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Reiserücktrittsversicherung – Zahlung bei Covid-Verdacht

LG Kassel – Az.: 5 O 459/21 – Urteil vom 05.10.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger, die Kosten der Streithilfe hat die Streithelferin selbst zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht jeweils die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Stornierungskosten aus einer Reiserücktrittsversicherung.

Im April 2020 buchte der Kläger bei der Streitverkündeten eine Pauschalreise nach Franzö-sisch-Polynesien für den Reisezeitraum 24.09. bis 09.10.2020 für drei Personen. Der Reise-preis betrug für den Kläger als Einzelperson 5.490,- EUR, zzgl. weiterer Kosten i.H.v. 1.350,- EUR für die Vermittlung von Inlandsflügen mit „…“ und i.H.v. 490,- EUR für Steuern und Fluggastgebühren.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten zur Versicherungsscheinnummer „…“ eine Reiserücktrittsversicherung nach Maßgabe der „Versicherungsbedingungen für die Jahres-Reise-Rücktritts- und Abbruchversicherung (VB-RS 2018 (JRV-RRV/UG-D)“, vgl. Anlage K 9, Bl. 110 ff. d.A., im Folgenden: „AVB“). Der Versicherungsschutz bestand seit dem 27.02.2020 und wurde als Jahresgarantie geschlossen.

In der Rubrik „RRV- Reise-Rücktrittsversicherung“ heißt es unter dem Unterpunkt „Welche Leistungen sind versichert“ in Ziffer 1.1.1. AVB auszugsweise wie folgt:

„Wenn Sie die Reise oder ein Seminar nicht antreten, leisten wir die vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten. (…)“

In Ziffer 2 „Wann liegt ein Versicherungsfall vor?“ AVB heißt es auszugsweise:

„Ein Versicherungsfall liegt vor, wenn nach Beginn des Versicherungsschutzes ein versichertes Ereignis eintritt.

(…)

Ein versichertes Ereignis liegt vor

2.1 bei einer unerwarteten schweren Erkrankung. Beachten Sie hierzu bitte unsere Erläuterungen im Teil D. (…)“

Am 17.03.2020 sprach die Bundesregierung eine weltweite Reisewarnung für alle nicht notwendigen, touristischen Auslandsreisen aus.

Ferner gab es eine amtliche Reisewarnung für den Zielort der Pauschalreise.

Am 17.09.2020 stornierte der Kläger die Reise wegen einer bei ihm vermeintlich aufgetretenen Erkrankung. Unter dem 22.09.2020 erhielt der Kläger von der Streitverkündeten eine Stornierungsrechnung i.H.v. 6.336,00 €.

Der Kläger erbat von der Beklagten die schadensregulierende Erstattung der Stornierungs-kosten. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 01.10.2020 ab.

Mit Schreiben vom 16.10.2020 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte wiederum zur Erstattung der Stornierungsrechnung bis zum 30.10.2020 auf. Die Beklagte wies diese Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 26.10.2020 und 03.11.2020 zurück, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 30.10.2020 die Beklagte erneut zur Zahlung aufgefordert hatte.

Der Kläger behauptet, dass er die Reise in Folge eines mit Fieber einhergehenden grippalen Infekts mit begleitendem Verdacht einer Covid 19 Infektion nicht habe antreten können und bezieht sich hierzu auf die ärztliche Bescheinigung vom 17.09.2020 (vgl. Anlage K 3, Bl. 11 d.A.).

Die Beklagte verkenne bei ihrer Argumentation im Hinblick auf die im Rahmen des § 651h Abs. 3 BGB vorzunehmende Einzelfallprüfung, dass eine Reisewarnung der Bundesregierung lediglich indiziellen Charakter habe und kein faktisches Reiseverbot darstelle.

Hier sei insbesondere maßgeblich, dass die klägerseits stornierte Reise letztlich planmäßig stattgefunden habe, was sich aus der E-Mail der Streitverkündeten vom 22.10.2020 ergebe (vgl. Anlage K 8, Bl. 19 d.A.). Beeinträchtigungen der Reiseleistungen seien für den Kläger weder erkennbar gewesen, noch vor dem Hintergrund der Rückmeldung des Reiseveranstalters ex post anzunehmen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 6.336,00 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30.10.2020, sowie Nebenkosten i.H.v. 633,94 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die von der Streitverkündeten gegenüber dem Kläger geltend gemachten Stornogebühren seien gemäß § 651h Abs. 3 BGB unberechtigt gewesen.

