages und der unzutreffenden Vorgabe bezüglich der Antragsfrage gekommen ist und hat angegeben, mit der Klägerin weder über das Rauchen, noch über die anderen Gesundheitsfragen gesprochen zu haben (Bl. 344 GA). Das erscheint schon deshalb plausibel, weil der Fragebogen hinsichtlich der übrigen Gesundheitsfragen vereinbarungsgemäß offen gelassen worden war, damit diese von dem Versicherungsnehmer zu Hause beantwortet werden konnten. Anlass, mit der Klägerin über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers zu sprechen, bestand deshalb aus Sicht des Zeugen nicht. Weshalb dann (nur) über das Rauchen gesprochen worden sein sollte, wie die Klägerin anlässlich ihrer Anhörung auch erst auf weitere Frage des Senats klargestellt hat, erschließt sich bei dieser Ausgangslage nicht.

ee)

Ob – worauf die Klägerin mit ihrer Berufung erneut abhebt – der Versicherungsnehmer tatsächlich an einer – von beiden behandelnden Ärzten allerdings bei ihm diagnostizierten – „chronisch-obstruktiven Bronchitis (COPD)“ litt, ist nicht entscheidend. Die Annahme einer Falschbeantwortung der ihm gestellten Antragsfragen – und damit einer objektiven Täuschung – würde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die bei ihm – unstreitig – vorhanden gewesene Erkrankung keine „chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD)“, sondern „nur“ eine „chronische Bronchitis“ gewesen wäre. Denn für die Annahme einer objektiven Täuschung genügt es, dass der Versicherungsnehmer, was hier unter Berücksichtigung aller Umstände feststeht, entgegen seinen objektiven Angaben nicht (lediglich) im Jahre 2014 an einer ca. 3 Wochen währenden (akuten) Bronchitis erkrankt gewesen ist, sondern über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg an wiederkehrenden erheblichen Beschwerden im Bereich der Atemwege litt. Diesen Umstand, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eindrucksvoll fest steht und den auch die Klägerin zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt hat, hat er verschwiegen. Ohne Rücksicht auf die Frage, wie die Beschwerden medizinisch zutreffend zu klassifizieren waren und ob die Diagnosen seiner behandelnden Ärzte auch in der Einordnung als „COPD“ zutrafen, hat er auf diese Weise bei der Beklagten den falschen Eindruck erweckt, im Bereich der Atmungsorgane ein „gesunder Mensch“ zu sein. Die so bei Antragstellung und auf Nachfrage unterlassenen Angaben zu gefahrerheblichen Umständen begründeten eine objektive Täuschung der Beklagten im Sinne der § 22 VVG, § 123 Abs. 1 BGB.

b)

Dies ist auch arglistig geschehen.

aa)

Arglistiges Handeln ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 – IV ZR 161/03, VersR 2004, 1297; Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510; OLG Hamm, VersR 2017, 808). Der Versicherungsnehmer muss erkennen und billigen, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937; Senat, a.a.O.).

(1)

Der Begriff der Arglist erfasst nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, 463). Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937; Senat, Urteil vom 1. Februar 2006 – 5 U 207/05-17, VersR 2006, 1482). Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen immer oder nur in der Absicht geschieht, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, gibt es nicht (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 338; Senat, Urteil vom 9. September 2009 – 5 U 510/08-93, VersR 2009, 1479; Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11-57, VersR 2013, 1157). Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 338; Senat, Beschluss vom 19. Juli 2006 – 5 W 138/06-46, NJW-RR 2006, 1467).

(2)

Da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt, ist der Beweis in der Praxis meist nur aufgrund von Indizien zu führen. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht es, wenn dieser Erkrankungen verschweigt, die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten, wie namentlich schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen (Senat, Urteil vom 9. November 2005 – 5 U 50/05-6, VersR 2006, 681; Urteil vom 10. Oktober 2012, a.a.O.). Indizien für ein arglistiges Handeln sind weiter, dass der Antragsteller Störungen nicht angibt, die noch relativ kurz vor Antragstellung bestanden haben, oder dass er zwar weniger schwere oder länger zurückliegende Erkrankungen angibt, zeitnähere oder erheblich schwerer wiegende hingegen verschweigt (Senat, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 5 U 82/05-9, VersR 2006, 824; Urteil vom 10. August 2011 – 5 U 509/10-79). Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände – auch Untersuchungen und ärztliche Behandlungen – stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2013, 869). Liegen – wie hier – objektive Falschangaben vor, so ist es überdies Sache des Anspruchsstellers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2007 – IV ZR 103/06, VersR 2008, 242; Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510, m.w.N.).

bb)

Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall erhebliche und durchgreifende Indizien vor, die die Annahme eines arglistigen Verschweigens von Vorerkrankungen bei Beantragung des Versicherungsvertrages rechtfertigen. Der Senat ist unter Berücksichtigung aller Umstände mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die objektiv unrichtigen Angaben auch bewusst getätigt wurden, um die Beklagte über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers zu täuschen und den beabsichtigten Vertragsabschluss nicht zu gefährden:

(1)

