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Reiserücktrittskostenversicherung – Regress gegen Kfz-Haftpflichtversicherung wegen Ersatz von Stornokosten

LG Stuttgart, Az.: 27 O 425/15, Urteil vom 08.09.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 9.294,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Reiserücktrittskostenversicherung, macht aus übergegangenen Recht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen die Beklagte, eine Kfz-Haftpflichtversicherung, geltend.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin, Herr S., buchte für sich, seine Lebensgefährtin F. sowie deren beiden Söhne, am 16.01.2014 eine Reise nach Kuba zum Gesamtpreis von € 13.418,00, wobei die Abreise für den 03.08.2014 vorgesehen war. Hinsichtlich dieser Reise schloss Herr S. bei der Klägerin eine Reiserücktritts-/Reiseabbruchkosten-Versicherung im Rahmen einer sog. Gold-Kreditkarte der Sparkasse bei der Klägerin ab.

Am 28.07.2014 wurde Frau F. bei einem Verkehrsunfall verletzt und erlitt eine Rippenfraktur, Thorax- und Sternumprellungen sowie eine Nackenmuskelzerrung. Auf Grund der Verletzungen musste sich Frau F. in stationäre Behandlung begeben. Der Unfallverursacher war bei der Beklagten haftpflichtversichert.

Herr S. stornierte daraufhin am 29.07.2014 die Reise für sämtliche Reiseteilnehmer. Hierfür fielen Stornogebühren von insgesamt € 9.394,00 an, wobei auf Frau F. ein Betrag von € 2.366,00 entfiel. Den Betrag von € 9.394,00 abzüglich eines Selbstbehalts von € 100,00, folglich € 9.294,00, erhielt Herr S. von der Klägerin erstattet.

Die Klägerin macht nun die Erstattung des Betrags bei der beklagten Haftpflichtversicherung geltend, die mit Schreiben vom 04.02.2015 eine Zahlung ablehnte.

Reiserücktrittskostenversicherung - Regress gegen Kfz-Haftpflichtversicherung wegen Ersatz von Stornokosten
Symbolfoto: William Potter/Bigstock

Die Klägerin bringt vor, dass die der Frau F. zustehenden Schadensersatzansprüche gem. §§ 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG, auf sie als Reiserücktrittskostenversicherer gem. § 86 VVG übergegangen seien. Der Reiserücktrittskostenversicherungsvertrag sei mit der Klägerin abgeschlossen worden.

Die Beklagte hafte für die entstandenen Stornokosten, da deren Versicherungsnehmer mit seinem Fahrzeug den die Stornierung auslösenden Verkehrsunfall allein verschuldet habe. Der Versicherungsnehmer der Klägerin nebst seiner Familie habe die Reise nicht antreten können. Es dürfe sich von selbst verstehen, dass weder Söhne noch der Mann der Verletzten diese zurücklassen und in Urlaub fahren könnten. Dies sei unzumutbar gewesen. Der Versicherungsnehmer sei auch zur unverzüglichen Stornierung der Reise zur Geringhaltung des Schadens verpflichtet gewesen. Die Beklagte sei daher zum Ersatz der Stornokosten verpflichtet. Auch befinde sich die Klägerin durch Zahlungsablehnung in Zahlungsverzug.

Zum sonstigen Vortrag der Klägerin wird auf die Klagschrift vom 17.04.2015 (Bl. 4 – 10 d. A.) sowie den Schriftsätzen der Klägerin vom 01.04.2016 (Bl. 21 – 23 d. A.), 25.04.2016 (Bl. 31 d. A.), 27.05.2016 (Bl. 35 – 36 d. A.), 27.07.2016 (Bl. 42 d. A.) und 24.08.2016 (Bl. 44 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 5, 40 d. A.), die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 9.294,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 05.02.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Eventuelle Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers seien nicht auf die Klägerin übergangen.

Die Mitversicherte F. sei zudem am 01.08.2014 aus dem Krankenhaus entlassen worden. Zwar mag eine Stornierung der Reise für diese vertretbar erscheinen, auch wenn zweifelhaft ist, ob eine solche schon einen Tag nach dem Unfall erforderlich gewesen sei, und nicht der weitere Heilungsverlauf hätte abgewartet werden können, hinsichtlich der Mitreisenden bestehe jedoch kein Schadensersatzanspruch, diese seien lediglich mittelbar Geschädigte. Es mag zwar Versicherungsschutz auch für die Mitreisenden bei der Klägerin bestanden haben, das unfallverursachende Fehlverhalten des Versicherungsnehmers der Beklagten habe jedoch keine Rechtsnorm verletzt, in deren Schutzbereich die Durchführung der geplanten Reise durch die anderen Personen gefallen sei. Ansprüche aus eigenen Recht stünden der Klägerin ebenfalls nicht zu. Verzugszinsen könne die Klägerin mangels Zahlungsaufforderung nicht verlangen.

