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Reiserücktrittversicherung: Erkrankung nach Ausdrucken der Bordkarte am eigenen Computer

AG Bremen, Az.: 10 C 508/12, Urteil vom 04.07.2013

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 357,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 23.09.2012 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 83,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 23.09.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 20 % und die Beklagte 80 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten abzüglich des vereinbarten Selbstbehalts aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reiserücktrittsversicherungsvertrag.

Reiserücktrittversicherung: Erkrankung nach Ausdrucken der Bordkarte am eigenen Computer
Symbolfoto: : William Potter/Bigstock

Aufgrund dieses Vertrages ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die anfallenden Rücktrittskosten bei Nichtantritt der gebuchten Reise zu erstatten, sofern der Reiseantritt beispielsweise wegen einer unerwartet schweren Erkrankung des Versicherten bzw. dessen Ehegatten nicht erfolgen kann. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die bei der Ehefrau des Klägers am 25.05.2012 festgestellte Erkrankung die vorstehend genannte Voraussetzung der Leistungspflicht der Beklagten grundsätzlich erfüllt. Weiter ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger die Beklagte unverzüglich über die festgestellte Erkrankung seiner Ehefrau informiert hat.

Die Beklagte kann gegen die Leistungspflicht nicht mit Erfolg einwenden, dass der Reiseantritt zu der für die Zeit vom 10. bis 24. Juni 2012 gebuchten Reise zum Zeitpunkt der Krankheitsdiagnose am 25.05.2013 bereits erfolgt war. Unstreitig ist zwar, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Bordkarten für sich und seine Ehefrau am eigenen Computer bereits ausgedruckt hatte. Dies stellt gleichwohl nicht den Antritt der Reise dar. Vorliegend kann dahinstehen, ob der Beginn des Eincheckens den Reiseantritt darstellt (so das OLG Dresden, Urteil vom 28.08.2001, 3 U 1338/01), denn nach Ansicht des Gerichts ist das Ausdrucken der Bordkarten nicht Teil des Eincheckens.

Hier war der Kläger nach den konkreten Reisevereinbarungen verpflichtet, die Bordkarten über das Internet am eigenen Computer auszudrucken, wobei dies auch schon weiträumig vor dem Flug erfolgen durfte. Allein die technische Möglichkeit und daraus resultierend die Verpflichtung zum Ausdruck der Bordkarten über den eigenen Rechner verschiebt nicht den Zeitpunkt des Reiseantritts. Abgesehen davon, dass es vom Zufall bzw. von der jeweiligen persönlichen Reisevorbereitung abhängt, wie viele Tage oder Wochen vor geplanter Abreise der Ausdruck erfolgt, ist der Erhalt der Bordkarten lediglich ein untergeordneter Nebenaspekt im Rahmen des Eincheckens bei einer Flugreise. Das Einchecken besteht vielmehr darin, dass sich der Reisende am Flughafen einfindet und der Fluggesellschaft seine Anwesenheit und Flugbereitschaft durch Übergabe des Reisegepäcks sowie Entgegennahme der Bordkarte oder Vorlage der selbst ausgedruckten Bordkarte anzeigt. Erst dadurch wird ein Prozess in Gang gesetzt, der bei planmäßigem Verlauf unmittelbar in den Abflug mit der gebuchten Maschine zum geplanten Ziel mündet.

Die Auslegung der Beklagten hingegen ist lebensfremd. Zunächst sehen die hier relevanten Beförderungsbedingungen unter anderem vor, dass eine bereits ausgedruckte Bordkarte bis zu zwei Stunden vor dem geplanten Abflug erneut ausgedruckt werden kann. Dies erlaubt den Rückschluss, dass die Fluggesellschaft den Vorgang des Ausdruckens am heimischen Rechner offenbar nicht mit dem Vorgang des Eincheckens gleichsetzt; anderenfalls könnte der Fluggast durch mehrfaches Ausdrucken eine Reise mehrfach antreten.

Schließlich widerspricht die Auslegung der Beklagten dem Sinn und Zweck der von ihr angebotenen Versicherung. Sinn und Zweck einer Reiserücktrittsversicherung ist, dass der Versicherungsnehmer bei unerwarteter Verhinderung des Reiseantritts (aus bestimmten Gründen) die Kosten der Reise erstattet erhält. Da Reisen grundsätzlich storniert werden können, jedoch umso höhere Stornokosten anfallen, je kurzfristiger der Rücktritt ist, sollen mit der streitgegenständlichen Versicherung typischerweise vor allem kurzfristige Verhinderungen abgedeckt werden. Mit der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung des Reiseantritts wäre der Abschluss einer derartigen Versicherung unsinnig, denn gerade der kostenintensive Stornozeitraum kurz vor der geplanten Abreise wäre aufgrund der Verpflichtung zum Selbstausdruck am eigenen Computer vom Versicherungsschutz ausgenommen.

Die Klage war jedoch in Höhe von 100,00 Euro abzuweisen, da die Parteien insoweit unstreitig einen Selbstbehalt pro Reise vereinbart hatten.

Der klägerische Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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