Dafür sprechen zunächst die verkürzten und verharmlosenden Angaben des Versicherungsnehmers zu seiner Atemwegserkrankung in dem von ihm am 31. Oktober 2015 unterzeichneten Nachfragebogen. Aus der maßgeblichen Empfängersicht konnte dieser nur dahin verstanden werden, dass der Versicherungsnehmer lediglich im Jahre 2014 einmalig für drei Wochen an einer „Bronchitis“ erkrankt war, mithin an einer auch aus Laiensicht zwar das Stadium einer bloßen Erkältung überschreitenden, insgesamt aber harmlos verlaufenen vorübergehenden Erkrankung. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die weiteren Angaben zu den Symptomen („starker Husten“), die Verneinung aller übrigen Fragen, insbesondere nach konkreten Untersuchungen (Lungenfunktionsprüfung), die in Wahrheit jedoch wiederholt stattgefunden haben, sowie dadurch, dass außer der wiederholenden Angabe des Hausarztes keine Erklärung zu den in Anspruch genommenen Ärzten – insbesondere Fachärzten – erfolgten. Solche ersichtlich verharmlosenden Angaben, die die anzeigepflichtige Erkrankung in die Nähe einer u.U. jahreszeitlich bedingten Erkältungskrankheit rückten (vgl. OLG Frankfurt, VersR 2011, 1097), sind bei natürlicher Betrachtung nur dadurch zu erklären, dass der wahre Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers bewusst verschleiert und der Eindruck erweckt werden sollte, gesundheitlich sei „alles in Ordnung“. Das deutet durchgreifend darauf hin, dass der Versicherungsnehmer die Entscheidung der Beklagten über die Annahme des Antrages nicht durch wahrheitsgemäße Angaben über seinen tatsächlichen Gesundheitszustand, die dabei gestellten Diagnosen, vorgenommenen Untersuchungen und Behandlungen gefährden wollte.

(2)

Hinzu kommt, dass die objektiv wahrheitswidrigen Angaben nicht nur einen einzigen Vorgang betrafen, sondern sich solche sowohl in dem ursprünglichen Antrag und den dortigen Gesundheitsfragen, als auch in dem Nachfragebogen wiederfinden, den der Versicherungsnehmer erst mehrere Tage später unterzeichnet hat, was einen – im Grundsatz entschuldbaren – Irrtum fernliegend erscheinen lässt und auf Vorsatz und Täuschungsabsicht hindeutet. Schon in dem ersten Antrag wurden keine weiteren Angaben zu der dort knapp bejahten Frage nach Erkrankungen der Atmungsorgane gemacht, was für sich genommen zwar noch keinen Erklärungswert hätte, im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung aber nunmehr darauf hindeutet, dass schon damals ersichtlich geforderte Erklärungen nicht abgegeben werden sollten, um die Annahme nicht zu gefährden. Auch wurde schon dort die Frage nach längerfristiger Medikamenteneinnahme wahrheitswidrig verneint und die fehlerhafte Antwort auf die Frage, ob der Versicherungsnehmer in den letzten 12 Monaten aktiv geraucht habe, trotz entsprechender Möglichkeit nicht korrigiert. In dem wenige Tage später unterzeichneten Nachfragebogen setzen sich diese Falschangaben des Versicherungsnehmers fort. Dort werden nunmehr sehr eindeutig verharmlosende Auskünfte zu der Lungenerkrankung und ihrer Behandlung getätigt, von denen nach der Beweisaufnahme fest steht, dass der Versicherungsnehmer sie als unzutreffend erkennen musste. Das alles schließt es aus, anzunehmen, dass es sich bei der Falschbeantwortung der zahlreichen Antragsfragen um ein „einmaliges Versehen“ gehandelt haben könnte; vielmehr indiziert die wiederholte Vornahme ersichtlich falscher Angaben nachdrücklich, dass dies bewusst geschah.

(3)

Plausible Erklärungen, die den Vorwurf der Arglist entkräften könnten, hat die Klägerin nicht vorgebracht. Weder der Hinweis, ihr Ehemann oder sie hätten die Diagnose „COPD“ nicht gekannt oder nicht verstanden, noch der Umstand, dass die vorgelegten Krankschreibungen durch die Hausärztin in den Jahren 2014 und 2015 allein die Diagnose „Bronchitis“ (J40 G: „Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet“) enthielten, entkräftet den durch die zahlreichen verharmlosenden und entstellenden Angaben begründeten Eindruck, dieser habe eine schwerwiegende Lungenerkrankung – unabhängig von der genauen medizinischen Diagnose – zielgerichtet verschleiern wollen. Medizinisches Fachwissen, über das ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohnehin regelmäßig nicht verfügen wird, ist dafür nicht erforderlich, weshalb die umfangreiche Argumentation der Klägerin im Rahmen ihrer Berufungsbegründung insoweit nicht trägt. Dass der verstorbene Ehemann der Klägerin von den erfragten Umständen – laienhaft – Kenntnis hatte, räumt die Klägerin jedoch selbst ein, wenn sie vorträgt, dieser habe mit Herrn Dr. H. über die Symptome seiner Erkrankung gesprochen (Bl. 226 GA); nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht daran auch kein Zweifel, weil beide behandelnden Ärzte dies gegenüber dem Senat bestätigt haben (Bl. 337 ff., 340 ff. GA). Auch entschuldigt es den Versicherungsnehmer nicht, dass es einem Patienten letztlich „egal“ sei, wie seine (von ihm erlebte) Krankheit heiße (Bl. 226 GA). Denn spätestens wenn – wie hier – ausdrückliche Antragsfragen nach konkreten Diagnosen gestellt werden, besteht die Verpflichtung des Antragstellers, sich ggf. darüber zu erkundigen; andernfalls erfolgen die Angaben bewusst „ins Blaue hinein“, was ebenfalls arglistig wäre (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510; OLG Frankfurt, ZfS 2009, 269; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 9). Ebenso erfolglos bleibt das Argument der Klägerin, ihr Ehemann habe seine Erkrankung selbst als „Raucherbronchitis“ eingeordnet (Bl. 227 GA), mithin als chronisch-rezidivierende Erkrankung. Selbst dies hätte ganz andere Angaben erfordert, als sie hier tatsächlich getätigt wurden, und verdeutlicht, dass die abgegebenen Erklärungen gewählt wurden, um den Vertragsschluss nicht zu gefährden.

