Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Reiseabbruchversicherung bei Frühgeburt: Schwangere erhält nach Urteil Kosten für verlängerten Auslandsaufenthalt und Rücktransport
- Unerwartete Frühgeburt im Urlaub: Der Beginn eines komplexen Versicherungsfalls um Mehrkosten
- Die Argumente im Streit: Versicherungszusage gegen Leistungsausschlüsse und Unterversicherung
- Entscheidung des Landgerichts Frankfurt: Versicherung muss Großteil der Mehrkosten tragen
- Die Urteilsbegründung: Schwangerschaft und Frühgeburt als versicherte Ereignisse
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau deckt eine Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung bei Schwangerschaftskomplikationen ab?
- Inwieweit beeinflusst eine bereits bestehende Schwangerschaft den Versicherungsschutz einer Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung?
- Welche Rolle spielt die Definition einer „unerwarteten schweren Erkrankung“ in den Versicherungsbedingungen bei Komplikationen während einer Reise?
- Welche Nachweise sind erforderlich, um im Falle eines Reiseabbruchs aufgrund von Schwangerschaftskomplikationen Leistungen von der Versicherung zu erhalten?
- Was bedeutet „Unterversicherung“ im Kontext einer Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung und wie kann man sie vermeiden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 2-08 O 41/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Klägerin, die eine Reiseabbruchversicherung abgeschlossen hatte und nach einer Frühgeburt im Ausland Mehrkosten für den längeren Aufenthalt und die Rückreise geltend machte.
- Beklagte: Das Versicherungsunternehmen, das die Zahlung weiterer Mehrkosten ablehnte und sich unter anderem auf fehlenden Versicherungsgrund, Unterversicherung, grobe Fahrlässigkeit und Fristen berief.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine schwangere Frau schloss eine Reiseabbruchversicherung ab und trat eine Auslandsreise an. Während der Reise kam ihr Kind vorzeitig zur Welt, was einen unerwartet langen Aufenthalt und eine aufwendige Rückreise erforderlich machte. Sie forderte von ihrer Versicherung die Erstattung der entstandenen Mehrkosten.
- Kern des Rechtsstreits: Streitpunkt war, ob eine während der Reise eingetretene Frühgeburt als versicherter Reiseabbruchsgrund im Sinne der Versicherungsbedingungen galt. Es ging insbesondere um die Deckung der dadurch entstandenen erheblichen Mehrkosten sowie um mögliche Leistungsausschlüsse der Versicherung.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte das Versicherungsunternehmen, einen Teil der von der Klägerin geltend gemachten Mehrkosten sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden zwischen den Parteien aufgeteilt.
- Begründung: Das Gericht sah die Frühgeburt als versicherten Reiseabbruchsgrund an, entweder aufgrund der Nennung von „Schwangerschaft“ oder als „Unerwartete schwere Erkrankung„. Die Bedingungen wurden kundenfreundlich ausgelegt, sodass Mehrkosten gedeckt sind und Fristen oder Obergrenzen des ursprünglichen Reisepreises nicht griffen. Eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin oder die Verletzung von Hinweispflichten wurden verneint.
- Folgen: Das Versicherungsunternehmen muss einen Großteil der entstandenen Mehrkosten und einen Teil der Anwaltskosten erstatten. Die restlichen Kosten der Klägerin sowie die Kosten des Rechtsstreits werden teilweise von ihr getragen.
Der Fall vor Gericht
Reiseabbruchversicherung bei Frühgeburt: Schwangere erhält nach Urteil Kosten für verlängerten Auslandsaufenthalt und Rücktransport
Ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hat einer Versicherten, die während einer Auslandsreise unerwartet früh ihr Kind zur Welt brachte, einen erheblichen Teil der entstandenen Mehrkosten für Unterkunft, Verpflegung und einen speziellen Rücktransport zugesprochen. Die Reiseabbruchsversicherung muss für diese Kosten aufkommen, da die Frühgeburt und die damit verbundenen medizinischen Notwendigkeiten für Mutter und Kind als Versicherungsfall anerkannt wurden.

Dieses Urteil beleuchtet wichtige Aspekte der Auslegung von Versicherungsbedingungen, insbesondere im Zusammenhang mit Schwangerschaftskomplikationen und der Definition einer „unerwarteten schweren Erkrankung“.
Unerwartete Frühgeburt im Urlaub: Der Beginn eines komplexen Versicherungsfalls um Mehrkosten
Die Auseinandersetzung begann, als eine Frau, die wir im Folgenden „die Versicherte“ nennen, im September 2016 bei einem Versicherungsunternehmen, hier „die Versicherung“ genannt, eine Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung abschloss. Zu diesem Zeitpunkt war die Versicherte bereits schwanger. Ihre geplante Reise an einen nicht näher genannten Urlaubsort sollte vom 10. September bis zum 25. September 2016 dauern. Die Reise trat sie wie geplant an.
Jedoch nahm der Urlaub eine dramatische Wendung: Bereits am 21. September 2016 musste die Versicherte den Reiseabbruch melden. Aufgrund von, wie sie angab, schwangerschaftsbedingten Gesundheitsproblemen in Form von vorzeitigen Wehen, suchte sie ein Krankenhaus in einer Stadt am Urlaubsort auf. Nur zwei Tage später, am 23. September 2016, brachte sie dort ihre Tochter zur Welt – drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin. Dieser Umstand machte eine intensive medizinische Betreuung des Frühgeborenen notwendig. Nach vier Wochen im ersten Krankenhaus erfolgte eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus in einer anderen Stadt des Reiselandes. Die Rückreise nach Deutschland konnte erst am 18. Dezember 2016 angetreten werden. Ein früherer, etwa 20-stündiger Flug war aufgrund des kritischen Gesundheitszustandes des frühgeborenen Kindes medizinisch nicht vertretbar.
