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Reiserücktrittsversicherung – Kostenerstattung für Absage einer gebuchten Urlaubsreise

LG Berlin, Az.: 23 S 10/12, Urteil vom 01.03.2013

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.01.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg – 103 C 379/11 – teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.174,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.09.2011 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs.2, 313a ZPO, 26 Nr.8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Reiserücktrittsversicherung - Kostenerstattung für Absage einer gebuchten Urlaubsreise
Symbolfoto: William Potter/Bigstock

Die statthafte, frist- und formgerechte Berufung hat in der Sache vollumfänglich Erfolg, nach dem die Klägerin die Berufung gegen die Abweisung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zurückgenommen hat. Insoweit bleibt es bei der Klageabweisung durch das Amtsgericht.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der vertraglichen geschuldeten Stornokosten für die Stornierung der bei der … Deutschland GmbH gebuchten Pauschalreise für sich und ihren Lebensgefährten aus der zwischen den Parteien bestehenden Reiserücktrittsversicherung gemäß A.II. § 1 Nr.1 lit. a) der Versicherungsbedingungen für Reiseversicherungen der MDT Makler der Touristik GmbH Assekuranzmakler (VB MDT 2010-A/TUI-Card Classic) zu. Insbesondere hat die Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen für die begehrte Erstattung der Stornokosten im Sinne von II.A. § 1 lit.a) VB MDT 2010-A dargetan.

Die Kammer vermag sich den Erwägungen des amtsgerichtlichen Urteils, basierend darauf, dass es sich bei dem Verschluss des Shunts um den Ausfall eines Hilfsmittels und damit nicht um eine Krankheit im Sinne der Vertragsbedingungen handelt, nicht anzuschließen.

Zwar dürfte zutreffend sein, dass es sich bei dem Shunt um ein Hilfsmittel zur Behandlung der Niereninsuffizienz handelt. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass der Ausfall des Hilfsmittels zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Erkrankung führt, weil die erforderliche Dialysebehandlung ohne einen Shunt nicht durchgeführt werden kann und dessen Vorhandensein deshalb notwendige Voraussetzung für die lebenserhaltende Dialyse ist. Der Fortfall des Shunts führt dazu, dass sich der Zustand des mitreisenden Lebensgefährten von einem solchen des allgemeinen Wohlbefindens aufgrund der Behandelbarkeit der Niereninsuffizienz zu einem Zustand der schweren Erkrankung wegen der durch den Shuntverschluss eingetretenen Unmöglichkeit der Behandlung ändert.

Dass die Niereninsuffizienz ebenso wie die Behandlung derselben über einen Shunt bei Vertragsschluss bekannt war, führt nicht dazu, dass der Anspruch zu versagen ist. Auch eine bei Vertragsschluss vorhandene Krankheit kann eine unerwartete Erkrankung im Sinne von II.A. § 2 Abs.1 lit.a) VB MDT 2010-A sein, wenn zunächst mit der Reisefähigkeit gerechnet werden durfte (vgl. Knappmann in Prölss-Martin, VVG, 28. Aufl., VB-Reiserücktritt 2008 Nr.2 Rz.9). Entscheidend dafür, ob die Krankheit „unerwartet“ war, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu ihrem Eintritt kommt. Maßstab muss sein, ob ein vernünftiger Reisender in der Situation und mit dem Kenntnisstand des Versicherungsnehmers von der Reisebuchung abgesehen hätte (vgl. Knappmann, aaO, Rz.8). Der Begriff „unerwartet“ ist einschränkend subjektiv auszulegen und bedeutet mangelnde Voraussehbarkeit aus der Sicht des Versicherungsnehmers (vgl. BGH VersR 1994, 549).

Die Erkrankung oder Verschlechterung der bestehenden Krankheit ist für den Versicherungsnehmer vorhersehbar, wenn auf Grund der ihm bekannten Tatsachen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Krankheit oder deren Verschlechterung spricht, wobei auf die Sicht eines nicht mit medizinischen Spezialkenntnissen ausgerüsteten durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen ist. Es kommt mithin nicht darauf an, ob objektiv – was nur bedeuten könnte aus der Sicht eines Fachkundigen, also eines Arztes – mit der Erkrankung zu rechnen war (vgl. Steinbeck/Maczkiewitz in Münchener Anwaltshandbuch, Versicherungsrecht, 2. Aufl., 2008, § 30 Rz.58; LG Berlin, ZK 7 ; NVersT 2002, 503).

Vorliegend war der Shunt-Verschluss sowohl subjektiv als auch objektiv nicht vorhersehbar. Die behandelnden Ärzte des Gefäßzentrums, die vor der Reisebuchung nach Bedenken gefragt worden sind, haben solche nicht angemeldet wie sich aus der Anlage K 4 ergibt. Wäre mit dem Shunt-Verschluss nicht nur theoretisch, sondern konkret zu rechnen gewesen, hätte diese Konsultation zu einem anderen Ergebnis geführt – wie nicht. Von dem Patienten kann kein besseres Wissen verlangt als von seinem behandelnden Arzt. Dies gilt erst recht für die Klägerin als derjenigen, die aus dem Vertrag berechtigt ist.

Darauf, ob es beim Setzen eines neuen Shunts stets zu Komplikationen kommen kann, kommt es deshalb nicht an, denn mit einem Shunt-Verschluss musste vorliegend gerade nicht gerechnet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Nebenentscheidung folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs.1 ZPO.

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