Dazu behauptet die Beklagte, die planmäßige Durchführung der Reise sei – neben dem Umstand der unstreitig vorliegenden amtlichen Reisewarnung – deshalb gefährdet gewesen, weil die Gefahr bestanden habe, anschließend am Urlaubsort festzusitzen; das Auswärtige Amt habe bekanntermaßen auch entsprechend umfangreiche Rückholaktionen starten müssen, sodass das Risiko der Notwendigkeit einer Rückholaktion bestanden habe. Ferner habe eine Quarantäneanordnung gedroht und – insoweit jeweils unstreitig geblieben – es habe eine erhöhte Ansteckungsgefahr und keine ausreichenden Kapazitäten vor Ort für eine medizinische Versorgung im Krankheitsfall bestanden.

Unabhängig davon würde ein etwaiger fieberhafter Infekt genauso wie der bloße Verdacht von Covid keine unerwartet schwere Erkrankung i.S.d. Versicherungsbedingungen darstellen.

Sie meint, es komme letztlich auch überhaupt nicht darauf an, ob die Reise tatsächlich durchgeführt worden sei oder nicht.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus dem Reiserücktrittsversicherungsvertrag wegen der Stornierung seiner für den Reisezeitraum vom 24.09. bis 09.10.2020 gebuchten Pauschalreise nach Französisch-Polynesien zu.

Zum einen lag bei der Stornierung der Reise durch den Kläger am 17.09.2020 bereits keine unerwartet schwere Erkrankung i.S.d. Versicherungsbedingungen und damit kein Versicherungsfall vor (dazu 1.) und zum anderen waren die von der Nebenintervenientin verlangten und vom Kläger gezahlten Stornierungskosten gemäß § 651 h Abs. 3 S. 1 BGB vertraglich nicht geschuldet (dazu 2.).

1.

Bei den klägerseits vorgetragenen Erkrankungen handelt es sich nicht um eine unerwartet schwere Erkrankung i.S.v. Teil B Ziffer 2.1 AVB.

Unter einer Erkrankung versteht man eine anormale physische oder psychische Verfassung, welche in eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen respektive geistigen Betätigungsmöglichkeit mündet (vgl. Staudinger in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 41 Reisegepäck-, Reiserücktrittskosten- und Reisekrankenversicherung, Rn. 102). Eine Erkrankung ist schwer, wenn die Erkrankung dergestalt ist, dass der Reiseantritt aus objektiver Sicht, d.h. aus Sicht eines verständigen Dritten, nicht mehr zumutbar wäre (vgl. OLG München, VersR 87, 1032; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2010, 1620; OLG Koblenz, VersR 2010, 905; LG München I, r+s 2005, 253 sowie Teil D AVB als Beispiel für schwere Erkrankungen: „die attestierte gesundheitliche Beeinträchtigung ist so stark, dass der Versicherte aufgrund von Symptomen und Beschwerden der Erkrankung die geplante Hauptreiseleistung nicht wahrnehmen kann“). Dabei reicht es nicht aus, dass im Vorfeld der Reise im versicherten Zeitraum irgendwann eine Unzumutbarkeit eines Reiseantritts auftritt, die sich nicht bis zum planmäßigen Reiseantritt verlängern lässt, etwa infolge einer akuten vorübergehenden Erkrankung, die bis zum Reiseantritt wieder auskuriert ist (OLG Frankfurt a.M. a.a.O.). Allein der von einem Arzt geäußerte Verdacht auf eine schwere Erkrankung, der zum Anlass genommen wird, eine Reise zu stornieren, sich im Nachgang aber nicht bestätigt, stellt kein versichertes Ereignis dar; auch stellen Krankheiten, die nicht einmal einer ärztlichen Behandlung bedürfen, keine schweren Erkrankungen dar (vgl. Steinbeck in: Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 30 Reiseversicherung, Rn. 45). Ferner fehlt es an einer schweren Erkrankung, wenn sich Beschwerden durch eine persönlich und finanziell zumutbare Therapie oder entsprechende eigene Verhaltensweisen zumindest soweit lindern lassen, dass der Reiseantritt wieder möglich erscheint (vgl. Looschelders/Pohlmann/Benzenberg, Anh. N Rn. 106; Prölss/Martin/Knappmann Ziff. 2 VB-Reiserücktritt 2008 Rn. 4; LG Kleve, r+s 1998, 254).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lag bei dem Kläger keine unerwartet schwere Erkrankung vor.