Zu den übrigen Ausführungen der Beklagten wird auf deren Schriftsätze vom 24.03.2016 (Bl. 19 – 20 d. A.), 14.04.2016 (Bl. 28 d. A.) und 17.05.2016 (Bl. 34 d. A.) Bezug genommen.

Die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart fand am 18.07.2016 statt. Zum Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem weiteren Vorbringen der Parteien wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 38 – 41 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die klagende Versicherung hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus übergegangenen Recht ihres Versicherungsnehmers bzw. dessen Lebensgefährtin Frau F..

1. Die Klägerin ist aktiv legitimiert, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen. Die Ansprüche ihres Versicherungsnehmers sind – ein Bestehen solcher Ansprüche unterstellt – gem. § 86 VVG auf die Klägerin übergegangen.

Innerhalb der privaten Versicherungsverträge beschränkt sich der Anwendungsbereich auf die Fälle der Schadensversicherung. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung im 2. Kap. des VVG und entspricht auch dem Sinn der Bestimmung (Voit in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 VVG, RD 17; Prölss/Martin, VVG. 29. Aufl., Rdnr. 3). Bei sog. Summenversicherungen gilt § 86 VVG nicht. Damit entscheidet sich die Frage, ob vorliegend § 86 VVG eingreift, daran ob eine Reiserücktrittskostenversicherung eine Schadensversicherung oder eine Summenversicherung ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts München (Urteil vom 27.04.2006, 31 S 21056/05) ist eine Reiserücktrittskostenversicherung wie hier vorliegend eine Schadensversicherung (so auch LG Hannover, 09.06.2016, 4 S 36/15, – juris; LG Coburg, 17.03.2014, 14 O 298/13, – juris; Prölss/Martin, a. a. O., Rdnr. 5; Voit, a. a. O.). Die Abgrenzung bestimmt sich an der Ausgestaltung der Bedingungen. Eine Schadensversicherung liegt vor, wenn die Versicherungsleistung an eine konkret eingetretene Vermögenseinbuße anknüpft, der Versicherungsnehmer also eine konkrete Einbuße an Vermögen erlitt (vgl. BGH Urteil v. 04.07.2001, IV ZR 307/00, NJW-RR 2001, 1467 ff., – juris Rdnr. 25). Dagegen ist eine Summenversicherung gegeben, wenn sie einen abstrakt berechneten Bedarf zu decken verspricht, unabhängig von dem Nachweis eines konkreten Schadens (s. BGH, a. a. O.; Voigt, a. a. O.). Soweit dem Versicherungsnehmer also nach dem Versicherungsvertrag eine im Voraus feststehende Entschädigung zusteht, deren Höhe unabhängig von dem konkret erlittenen Schaden ist, liegt eine Summenversicherung vor (vgl. LG Hannover, a. a. O.). Eine Schadensversicherung kann auch dann gegeben sein, wenn eine konkrete Vermögenseinbuße unabhängig von einer unerlaubten Handlung eines Dritten eintrat, etwa wie nach den AGB der Klägerin auch dann Ersatz geleistet wird, wenn die Reise auf Grund eine Impfunverträglichkeit oder Schwangerschaft nicht angetreten werden kann. Bei einer Reiserücktrittskostenversicherung hat der Versicherungsnehmer eine konkrete Vermögenseinbuße erlitten, deren Höhe von vorne herein nicht feststeht. Dass die Versicherungshöchstsumme der Höhe nach auf den Reisepreis begrenzt ist, steht der Annahme einer Schadensversicherung nicht entgegen und ist regelmäßig etwa auch bei Haftpflichtversicherungen, die unstreitig Schadensversicherungen sind und bei welchen Höchstsummen vereinbart werden können, der Fall. Die Stornokosten errechnen sich nämlich je nach Reisevertrag und Zeitpunkt der Reisestornierung unterschiedlich. Eine Entschädigung des Reiserücktrittskostenversicherers erfolgt auch erst nach Nachweis der konkret eingetretenen Stornokosten (vgl. § 6 der AGB der Klägerin).