(4)

Der Annahme von Arglist steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer die Antragsfragen nicht selbst beantwortet hat, sondern den der Klägerin durch den Vermittler der Beklagten überlassenen ausgefüllten Antrag zu Hause vervollständigt und nach Behauptung der Klägerin im Übrigen ungelesen unterschrieben haben soll. Ein solcher Vorgang, zumal wenn er – wie hier – in heimischer Umgebung, ohne Eile oder gar Bedrängen durch die andere Vertragspartei erfolgt, stellte selbst bei Unkenntnis von Falschangaben eine Erklärung „ins Blaue hinein“ dar, die ihrerseits arglistig wäre. Denn für eine arglistige Täuschung genügt es, dass sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis angabepflichtiger Umstände arglistig entzieht und „blindlings“ wichtige Umstände verschweigt (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 U 55/16, NJW-RR 2018, 1510; KG VersR 2007, 381; Langheid, in: Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl., § 22 Rn. 8; Rolfs in: Bruck/Möller, VVG 9. Aufl., § 22 Rn. 22; allgemein BGH, Urteil vom 6. November 2007 – XI ZR 322/03, NJW 2008, 644). Dem steht der Fall gleich, dass der Versicherungsnehmer mit seiner Unterschrift eine eigene Erklärung zu den Gesundheitsfragen abgibt, obwohl ihm, wie die Klägerin vorträgt, der diesbezügliche Inhalt des Formulars zu diesem Zeitpunkt unbekannt gewesen sein soll (OLG Frankfurt, VersR 2005, 1136; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 26). Er nimmt hier nämlich in Kauf, dass der Versicherer letztlich nicht zutreffend informiert wird und dadurch Nachteile erleidet. Allerdings käme dies auch nur bezüglich der eigentlichen Antragsfragen in Betracht. Denn hinsichtlich des Nachfragebogens hat die Klägerin selbst vorgetragen, diesen dem Versicherungsnehmer vorgelesen und entsprechend den erfragten Angaben ihres Ehemannes ausgefüllt zu haben. Insoweit steht also außer Zweifel, dass der Versicherungsnehmer sich durch die Unterzeichnung des Fragebogens die darin nach seinen Vorgaben vorgenommenen Eintragungen zu Eigen gemacht hat.

c)

Die von der Klägerin arglistig verschwiegenen Umstände waren für die Annahmeentscheidung der Beklagten ursächlich:

aa)

Die arglistige Täuschung muss für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 337; Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187), wobei Mitursächlichkeit genügt (OLG Hamm, VersR 2017, 808). Darlegungs- und beweisbelastet für die Ursächlichkeit der Täuschung ist der Versicherer. Der Kausalitätsnachweis kann prima facie geführt werden (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 VVG Rn. 46): Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94, VersR 1995, 1496). Wird dies vom Versicherungsnehmer substantiiert in Abrede gestellt, muss der Versicherer den entsprechenden Nachweis führen. Einfluss auf die Annahmeentscheidung des Versicherer ist gegeben, wenn der Getäuschte die Vertragserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht, mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben hätte (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11-57, VersR 2013, 1157; Knappmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 14 Rn. 160; Müller-Frank, in: MünchKomm-VVG 2. Aufl., § 22 Rn. 22). Dies ist offenkundig, wenn die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände „auf der Hand liegt“ (Senat, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – IV ZR 26/06, VersR 2009, 529). Fehlt es daran, muss der Versicherer unter Offenlegung seiner Geschäftsgrundsätze darlegen und ggf. beweisen, dass der Vertrag bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände nicht oder mit welchem abweichenden Inhalt er in diesem Fall zustande gekommen wäre (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 VVG Rn. 46).

bb)

