Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gerichtsurteil zur Reiserücktrittskostenversicherung: Was bedeutet „unverzüglich“?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Wie lange habe ich Zeit, nach einer Erkrankung meine Reise zu stornieren, um meine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch zu nehmen?
- Muss ich meine Reise sofort stornieren, wenn ich eine Erkrankung oder einen Unfall erleide, oder kann ich noch auf Besserung hoffen?
- Welche Schritte muss ich unternehmen, um meine Ansprüche auf Kostenerstattung im Falle einer verspäteten Stornierung zu sichern?
- Was passiert, wenn ich meine Reise aufgrund einer Erkrankung storniere, aber die Versicherung die Erstattung ablehnt?
- Welches Verhalten gilt als „grob fahrlässig“ im Sinne der Reiserücktrittsversicherung bei Krankheit oder Unfall?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Eine Stornierung einer Reise muss nicht sofort nach Diagnose einer Erkrankung erfolgen, sondern kann auch später erfolgen, wenn die Ärzte von einer Genesung ausgehen.
- Die Unverzüglichkeit der Stornierung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und kann nicht allein nach dem Zeitpunkt der Diagnose beurteilt werden.
- Eine Reiserücktrittskostenversicherung muss auch dann leisten, wenn die Stornierung nicht unmittelbar nach der Diagnose einer Erkrankung erfolgt, sondern später, wenn die Ärzte von einer Genesung ausgehen.
- Der Versicherer kann nicht automatisch von einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ausgehen, wenn die Stornierung nicht sofort nach der Diagnose erfolgt.
- Die Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer kann nicht automatisch zu einer Leistungskürzung oder Ablehnung führen, sondern muss im Einzelfall beurteilt werden.
- Der Versicherer muss die Umstände des Einzelfalles berücksichtigen und darf nicht allein auf den Zeitpunkt der Diagnose abstellen.
- Die Reiserücktrittskostenversicherung muss auch dann leisten, wenn der Versicherungsnehmer nach der Diagnose einer Erkrankung von einer Genesung ausgeht und die Stornierung erst später erfolgt.
- Die Unverzüglichkeit der Stornierung muss nicht immer_dtype Sukzessive Handlungen bedeuten, sondern kann auch eine sorgfältige Überlegung und eine spätere Stornierung umfassen.
- Der Versicherungsnehmer hat Anspruch auf Leistung, wenn er nach der Diagnose einer Erkrankung von einer Genesung ausgeht und die Stornierung erst später erfolgt.
Gerichtsurteil zur Reiserücktrittskostenversicherung: Was bedeutet „unverzüglich“?
Die Reiserücktrittskostenversicherung ist eine beliebte Absicherung für den Fall, dass eine Reise aufgrund unvorhergesehener Ereignisse, wie etwa Krankheit oder Unfall, nicht angetreten werden kann. Der Versicherungsnehmer kann dann unter bestimmten Voraussetzungen die bereits getätigten Reisekosten erstattet bekommen, und zwar unabhängig davon, ob die Stornobedingungen des Reiseveranstalters dies erlauben. Doch wie schnell muss man bei Krankheit oder Unfall reagieren, um einen Anspruch auf Kostenerstattung geltend machen zu können? Hier kommt der Begriff der „Unverzüglichkeit“ ins Spiel, der in vielen Versicherungsbedingungen zu finden ist.
Die Frage, was genau „unverzüglich“ bedeutet, ist in der Praxis oft umstritten. Der Gesetzgeber hat keine exakte Definition von „unverzüglich“ vorgegeben, es muss jedoch in jedem Einzelfall eine zeitnahe Reaktion erfolgen. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer sobald wie möglich, spätestens aber wenige Tage nach Kenntnis der Krankheit oder des Unfalls, die Versicherung über den Grund für die Reiseabsage informieren muss. Welche Fristen im Einzelfall angemessen sind, hängt letztlich von den Umständen, etwa der Schwere der Krankheit oder der Verfügbarkeit von ärztlichen Attesten ab. Das Gericht nimmt bei der Beurteilung der „Unverzüglichkeit“ die Interessen des Versicherungsnehmers sowie die Interessen der Versicherung gleichermaßen in den Blick.
In einem aktuellen Fall, der vor dem [Gerichtsname] verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob ein Versicherungsnehmer mit seiner Reaktion auf eine plötzlich auftretende Krankheit den Anforderungen der „Unverzüglichkeit“ gerecht wurde. Dieser Fall zeigt auf, wie schwer die Frage der „Unverzüglichkeit“ im Einzelfall sein kann, und wie wichtig die richtige Reaktion im Falle einer Reiseabsage ist.
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Der Fall vor Gericht
Reiserücktrittsversicherung: Unverzügliche Stornierung bei Knieerkrankung gefordert

Der Fall eines Reisenden, der eine Antarktiskreuzfahrt wegen einer unerwarteten Knieerkrankung stornieren musste, hat zu einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der Reiserücktrittsversicherung geführt. Das Landgericht Hamburg musste entscheiden, ob der Versicherte seiner Pflicht zur unverzüglichen Stornierung nachgekommen ist.
Der Kläger hatte für Januar 2014 eine Antarktiskreuzfahrt zum Preis von 34.106,90 Euro gebucht und dafür eine Reiserücktrittsversicherung ohne Selbstbeteiligung abgeschlossen. Im November 2013 traten bei ihm Kniebeschwerden auf. Nach einer MRT-Untersuchung wurde am 20. November ein Reizknie mit Ergussbildung, ein Knorpelschaden dritten Grades und ein Innenmeniskusriss diagnostiziert. Ende November unterzog sich der Kläger einer Operation.
