Skip to content

Restschuldversicherung – Widerruflichkeit des Bezugsrechts der Bank durch Insolvenzverwalter

LG Berlin – Az.: 4 T 4/10 – Beschluss vom 23.03.2011

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 26.11.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 10.11.2011 – Geschäftszeichen 107 C 437/10 – wird zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühr hat der Antragsteller zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Geschäftswert: € 1.654,40

Gründe

I.

E. K.-H. (fortan: die Schuldnerin) unterhielt bei der Antragsgegnerin einen Kreditvertrag. Am 31.03.2009 vereinbarte sie mit der C. AG (fortan: Versicherung) eine Kreditlebensversicherung gegen Einmalbetrag zum Preis von € 2.799,80. Auf dem Vertragsformular (Anlage K2) heißt es:

„Beitragszahler und Empfänger der Leistungen

Beitragszahler und bezugsberechtigt für alle Leistungen ist der Versicherungsnehmer. Er bestimmt, dass die Leistungen zugunsten des versicherten Kreditkontos gezahlt werden.“

In den Allgemeinen Bedingungen für die Kreditlebensversicherung gegen Einmalbetrag (ABEB08) heißt es u. a:

„§ 6 Ende der Versicherung, Rückvergütung

1. (…)

2. Im Falle der Kündigung sowie der vorzeitigen Erfüllung der kreditvertraglichen Zahlungsverpflichtung wird der zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsvertrages berechnete nicht verbrauchte Einmalbetrag dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben (Rückvergütung, siehe Absatz 3). 80 % dieses Betrages erhält der Versicherungsnehmer von der C. AG. Hinsichtlich des verbleibenden Anteils von 20 % hat sich die C.-Bank verpflichtet, den Betrag dem versicherten Kreditkonto gutzuschreiben.

3. Die Rückvergütung der Kreditlebensversicherung zu einem Beendigungstermin ergibt sich (…) gemäß der folgenden Vorschrift: (…)

§ 10 Wer erhält die Versicherungsleistung?

Die Versicherungsleistung (siehe § 3) wird zugunsten des versicherten Kreditkontos ausgezahlt.“

Am 03.05.2010 eröffnete das Amtsgericht Potsdam das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Antragsteller zum Treuhänder. Dieser teilte der Versicherung am 31.05.2010 mit, dass er die Erfüllung sämtlicher Versicherungsverträge ablehne und etwaig eingeräumte Bezugsrechte widerrufe (Ablage K3 = Bl. 13 d. A.). Hierauf teilte die Antragsgegnerin mit, die Versicherung sei aufgelöst worden und € 1.654,40 dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben worden. Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin zur Herausgabe auf.

Mit der beabsichtigten Klage möchte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf Zahlung von € 1.654,40 in Anspruch nehmen und begehrt hierfür Prozesskostenhilfe. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 10.11.2011 abgelehnt, weil der geltend gemachte Auszahlungsanspruch nicht in das Vermögen der Schuldnerin falle und die Rechtsverfolgung daher nicht aussichtsreich sei. Gegen den ihm am 15.11.2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 29.11.2010 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, die Antragsgegnerin habe kein Bezugsrecht inne gehabt. Jedenfalls habe er ein solches mit dem Schreiben vom 31.05.2010 wirksam widerrufen.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Sinne des § 569 ZPO iVm. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO form- und fristgerecht angebrachte sofortige Beschwerde, über die gemäß § 567 Satz 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht aussichtsreich erscheint, § 114 ZPO. Vor Gewährung der Prozesskostenhilfe an Insolvenzverwalter sind die Erfolgsaussichten im Interesse der Staatskasse wie des Gegners besonders sorgfältig zu prüfen (Motzer, in: MüKo, 3. Aufl., Rn. 12 zu § 116 ZPO). Diese Prüfung führt hier zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht zur Herausgabe der von der Versicherung empfangenen Rückvergütung verpflichtet und die beabsichtigte Klage daher ohne die erforderliche Erfolgsaussicht ist.

a) Ein Zahlungsanspruch folgt nicht aus Bereicherungsrecht. Die Antragsgegnerin war bei Inempfangnahme der Zahlung nicht etwa Nichtberechtigte im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB. Ihre Berechtigung an der Rückvergütung folgt aus der in § 6 Nr. 2 ABEB08 vereinbarten Bezugsberechtigung für den Fall der Kündigung der Versicherung, §§ 328, 329 BGB. Hiermit ist der Antragsgegnerin für den Fall der Kündigung der Versicherung ein Bezugsrecht eingeräumt worden. Dies folgt ohne weiteres aus dem Wortlaut der Klausel. Einem solchen Bezugsrecht steht auch nicht entgegen, dass nach dem Vertragsformular der Versicherung die Schuldnerin als Versicherungsnehmerin bezugsberechtigt „für alle Leistungen“ sein sollte. Jedenfalls die hier allein interessierende Auszahlung eines rückzuvergütenden Beitragsguthabens ist nämlich keine Versicherungsleistung. Der Anspruch auf Rückvergütung ist vielmehr Ausfluss des allgemeinen Rechtsgedankens, das der nicht verbrauchte Teil einer Leistung zu erstatten ist, wenn statt zeitlich gestaffelter Raten eine Einmalzahlung geleistet ist, aber der Vertrag vorzeitig beendet wird. Dies sieht auch die Versicherung so, wie sich aus § 10 ABEB08 ergibt, wonach die Versicherungsleistung in § 3 ABEB08 geregelt sei. Der hier zugrunde liegende Anspruch ist aber in § 6 Nr. 2 ABEB08 geregelt und damit keine Versicherungsleistung.