Soweit der Kläger für die Begründung einer unerwartet schweren Erkrankung darauf abstellt, dass es „als Selbstverständlichkeit“ unterstellt werden könne, dass der Kläger vor dem Hintergrund eines Covid-19-Verdachts sofort und unmittelbar die Reise gesundheitsbedingt storniert habe, so verfängt diese Argumentation bereits deshalb nicht, da es insoweit bereits an einer (tatsächlich vorliegenden) Erkrankung fehlte. Denn (glücklicherweise) hat sich der Covid-19-Verdacht nach eigenem Vorbringen des Klägers – nachgewiesen durch einen Corona-Test – nicht bestätigt. Der bloße Verdacht auf eine Erkrankung stellt jedoch bereits kein versichertes Ereignis dar.

Unabhängig davon, dass der Kläger den im Attest vom 17.09.2020 ferner diagnostizierten grippalen Infekt selbst nicht als Ursache für die seinerseits vorgenommene Stornierung der Reise angibt, so stellt ein grippaler Infekt auch keine schwere Erkrankung dar.

Maßgeblich ist, dass es sich bei einem grippalen Infekt (lediglich) um eine vorübergehende Erkrankung handelt, die durch verschiedene Erkältungsviren ausgelöst wird, und eine solche, deren Beschwerden sich durch zumutbare Therapien oder eigene Verhaltensweisen jedenfalls soweit lindern lassen, dass der Reiseantritt wieder möglich erscheint. Insoweit ist weder dargetan noch ersichtlich, dass eine solche Erkrankung, die am 17.09.2020 – also rund eine Woche vor dem Reisezeitraum (24.09. bis 09.10.2020) – diagnostiziert wurde, nicht bis zum Reiseantritt bereits wieder auskuriert war bzw. aus maßgeblicher objektiver Sicht eines verständigen Dritten auskuriert sein könnte. Dies gilt umso mehr, als dass dem Attest vom 17.09.2020 zu entnehmen ist, dass die diesbezügliche Symptomatik (Infektzeichen) nach der Anamnese bereits seit 3 Tagen vorgelegen hätten. Als eingeleitete Therapiemaßnahmen wird die symptomatische Therapie mit Paracetamol angeführt. Bei einer solchen Therapie (die Einnahme von Schmerzmittel bei Auftreten der Symptomatik) sowie entsprechender Verhaltensweisen (beispielsweise Bettruhe) handelt es sich ohne weiteres um zumutbare Verhaltensweisen, durch die die bei einem grippalen Infekt auftretenden Beschwerden – die, losgelöst von dem Umstand, dass sich dem Attest vom 17.09.2020 ohnehin nur eine leicht erhöhte Temperatur von 38,6 Grad entnehmen lässt, von ihrem Schweregrad bereits definitorisch von einer (schwerwiegenderen) Grippe gleichzusetzen (vgl. so auch AG Hamburg, NVersZ 2002, 465), sondern die typischen Beschwerden in der Regel eher schwächer ausgeprägt sind – sich jedenfalls soweit lindern lassen, dass die erst eine Woche später erfolgende Hauptreiseleistung wieder möglich erscheint.

Dieses Ergebnis wiederum wird bestätigt durch die in Teil D AVB für das Vorliegen einer unerwartet schweren Erkrankung vorliegenden Beispiele (Herzinfarkt, Lungenentzündung, starke allergische Reaktion), mit denen ein grippaler Infekt nicht ansatzweise vergleichbar ist.

2.

Ferner waren die seitens der Nebenintervenienten verlangten und klägerseits gezahlten Stornokosten vertraglich wegen § 651h Abs. 3 S. 1 BGB nicht geschuldet.