Nach ihrer Rückkehr reichte die Versicherte die Belege für die entstandenen erheblichen Mehrkosten bei der Versicherung ein. Diese zahlte daraufhin lediglich einen Kulanzbetrag von 3.000 Euro.
Die Argumente im Streit: Versicherungszusage gegen Leistungsausschlüsse und Unterversicherung
Vor Gericht machte die Versicherte geltend, dass ihr vor Reiseantritt per Online-Chat von der Versicherung bestätigt worden sei, dass plötzlich und unerwartet auftretende Schwierigkeiten bei der Schwangerschaft versichert seien. Zudem habe ihr Lebensgefährte nach der Frühgeburt von einer Mitarbeiterin der Versicherung die Zusage erhalten, dass alle Mehrkosten bis zur Flugfähigkeit von Mutter und Kind übernommen würden. Sie betonte, dass für die ursprüngliche Reise eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegen habe. Der verlängerte Aufenthalt sei zwingend aufgrund des Zustandes ihrer Tochter notwendig gewesen. Ihrer Ansicht nach stellte eine Frühgeburt eine schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar, und eine Leistungsbeschränkung auf 3.000 Euro existiere nicht. Sie forderte insgesamt 14.912,93 Euro für sich selbst zuzüglich Zinsen sowie 879,35 Euro für ihren Rechtsschutzversicherer als Ersatz für vorgerichtliche Anwaltskosten.
Die Versicherung hingegen beantragte die Abweisung der Klage. Sie argumentierte, die Reise sei teurer gewesen als die versicherten 3.000 Euro, was zu einer Unterversicherung führe. Außerdem sei nur die Versicherte selbst versichert, nicht jedoch ihre neugeborene Tochter. Es fehle an einem versicherten Grund für den Reiseabbruch; eine Schwangerschaft sei zwar bei einem Reiserücktritt, nicht aber bei einem Reiseabbruch versichert. Die Leistung sei ohnehin auf 3.000 Euro beschränkt. Darüber hinaus warf die Versicherung der Versicherten vor, durch den Antritt der Reise in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft grob fahrlässig das Risiko einer Frühgeburt herbeigeführt zu haben, was gemäß Teil A Ziffer 2.3 lit. B der Bedingungen zu einem Leistungsausschluss oder einer Kürzung führen müsse. Schließlich seien Reiseleistungen, die weniger als 30 Tage vor Reiseantritt (nach dem 09. August 2016) gebucht wurden, vom Versicherungsschutz ausgenommen.
Entscheidung des Landgerichts Frankfurt: Versicherung muss Großteil der Mehrkosten tragen
Das Landgericht Frankfurt am Main gab der Klage der Versicherten teilweise statt. Die Versicherung wurde verurteilt, an die Versicherte weitere 8.355,32 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Zusätzlich muss die Versicherung dem Rechtsschutzversicherer der Klägerin 808,13 Euro nebst Zinsen für vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten erstatten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 56 % der Versicherung und zu 44 % der Versicherten auferlegt. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, für die Versicherte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung.
Die Urteilsbegründung: Schwangerschaft und Frühgeburt als versicherte Ereignisse
Das Gericht sah die Klage als teilweise begründet an, da der Versicherten ein weiterer Regulierungsanspruch aus der Reiseabbruchsversicherung in Verbindung mit § 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zustehe.
Schwangerschaft als Grund für Reiseabbruch in Bedingungen mitumfasst
Ein zentraler Punkt war die Feststellung eines Versicherungsfalls. Gemäß Teil D Ziffer 1 der Versicherungsbedingungen liegt ein solcher vor, wenn die Reise ungewollt und nicht planmäßig aus einem in Teil A Ziffer 2.1 (2) genannten Grund beendet wird. Unter dieser Ziffer ist explizit auch der Punkt „Schwangerschaft“ aufgeführt. Das Gericht sah es als unstrittig an, dass die Versicherte während der Reisezeit ihre Tochter zur Welt brachte und erst deutlich später zurückreisen konnte. Dies begründe einen Versicherungsfall.
Die Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) erfolgte dabei, so das Gericht unter Berufung auf ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, z.B. Az.: IV ZR 151/15), aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne juristische Spezialkenntnisse. Gibt es mehrere Verständnismöglichkeiten, ist diejenige zu bevorzugen, die dem Versicherten Versicherungsschutz gewährt. Das Gericht entschied, dass die undifferenzierte Nennung des Begriffs „Schwangerschaft“ (der primär bei den Reiserücktrittsgründen steht) durch den Verweis in Teil D Ziffer 1 für den Reiseabbruch so verstanden werden könne und müsse, dass auch Schwangerschaftskomplikationen, die eine Fortsetzung der bereits angetretenen Reise unvertretbar machen, vom Versicherungsschutz umfasst sind. Dies entspreche dem Interesse eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers und sei naheliegend. Der von der Versicherten vorgelegte Chat-Verlauf, der diese Auslegung stützte, war laut Gericht nicht mehr entscheidend, bestärkte aber diese naheliegende Interpretation.