Die Anweisung der Schuldnerin, wie mit der anfallenden Rückvergütung gegebenenfalls zu verfahren sei, hat der Antragsteller auch nicht widerrufen. Der Widerruf vom 31.05.2010 ist ins Leere gegangen, weil die Schuldnerin der Antragsgegnerin ein unwiderrufliches Bezugsrecht zugewendet hatte und der Antragsteller hieran gebunden ist. Dies folgt aus Sinn und Zweck der in § 6 Nr. 2 ABEB08 vereinbarten Bezugsberechtigung für den Fall der Kündigung der Versicherung (ebenso LG Duisburg vom 12.06.2009 – 7 S 176/08, zu juris-Rz. 5; LG Düsseldorf vom 18.06.2009 – 21 S 454/08, GWR 2009, 407 zu juris-Rz. 23; LG Düsseldorf vom 20.01.2010 – 23 S 99/09, zu juris-Rz. 31). Der sachliche Grund für die Bezugsberechtigung der Antragsgegnerin liegt – für die Schuldnerin und den Antragsteller erkennbar – darin, dass die Antragsgegnerin es war, welche die für die Begleichung der Einmalprämie erforderlichen, nicht unerheblichen Mittel kreditiert hatte. Wäre nun die Bezugsberechtigung widerruflich, könnte ein Darlehensnehmer auch außerhalb der Insolvenz ohne weiteres die Kreditlebensversicherung kündigen und das Bezugsrecht widerrufen, um auf diese Weise letztlich zu einem deutlich höheren als dem vereinbarten Nettokreditbetrag zu kommen. Dass dies nicht dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten entsprechen konnte, bedarf keiner Vertiefung.

Ob darüber hinaus zugunsten der Antragsgegnerin weiter die Gepflogenheiten der Kreditsicherung Geltung beanspruchen können, nach denen die Unwiderruflichkeit von Kreditsicherheiten in der Natur der Sache liegt, kann dahinstehen. Die Antragsgegnerin jedenfalls hat bislang stets bestritten, die Gewährung von Krediten von dem Abschluss der Kreditlebensversicherung abhängig gemacht zu haben. Es besteht nach dem soeben Ausgeführten aber weder Veranlassung noch rechtlicher Anhalt, diesen Umstand nun in der Weise gegen die Antragsgegnerin zu kehren, dass dann eben ein Bezugsrecht nur widerruflich sein könne (so aber LG Hamburg vom 28.07.2009 – 320 S 20/09, Anlage ASt 5). Hier besteht kein sachlicher Zusammenhang.

Die Vereinbarung eines lediglich widerruflichen Bezugsrechts folgt auch nicht aus § 159 Abs. 1 VVG. Hiernach ist der Versicherungsnehmer nur im Zweifel berechtigt, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen sowie an die Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Zweifel bestehen hier indes nicht, weil die Regelung hinsichtlich der Bezugsberechtigung nicht mehrdeutig ist. Eine Klausel wird insbesondere nicht dadurch mehrdeutig, dass eine Partei sie anders auslegen möchte als ihr Gegner, um hieraus Rechte herzuleiten. Zudem ist § 159 Abs. 1 VVG schon deswegen für die hiesige Fallgestaltung wenig ergiebig, weil das VVG in seinem Kapitel 5 erkennbar von einer Versicherung ausgeht, welche der Bildung von Kapital und der Absicherung einer dritten Person dient und bei der die Versicherungsleistung nach ihrer Auszahlung für beliebige Zwecke eingesetzt werden kann. Vorliegend hingegen hat der Bezugsberechtigte die Versicherungsprämie finanziert und ist die Versicherungsleistung im Versicherungsfall zweckgebunden zur Tilgung des Darlehens zu verwenden, § 3 ABEB08. In einem solchen Fall kann der sonst vielleicht zu besorgende Zweifel, ob die Bezugsberechtigung endgültig oder temporär sei, nicht eintreten.