Trotz der Diagnose und Operation ging der Kläger zunächst davon aus, die Reise antreten zu können. Die behandelnden Ärzte waren über die geplante Reise informiert und äußerten keine Bedenken. Der Heilungsverlauf war anfangs positiv. Erst als nach drei Wochen unerwartete Komplikationen auftraten, die die Gehfähigkeit des Klägers erheblich einschränkten, entschied er sich am 27. Dezember 2013 nach einer erneuten ärztlichen Untersuchung zur Stornierung der Reise.
Streit um Erstattung der Stornokosten
Der Reiseveranstalter berechnete Stornokosten in Höhe von 90% des Reisepreises, insgesamt 30.428,62 Euro. Die Versicherung erstattete jedoch nur 50% des Reisepreises, mit der Begründung, der Kläger hätte bereits am 20. November 2013 nach der ersten Diagnose stornieren müssen. Die Differenz von 13.657,22 Euro wurde Gegenstand des Rechtsstreits.
Die Versicherung argumentierte, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, indem er nicht unverzüglich nach der Diagnose am 20. November storniert habe. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits erkennbar gewesen, dass er die Reise nicht würde antreten können. Die später aufgetretenen Komplikationen seien nicht unerwartet gewesen.
Gerichtsentscheidung zugunsten des Versicherten
Das Landgericht Hamburg gab dem Kläger weitgehend Recht. Es entschied, dass kein grob fahrlässiger Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorlag. Entscheidend war die Aussage des behandelnden Arztes, der als Zeuge bestätigte, dass er selbst zum Zeitpunkt der Diagnose und Operation davon ausgegangen war, dass der Heilungsverlauf bis zur Reise ausreichen würde.
Das Gericht betonte, dass es nicht allein auf eine objektive Vorhersehbarkeit der Reiseunfähigkeit ankomme. Vielmehr müsse die Versicherung einen grob fahrlässigen Verstoß des Versicherten gegen die Schadensminderungspflicht beweisen, um sich auf eine vollständige oder anteilige Leistungsfreiheit berufen zu können. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.
Bedeutung für Reisende mit Versicherungsschutz
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg hat wichtige Implikationen für Reisende mit einer Reiserücktrittsversicherung. Sie stärkt die Position von Versicherten, die nach einer Erkrankung zunächst auf Besserung hoffen. Solange kein grob fahrlässiges Verhalten vorliegt und die Einschätzung der behandelnden Ärzte einen Reiseantritt noch möglich erscheinen lässt, müssen Versicherte nicht sofort stornieren.
Das Urteil verdeutlicht, dass Versicherte bei unerwarteten gesundheitlichen Problemen vor einer geplanten Reise eng mit ihren Ärzten kommunizieren und deren Einschätzung zur Reisefähigkeit berücksichtigen sollten. Im Zweifelsfall ist es ratsam, die Situation mit der Versicherung zu besprechen und die Entscheidungsgründe für eine spätere Stornierung zu dokumentieren.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position von Reisenden mit Reiserücktrittsversicherung. Es verdeutlicht, dass bei einer Erkrankung vor Reiseantritt nicht sofort storniert werden muss, solange kein grob fahrlässiges Verhalten vorliegt. Entscheidend ist die ärztliche Einschätzung zur möglichen Reisefähigkeit. Die Beweislast für einen grob fahrlässigen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt bei der Versicherung. Diese Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit für Versicherte in vergleichbaren Situationen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Reisender mit einer Reiserücktrittskostenversicherung gibt Ihnen dieses Urteil mehr Sicherheit. Wenn Sie vor Ihrer Reise erkranken, müssen Sie nicht sofort stornieren, nur weil eine Diagnose gestellt wurde. Sie können zunächst abwarten und die Einschätzung Ihres Arztes berücksichtigen. Wichtig ist, dass Sie Ihren Arzt über die geplante Reise informieren und seine Meinung zur Reisefähigkeit einholen. Sollten später unerwartete Komplikationen auftreten, die eine Reise unmöglich machen, können Sie dann stornieren, ohne Ihren Versicherungsschutz zu gefährden. Dokumentieren Sie alle Gespräche mit Ihrem Arzt und der Versicherung, um im Streitfall Ihre Sorgfalt nachweisen zu können.
FAQ – Häufige Fragen
Reisen sind schön, aber unvorhergesehene Ereignisse können teuer werden. Daher ist eine Reiserücktrittskostenversicherung unerlässlich. Doch Vorsicht: Die Unverzüglichkeit der Meldung spielt eine entscheidende Rolle. In unserer FAQ-Rubrik klären wir Sie umfassend über wichtige Details und Fallstricke auf.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Wie lange habe ich Zeit, nach einer Erkrankung meine Reise zu stornieren, um meine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch zu nehmen?
- Muss ich meine Reise sofort stornieren, wenn ich eine Erkrankung oder einen Unfall erleide, oder kann ich noch auf Besserung hoffen?
- Welche Schritte muss ich unternehmen, um meine Ansprüche auf Kostenerstattung im Falle einer verspäteten Stornierung zu sichern?
- Was passiert, wenn ich meine Reise aufgrund einer Erkrankung storniere, aber die Versicherung die Erstattung ablehnt?