30-Tage-Buchungsfrist gilt nicht für Reiseabbruchversicherung
Die Versicherung konnte sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass nach dem 09. August 2016 gebuchte Reiseteile nicht versichert seien. Das Gericht stellte klar, dass die im Versicherungsschein genannte Frist von 30 Tagen vor Reiseantritt, innerhalb derer bei späterer Buchung eine zusätzliche Reiserücktrittsversicherung abzuschließen sei, sich ausschließlich auf die Reiserücktrittsversicherung bezieht, nicht jedoch auf die Reiseabbruchsversicherung. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Versicherungsscheins, der die Reiseabbruchsversicherung unter einem separaten Spiegelstrich ohne eine solche Frist regle und einen anderen Versicherungszeitraum (den Reisezeitraum selbst) nenne.
Keine Deckelung der Mehrkosten durch Reisepreis oder Unterversicherung
Das Gericht verneinte eine erhebliche Unterversicherung oder eine Beschränkung des Leistungsvolumens auf den angenommenen Reisepreis von 3.000 Euro. Die Versicherte hatte überzeugend dargelegt, dass die im August gebuchten Hauptleistungen (Hin- und Rückflug, erstes Hotel) sich auf 1.758,28 Euro beliefen. Die nachträglich gebuchten, kürzeren Hotelaufenthalte und eine Fährenfahrt überschritten den Rahmen von 3.000 Euro für den Gesamtreisepreis plausibel nicht. Entscheidender war jedoch, dass die Versicherte Mehrkostenersatz aus der Reiseabbruchsversicherung forderte. Eine Haftungsbegrenzung auf den Reisepreis mache nur bei der Reiserücktrittsversicherung Sinn. Da die Bedingungen (Teil D Ziff. 2.1, 2.4, 2.6) ausdrücklich Mehrkosten versicherten, könnten diese logischerweise nicht auf den ursprünglichen Reisepreis beschränkt sein, da „Mehrkosten“ aus Sicht des Versicherten gerade ein Mehr zu den ursprünglichen Kosten bedeuten.
Frühgeburt als „unerwartete schwere Erkrankung“ anerkannt
Alternativ sah das Gericht auch den Tatbestand einer „unerwarteten schweren Erkrankung“ (gemäß Teil A Ziffer 2.1 (2) a) der Bedingungen) als erfüllt an. Schwangerschaftskomplikationen fallen darunter. Die Versicherung bestritt zwar unspezifisch „schwangerschaftsbezogene Gesundheitsprobleme“, nicht aber die Frühgeburt selbst. Eine Geburt drei Monate vor dem errechneten Termin setze aber zwingend vorzeitige Wehen voraus, die eine Schwangerschaftskomplikation darstellen. Aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers, der sich beispielsweise online informiert, sei ein solcher Zustand als behandlungsbedürftig und damit als „Erkrankung“ anzusehen. Angesichts der erheblichen Risiken einer Frühgeburt für Mutter und Kind sei dies auch eine „schwere“ Erkrankung. Das Gericht verneinte, dass dieses Ereignis „erwartet“ war. Die bloße Kenntnis einer potenziellen Gefahr, wie sie bei jeder Schwangerschaft besteht, führe nicht zur Annahme einer Erwartung im versicherungsrechtlichen Sinne. Eine Erwartung liege nur bei einer „halbwegs sicheren Folge“ vor, was hier nicht gegeben war.
Mitversicherung des neugeborenen Kindes als „Risikoperson“
Das Argument der Versicherung, nur die Versicherte selbst sei versichert, wies das Gericht zurück. Aus Teil D Ziffer 2.6 in Verbindung mit Teil A Ziffer 1.3.1 der Bedingungen ergeben sich Kinder der versicherten Person als mitversicherte „Risikopersonen“. Der Verbleib am Aufenthaltsort war somit auch aufgrund der Erkrankung der Tochter vom Versicherungsschutz erfasst. Eine Frühgeburt gehe zwangsläufig mit gesundheitlichen Komplikationen einher, die hier eine Heimreise unmöglich machten. Hilfsweise argumentierte das Gericht, dass die „zwingende Notwendigkeit“ des Verbleibs der Mutter nicht rein objektiv, sondern unter Einbeziehung der subjektiven Zumutbarkeit auszulegen sei: Es sei einer Mutter nicht zuzumuten, ihr frühgeborenes, behandlungsbedürftiges Kind alleine auf einem anderen Kontinent zurückzulassen.
Detaillierte Berechnung der erstattungsfähigen Mehrkosten
Das Gericht prüfte die geltend gemachten Mehrkosten sorgfältig:
- Unterkunftskosten (€ 7.891,00 anerkannt): Die Versicherte wies Hotelkosten durch Rechnungen nach. Diese seien als Mehrkosten erstattungsfähig. Allerdings beschränke Teil D Ziffer 2.4 (3) die Erstattung auf die „Qualität der gebuchten Reise“. Maßstab sei eine angemessene Unterkunft, gemessen an der ursprünglichen Reise. Das Gericht ermittelte einen angemessenen Tagespreis von etwa 107 Euro für ein Doppelzimmer und 75 Euro für ein Einzelzimmer (nach Abreise des Lebensgefährten), woraus sich der anerkannte Betrag errechnete.
- Verpflegungskosten (€ 740,26 anerkannt): Auch diese Kosten wurden nachgewiesen. Erstattungsfähig seien jedoch nur die Mehrkosten, die den Betrag übersteigen, der zu Hause angefallen wäre. Ausgehend von durchschnittlichen Lebensmittelkosten laut Statistischem Bundesamt (6,47 Euro pro Tag/Person) errechnete das Gericht die erstattungsfähigen Mehrkosten.