Im Streitfall steht nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Antragsfragen den Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages nicht, jedenfalls nicht wie geschehen, angenommen hätte. Der Zeuge M. hat unter Bezugnahme auf die einschlägigen Risikoprüfungsgrundsätze der Beklagten ausgeführt, dass die Angabe einer „COPD“ stets risikorelevant sei; bei einem Schweregrad von III bis IV erfolgten immer Ablehnungen, bei einem geringeren Schweregrad ergäben sich je nach Alter unterschiedliche Beitragserhöhungen. Im Jahr 2015 hätte bei einem 55 Jahre alten Nichtraucher die Diagnose einer COPD Grad II eine Verdoppelung des Beitrags zur Folge gehabt, für einen Raucher hätte sich ein 150-prozentiger Aufschlag ergeben. Aber auch die bloße Angabe einer „Lungenerkrankung“, die fachärztlich behandelt wurde, oder die Angabe, dass der Antragsteller von 2013 bis 2015 mehrmals wegen einer Bronchitis in fachärztlicher Behandlung gewesen sei, hätte zumindest zu einer weiteren Nachfrage geführt. Soweit angegeben werde, dass eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt worden sei, wäre es auf jeden Fall zu einer Anfrage bei dem Arzt gekommen (Seite 345 f. GA). Aus diesen nachvollziehbaren und auch im Übrigen glaubhaften Angaben folgt die Relevanz der verschwiegenen Umstände für das zu versichernde Risiko, und dies im Übrigen auch ohne Rücksicht auf die konkrete Diagnose der Erkrankung als „COPD Grad II“, zu der der Zeuge Stellung genommen hat und deren Gefahrerheblichkeit letztlich auch auf der Hand liegt. Denn auch schon die Angabe der – hier verschwiegenen – wiederholten Behandlungen durch einen Lungenfacharzt oder der Vornahme von Lungenfunktionsprüfungen hätte nach der Aussage des Zeugen zu weiteren Nachfragen der Beklagten beim Versicherungsnehmer oder dem behandelnden Arzt geführt und dazu geführt, dass diese ihre Annahmeerklärung nicht in der geschehenen Weise, nämlich jedenfalls zu einem anderen Zeitpunkt, abgegeben hätte, so dass die Täuschung auch insoweit jeweils für den Vertragsabschluss ursächlich gewesen ist.

d)

Der Hinweis der Klägerin auf eine – angeblich – rechtswidrige Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten steht der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht entgegen. Ein solcher Verstoß kann hier bereits nicht festgestellt werden; überdies wären die erlangten Daten jedenfalls auch verwertbar:

aa)

Der im Jahre 2015 unterzeichnete Versicherungsantrag enthielt eine vom Versicherungsnehmer durch Ankreuzen ausgewählte vorformulierte Erklärung, mit welcher dieser die darin im Einzelnen benannten Stellen, darunter Ärzte, Pflegepersonen und Bedienstete von Krankenhäusern, sonstige Krankenanstalten oder Pflegeheime, vgl. auch § 213 Abs. 1 VVG von der Schweigepflicht befreite, soweit dort zulässigerweise gespeicherte Gesundheitsdaten insbes. aus Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen aus einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor Antragstellung übermittelt werden (Bl. 54 GA). Diese Erklärung galt ausdrücklich auch für den Fall, dass sich nach Vertragsschluss konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei Antragstellung vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht wurden und damit die Risikobeurteilung beeinflusst worden ist, und zwar bis zu 10 Jahre nach Vertragsschluss (Bl. 54 GA). Sie enthielt den Hinweis, dass eine Datenerhebung nur nach entsprechender Unterrichtung erfolgen werde und dass der Betroffene jederzeit verlangen könne, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt, wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist. In einer gesonderten „Erklärung für den Fall Ihres Todes“ wurde die Einwilligung in die Erhebung von Gesundheitsdaten bei Dritten zur Leistungsprüfung bzw. einer erforderlichen erneuten Antragsprüfung in gleichem Umfang auf den Fall des Todes erweitert. Die mit dieser Maßgabe erteilte Einwilligung des Klägers in die Datenerhebung erfüllte die Anforderungen des seit 1. Januar 2008 geltenden § 213 Abs. 1 VVG (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11, VersR 2013, 1157). Der beschränkte Umfang der Reichweite der Einwilligung auf die darin explizit genannten Stellen entspricht dem Gesetz. Dass sie allgemein und vom Einzelfall gelöst erteilt wurde, steht ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit nicht entgegen (BGH, Urteil vom 5. Juli 2017 – IV ZR 121/15, VersR 2017, 1129). Dies folgt letztlich auch daraus, dass die – höchstpersönliche – Entscheidung über die Erteilung der Einwilligung notwendigerweise vor dem Tode der versicherten Person erfolgen muss und deshalb insoweit nicht von späteren Erweiterungen oder Einzelanweisungen abhängig gemacht werden kann. Dass die Beklagte die Erteilung einer den Vorgaben des § 213 VVG widersprechenden Schweigepflichtentbindung verlangt hätte, kann bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden.

bb)