- Welches Verhalten gilt als „grob fahrlässig“ im Sinne der Reiserücktrittsversicherung bei Krankheit oder Unfall?
Wie lange habe ich Zeit, nach einer Erkrankung meine Reise zu stornieren, um meine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch zu nehmen?
Bei einer Erkrankung vor Reiseantritt ist es für die Inanspruchnahme der Reiserücktrittsversicherung entscheidend, die Reise unverzüglich zu stornieren. Der Begriff „unverzüglich“ bedeutet in diesem Zusammenhang „ohne schuldhaftes Zögern“. Es gibt keine festgelegte Frist von beispielsweise 24 Stunden oder drei Tagen. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Grundsätzlich sollte die Stornierung so schnell wie möglich nach Feststellung der Reiseunfähigkeit erfolgen. Dies dient dazu, die Stornokosten möglichst gering zu halten. Versicherungen erwarten, dass Versicherte nicht unnötig lange abwarten, in der Hoffnung auf eine schnelle Genesung.
In der Praxis wird oft ein Zeitraum von wenigen Tagen als angemessen betrachtet, um die Reiseunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen und die Stornierung vorzunehmen. Bei eindeutigen Erkrankungen oder Verletzungen sollte die Stornierung innerhalb von 2-3 Tagen erfolgen. Bei unklaren Krankheitsverläufen kann eine etwas längere Frist von bis zu einer Woche akzeptabel sein, wenn in dieser Zeit aktiv an der Diagnose und Prognose gearbeitet wird.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Versicherung die Leistung kürzen oder sogar ganz verweigern kann, wenn die Stornierung schuldhaft verzögert wurde. Wer beispielsweise trotz klarer Anzeichen für eine längerfristige Erkrankung wochenlang mit der Stornierung wartet, riskiert den Versicherungsschutz.
Im Zweifelsfall ist es ratsam, die Reise lieber früher als später zu stornieren. Sollte sich der Gesundheitszustand wider Erwarten schnell bessern, besteht oft die Möglichkeit, die Stornierung rückgängig zu machen und die Reise doch noch anzutreten. Dies ist in der Regel kostengünstiger, als zu lange zu warten und höhere Stornogebühren in Kauf zu nehmen.
Bei der Beurteilung der Unverzüglichkeit berücksichtigen Gerichte auch die Art der Erkrankung. Bei einem Beinbruch ist beispielsweise sofort klar, dass eine Reise nicht angetreten werden kann. Bei einer Grippe hingegen kann es angemessen sein, einige Tage abzuwarten, ob sich der Zustand bessert.
Es empfiehlt sich, den gesamten Prozess zu dokumentieren. Dazu gehören ärztliche Atteste, die die Reiseunfähigkeit bestätigen, sowie Nachweise über den Zeitpunkt der ersten Symptome und der Diagnosestellung. Diese Unterlagen können im Streitfall mit der Versicherung wichtig sein.
Letztendlich geht es darum, dass Versicherte in gutem Glauben handeln und alle zumutbaren Schritte unternehmen, um die Interessen der Versicherung zu wahren. Wer dies nachweislich tut und die Stornierung nicht schuldhaft verzögert, hat gute Chancen, die vollen Leistungen der Reiserücktrittsversicherung in Anspruch nehmen zu können.
Muss ich meine Reise sofort stornieren, wenn ich eine Erkrankung oder einen Unfall erleide, oder kann ich noch auf Besserung hoffen?
Bei einer Erkrankung oder einem Unfall vor Reiseantritt ist es wichtig, die Reise unverzüglich zu stornieren, sobald erkennbar wird, dass die Reisefähigkeit beeinträchtigt ist. Ein Abwarten auf mögliche Besserung kann problematisch sein und zu Nachteilen führen.
Die Reiserücktrittsversicherung verlangt in der Regel, dass die Stornierung ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Dies bedeutet, dass der Versicherte die Reise stornieren muss, sobald für ihn erkennbar ist, dass er die Reise voraussichtlich nicht antreten kann. Ein längeres Zuwarten in der Hoffnung auf Genesung kann als Verletzung der vertraglichen Pflichten gewertet werden.
Entscheidend für die Beurteilung ist der Zeitpunkt, ab dem für einen durchschnittlichen Reisenden klar erkennbar war, dass die Reise nicht angetreten werden kann. Dies hängt vom Einzelfall ab und berücksichtigt Faktoren wie Art und Schwere der Erkrankung, Heilungsverlauf und ärztliche Prognosen.
Bei einer plötzlichen schweren Erkrankung kurz vor Reisebeginn ist eine umgehende Stornierung in der Regel unproblematisch. Komplizierter wird es bei länger andauernden Krankheitsverläufen oder Unfallfolgen. Hier muss der Versicherte die Entwicklung aufmerksam beobachten und bei anhaltenden Beschwerden rechtzeitig stornieren.
Ein zu langes Abwarten kann dazu führen, dass die Versicherung die Erstattung der Stornokosten kürzt oder ganz verweigert. Je später storniert wird, desto höher fallen zudem meist die Stornogebühren aus, was finanzielle Nachteile mit sich bringt.
Es empfiehlt sich daher, bei Zweifeln an der Reisefähigkeit frühzeitig ärztlichen Rat einzuholen. Ein ärztliches Attest, das die Reiseunfähigkeit bescheinigt, ist für die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs ohnehin erforderlich. Der Arzt kann auch eine fundierte Einschätzung zur Genesungsprognose geben.