- Transportkosten (€ 2.235,12 anerkannt): Die geltend gemachten Transportkosten wurden als zusätzliche Rückreisekosten im Sinne des Teil D Ziffer 2.4 (1) Punkt 2 vom Versicherungsschutz als erfasst angesehen. Die Notwendigkeit einer etappenweisen Rückreise zur Gewährleistung der Gesundheitsversorgung des Kindes änderte daran nichts.
- Sonstige Mehrkosten (€ 488,94 anerkannt): Für Telefonkosten setzte das Gericht pauschal 150 Euro an (nur zwingend erforderliche Telefonate). Hinzu kamen nachgewiesene Übersetzungskosten (66,23 Euro) und Zusatzkosten für Kreditkarteneinsatz (272,71 Euro).
Die Summe der anerkannten erstattungsfähigen Mehrkosten belief sich auf 11.355,32 Euro. Nach Abzug des bereits geleisteten Kulanzbetrags von 3.000 Euro ergab sich der zugesprochene Betrag von 8.355,32 Euro.
Kein Leistungsausschluss wegen grober Fahrlässigkeit oder Obliegenheitsverletzung
Die Versicherung konnte sich auch nicht auf einen Leistungsausschluss berufen:
- Keine grobe Fahrlässigkeit: Den Vorwurf, die Versicherte habe durch die Reise grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeigeführt, sah das Gericht als unbegründet an. Der Urlaubsort sei ein Erholungsort, keine abenteuerlichen Aktivitäten seien geplant gewesen. Entscheidend war, dass die Versicherte eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Reise dargelegt hatte. Die Versicherung bestritt dies zwar, trat aber keinen Gegenbeweis an. Die Darlegungs- und Beweislast für grobe Fahrlässigkeit liegt bei der Versicherung.
- Keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit: Ein Leistungsausschluss wegen eines angeblich unterbliebenen Hinweises auf die Schwangerschaft als Gefahrerhöhung schied ebenfalls aus. Die Versicherung hatte keine konkrete Frage nach einer Schwangerschaft gestellt, sodass eine bewusste Falschangabe ausschied. Die Versicherte hatte zudem substantiiert dargelegt und durch ein Chat-Protokoll belegt, die Schwangerschaft im Vorfeld thematisiert zu haben. Das Bestreiten der Authentizität dieses Protokolls durch die Versicherung reichte dem Gericht nicht aus, da die Beweislast hierfür bei der Versicherung lag.
Zinsanspruch und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten bestätigt
Der Zinsanspruch ergab sich aus den §§ 286, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen Verzugs. Die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an den Rechtsschutzversicherer der Versicherten wurde ebenfalls dem Grunde nach bestätigt, da diese Kosten durch den Verzug der Versicherung erforderlich und zweckmäßig geworden waren. Die Höhe wurde entsprechend dem Wert der zugesprochenen Hauptforderung berechnet.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei einer Frühgeburt im Ausland eine Reiseabbruchversicherung für die Mehrkosten (Unterkunft, Verpflegung, Rücktransport) aufkommen muss, da eine Frühgeburt als „unerwartete schwere Erkrankung“ gilt und Schwangerschaftskomplikationen vom Versicherungsschutz umfasst sind. Besonders bedeutsam ist die Anerkennung, dass das neugeborene Kind als „Risikoperson“ mitversichert ist und der verlängerte Aufenthalt aufgrund der medizinischen Notwendigkeit für das Frühgeborene gerechtfertigt war. Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Versicherten in ähnlichen Fällen und verdeutlicht, dass Versicherungsbedingungen zugunsten des Versicherungsnehmers ausgelegt werden müssen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau deckt eine Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung bei Schwangerschaftskomplikationen ab?
Eine Reiserücktrittskostenversicherung oder eine Reiseabbruchversicherung kann Kosten erstatten, wenn eine Reise aufgrund einer Schwangerschaftskomplikation nicht angetreten oder fortgesetzt werden kann. Für die Versicherungsleistung ist jedoch entscheidend, dass es sich um eine schwere und unerwartete Komplikation handelt.
Was ist typischerweise versichert?
Typischerweise deckt die Versicherung Kosten ab, wenn medizinisch notwendige Gründe im Zusammenhang mit der Schwangerschaft eintreten, die eine Reise unmöglich oder unzumutbar machen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Plötzlich auftretende schwere Schwangerschaftskomplikationen wie vorzeitige Wehen, eine Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung) oder eine Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter (Eileiterschwangerschaft), die nach der Reisebuchung und dem Abschluss der Versicherung auftreten.
- Eine unerwartete, ernsthafte Erkrankung, die nachgewiesen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft steht und die Reise unmöglich macht.
- Unter Umständen auch eine Fehlgeburt, die nach Reisebuchung/Versicherungsabschluss eintritt.
Entscheidend ist immer, dass die Komplikation unerwartet war und erst nach dem Abschluss der Versicherung und der Buchung der Reise aufgetreten ist oder sich verschlimmert hat. Es muss eine medizinische Notwendigkeit bestehen, die Reise abzusagen oder abzubrechen, die durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden muss.
Was ist meist nicht versichert?
Eine Reiserücktritts- oder Reiseabbruchversicherung deckt nicht die Kosten ab, wenn die Reise aus Gründen abgesagt wird, die als normale und erwartbare Entwicklung einer Schwangerschaft gelten. Dazu gehören in der Regel:
- Die normale, komplikationslose Schwangerschaft an sich, auch wenn sich die Schwangere nicht wohlfühlt oder reiseunfähig ist, solange keine unerwartete Komplikation vorliegt.