Davon abgesehen, würde aber auch die bei – unterstellt – rechtswidriger Erlangung von Gesundheitsdaten im Rahmen der Leistungsprüfung vorzunehmende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2017 – IV ZR 121/15, VersR 2017, 1129; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11, VersR 2013, 1157) hier im Ergebnis zu Lasten der Klägerin ausfallen. Der Versicherungsnehmer hat die Beklagte über seine Gesundheitsverhältnisse arglistig getäuscht und ihr Interesse an einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung erheblich verletzt. Dadurch hat er in schwerwiegender Weise gegen seine vorvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Die Beklagte hingegen hätte nach den zugrunde zu legenden Umständen allenfalls unter fahrlässiger Verkennung ihrer rechtlichen Befugnisse gehandelt. Denn die vorliegende, vom Versicherungsnehmer unterzeichnete Einwilligungserklärung orientierte sich an den Vorgaben des Gesetzes. Die Beklagte durfte sich auf dieser Grundlage jedenfalls für berechtigt halten, erforderliche Auskünfte zu verlangen und, nachdem ihr diese vorliegend durch die Klägerin zur Verfügung gestellt worden waren, bei ihrer Entscheidung zu verwerten. Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die ihr erteilte Schweigepflichtentbindung treuwidrig dazu missbraucht hätte, systematisch Daten auf unzureichender Einwilligungsgrundlage zu erheben (vgl. Senat, a.a.O.; Urteil vom 6. Oktober 2010 – 5 U 573/09; Eberhard, in: MünchKomm-VVG 2. Aufl., § 213 Rn. 139). Dagegen spricht schon, dass lediglich Auskünfte des behandelnden Lungenfacharztes gegenständlich sind, um deren Erteilung die Beklagte gebeten hatte und die ihr zur Verfügung gestellt wurden. Auch aus dem Klägervortrag ergibt sich nichts für die Annahme eines erheblichen Verstoßes der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt.

e)

Der Beklagten ist die Berufung auf die Wirksamkeit der Anfechtung auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt, weil sie ihrer Nachfrageobliegenheit nicht genügt hätte oder aufgrund der Umstände von dem Versicherungsnehmer eine „Erklärung vor dem Arzt“ hätte einholen müssen (Bl. 188).

aa)

Die Beklagte traf nach Einholung der ergänzenden Auskunft im Streitfall keine Nachfrageobliegenheit. Eine Nachfrage obliegt dem Versicherer nur dann, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bisher von dem Versicherungsinteressenten erteilten Auskünfte nicht abschließend oder nicht richtig sein können und deshalb weitere Informationen für eine sachgerechte Risikoprüfung erforderlich sind (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – IV ZR 148/09, VersR 2011, 909). Vorliegend hatte die Beklagte, nachdem die Gesundheitsfragen in dem Antragsformular erkennbar unzureichend beantwortet, nämlich die Frage nach Atemwegserkrankungen ohne nähere Angaben bejaht worden waren, dem Versicherungsnehmer einen ergänzenden Fragebogen zur Verfügung gestellt, den dieser – augenscheinlich vollständig – ausgefüllt hat. Die Beklagte hatte auf dieser Grundlage keinen Anlass, noch eine weitere Nachfrage an den Versicherer zu richten. Hinzu kommt, dass der Versicherer das Recht zur Arglistanfechtung nicht schon deshalb verliert, weil er seine Nachfrageobliegenheit verletzt hat (BGH, a.a.O.; Beschluss vom 15. März 2006 – IV ZA 26/05, VersR 2007, 96; Senat, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 5 U 31/05-4, VersR 2007, 93). Antwortet ein Versicherungsinteressent nicht nur schuldhaft – allerdings für den Versicherer erkennbar – unvollständig oder falsch, sondern verschweigt oder entstellt er arglistig Umstände, die er als gefahrerheblich erkennt und von denen er annehmen muss, dass sie für die Vertragsabschlussbereitschaft des Versicherers von Bedeutung sind, so verstößt er in besonders schwer wiegendem Maße gegen das auch vorvertraglich ihm entgegen gebrachte Vertrauen. In einem solchen Fall darf er sich nicht darauf berufen, dass sein Gegenüber, der Versicherer, es gleichfalls – allerdings in erheblich geringerem Maße und regelmäßig nur den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens rechtfertigend – treuwidrig unterlassen hat, die Übernahme des Risikos zu prüfen.

bb)

Die Beklagte war auch nicht gehalten, vor der Annahme des Antrages eine „Erklärung vor dem Arzt“ zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers einzuholen. Nach dem Gesetz erfolgt die Antragsprüfung des Versicherers auf der Grundlage der vom Versicherungsnehmer erfragten Angaben (§ 19 Abs. 1 VVG). Sinn und Zweck dieser vorvertraglichen Anzeigepflicht ist es, dem Versicherer zu ermöglichen, das zu versichernde Risiko sachgerecht einzuschätzen (Langheid, in: MünchKomm-VVG 2. Aufl., § 19 Rn. 3). Auch die vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Möglichkeit, im Zuge der Beantragung eines Lebensversicherungsvertrages eine ärztliche Untersuchung der zu versichernden Person durchzuführen (vgl. § 151 VVG), dient diesem Anliegen (Schneider, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 151 Rn. 1; Winter in: Bruck/Möller, VVG 9. Aufl., § 151 Rn. 1, 2). Kommt es in diesem Zusammenhang zur Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses auf einem vom Versicherer vorgegebenen Formblatt und hat der Antragsteller dabei im Rahmen der „Erklärung vor dem Arzt“ gegenüber dem Arzt vom Versicherer vorformulierte Fragen zu beantworten, so stehen die vom Arzt in Erfüllung dieses Auftrags gestellten Fragen den Fragen des Versicherers, die erteilten Antworten den Erklärungen gegenüber dem Versicherer gleich (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937). Ein Recht des Versicherers auf Durchführung der ärztlichen Untersuchung besteht jedoch nach § 151 VVG ebenso wenig, wie es eine Verpflichtung des Versicherers gäbe, eine solche in jedem Falle vornehmen zu lassen. Das folgt schon daraus, dass – von Fällen der Nachfrageobliegenheit abgesehen – keine generelle Pflicht des Versicherers besteht, die bei Antragstellung getätigten Angaben des – grundsätzlich als redlich anzusehenden – Versicherungsnehmers zu überprüfen (vgl. OLG Köln, VersR 2013, 487; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 19 Rn. 88). Nimmt der Versicherer einen Antrag an, ohne dass eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hat, so hat dies nur zur Folge, dass er sich später auf diesen Mangel nicht berufen darf, etwa den Vertrag nicht wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der versicherten Person anfechten kann, weil die §§ 19 ff. VVG insoweit eine abschließende Regelung darstellen (Winter in: Bruck/Möller, a.a.O., § 151 Rn. 6). Die Berechtigung des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung bei der Beantwortung von Antragsfragen anzufechten, wird dadurch aber nicht berührt (Winter in: Bruck/Möller, a.a.O., § 151 Rn. 6).