Besteht begründete Hoffnung auf rasche Besserung, kann in Absprache mit der Versicherung eventuell ein kurzer Aufschub der Stornierung vereinbart werden. Dies sollte aber unbedingt schriftlich festgehalten werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Grundsätzlich gilt: Im Zweifel ist eine frühe Stornierung ratsam, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Die finanziellen Risiken einer zu späten Stornierung überwiegen meist den möglichen Vorteil, die Reise doch noch antreten zu können.
Welche Schritte muss ich unternehmen, um meine Ansprüche auf Kostenerstattung im Falle einer verspäteten Stornierung zu sichern?
Bei einer verspäteten Stornierung einer Reise sind mehrere Schritte erforderlich, um die Ansprüche auf Kostenerstattung zu sichern:
Unverzügliche Stornierung der Reise ist der erste und wichtigste Schritt. Sobald ein Grund für die Stornierung eintritt, muss die Reise umgehend beim Reiseveranstalter oder der Buchungsstelle storniert werden. Dies sollte schriftlich per E-Mail oder Brief erfolgen, um einen Nachweis zu haben. Die Stornierung sollte den Grund für die Absage enthalten.
Sorgfältige Dokumentation des Stornierungsgrundes ist entscheidend. Bei Krankheit als Stornierungsgrund ist ein ärztliches Attest unerlässlich. Dieses sollte detailliert die Diagnose, den Behandlungszeitraum und die Reiseunfähigkeit bescheinigen. Das Attest muss zeitnah zur Erkrankung und Stornierung ausgestellt werden.
Bei anderen Stornierungsgründen wie Jobverlust oder Schaden am Eigentum sind entsprechende Nachweise wie die Kündigung oder ein Polizeibericht erforderlich. Es ist ratsam, alle relevanten Unterlagen zu sammeln und aufzubewahren.
Umgehende Kontaktaufnahme mit der Versicherung ist der nächste wichtige Schritt. Die Versicherung sollte zeitnah über den Schadensfall informiert werden. Dabei sind die Versicherungsnummer und Details zur gebuchten Reise anzugeben. Die Versicherung wird in der Regel ein Schadensformular zur Verfügung stellen, das sorgfältig ausgefüllt werden muss.
Einreichung aller erforderlichen Unterlagen bei der Versicherung ist entscheidend für die Bearbeitung des Anspruchs. Dazu gehören:
– Die Buchungsbestätigung der Reise
– Die Stornierungsbestätigung des Reiseveranstalters
– Die Stornorechnung mit Angabe der Stornokosten
– Nachweise für den Stornierungsgrund (z.B. ärztliches Attest, Kündigungsschreiben)
– Ausgefülltes Schadensformular der Versicherung
Begründung der verspäteten Stornierung, falls zutreffend. Sollte die Stornierung nicht unmittelbar nach Eintritt des Stornierungsgrundes erfolgt sein, ist eine plausible Erklärung für die Verzögerung wichtig. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn zunächst die Hoffnung bestand, dass sich der Gesundheitszustand schnell bessern würde.
Kooperation mit der Versicherung während der Schadensbearbeitung ist wichtig. Oft werden zusätzliche Informationen oder Unterlagen angefordert. Eine schnelle und vollständige Bereitstellung dieser Informationen kann den Prozess beschleunigen.
Dokumentation aller Kommunikation mit Reiseveranstalter und Versicherung ist ratsam. Bewahren Sie Kopien aller Schreiben, E-Mails und Notizen zu Telefonaten auf. Dies kann bei eventuellen Unstimmigkeiten hilfreich sein.
Beachtung von Fristen ist essenziell. Viele Versicherungen haben spezifische Zeiträume, innerhalb derer der Schaden gemeldet und Unterlagen eingereicht werden müssen. Eine Versäumnis dieser Fristen kann zum Verlust des Erstattungsanspruchs führen.
Durch sorgfältige Befolgung dieser Schritte erhöhen Reisende ihre Chancen auf eine erfolgreiche Kostenerstattung bei einer verspäteten Stornierung erheblich. Die gründliche Dokumentation und zeitnahe Kommunikation mit allen beteiligten Parteien sind dabei die Schlüsselelemente.
Was passiert, wenn ich meine Reise aufgrund einer Erkrankung storniere, aber die Versicherung die Erstattung ablehnt?
Bei einer Ablehnung der Erstattung durch die Reiserücktrittsversicherung nach einer krankheitsbedingten Stornierung stehen dem Versicherten verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung.
Zunächst ist es ratsam, die Ablehnungsgründe der Versicherung genau zu prüfen. Häufig berufen sich Versicherungen auf Klauseln in den Versicherungsbedingungen oder bemängeln unzureichende Nachweise. Eine sorgfältige Überprüfung der eigenen Unterlagen und der Versicherungspolice ist daher der erste wichtige Schritt.
Sollte sich herausstellen, dass die Ablehnung unbegründet erscheint, empfiehlt es sich, schriftlich Widerspruch bei der Versicherung einzulegen. Dabei sollten alle relevanten Dokumente wie ärztliche Atteste und Stornierungsbelege beigefügt werden. Es ist wichtig, in diesem Schreiben die eigene Position klar darzulegen und auf mögliche Missverständnisse hinzuweisen.