- Routineuntersuchungen oder Arzttermine im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge.
- Die Geburt selbst, wenn der errechnete Geburtstermin oder der Zeitraum, in dem die Geburt üblicherweise stattfindet, in die Reisezeit fällt.
- Beschwerden wie morgendliche Übelkeit, Müdigkeit oder andere übliche Schwangerschaftssymptome, die nicht auf einer schwerwiegenden Komplikation beruhen.
- Eine bereits vor Versicherungsabschluss bestehende Komplikation, deren Entwicklung oder Verschlechterung vorhersehbar war.
Die genauen Bedingungen, welche Schwangerschaftskomplikationen versichert sind und welche nicht, können sich von Versicherungsvertrag zu Versicherungsvertrag unterscheiden. Es lohnt sich immer, die spezifischen Versicherungsbedingungen (AVB) sorgfältig zu prüfen, bevor Sie eine Reiseversicherung abschließen. Achten Sie insbesondere auf die Klauseln zu Schwangerschaft und welche Ereignisse dort explizit als versichert oder ausgeschlossen genannt werden.
Inwieweit beeinflusst eine bereits bestehende Schwangerschaft den Versicherungsschutz einer Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung?
Eine Reiserücktrittskosten- oder Reiseabbruchversicherung deckt typischerweise Kosten ab, die entstehen, wenn Sie eine Reise aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses nicht antreten können oder abbrechen müssen. Ob eine Schwangerschaft darunterfällt, hängt stark von der Art der Schwangerschaft und den konkreten Bedingungen Ihrer Versicherung ab.
Eine normal verlaufende Schwangerschaft, die bereits zum Zeitpunkt der Reisebuchung oder des Versicherungsabschlusses bekannt war, gilt in der Regel nicht als ein solches unvorhergesehenes Ereignis. Versicherungsschutz besteht meist für plötzlich und unerwartet auftretende schwere Erkrankungen, die den Reiseantritt unmöglich machen. Eine normale Schwangerschaft ist per Definition kein plötzliches Ereignis im Sinne vieler Versicherungsverträge.
Entscheidend für den Versicherungsschutz sind oft Komplikationen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft. Wenn während der Schwangerschaft unerwartet gesundheitliche Probleme auftreten, die ärztlich attestiert werden und eine Reise unzumutbar oder unmöglich machen, können diese schwangerschaftsbedingten Komplikationen einen versicherten Rücktritts- oder Abbruchgrund darstellen. Dies gilt häufig auch dann, wenn die Schwangerschaft bereits vor Versicherungsabschluss bestand, aber die Komplikationen unerwartet danach aufgetreten sind.
Eine Anzeigepflicht für eine normal verlaufende Schwangerschaft beim Abschluss der Versicherung besteht in der Regel nicht, da sie im juristischen Sinne meist nicht als „Vorerkrankung“ oder ähnliches eingestuft wird, es sei denn, die Versicherungsbedingungen sehen hierzu ausdrücklich etwas anderes vor oder es bestanden bereits vor Abschluss Komplikationen oder Risikofaktoren. Wenn jedoch nach Abschluss der Versicherung unerwartete Komplikationen auftreten, die zum Rücktritt oder Abbruch führen, müssen diese dem Versicherer gemeldet und durch ärztliche Atteste belegt werden.
Sollte eine Schwangerschaft nach Abschluss der Versicherung eintreten und es kommt später zu Komplikationen, die eine Reise verhindern, werden diese Komplikationen oft ähnlich behandelt wie andere unerwartete Erkrankungen, die nach Versicherungsbeginn auftreten.
Es ist jedoch von größter Bedeutung, die spezifischen Versicherungsbedingungen Ihres Vertrages sorgfältig zu prüfen. Manche Tarife haben besondere Regelungen oder Ausschlüsse im Zusammenhang mit Schwangerschaften. Nur die Lektüre der konkreten Vertragspassagen gibt Ihnen genaue Auskunft darüber, was in Ihrem Fall versichert ist.
Welche Rolle spielt die Definition einer „unerwarteten schweren Erkrankung“ in den Versicherungsbedingungen bei Komplikationen während einer Reise?
Die Definition einer „unerwarteten schweren Erkrankung“ in Reiseversicherungen ist ein zentraler Punkt für die Frage, ob ein Schadenfall, wie zum Beispiel der Abbruch oder Nichtantritt einer Reise wegen gesundheitlicher Probleme, vom Versicherungsschutz umfasst ist. Diese Formulierung bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Versicherung leistet.
Was bedeutet „unerwartet“ und „schwer“?
Obwohl viele Versicherungsbedingungen die Begriffe nicht wörtlich bis ins letzte Detail definieren, gibt es allgemeine Kriterien, die in der Praxis und durch Gerichtsurteile angewendet werden:
- Unerwartet: Eine Erkrankung gilt als unerwartet, wenn sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung oder der Reisebuchung nach medizinischer Beurteilung nicht vorhersehbar war. Wenn Sie bereits vor der Reisebuchung oder dem Versicherungsabschluss von einer Erkrankung wussten oder Symptome hatten, die auf eine solche Erkrankung hindeuteten und später zum Reiseabbruch führten, kann dies dazu führen, dass die Erkrankung nicht als unerwartet im Sinne der Versicherungsbedingungen gilt.