Nichts anderes folgt aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Insbesondere ist die Klausel Vertragsbestandteil geworden. Es kann nach dem Vorstehenden nicht iSd.§ 305c Abs. 1 BGB überraschend sein, dass der Darlehensgeber den explizit zur Finanzierung einer Restschuldversicherung zur Verfügung gestellten Teil des Darlehens nur solange herauslegt, wie dieser zur Finanzierung der Versicherung auch tatsächlich benötigt wird. Zugunsten des Antragstellers folgt auch nichts aus § 305c Abs. 2 BGB, weil die Klausel nicht mehrdeutig ist.

Die Regelung in § 6 Nr. 2 ABEB08 ist auch nicht etwa nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Es beeinträchtigt den Kreditnehmer nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen, dass er im Fall der Kündigung der Restkreditversicherung keinen Anspruch auf Barauszahlung der nicht verbrauchten Vergütung hat, die er ja gar nicht aus eigenen Mittel bestritten hat (ebenso LG Düsseldorf vom 20.01.2010 a. a. O. zu juris-Rz. 32).

b) Die Antragsgegnerin hat den seitens der Versicherung gezahlten Betrag auch nicht nach §§ 129 ff InsO anfechtbar erlangt.

Anfechtbar sind nämlich nur solche Rechtshandlungen, die die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Eine Benachteiligung der Gläubiger durch die Zahlung scheidet hier aber aus, weil in der unwiderruflichen Bezugsberechtigung zugleich der erklärte Wille für einen sofortigen Rechtserwerb des Bezugsberechtigten zu sehen ist (vgl. nur BGH vom 17.02.1966 – II ZR 286/63, BGHZ 45, 162). Damit erwirbt der Berechtigte das Recht sofort mit der Folge, dass im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers der Anspruch auf Erstattung des Rückkaufswerts nicht in die Insolvenzmasse fällt, sondern in das Vermögen des Bezugsberechtigten (OLG Karlsruhe vom 18.06.2003 – 12 U 29/03, zu juris-Rz. 24 ff).

Die Antragsgegnerin hat ihr Bezugsrecht bei Vertragsschluss auch nicht etwa schenkweise und damit nach § 134 InsO anfechtbar erlangt. Das Leistungsversprechen der Schuldnerin erfolgte nicht aus dem Schuldnervermögen, sondern im Zusammenhang mit der zweckgebundenen Kreditgewährung, soweit diese die Finanzierung der Restschuldversicherung betraf. Letztlich hat die Schuldnerin die Versicherung damit lediglich angewiesen, in einem bestimmten Fall der Antragsgegnerin diejenigen Mittel zurückzuzahlen, die sie zuvor zweckgebunden erhalten hatte.

c) Auch aus §§ 94 ff InsO kann der Antragsteller für seine beabsichtigte Klage nichts herleiten. Die Antragsgegnerin hat keine unwirksame Aufrechnung vorgenommen. Ihr gemäß §§ 328, 329 BGB durch Vereinbarung zwischen Schuldnerin und Versicherung begründeter Anspruch richtete sich gegen die Versicherung und war damit im Verhältnis zur Schuldnerin nicht gegenseitig im Sinne des § 387 BGB.

2. Prozesskostenhilfe ist dem Antragsteller auch nicht etwa deswegen zu bewilligen, weil hier eine bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärte, grundsätzliche, neue, schwierige und zweifelhafte Rechtsfrage entscheidungserheblich wäre.

Ob die Schuldnerin und die Versicherung vorliegend der Antragsgegnerin ein unwiderrufliches Bezugsrecht zuwenden wollten, ist keine Rechtsfrage, sondern durch tatrichterliche Würdigung des konkreten Geschehens zu beantworten. Diese Bewertung obliegt gemäß § 286 ZPO dem Tatrichter, der auch die Auslegung der schriftlichen Erklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB vorzunehmen hat. Die vorgelegten Entscheidungen der Landgerichte betreffen zudem schon rein tatsächlich jeweils andere Klauselwerke. Betreffend die hier vereinbarten Klauseln der Versicherung liegen – soweit ersichtlich – divergierende Entscheidungen nicht vor.

Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, braucht Prozesskostenhilfe nicht bewilligt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht als schwierig erscheint (vgl. BVerfG vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 ff; BGH vom 10.12.1997 – IV ZR 238/97, MDR 1998, 302). So liegt der Fall hier, weil die von dem Antragsteller bemühte Sichtweise aus den angeführten Gründen fern liegt.

Es kommt damit nicht mehr darauf an, dass nach Auffassung des Kammergerichts die nach § 114 ZPO erforderliche, hinreichende Aussicht auf Erfolg auch dann fehlt, wenn eine bisher nicht entschiedene Rechtsfrage zum Nachteil des Antragstellers entschieden werden muss und das im Prozesskostenhilfeverfahren entscheidende Gericht auch im ordentlichen Prozess endgültig entscheiden wird (vgl. KG vom 31.10.1968 – 12 W 3733/68, MDR 1970, 242).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 3 GKG iVm. Ziffer 1812 KV-GKG und § 127 Abs. 4 ZPO.

4. Die Wertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 GKG iVm. § 3 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!