Führt der Widerspruch nicht zum gewünschten Erfolg, bietet sich als nächster Schritt die Einschaltung des Versicherungsombudsmanns an. Der Versicherungsombudsmann ist eine neutrale Schlichtungsstelle, die bei Streitigkeiten zwischen Versicherten und Versicherungsunternehmen vermittelt. Das Verfahren ist für Verbraucher kostenfrei und kann eine schnelle und unbürokratische Lösung herbeiführen.
Der Ombudsmann prüft den Fall und gibt eine Empfehlung ab. Für Forderungen bis zu 10.000 Euro sind die Entscheidungen des Ombudsmanns für die Versicherung sogar bindend. Dies bedeutet, dass die Versicherung in diesen Fällen verpflichtet ist, der Entscheidung des Ombudsmanns zu folgen.
Sollte auch dieser Weg nicht zum Ziel führen, bleibt als letzte Option der Klageweg. Vor Gericht kann die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung überprüft werden. Hierbei ist zu beachten, dass ein Gerichtsverfahren mit Kosten und Risiken verbunden ist. Es empfiehlt sich daher, vor Einleitung rechtlicher Schritte eine gründliche Einschätzung der Erfolgsaussichten vorzunehmen.
Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung spielt die Frage der Unverzüglichkeit der Stornierung eine wichtige Rolle. Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass eine Reise unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, storniert werden muss, sobald der Versicherungsfall eintritt. Ein Abwarten auf eine mögliche Besserung des Gesundheitszustandes kann dazu führen, dass der Versicherungsschutz entfällt.
Es ist zudem wichtig zu beachten, dass nicht jede Erkrankung automatisch einen Versicherungsfall darstellt. Leichte Erkrankungen wie eine einfache Erkältung oder leichte Magen-Darm-Beschwerden rechtfertigen in der Regel keine Stornierung. Die Erkrankung muss so schwerwiegend sein, dass sie den Antritt der Reise unzumutbar macht.
In jedem Fall ist es ratsam, bei einer Erkrankung vor der Reise umgehend einen Arzt aufzusuchen und sich die Reiseunfähigkeit attestieren zu lassen. Dieses ärztliche Attest ist ein wichtiges Beweismittel, sowohl im Gespräch mit der Versicherung als auch in einem möglichen Gerichtsverfahren.
Letztendlich hängt der Erfolg einer Auseinandersetzung mit der Versicherung stark vom Einzelfall ab. Die genauen Umstände der Erkrankung, die Versicherungsbedingungen und die Qualität der vorgelegten Nachweise spielen eine entscheidende Rolle. Eine sorgfältige Dokumentation und zügiges Handeln können die Chancen auf eine erfolgreiche Durchsetzung der Ansprüche deutlich erhöhen.
Welches Verhalten gilt als „grob fahrlässig“ im Sinne der Reiserücktrittsversicherung bei Krankheit oder Unfall?
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Reiserücktrittsversicherung bei Krankheit oder Unfall liegt vor, wenn der Versicherte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies bedeutet, dass elementare Sorgfaltspflichten missachtet oder naheliegende Sicherheitsvorkehrungen in erheblichem Umfang außer Acht gelassen werden.
Bei der Beurteilung, ob ein Verhalten als grob fahrlässig einzustufen ist, spielen sowohl objektive als auch subjektive Faktoren eine Rolle. Objektiv betrachtet muss es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen allgemein anerkannte Verhaltensregeln handeln. Subjektiv muss dem Versicherten bewusst gewesen sein, dass sein Handeln oder Unterlassen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen könnte.
Im Kontext einer Reiserücktrittsversicherung kann grobe Fahrlässigkeit beispielsweise vorliegen, wenn der Versicherte trotz einer offensichtlich schweren Erkrankung die Reise nicht unverzüglich storniert. Entscheidend ist hierbei, ob für den Versicherten erkennbar war, dass die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Reiseunfähigkeit führen würde.
Ein weiteres Beispiel für grob fahrlässiges Verhalten wäre, wenn der Versicherte entgegen ärztlichem Rat eine Reise antritt und sich dadurch sein Gesundheitszustand so verschlechtert, dass ein Reiseabbruch notwendig wird. In diesem Fall hätte der Versicherte die offensichtlichen Risiken für seine Gesundheit ignoriert.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Unachtsamkeit oder jeder Fehler automatisch als grobe Fahrlässigkeit gewertet wird. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in geringerem Maße verletzt wird und dies jedem hätte passieren können. Der Übergang von leichter zu grober Fahrlässigkeit ist fließend und muss im Einzelfall beurteilt werden.
Bei der Bewertung des Verhaltens wird auch die individuelle Situation des Versicherten berücksichtigt. Faktoren wie Alter, Bildungsstand, berufliche Erfahrung und persönliche Umstände können eine Rolle spielen. So könnte beispielsweise bei einem medizinischen Laien die Fehleinschätzung einer Krankheit weniger schwer wiegen als bei einem Arzt.
Im Falle einer Erkrankung vor Reiseantritt ist es entscheidend, dass der Versicherte unverzüglich handelt, sobald er von der Schwere seiner Erkrankung Kenntnis erlangt. Verzögert er die Stornierung der Reise ohne triftigen Grund, obwohl er bereits weiß oder wissen müsste, dass er die Reise nicht antreten kann, kann dies als grob fahrlässig gewertet werden.