- Schwer: Eine Erkrankung ist typischerweise dann als schwer einzustufen, wenn sie den Antritt oder die Fortsetzung der Reise medizinisch unmöglich macht oder erheblich beeinträchtigt und eine dringende ärztliche Behandlung erfordert. Es geht also nicht nur um eine leichte Beeinträchtigung, sondern um eine ernsthafte gesundheitliche Situation.
Wie werden Komplikationen wie eine Frühgeburt bewertet?
Komplikationen während einer Schwangerschaft, wie eine Frühgeburt oder andere unerwartete Probleme, können unter Umständen als „unerwartete schwere Erkrankung“ verstanden werden. Das hängt entscheidend vom Einzelfall ab:
- War die Schwangerschaft vor der Reise unkompliziert und die Komplikation trat plötzlich und unvorhergesehen auf?
- War die Komplikation medizinisch schwerwiegend und machte die Reise oder den geplanten Aufenthalt unmöglich?
Wenn eine Schwangerschaftskomplikation diese Kriterien erfüllt – also unerwartet auftritt und schwerwiegende Folgen hat, die eine Reise verhindern oder beenden – kann sie durchaus unter die Definition fallen. Eine normale, erwartete Entwicklung der Schwangerschaft, die zum Beispiel eine planmäßige Entbindung am Reiseziel erfordert, fällt dagegen in der Regel nicht darunter.
Wer muss was beweisen?
Die Beweislast, also wer welche Tatsachen nachweisen muss, ist bei Versicherungsfällen klar geregelt:
- Sie als versicherte Person müssen zunächst nachweisen, dass ein Ereignis eingetreten ist (hier: die Erkrankung/Komplikation) und dass dieses Ereignis die Ursache für den Versicherungsfall (z.B. Reiseabbruch) war. Sie müssen also darlegen, dass die Erkrankung vorliegt und dass sie Sie daran gehindert hat, die Reise anzutreten oder fortzusetzen.
- Darüber hinaus müssen Sie in der Regel auch nachweisen, dass die Erkrankung unerwartet und schwer war, wie es die Versicherungsbedingungen verlangen. Dazu sind oft medizinische Nachweise, wie ärztliche Atteste und Berichte, erforderlich.
- Die Versicherung muss dann gegebenenfalls beweisen, dass Ausschlussgründe vorliegen, die trotz einer grundsätzlich versicherten Erkrankung die Leistungspflicht entfallen lassen (z.B. eine bekannte Vorerkrankung, die in den Bedingungen ausgeschlossen ist).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die genaue Auslegung von „unerwartet schwerer Erkrankung“ ist entscheidend und richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei Gerichte prüfen, ob die Erkrankung zum relevanten Zeitpunkt unvorhersehbar und schwerwiegend war, und die Beweislast für das Vorliegen dieser Kriterien grundsätzlich bei der versicherten Person liegt.
Welche Nachweise sind erforderlich, um im Falle eines Reiseabbruchs aufgrund von Schwangerschaftskomplikationen Leistungen von der Versicherung zu erhalten?
Um Leistungen von Ihrer Reiseversicherung im Falle eines Reiseabbruchs wegen Schwangerschaftskomplikationen zu erhalten, ist es notwendig, der Versicherung nachzuweisen, dass der Versicherungsfall eingetreten ist und welche Kosten dadurch entstanden sind. Die Versicherung benötigt Belege, die den Grund für den Abbruch und die finanziellen Folgen bestätigen.
Für Ihre Versicherung ist es entscheidend zu verstehen, warum die Reise abgebrochen werden musste und welche zusätzlichen Kosten dadurch entstanden sind. Typische Nachweise, die von Versicherungen verlangt werden, umfassen daher Dokumente, die den medizinischen Grund und die finanziellen Aufwendungen belegen.
Typische Nachweise für die Versicherung
Sie müssen in der Regel folgende Arten von Unterlagen sammeln und der Versicherung vorlegen:
- Nachweis des Versicherungsfalls:
- Ärztliches Attest: Ein Schreiben des behandelnden Arztes oder der Klinik. Dieses Attest sollte die aufgetretenen Schwangerschaftskomplikationen klar beschreiben und bestätigen, dass diese Komplikationen der Grund für die Reiseunfähigkeit bzw. den erforderlichen Reiseabbruch waren. Es ist hilfreich, wenn das Attest den Zeitpunkt der Verschlechterung oder des Auftretens der Komplikationen nennt.
- Krankenhausberichte/Befunde: Falls Sie im Krankenhaus behandelt wurden, sind die entsprechenden Berichte, Entlassungspapiere oder ärztlichen Befunde wichtige Belege.
- Nachweis der entstandenen Kosten:
- Buchungsunterlagen der ursprünglichen Reise: Flugtickets, Hotelbuchungen, Buchungsbestätigungen für sonstige Leistungen, die nicht in Anspruch genommen werden konnten.
- Stornierungsbestätigungen und -rechnungen: Wenn Sie Leistungen stornieren mussten, die Belege dafür, welche Kosten trotz Stornierung angefallen sind.
- Belege für zusätzliche Rückreisekosten: Neue Flug- oder Bahntickets für die verfrühte Heimreise, Taxiquittungen zum Flughafen/Bahnhof, etc.
- Belege für zusätzliche Unterkunftskosten: Falls Sie wegen der Komplikationen länger am Reiseort bleiben mussten, als ursprünglich geplant.
- Originalrechnungen für bezahlte Reiseleistungen: Um nachzuweisen, welche Leistungen ursprünglich gebucht und bezahlt wurden.