2. Der Versicherungsnehmer der Klägerin ist Herr S.. Dieser ist Karteninhaber. Ausweislich der Reisebestätigung (Anlage K 1) ist dieser auch Vertragspartner des Reisevertrags und (allein) zur Zahlung des Reisepreises sowie nach Stornierung zur Zahlung der Stornokosten (Anlage K 4) verpflichtet gewesen.

Nach dem Wortlaut des § 86 VVG können nur eventuelle Ansprüche des Versicherungsnehmers auf die Klägerin übergangen sein. Beim Verkehrsunfall verletzt wurde jedoch Frau F. und – anders als in den vom AG Frankfurt/Oder oder LG Hannover oder LG Coburg entschiedenen Fällen (AG Frankfurt/Oder, 03.06.2005, 22 C 276/05, Schadens-Praxis 2006, 344 – 345; LG Hannover, 09.06.2006, 4 S 36/15; LG Coburg, 17.03.2014, 14 O 298/13 , – juris) – nicht der Versicherungsnehmer des klagenden Reiserücktrittskostenversicherers bzw. der klagende Geschädigte.

Eigene Ansprüche des Versicherungsnehmers der Klägerin auf Schadensersatz, die auf die Klägerin hätten übergehen können, standen diesem aber nicht zu. Der Versicherungsnehmer der Klägerin wurde bei dem Unfall selbst nicht verletzt, so dass Ansprüche auf Schadensersatz wegen Körperverletzung gem. § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i. V. m. § 229 StGB nicht gegeben sind. Ein absolutes Recht des Versicherungsnehmers der Klägerin wurde durch den Verkehrsunfall nicht beeinträchtigt (vgl. BGH Beschluss vom 10.12.2002, VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040-1041, – juris Rdnr. 9). Unmittelbar durch den Unfall an der Gesundheit verletzt wurde Frau B. F.. Allerdings hat der S. in Folge des Unfalls auf Grund der Stornierung eine Vermögenseinbuße erlitten, ist also mittelbar geschädigt. Wer durch die Verletzung eines anderen nur mittelbar in seinem Vermögen geschädigt wird, hat grundsätzlich keinen Ersatzanspruch. So hat der Bundesgerichtshof Ansprüche einer Eiskunstläuferin auf Ersatz fehlender Einnahmen durch Sponsoren- und Preisgelder durch Ausfall ihres Eiskunstlaufpartners auf Grund einer Verletzung bei einem Verkehrsunfall gegen die Versicherung des Schädigers verneint (BGH, a. a. O.). Auch einen direkten Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung hinsichtlich von Fahrkosten naher Angehöriger für Besuche Verletzter im Krankenhaus hat der Bundesgerichtshof verneint (BGH 21.12.2978, NJW 1979, 598). Ebenso steht einem Arbeitgeber keine Ersatzansprüche wegen der Verletzung seines Arbeitnehmers zu (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB-Kommentar, Vorbem. § 249 BGB Rdnr. 103, m. w. N.). Gesetzlich normierte Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen in den §§ 844 Abs. 2, 845 BGB, z. B. wenn bei Tötung der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten unterhaltspflichtig war oder werden konnte oder der Getötete bzw. Verletzte einen Dritten gegenüber zur Leistung von Diensten verpflichtet war. In diesen Fällen steht dem Dritten Ansprüche gegen den Geschädigten zu. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Ein Ersatzanspruch besteht auch dann wenn durch die Verletzung eines anderen im Verhältnis zu einem mittelbar Betroffenen der Tatbestand der haftungsbegründenden Norm erfüllt wird, z. B. bei den sog. Schockschäden. Dass aber Herr S. seinerseits durch die Verletzung von Frau F. an seiner Gesundheit mittelbar geschädigt wurde, behauptet die Klägerin nicht.

Andere Ansprüche des Herrn S. gegen die Beklagte sind nicht ersichtlich. Denkbar wären Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn Herr S. bei Zahlung der Stornokosten im Interesse der Frau F. gehandelt hätte. Vorliegend war der Reisevertrag selbst jedoch ebenfalls mit Herrn S. abgeschlossen, so dass er in seinem eigenen Interesse bei Zahlung handelte.

Ebenso standen dem Versicherungsnehmer der Klägerin keine Ansprüche aus Drittschadensliquidation zu, denn selbst wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen würden, ist Anspruchsinhaber der Schadensersatzansprüche im Rahmen der Drittschadensliquidation der Inhaber der verletzten Rechtsstellung, vorliegend Frau F. (vgl. Palandt-Grüneberg, a. a. O., Rdnr. 107).