f)

Die Beklagte hat die mit der vorbezeichneten Täuschung begründete Anfechtung ihrer auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung rechtzeitig – mit Schreiben vom 27. September 2017, Bl. 71 ff. GA – binnen der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erklärt, nachdem sie im Zuge der Leistungsprüfung nach dem Tode des Versicherungsnehmers erstmals von einzelnen verschwiegenen Behandlungen – mithin von der Täuschung durch die Klägerin – Kenntnis erlangte (§ 124 Abs. 1 und 2 BGB). Auch die 10-Jahres-Frist des § 124 Abs. 3 BGB wurde ersichtlich gewahrt. Infolge der wirksamen Anfechtung des Versicherungsvertrages Nr. … ist dieser gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Folglich kann die Klägerin als nach dem Versicherungsfall Bezugsberechtigte aus diesem Vertrag keine Leistungen beanspruchen.

2.

Die Klägerin kann die Beklagte auch nicht erfolgreich auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Beratungs- und/oder Informationspflichten aus Anlass des Abschlusses des vorangegangenen Versicherungsvertrages Nr. … im Jahre 2010 in Anspruch nehmen. Es fehlt hierfür schon jeweils an einer entsprechenden Pflichtverletzung der Beklagten:

a)

Die Klägerin kann von der Beklagten keinen Schadensersatz aus § 6 Abs. 5 VVG beanspruchen mit der Behauptung, sie sei anlässlich des vorangegangenen Vertragsabschlusses im Jahre 2010 durch den Zeugen G. falsch beraten worden, weil dieser dem Versicherungsnehmer damals lediglich einen 5-Jahres-Vertrag angeboten habe.

aa)

Gemäß § 6 Abs. 1 VVG hat der Versicherer den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten. Verletzt der Versicherer diese Verpflichtung, ist er gemäß § 6 Abs. 5 VVG zum Schadensersatz verpflichtet. Danach schuldet der Versicherer allerdings nicht stets und in allen Fällen Aufklärung und Beratung. Vielmehr ist es – auch im Bereich der Lebensversicherung – grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich in eigener Verantwortung über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 5 U 71/11-14, VersR 2012, 1029; OLG Hamm, ZfS 2016, 449; Schneider, in: Prölss/Martin, a.a.O., Vor § 150 Rn. 80 ff.). Abgesehen von dem Fall, dass ein Versicherungsnehmer seinen Wunsch nach weitergehender Beratung konkret zum Ausdruck bringt, kann von einem Versicherer nur dann Aufklärung und Beratung erwartet werden, wenn sich ein konkretes Bedürfnis hierfür offenbart, welches auch nach der Konzeption der §§ 6 Abs. 1, 61 Abs. 1 VVG – dort: „Anlass“ – eine Aufklärungs- und Beratungspflicht auslöst (OLG Hamm, ZfS 2016, 449). Ein solches Bedürfnis besteht immer dann, wenn der Versicherungsnehmer sich erkennbar falsche Vorstellungen über den abzuschließenden Vertrag oder den Umfang des Versicherungsschutzes macht oder wegen der Komplexität der Materie jedenfalls mit Missverständnissen und Irrtümern des Versicherungsnehmers zu rechnen ist oder das erkennbar zu versichernde Risiko von dem ins Auge gefassten Versicherungsschutz nicht vollständig umfasst wird (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 5 U 71/11-14, VersR 2012, 1029; OLG Hamm, ZfS 2016, 449, jew. m.w.N.).

bb)

Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

(1)