Einreichung der Nachweise und Fristen
Die meisten Versicherungen akzeptieren zunächst Kopien der erforderlichen Unterlagen. Es ist jedoch möglich, dass die Versicherung im Einzelfall die Vorlage der Originale verlangt. Bewahren Sie daher alle Originaldokumente sorgfältig auf.
Sie sollten den Reiseabbruch unverzüglich bei Ihrer Versicherung melden, sobald der Grund dafür feststeht. Das ist eine wichtige Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag. Für die Einreichung der Nachweise gibt es in der Regel Fristen. Diese sind im Versicherungsvertrag (den Allgemeinen Versicherungsbedingungen – AVB) festgelegt. Es ist wichtig, diese Fristen zu beachten, um den Anspruch nicht zu gefährden. Oft wird eine Einreichung „innerhalb einer angemessenen Frist“ nach der Meldung des Schadensereignisses verlangt. Was als „angemessen“ gilt, kann variieren, aber eine zügige Einreichung nach Erhalt aller Dokumente ist ratsam.
Es ist immer ratsam, sich direkt nach dem Reiseabbruch mit Ihrer Versicherung in Verbindung zu setzen. Diese kann Ihnen genau mitteilen, welche Unterlagen sie konkret benötigt und welche Fristen in Ihrem speziellen Vertrag gelten. Das sorgfältige Sammeln aller relevanten Dokumente ist der erste wichtige Schritt bei der Geltendmachung Ihres Anspruchs.
Was bedeutet „Unterversicherung“ im Kontext einer Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchversicherung und wie kann man sie vermeiden?
Unterversicherung in einer Reiserücktritts- oder Reiseabbruchversicherung liegt vor, wenn die vereinbarte Versicherungssumme geringer ist als der tatsächliche Gesamtreisepreis. Sie haben also Ihre Reise für einen niedrigeren Wert versichert, als sie tatsächlich gekostet hat.
Welche Folgen hat Unterversicherung und wie berechnet sich die Leistung?
Die entscheidende finanzielle Folge einer Unterversicherung ist, dass die Versicherung im Schadensfall (z.B. bei Stornierung oder Abbruch) die Kosten nicht vollständig, sondern nur anteilig übernimmt. Man spricht hier vom Proportionalprinzip.
Das bedeutet für Sie: Obwohl Sie eine Versicherung haben, bleiben Sie auf einem Teil der Kosten sitzen.
Die Höhe der Zahlung berechnet sich dann meist anhand der Relation zwischen der versicherten Summe und dem tatsächlichen Reisepreis. Stellen Sie sich vor, Ihre Reise kostet 2.000 Euro, Sie haben sie aber nur bis 1.000 Euro versichert. Wenn Sie nun stornieren müssen und die Stornokosten betragen 1.500 Euro, zahlt die Versicherung nicht die vollen 1.500 Euro. Sie zahlt nur den Anteil des Schadens, der dem Anteil der Versicherungssumme am tatsächlichen Reisepreis entspricht. In diesem Beispiel wäre das die Hälfte (1.000 Euro versichert von 2.000 Euro Kosten). Die Versicherung würde also nur die Hälfte der 1.500 Euro, also 750 Euro, übernehmen.
Die Berechnung der Leistung im Unterversicherungsfall kann wie folgt aussehen:
Entschädigungshöhe = (Vereinbarte Versicherungssumme × Höhe des Schadens) ÷ Tatsächlicher Reisepreis
Wie vermeiden Sie Unterversicherung?
Um Unterversicherung zu vermeiden, ist es wichtig, dass Sie die korrekte Versicherungssumme wählen.
- Ermitteln Sie den tatsächlichen Reisepreis: Rechnen Sie alle Kosten zusammen, die versichert werden sollen (Flüge, Unterkunft, ggf. weitere versicherte Leistungen wie Ausflüge etc.). Tun Sie dies für jede reisende Person, wenn die Versicherung pro Person abgeschlossen wird, oder für die gesamte Buchung, wenn der Vertrag die gesamte Reise abdeckt.
- Wählen Sie eine passende Versicherungssumme: Stellen Sie sicher, dass die Versicherungssumme, die Sie beim Abschluss der Police angeben oder auswählen, mindestens dem Gesamtreisepreis entspricht. Viele Versicherer bieten staffelbasierte Versicherungssummen an (z.B. bis 1.000 Euro, bis 2.500 Euro, bis 5.000 Euro). Wählen Sie die Staffel, die Ihren Reisepreis abdeckt oder überschreitet.
- Prüfen Sie bei Änderungen: Wenn sich Ihr Reisepreis nach Abschluss der Versicherung erhöht (z.B. durch Hinzubuchen von Leistungen), prüfen Sie in den Versicherungsbedingungen, ob und wie Sie die Versicherungssumme anpassen können, um eine Unterversicherung zu vermeiden.
Indem Sie die Versicherungssumme korrekt auf den Wert Ihrer Reise abstimmen, stellen Sie sicher, dass Sie im Versicherungsfall auch die vereinbarte Leistung erhalten und nicht wegen Unterversicherung auf einem Teil Ihrer Kosten sitzen bleiben.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Reiseabbruchsversicherung
Eine Reiseabbruchsversicherung ist eine Zusatzversicherung, die Kosten übernimmt, wenn eine Reise aus einem versicherten Grund vorzeitig abgebrochen werden muss. Im Gegensatz zur Reiserücktrittskostenversicherung greift sie also nicht vor Reisebeginn, sondern erst nach Antritt der Reise. Typische Gründe sind plötzliche schwere Erkrankungen oder Unfälle. Ziel ist es, die entstehenden Mehrkosten für Unterkunft, Transport oder ähnliche Ausgaben zu decken, die durch den Reiseabbruch entstehen.