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus übergangenen Recht der Frau F. auf Ersatz der Stornierungskosten.

a. Eventuelle Ansprüche der geplanten Mitreisenden sind nach § 86 VVG ebenfalls auf die Klägerin übergangen, auch wenn diese selbst nicht der Versicherungsnehmer der Klägerin ist.

Nach dem Reisevertrag war Frau F. zusammen mit den Söhnen Mitreisende. Diese war nach dem Versicherungsvertrag gem. § 2 Abs. 1 und 2 der AGB der Klägerin als Mitreisende mitversichert. Handelt es sich bei einem zwischen der Versicherung und dem Versicherungsnehmer geschlossenen Versicherungsvertrag wie hier um einen sogenannten „Kollektiv-Vertrag“, der eine Deckungszusage auch zugunsten eines jeden gebuchten Reisenden enthält, erwerben die Reisenden – vorliegend der Geschädigte Frau F. – einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer auf Ersatz der Reiserücktrittskosten (vgl. LG Coburg, 14 O 298/13, – juris Rdnr. 36; Voit in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 VVG Rdnr. 67 f.; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, § 86 Rdnr. 21; Römer/Langheit, VVG, 4. Aufl., § 86 Rdnr. 23, m. w. N.). Bei Versicherungen auf fremde Rechnung gehen die Ansprüche des Versicherten auf die Versicherung über (Römer/Langheit, VVG, 4. Aufl., § 86 Rdnr. 23, m. w. N. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, § 86 Rdnr. 21 ). Es entspricht dem Sinn und Zweck des § 86 VVG auch die Ansprüche der Versicherten selbst auf den Versicherer übergehen zu lassen (vgl. Voit, a. a. O.).

b. Frau F. wurde zwar bei dem Unfall verletzt, die Reisekosten bzw. die Stornierungskosten waren jedoch keine Vermögenseinbuße der Frau F., denn diese Kosten hat ausweislich des vorgelegten Reisevertrags und der Abrechnung (Anlage K 2) der Versicherungsnehmer der Klägerin Herr S. getragen. Kosten Dritter können nach der Rechtsprechung (BGH 21.12.1978, VII ZR 91/77, NJW 1979, 598 f.) dann geltend gemacht werden, wenn sie wie bei Fahrkosten naher Angehöriger z. B. als Heilungskosten, da die Besuche für die Genesung förderlich sind, angesehen werden können. Dies ist bei den vorliegenden Stornokosten nicht gegeben.

c. Die Mitreisende Frau F. hatte auch keine Ansprüche auf Ersatz der dem Herrn S. entstandenen Stornokosten aus dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation, die auf die Klägerin übergegangen sein könnten.

In Fällen, in denen der Schaden typischer Weise beim Ersatzberechtigten eintreten müsste, dieser aber auf Grund eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Dritten und dem Ersatzberechtigten auf einen Dritten verlagert wird, wird in der Rechtsprechung einen Anspruch des Ersatzberechtigten auf Ersatz diesen Schadens bejaht, weil der Schädiger aus dieser zufälligen Schadensverlagerung keinen Vorteil ziehen dürfe. Eine Drittschadensliquidation kommt jedoch regelmäßig nur bei vertraglichen Ansprüchen in Betracht. Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung ist – wie oben ausgeführt – nämlich zu beachten, dass grundsätzlich der Schädiger nicht für Ansprüche lediglich mittelbar Geschädigter haftet und nur ausnahmsweise der unmittelbare Geschädigte Aufwendungen Dritter als Heilungskosten ersetzt verlangen kann.

Eine von der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe liegt nicht vor. Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung wurde der Ersatz von Drittschäden in Fällen obligatorischer Gefahrentlastungen oder mittelbarer Stellvertretung anerkannt (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, BGB-Kommentar, Vorbem. § 249 BGB Rdnr. 105 ff., m. w. N.). Ein Fall der mittelbaren Stellvertretung ist nicht ersichtlich, denn Herr S. handelte bei Abschluss des Reisevertrags offensichtlich im eigenen Namen. Es ist nicht dargetan und ersichtlich, dass Herr S. den Reisevertrag auf Rechnung der Geschädigten Frau F. abgeschlossen hatte. Dass Frau F. die Reise ganz oder auch nur in Höhe ihres Anteils bezahlte, wird nicht vorgetragen.