Der Senat sieht auf der Grundlage der eigenen Angaben der Klägerin schon keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen konkreten Beratungsanlass in Bezug auf mögliche unterschiedliche Vertragslaufzeiten anlässlich des vorangegangenen Vertragsabschlusses. Im Ausgangspunkt obliegt die Wahl der Laufzeit eines Lebensversicherungsvertrages dem Versicherungsnehmer. Hierzu hat die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht dargelegt, sie sei im Jahre 2010 namens ihres Ehemannes an den Zeugen G. herangetreten und habe ihn um einen fünf-Jahres-Vertrag gebeten (Bl. 132 GA). Damit hat sie – aus Sicht der Beklagten – eindeutige Vorstellungen zur Vertragslaufzeit geäußert, die diese ohne besonderen Anlass nicht zu hinterfragen hatte. Äußert ein Versicherungsnehmer nämlich – wie hier – eindeutig einen bestimmten Wunsch, muss der Versicherer ohne erkennbaren Anlass nicht über die Möglichkeit anderer Vertragsgestaltungen beraten. Weshalb die Beklagte hier Anlass hätte haben müssen, davon auszugehen, dass die von der Klägerin selbst gewünschte Laufzeit nicht bedarfsgerecht war, sagt die Klägerin jedoch nicht. Der von ihr jetzt erhobene Vorwurf, sie sei pflichtwidrig nicht darüber informiert worden, dass ein Vertrag mit längerer Laufzeit „sinnvoller“ gewesen wäre, geht vor diesem Hintergrund von vornherein ins Leere.

(2)

Dessen unbeschadet, hat sich das Landgericht mit einer in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Begründung davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die Klägerin aus Anlass der Beratung durch den – insoweit für die Beklagte als deren Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) tätigen – Zeugen G. auf die Möglichkeit der Vereinbarung abweichender Vertragslaufzeiten hingewiesen worden ist; diese Feststellungen sind gemäß § 529 Abs. 1 ZPO auch im Berufungsverfahren zugrunde zu legen, weil sie verfahrensfehlerfrei getroffen wurden und durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit nicht bestehen. Dabei hat das Landgericht auch berücksichtigt, dass das aus diesem Anlass von dem Zeugen G. ausgefüllte Beratungsprotokoll (Bl. 18 GA) zu der Frage der Vertragslaufzeit schweigt. Wird ein im Rahmen der Beratung geschuldeter Hinweis entgegen § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht, auch nicht im Ansatz dokumentiert, so muss der Versicherer beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2014 – III ZR 544/13, BGHZ 203, 174; Senat, Urteil vom 4. Mai 2011 – 5 U 502/10-76, VersR 2011, 1441). Das Landgericht hat es nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung des Zeugen G. als bewiesen erachtet, der Zeuge habe neben dem gewünschten Antrag noch zwei weitere Angebote mit längeren Laufzeiten vorgestellt, die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich dann aber aus Kostengründen für den fünf-Jahres-Vertrag entschieden. Hierzu hat es beanstandungsfrei darauf abgestellt, dass eine längere Laufzeit für den Versicherungsnehmer mit höheren Kosten verbunden gewesen wäre, während andererseits ein Interesse des Vermittlers an der Empfehlung des tatsächlich abgeschlossenen Vertrages unter Provisionsgesichtspunkten uninteressanter war, als die weiteren in Rede stehenden längeren Laufzeiten. Der Senat sieht keinen Anlass, an diesen tatsächlichen Feststellungen zu zweifeln, die von der Berufung auch nicht mehr angegriffen werden und eine der Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung ausschließen.

b)

Zu Recht hat das Landgericht auch einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung von Informationspflichten nach § 7 VVG aus Anlass des Vertragsschlusses im Jahre 2010 verneint.

aa)

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Informationen in Textform mitzuteilen; die Mitteilungen sind in einer dem eingesetzten Kommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich zu übermitteln. Die hiernach geforderten Informationen müssen dem Versicherungsnehmer so rechtzeitig übermittelt werden, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält. Dies erfordert nicht, dass zwischen Information und Erklärung stets eine gewisse Zeitspanne verstreichen müsste; vielmehr genügt es, dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe der Erklärung die Gelegenheit hatte, die Unterlagen zunächst durchzusehen und den Verstragschluss ggf. auf später zu verschieben (OLG Brandenburg, VersR 2016, 377; Rudy, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 7 Rn. 11). Bei den Informationspflichten nach § 7 VVG handelt es sich um vertragliche Nebenpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2017 – IV ZR 440/14, BGHZ 215, 126; Urteil vom 13. Dezember 2017 – IV ZR 353/15, VersR 2018, 211). Voraussetzung einer Ersatzpflicht ist freilich, dass dem Versicherungsnehmer durch die (unterlassene oder verspätete) Information ein Schaden entstanden ist, insbesondere weil dieser einen ihm nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Rückabwicklung er nunmehr begehrt (BGH, Urteile vom 28. Juni 2017 und 13. Dezember 2017, a.a.O.)

bb)