Die Versicherungsgesellschaften haben in ihren Vertragsbedingungen oft konkrete Beispiele für grob fahrlässiges Verhalten aufgeführt. Diese können als Orientierung dienen, sind jedoch nicht abschließend. Gerichte haben in verschiedenen Urteilen die Grenzen zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit weiter konkretisiert.
Es ist zu beachten, dass die Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit grundsätzlich beim Versicherer liegt. Dieser muss nachweisen, dass der Versicherte in besonders schwerem Maße gegen die erforderliche Sorgfalt verstoßen hat.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Selbstbeteiligung: Bei Versicherungen ist die Selbstbeteiligung der Betrag, den der Versicherungsnehmer im Schadensfall selbst tragen muss. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger eine Reiserücktrittsversicherung „ohne Selbstbeteiligung“ abgeschlossen, was bedeutet, dass die Versicherung im Falle einer berechtigten Stornierung die gesamten Stornokosten übernehmen müsste.
- Leistungsfreiheit: Leistungsfreiheit bedeutet, dass die Versicherung nicht zur Zahlung einer Leistung verpflichtet ist. Dies kann eintreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt, z.B. indem er grob fahrlässig handelt. Im vorliegenden Fall berief sich die Versicherung auf Leistungsfreiheit, weil sie der Meinung war, der Kläger hätte die Reise früher stornieren müssen.
- Grob fahrlässig: Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Im Zusammenhang mit der Reiserücktrittsversicherung bedeutet dies, dass der Versicherte seine Pflichten aus dem Vertrag in hohem Maße vernachlässigt hat, z.B. indem er die Reise trotz offensichtlicher Reiseunfähigkeit nicht storniert. Im vorliegenden Fall musste das Gericht prüfen, ob der Kläger grob fahrlässig gehandelt hatte.
- Schadensminderungspflicht: Die Schadensminderungspflicht ist eine allgemeine Pflicht, die besagt, dass der Geschädigte alles Zumutbare tun muss, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Im Kontext der Reiserücktrittsversicherung bedeutet dies, dass der Versicherte die Reise so früh wie möglich stornieren muss, wenn er weiß, dass er sie nicht antreten kann, um die Stornokosten zu minimieren.
- Beweislast: Die Beweislast beschreibt, wer im Prozess die Pflicht hat, bestimmte Tatsachen zu beweisen. Im vorliegenden Fall musste die Versicherung beweisen, dass der Kläger grob fahrlässig gehandelt hatte, um sich auf Leistungsfreiheit berufen zu können.
- Urteilsbegründung: Die Urteilsbegründung ist die schriftliche Erklärung des Gerichts, warum es zu einer bestimmten Entscheidung gekommen ist. Im vorliegenden Fall begründete das Landgericht Hamburg seine Entscheidung damit, dass der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt hatte und die Versicherung daher die Stornokosten erstatten muss.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser Grundsatz verlangt von den Vertragsparteien, sich fair und redlich zu verhalten. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sowohl der Versicherungsnehmer als auch die Versicherung ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag ehrlich und gewissenhaft erfüllen müssen. Für den Versicherten bedeutet dies, dass er die Reise unverzüglich stornieren muss, wenn er weiß, dass er sie nicht antreten kann, um die Kosten für die Versicherung möglichst gering zu halten.
- § 254 BGB (Schadensminderungspflicht): Dieser Paragraph verpflichtet den Geschädigten, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Im Kontext der Reiserücktrittsversicherung bedeutet dies, dass der Versicherte verpflichtet ist, die Reise unverzüglich zu stornieren, sobald er Kenntnis von einem Rücktrittsgrund hat, um die Stornokosten zu minimieren. Im vorliegenden Fall wird diskutiert, ob der Kläger dieser Pflicht nachgekommen ist, indem er die Reise erst nach Auftreten von Komplikationen storniert hat.
- § 6 Abs. 1 VB-E.R. 2007 (Verpflichtung zur unverzüglichen Stornierung): Diese Klausel in den Versicherungsbedingungen konkretisiert die Schadensminderungspflicht im Versicherungsvertrag. Sie verpflichtet den Versicherten, die Reise „unverzüglich“ zu stornieren, sobald ein versicherter Rücktrittsgrund eintritt. Die Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ ist im vorliegenden Fall entscheidend für die Frage, ob der Kläger seine Vertragspflichten verletzt hat.
- § 6 Abs. 2 VB-E.R. 2007 (Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung): Diese Klausel regelt die Rechtsfolgen, wenn der Versicherte seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt, z.B. die Reise nicht unverzüglich storniert. Bei vorsätzlicher Verletzung ist die Versicherung leistungsfrei, bei grob fahrlässiger Verletzung kann sie ihre Leistung kürzen. Im vorliegenden Fall wird geprüft, ob der Kläger seine Obliegenheit grob fahrlässig verletzt hat.
- § 812 BGB (Leistungskondiktion): Dieser Paragraph regelt die Rückforderung einer Leistung, die ohne rechtlichen Grund erbracht wurde. Im vorliegenden Fall könnte die Versicherung möglicherweise einen Teil der bereits gezahlten Erstattung zurückfordern, wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass der Kläger seine Obliegenheiten verletzt und die Versicherung deshalb ihre Leistung zu Unrecht erbracht hat.
Das vorliegende Urteil
LG Hamburg – Az.: 306 O 351/14 – Urteil vom 16.10.2015
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 13.093,12 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2014 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von € 1.029,35 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 13.657,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Erstattung von Stornokosten aus einer Reiserücktrittskostenversicherung wegen der Stornierung einer Antarktisreise.