Ebenso liegt kein Fall der obligatorischen Gefahrentlastung vor, also wenn eine Sorgfaltspflicht verletzt wurde, die ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse der geschützten Sache auszuüben war (BGH 14.07.1972 I ZR 33/71, VersR 1972, 1138-1140 Hans. OLG Hamburg, Urteil vom 23.01.1974, 6 U 92/73, juris). Vorliegend trat der Schaden durch einen Verkehrsunfall ein und es handelt sich um einen Personenschaden.

Im Hinblick darauf, dass bei unerlaubten Handlungen Vermögenseinbußen nur mittelbar Geschädigter nur unter den oben ausgeführten Umständen zu erstatten sind (s. oben Ziffer 2 und 3 b) besteht vorliegend kein Anlass eine neue Fallgruppe der Drittschadensliquidation für den vorliegenden Fall zu entwickeln.

d. Hinsichtlich möglicherweise auf die Klägerin übergangener Ansprüche der weiteren Mitreisenden (Söhne) gilt das oben unter Ziffer 2 Ausgeführte entsprechend, denn diese wären, so sie die Reisekosten selbst getragen hätten, ebenfalls lediglich mittelbare Geschädigte.

e. Mangels Anspruch dem Grunde nach, kann die in der Rechtsprechung streitige Frage, ob es sich bei Stornokosten um einen nicht erstattungsfähigen Frustrationsschaden (unnütze Aufwendungen) handelt, offen bleiben. So hat das LG Bremen (Urteil vom 13.05.2013, 7 O 1759/12, Schadens-Praxis 2013, 289 f.) einen Ersatz von Stornierungskosten bzw. Reisekosten (ebenso BGH, 11.01.1983, VI ZR 222/80, – juris Rdnr. 13; ebenso AG Münster, 23.06.2015, 3 C 485/15) verneint und den entgangenen Urlaub lediglich bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt, weil diese nicht erstattungsfähige frustrierte Aufwendungen seien, während andere Gerichte (LG Coburg, 14 O 298/13, a. a. O.; LG Hannover, 09.06.2016, 4 S 36/15) das Vorliegen frustrierter Aufwendungen verneinten und einen Ersatzanspruch bejahten, weil die Stornokosten erst nach und auf Grund des Unfallereignisses entstanden seien. Diese Auffassung stützt sich darauf, dass sich der Schadensersatz regelmäßig nach der Differenzhypothese berechnet, was der ständigen Rechtsprechung entspricht. Diesem folgend hat der spätere Geschädigte vor dem Unfall eine Reise bezahlt hat, gleichzeitig kommt ihm aber ein – wertgleicher – Anspruch auf Durchführung und Teilnahme an der Reise zu. Die Vermögenseinbuße tritt jedoch durch den Unfall selbst ein, aber nicht weil Stornokosten entstehen, sondern weil letztlich durch den Unfall eine Teilnahme an der Reise nicht möglich ist, der Geschädigte nicht in den Genuss der Reiseleistungen kommen kann, dem Reisepreis also keine gleichwertigen Reiseleistungen mehr gegenüber stehen. Der Geschädigte hat – ohne Stornierung – eine Reise bezahlt, für die er keine Gegenleistungen auf Grund unfallbedingter Verletzungen erhalten kann. Davon dass die Reisekosten selbst nicht erstattungsfähige frustrierte Aufwendungen darstellen, gehen auch die Entscheidungen aus, die eine Ersatzfähigkeit der Stornokosten bejahen. Stornokosten sind jedoch lediglich pauschalierte Schadensersatzansprüche des Reiseveranstalters für die Kündigung und die Nichtdurchführung des Reisevertrags. Diese werden regelmäßig bei der Abrechnung des Reisepreises vom gezahlten Reisepreis abgezogen und der Kunde erhält nur noch den Differenzbetrag auf den gezahlten Reisepreis zurück. So ist ausweislich der Anlage K 4 auch vorliegend abgerechnet worden. Damit handelt es sich bei der eigentlichen Vermögenseinbuße um den nicht zurückgezahlten Reisepreis. Die in den oben genannten Entscheidungen vorgenommene Unterscheidung zwischen angefallenen frustrierten Reisekosten und sog. Stornokosten ist insofern nicht zwingend. Eine abschließende Entscheidung hierzu bedarf es jedoch wie ausgeführt nicht.

4. Nebenforderungen:

Mangels Hauptforderung entfällt auch ein Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen.

5. Nebenentscheidungen:

Da die Klägerin in diesem Rechtsstreit unterliegt, hat sie auch die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 704, 709 ZPO.

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