Im Streitfall fehlt es auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme vor dem Senat schon am – nach allgemeinen Grundsätzen vom Versicherungsnehmer zu erbringenden – Nachweis (§ 286 ZPO) einer Verletzung der Informationspflicht durch die Beklagte. Dagegen spricht hier maßgeblich – worauf auch das Landgericht zu Recht abgehoben hat – das vom Versicherungsnehmer am 20. September 2010 unterzeichnete Empfangsbekenntnis (Bl. 20 GA), gegen dessen Wirksamkeit auch unter Berücksichtigung des § 309 Nr. 12 Buchstabe b Satz 2 BGB Bedenken nicht zu besorgen sind (vgl. Armbrüster, in: MünchKommVVG 2. Aufl., § 7 Rn. 107) und in dem der Versicherungsnehmer in rein tatsächlicher Hinsicht den rechtzeitigen Erhalt des „Informationspakets“, bestehend u.a. aus den nach § 7 Abs. 1 VVG geschuldeten Informationen, ausdrücklich bestätigt hat. Soweit die Klägerin – jetzt – die inhaltliche Richtigkeit dieser Erklärung in Abrede stellt, ist der Senat auch nach ergänzender Anhörung der Klägerin sowie erneuter Vernehmung des Zeugen G. und unter Berücksichtigung der weiteren Umstände von einer Pflichtverletzung nicht hinreichend überzeugt. Während die Klägerin bei ihrer Anhörung den Erhalt jedweder Informationen aus Anlass des Vertragsschlusses nur kurz und bündig in Abrede gestellt hat (Bl. 335 GA), hat der Zeuge G. angegeben, er habe der Klägerin den „kompletten Antrag“ übergeben, mithin auch die mit dem Antrag ausgedruckten weiteren Unterlagen und Informationen. Nach Durchsicht der zur Akte gereichten Unterlagen hat er erklärt, diese erschienen ihm vollständig. Das Produktinformationsblatt werde ggf. nachgereicht, wenn es nicht dabei sei; bestimmte Unterlagen würden auch nochmals gesondert mit der Police übersandt (Bl. 344 f. GA). Freilich konnte sich der Zeuge nach so langer Zeit nicht mehr an den konkreten Vorgang erinnern, was er im Rahmen seiner Aussage deutlich gemacht hat und was der Senat insbesondere in Bezug auf den Vertrag aus dem Jahr 2010 für glaubhaft erachtet. Demgegenüber vermochte die Klägerin dem Senat nicht plausibel zu erklären, weshalb ihr Ehemann den Empfang von Unterlagen bestätigt hat, die angeblich nicht nur unvollständig gewesen, sondern überhaupt nicht übergeben worden sein sollen. Ihr Hinweis, mit dem Versicherungsschein seien sämtliche Informationen erneut übermittelt worden, spricht jedenfalls nicht von vornherein gegen die Übergabe der Unterlagen bei Vertragsschluss, nachdem deren Empfang vom Versicherungsnehmer ausdrücklich bestätigt wurde, der zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, die Vollständigkeit zu überprüfen, und der Zeuge G. die gesonderte nochmalige Versendung bestimmter Unterlagen mit der Police ausdrücklich erwähnt hat. Da der Versicherungsnehmer die Antragsunterlagen zu Hause unterzeichnet hat, stand ihm vor der Unterzeichnung die Möglichkeit der Kenntnisnahme offen, so dass auch an der Rechtzeitigkeit der Informationsübermittlung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG keine Zweifel bestehen.

cc)

Hinzu kommt, dass die Klägerin – unbeschadet des fehlenden Nachweises einer Pflichtverletzung – auch nicht nachvollziehbar erläutert, welcher kausale Schaden dadurch entstanden sein soll, dass dem Versicherungsnehmer Informationen nach § 7 VVG möglicherweise nicht oder nicht rechtzeitig übergeben wurden. Dass die Verletzung der Informationspflicht bei dem Versicherungsnehmer zu einem ersatzfähigen Schaden geführt hat, hat dieser nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2017 – IV ZR 440/14 –, BGHZ 215, 126). Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin trägt diese Annahme jedoch nicht. Gegenstand der nach § 7 Abs. 1 VVG geschuldeten Informationen sind die Vertragsbestimmungen des Versicherers einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die in der Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 VVG – der sog. VVG-InfoV – bestimmten Informationen, darunter auch Angaben zum Beginn der Versicherung und des Versicherungsschutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 VVG-InfoV) und zur Laufzeit des Vertrages (§ 1 Abs. 1 Nr. 14 VVG-InfoV). Vergleichende Angaben, die eine Beurteilung des konkreten Produktes im Verhältnis zu anderen Produkten mit abweichenden Laufzeiten ermöglichen, sind insoweit jedoch nicht vorgesehen. Aufgrund welcher nach § 7 VVG zu erteilenden Informationen die Klägerin oder ihr Ehemann hätten erkennen können, dass ein Vertrag mit der von ihnen ausdrücklich gewünschten Laufzeit von 5 Jahren möglicherweise nachteilig sein könnte, ist nicht erkennbar. Dass eine – angeblich unterbliebene – rechtzeitige Überlassung der genannten Unterlagen die Klägerin oder ihren Ehemann dazu veranlasst hätte, sich anstelle des gewählten Vertrages für einen 10-Jahres-Vertrag zu entscheiden, ist deshalb auf dieser Grundlage nicht erwiesen.

3.

Da die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin unbegründet sind, bestand für sie keine Veranlassung, diese außergerichtlich unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Insoweit handelte es sich nicht um zweckentsprechende Maßnahmen der Rechtsverfolgung (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 – III ZR 304/14, BGHZ 205, 260, 269). Die Klägerin kann deshalb von der Beklagten keinen Ersatz der in diesem Zusammenhang möglicherweise entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 3, 4 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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