Der Kläger buchte bei der H.-L. Kreuzfahrten GmbH eine Kreuzfahrt in die Antarktis für den Zeitraum vom 07.01.2014 bis zum 25.01.2014. Hierfür wurde ihm ausweislich der Rechnung vom 18.02.2013 (Anlage K 8) ein Reisepreis von € 34.106,90, einschließlich einer Versicherungsprämie von € 564,10 in Rechnung gestellt. Mit der Reisebuchung schloss er eine Reiserücktrittskostenversicherung bei der Beklagten ab unter Ausschluss einer Selbstbeteiligung. Der Versicherung lagen die als Anlage K 1 eingereichten Versicherungsbedingungen (VB-E. R. 2007) zugrunde. Danach erstattet die Beklagte die Stornokosten im Falle des Eintritts einer unerwarteten schweren Erkrankung. In den Bedingungen heißt es zudem in § 6:
„1.
Um eine Leistung gemäß § 2 zu erhalten, ist die versicherte Person verpflichtet, nach Eintritt des versicherten Rücktrittsgrundes die Reise unverzüglich zu stornieren, um die Stornokosten möglichst gering zu halten.
…
Wird eine dieser Obliegenheiten vorsätzlich verletzt, ist die E. R. von der Verpflichtung zur Leistung frei. Bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit ist die E. R. berechtigt, ihre Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens der versicherten Person entspricht. Die E. R. bleibt insoweit zur Leistung verpflichtet, als die Verletzung keinen Einfluss auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungsverpflichtung der E. R. gehabt hat, es sei denn, dass die versicherte Person arglistig gehandelt hat.“
Am 13.11.2013 verspürte der Kläger Schmerzen im rechten Knie. Er begab sich deswegen in ärztliche Behandlung. Es wurde ein MRT des Knies angefertigt und am 20.11.2013 anlässlich eines Arztbesuches ein Reizknie rechts mit Ergussbildung, ein Knorpelschaden 3. Grades und ein Innenmeniskusriss diagnostiziert. Der Kläger entschied sich zu einer Operation, die im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes vom 29.11.-30.11.2013 durchgeführt wurde. Am 27.12.2013 suchte der Kläger erneut wegen Kniebeschwerden einen Arzt auf und stornierte sodann die gebuchte Reise.
Der Kläger wurde wegen der Stornierung vom Veranstalter mit 90 % des Reisepreises zzgl. der Kosten für die Reiserücktrittskostenversicherung belastet, d.h. insgesamt € 30.428,62 (siehe hierzu die in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2015 zur Akte gereichte Stornorechnung). Die Beklagte erstattet dem Kläger mit Anschreiben vom 17.01.2014 lediglich € 16.771,40, d.h. 50 % des Reisepreises ohne die Kosten der Reiserücktrittskostenversicherung. Sie verwies darauf, dass bereits am 20.11.2013 eine Stornierung hätte erfolgen müssen, weil schon zu diesem Zeitpunkt absehbar gewesen sei, dass der Kläger die Reise nicht werde antreten können. Die Differenz von € 13.657,22 ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Auch nach der vorprozessualen Einschaltung des Prozessbevollmächtigten des Klägers leistete die Beklagte keine weitere Zahlung.
Der Kläger behauptet, er sei nach der Diagnose am 20.11.2013 und der nachfolgenden Operation und nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten davon ausgegangen, dass er die bevorstehende Reise antreten könne. Die Ärzte seien über seine Reiseabsicht informiert gewesen und hätten kleine Bedenken gehabt, dass er die Reise wird antreten können. Sie hätten ihm nicht von der Reise abgeraten. Der Heilungsverlauf sei dann zunächst auch positiv gewesen. Erst nach 3 Wochen sei es zu einer unerwarteten Komplikation gekommen. Es seien erhebliche Schmerzen aufgetreten, die seine Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt hätten. Nach der weiteren Untersuchung am 27.12.2013 habe er dann noch am gleichen Tag die Reise storniert.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 13.657,22 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2014 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von € 1.029,35 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Reise nicht unverzüglich i.S.d. zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen storniert. Er habe damit gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, um die Stornokosten so gering wie möglich zu halten. Aufgrund der ärztlichen Diagnose am 20.11.2013 habe an diesem Tag eine Stornierung erfolgen müssen. Es sei zu diesem Zeitpunkt bereits erkennbar gewesen, dass der Kläger die geplante Reise nicht wird antreten können. Die später eingetretenen Komplikationen seien nicht unerwartet gewesen, mit solchen habe gerechnet werden müssen. Die Hoffnung des Klägers, dass sich diagnostizierte Erkrankung bis zum Reiseantritt bessern würde, sei nicht versichert. Der Kläger habe auch keine ärztliche Zusicherung hinsichtlich eines sicher und verlässlich möglichen Reiseantritts eingeholt und erhalten.
Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. J.. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 27.03.2015 und vom 25.09.2015 verwiesen. Im Übrigen wird wegen des weiteren Vortrags der Parteien zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist ganz überwiegend begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten gemäß § 1 VVG, §§ 1, 2 Ziff. 2 c VB-E. R. 2007 Anspruch auf Erstattung der Stornokosten gemäß der Stornorechnung des Reiseveranstalters (Anlage K 8), soweit es die ihm dort in Rechnung gestellten Reisekosten betrifft.