Nach § 651h Abs. 3 S. 1 BGB kann der Reiseveranstalter keine Entschädigungspauschalen verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind nach Abs. 3 S. 2 BGB dann unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Gemäß Erwägungsgrund 31 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, Amtsblatt der Europäischen Union L 326/1, liegen derartige Umstände zum Beispiel dann vor, wenn etwa wegen des Ausbruchs einer schweren Krankheit am Reiseziel erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit bestehen (vgl. OLG Hamm Urt. v. 30.8.2021 – 22 U 33/21, BeckRS 2021, 24178 Rn. 29; Führich, Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn wegen Covid-19-Pandemie, NJW 2020, 2137 Rn. 2).

Ob dies zum Zeitpunkt der Reise der Fall sein wird, ist bei einer vor Reiseantritt abgegebenen Rücktrittserklärung durch eine Prognoseentscheidung zu beurteilen, im Rahmen welcher danach zu fragen ist, ob die konkrete Reise aus einer ex-ante-Betrachtung heraus erheblich beeinträchtigt sein wird; maßgeblich ist demnach allein der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung, sodass spätere Veränderungen sowohl zum Positiven als auch zum Negativen unbeachtlich sind (vgl. beispielhaft OLG Hamm Urt. v. 30.8.2021 – 22 U 33/21, BeckRS 2021, 24178; AG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2021 – 37 C 471/20, NJW-RR 2021, 930; AG Frankfurt, Urteil vom 11.08.2020 – 32 C 2136/20 -, juris Rn. 38; AG München, Urteil vom 27.10.2020 – 159 C 13380/20 -, juris Rn. 19; LG Frankfurt, Urteil vom 04.05.2021 – 3-06 O 40/20 -, juris Rn. 28; AG Duisburg, BeckRS 2021, 21052; BeckOK BGB/Geib 58. Ed. 1.5.2021, BGB § 651h Rn. 21a; Löw, MW 2020, 1252 (1253); Staudinger/Achilles-Pujol in: Schmidt, COVID-19, § 7 Rn. 26; Staudinger/Ruks, DAR 2020, 314 (315)).

Demgemäß kommt es von vornherein nicht darauf an, ob – wie klägerseits behauptet – die Reise im Endeffekt planmäßig ihre vollständige Ausführung erfahren hat oder nicht.

Die Frage, von welchem Gefährdungsgrad an insoweit eine erhebliche Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, lässt sich dabei nur nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des konkreten Inhalts des Reisevertrags beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2002 – X ZR 147/01 -, juris Rn. 12).

Für eine Beeinträchtigung der Reise durch die COVID-19-Pandemie reicht es für eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB aus, wenn ein konkretes Risiko für einen erheblichen Gesundheitsschaden besteht, weil im Rahmen der Reise bzw. am Reiseort ein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht (vgl. AG Duisburg, BeckRS 2021, 21052; AG Stuttgart, Urteil vom 13.10.2020 aaO; AG Köln, Urteil vom 14.09.2020 – 133 C 213/20 -, BeckRS 2020, 23502 Rn. 18 m.w.N.; OLG Hamm a.a.O.; BeckOK BGB/Geib BGB § 651h Rn. 20a m.w.N.; BeckOGK/Harke, 1.5.2021, BGB § 651h Rn. 47 m.w.N.). Besteht für das in Frage stehende Zielgebiet eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, so ist dies als ein starkes Indiz – wenn auch nicht als zwingende Voraussetzung – für das Vorliegen eines erheblichen Beeinträchtigung zu beachten (allgemeine Auffassung, vgl. beispielhaft BeckOGK/Harke BGB § 651h Rn. 47; OLG Hamm Urt. v. 30.8.2021 – 22 U 33/21, BeckRS 2021, 24178 Rn. 33).

Ausgehend von diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB vor.

Bei der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) handelt es sich wie bei anderen Seuchen grundsätzlich um einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB (vgl. OLG Hamm Urt. v. 30.8.2021 – 22 U 33/21, BeckRS 2021, 24178 Rn. 32; AG München, Urteil vom 27.12.2020 aaO; BeckOK BGB/Geib BGB § 651h Rn. 20a m.w.N.; Löw, NJW 2020, 1252, (1253)).

Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 17.09.2020, war aufgrund der COVID-19-Pandemie eine erhebliche Beeinträchtigung der geplanten Reise nach Französisch-Polynesien durch das Risiko einer Gesundheitsgefährdung des Reisenden konkret zu befürchten. Dabei kommt es lediglich auf die persönliche Sicherheit, nicht auf die Durchführbarkeit der Pauschalreise an (vgl. Löw, NJW 2020, 1252, (1253))

Maßgeblich im vorliegenden Fall ist Folgendes: Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung stand – was allgemein bekannt ist – weder eine sichere Therapiemöglichkeit noch ein Impfstoff zur Verfügung und seine Verfügbarkeit war bis zum eine Woche später geplanten Reiseantritt auch ausgeschlossen; gerade bei einer hier vorliegenden mehrtägigen Flugreise, bei welcher eine große Anzahl von Menschen über längere Zeit eng miteinander in Berührung gekommen wären, bestand die konkrete, letztlich vom Zufall abhängige Gefahr, dass es unterwegs zu einem Infektionsgeschehen kommt.

Es gab (mittlerweile unstreitig gestellt) eine amtliche Reisewarnung für den Zielort der geplanten Pauschalreise.

Aus Anlage B 5 (Bl. 101 f. d.A., gültig seit 03.08.2020) ergibt sich zudem ein „hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19)“. Weiter heißt es: „Mit anhaltenden Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr sowie weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben ist bis auf weiteres zu rechnen. Von nicht unbedingt notwendigen Reisen wird daher abgeraten.“

Zwar ist dem Vertreter der Nebenintervenientin insoweit zuzustimmen, dass sich aus den weiteren Einzelheiten der Reisewarnung bzw. des Reisehinweises keine (weitergehenden) validen Einschränkungen bezüglich der geplanten Hauptreiseleistung ergeben, da für Französisch-Polynesien keine Verpflichtung zur Quarantäne nach Einreise bestand und beispielsweise (lediglich) eine (strafbewehrte) Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen, geschlossenen Räumen ausgewiesen wird. Dies ändert jedoch nichts an der sich daraus gleichwohl ergebenden konkreten Gefährdungslage im Hinblick auf eine konkrete Gesundheitsgefahr durch Infektion mit dem Corona-Virus, wegen der gerade von nicht unbedingt notwendigen Reisen – bei der es sich bei einer Tauchreise unzweifelhaft handelt – gerade abgeraten wurde.

In diesem Zusammenhang tritt der Umstand hinzu, dass zwischen den Parteien auch unstreitig geblieben ist, dass eine erhöhte Ansteckungsgefahr bestand, aufgrund derer bereits für sich genommen die Voraussetzungen des § 651 h Abs. 3 BGB erfüllt sind, selbst wenn es keine Reisewarnung gegeben hätte.

Entscheidend ist daneben auch der – wiederum unstreitig gebliebene – Umstand, dass vor Ort keine ausreichenden Kapazitäten für eine medizinische Versorgung im Krankheitsfall gegeben gewesen wäre. Zwar steigert die Reise in diesem Fall nicht das Risiko einer Erkrankung; muss der Reisende jedoch damit rechnen, dass er im Krankheitsfall nicht angemessen versorgt wird, bedeutet dies eine nicht abzusehende und erhebliche Beeinträchtigung der Reise (vgl. Harke, beckOGK, § 651 h, Rn. 49.1).

Hinzu kommt, dass auch die Weltgesundheitsorganisation, deren Warnungen im Rahmen der Prognoseentscheidungen ebenfalls Berücksichtigung finden können, am 30.01.2021 einen internationalen Gesundheitsnotstand wegen der Infektionsgefahr ausgerufen und den COVID 19 Ausbruch am 12.03.2020 zur Pandemie erklärt hatte und die Bundesregierung schon am 17.03.2020 vor allen touristischen Reisen ins Ausland gewarnt hat.

2.

Mangels Anspruchs in der Hauptsache waren dem Kläger auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zuzusprechen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, § 101 Abs. 1 HS.2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

III.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 6.336,00 €.

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