Der Eintritt des Versicherungsfalls aufgrund der Kniebeschwerden des Klägers, die sich als eine unerwartete schwere Erkrankung i.S.d. Versicherungsbedingungen dargestellt haben, ist zwischen den Parteien unstreitig. Streit besteht allein, ob die Reise nach dem Auftreten der Erkrankung „unverzüglich“ storniert worden ist, und ob der Kläger gegebenenfalls die Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 82 VVG, § 6 Ziff. 1 VB-E. R. 2007 mindestens grob fahrlässig verletzt hat, indem er nicht bereits am 20.11.2013 die Reise storniert hat. Letzteres hat die Beklagte jedoch nicht bewiesen.
In diesem Zusammenhang kommt es nicht allein auf eine objektive Vorhersehbarkeit der Reiseunfähigkeit an. Die Beklagte verkennt, dass sie, wenn sie sich auf eine vollständige oder anteilige Leistungsfreiheit beruft, nach § 6 Ziff. 4 VB-E. R. 2007 einen grob fahrlässigen Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungsobliegenheit des § 6 Ziff. 1 VB-E. R. 2007 beweisen muss. Denn ein nur fahrlässiger Verstoß des Klägers gegen die ihm nach § 6 Nr. 1 und 4 VB-E. R. 2007 obliegende Schadensminderungsobliegenheit würde weder zu einer vollständigen noch zu einer anteiligen Leistungsfreiheit der Beklagten führen. Soweit es die Frage einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung betrifft, enthalten die Versicherungsbedingungen der Beklagten eine für den Versicherungsnehmer günstigere Abweichung von der Beweislastregelung des § 28 Abs. 2 S. 2 VVG bzw. § 82 Abs. 3 S. 2 VVG, wonach der Versicherungsnehmer die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt. In den Versicherungsbedingungen der Beklagten fehlt nämlich der im Gesetzt enthaltenen Passus zur Beweislastregelung bei einer groben Fahrlässigkeit, so dass es nach den – gegenüber dem Gesetz vorrangigen – Vertragsbedingungen bei dem allgemeinen Grundsatz verbleibt, dass diejenige Partei die Umstände und Tatsachen zu beweisen hat, aus denen sie eine ihr günstige Rechtsfolge (hier also die Leistungsfreiheit) herleitet. Eine solche, für den Versicherungsnehmer günstige Abweichung von den halbzwingenden Vorschriften des VVG ist gemäß §§ 32, 87 VVG ohne Weiteres zulässig. Dementsprechend ist es im vorliegenden Fall Sache der Beklagten, Umstände vorzutragen (und ggfs. zu beweisen), aus denen auf eine vorsätzliche oder zumindest (für die Annahme einer anteiligen Leistungsfreiheit) grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung geschlossen werden kann.
Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht erbracht. Im Gegenteil: Der als Zeuge vernommene Dr. J., der den Kläger operiert hat, hat die Angaben des Klägers bestätigt. Er hat glaubhaft geschildert, dass er bei der Behandlung über die bevorstehende Antarktis-Reise des Klägers im Januar 2014 informiert gewesen ist, und dass er selbst davon ausgegangen ist, dass es mit dem Heilungsverlauf bis zur Reise klappen würde. Seiner sachverständigen Ansicht nach wäre selbst bei einem schlechten Heilungsverlauf nach der Operation, den er mit ca. 3 Wochen angegeben hat, „genug Luft“ bis zur Reise gewesen. Wenn insofern der behandelnde Arzt bei der Diagnose am 20.11.2013 und der nachfolgenden Operation am 29.11.2013 keine Bedenken gegen den Reiseantritt im Januar gehabt hat, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, grob fahrlässig seine Schadensminderungspflicht zur unverzüglichen Stornierung der Reise verletzt zu haben.
Da der Kläger nach dem Auftreten der auch aus der Sicht seines behandelnden Arztes unerwarteten Komplikationen am 27.12.2013 umgehend wieder einen Arzt aufgesucht und noch am selben Tag die Reise storniert hat, ist er seiner Obliegenheit zur unverzüglichen Stornierung nachgekommen. Diese späte Stornierung stellt insofern keine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit dar.
Dementsprechend schuldet die Beklagte die Erstattung der Stornokosten, mit der der Kläger aufgrund der späten Stornierung am 27.12.2013 belastet worden ist. Keinen Anspruch hat der Kläger dagegen auf den Teil des Stornobetrages, der auf die bei der Beklagten abgeschlossene Reiserücktrittskostenversicherung entfällt, d.h. auf € 564,10. Denn die Versicherungsprämie ist nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen im Eintritt des Versicherungsfalls nicht erstattungsfähig. Der Saldo der Stornorechnung (Anlage K 8) ist dementsprechend um € 564,10 zu reduzieren, so dass ein Betrag von € 29.864,52 verbleibt. Hierauf hat die Beklagte anteilig € 16.771,40 gezahlt, so dass eine begründete Restforderung von € 13.093,12 verbleibt.
Der Zinsanspruch auf diese Forderung folgt aus §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte befindet sich aufgrund ihres Abrechnungsschreibens vom 17.01.2014, mit dem sie einen weitergehenden Anspruch des Klägers zurückweist, mit der Zahlung der Restforderung im Verzug.
Aus diesem Grund hat der Kläger als Verzugsschaden gemäß §§ 286, 280 BGB auch Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorprozessuale Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von € 1.029,35. Wegen der Berechnung dieser Kosten wird auf die Klagschrift Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.