Beispiel: Wenn Sie im Urlaub krank werden und deshalb früher zurückreisen müssen, übernimmt die Reiseabbruchsversicherung die zusätzlichen Kosten, die dadurch entstehen.
Unerwartete schwere Erkrankung
Eine unerwartete schwere Erkrankung ist ein verschärfter Krankheitsbegriff, der bei Versicherungen eine Leistungspflicht auslöst. „Unerwartet“ bedeutet, dass die Krankheit zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses oder der Reisebuchung nicht vorhersehbar war. „Schwer“ heißt, dass die Erkrankung die Reisemedizinisch unmöglich macht oder erheblich beeinträchtigt und eine dringende ärztliche Behandlung notwendig ist. Diese Definition ist wichtig, um festzustellen, ob eine Schwangerschaftskomplikation als Versicherungsfall gilt.
Beispiel: Wenn eine schwangere Frau während der Reise plötzlich und überraschend starke vorzeitige Wehen bekommt, ist das eine unerwartete schwere Erkrankung.
Unterversicherung
Unterversicherung liegt vor, wenn die vereinbarte Versicherungssumme niedriger ist als der tatsächliche Wert der Reise. Dadurch trägt der Versicherte im Schadensfall einen Teil der Kosten selbst, denn die Versicherung zahlt nur den anteiligen Betrag entsprechend dem Verhältnis von Versicherungssumme zum tatsächlichen Reisepreis. Dieses Prinzip nennt man das Proportionalprinzip. Eine korrekte Versicherungssumme ist deshalb entscheidend, um eine vollständige Kostenerstattung zu erhalten.
Beispiel: Wenn Ihre Reise 2.000 Euro kostet, Sie aber nur für 1.000 Euro versichert sind, zahlt die Versicherung bei einem Schaden von 1.500 Euro nur die Hälfte, also 750 Euro.
Obliegenheitsverletzung
Eine Obliegenheitsverletzung ist die nicht vertragsgemäße Pflichtverletzung eines Versicherungsnehmers, die den Versicherungsschutz gefährden kann. Typisch ist etwa das Nichtmelden wichtiger Fakten oder das Unterlassen von Schadensminderungsmaßnahmen. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt, kann eine solche Verletzung zu Leistungsverweigerungen oder Kürzungen führen. Im Fall von Schwangerschaften bedeutet das, dass der Versicherte relevante Informationen wie Komplikationen rechtzeitig und vollständig mitteilen muss.
Beispiel: Wenn eine Schwangere eine bekannte schwere Schwangerschaftskomplikation verschweigt, könnte die Versicherung die Leistung kürzen oder verweigern.
Mitversicherung von Risikopersonen
In bestimmten Versicherungsverträgen sind neben der versicherten Hauptperson auch weitere Personen mitversichert, die als „Risikopersonen“ gelten, etwa Kinder oder Angehörige, wenn deren Zustand den Versicherungsfall beeinflusst. Im Reiseversicherungsfall bedeutet das, dass auch das mitversicherte neugeborene Kind eines frühgeborenen Babys Schutz genießt und Kosten, die durch dessen Erkrankung entstehen, übernommen werden können. Diese Regelung ist wichtig, weil sie den Schutz des familiären Umfelds in besonderen Fällen sicherstellt.
Beispiel: Wenn ein Baby drei Monate zu früh geboren wird und deswegen besondere Betreuung und eine verlängerte Reise erforderlich sind, sind die Mehrkosten für Mutter und Kind durch die Mitversicherung abgedeckt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt die grundlegenden Pflichten der Versicherer und Versicherten, insbesondere den Anspruch auf Versicherungsleistungen bei Eintritt des Versicherungsfalls. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützte die Verpflichtung der Versicherung zur Leistung auf diesen Paragraphen, da ein Versicherungsfall durch die Frühgeburt und medizinische Notwendigkeiten eingetreten war.
- §§ 286, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Bestimmen den Verzug des Schuldners, Verzugszinsen und Schadenersatzansprüche bei nicht rechtzeitiger Leistungserbringung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versichert erlangt Anspruch auf Verzugszinsen, weil die Versicherung mit der Auszahlung der Mehrkosten in Verzug war.
- Teil A Ziffer 2.1 und Teil D Ziffer 1 der Versicherungsbedingungen (AVB): Definieren, wann ein Versicherungsfall vorliegt, darunter auch Schwangerschaft und unerwartete schwere Erkrankungen als versicherte Gründe für Reiseabruch und Reiserücktritt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Frühgeburt wurde als eine plötzliche schwere Erkrankung bzw. Schwangerschaftskomplikation anerkannt, sodass die Versicherten Anspruch auf Leistungen aus der Reiseabbruchsversicherung hatten.
- Teil D Ziffer 2.4 der AVB: Regelt die Erstattung von Mehrkosten bei Reiseabbruch, insbesondere für Unterkunft, Verpflegung und Transport, wobei die Qualität der Unterkunft angemessen dem ursprünglich gebuchten Reiseangebot entsprechen muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Anerkennung der vorgelegten Mehrkosten basierte auf dieser Bestimmung, die als Erstattungsgrundlage diente.
- Teil D Ziffer 2.6 und Teil A Ziffer 1.3.1 der AVB: Bestimmen die Mitversicherung von „Risikopersonen“ wie Kindern der versicherten Person, auch im Rahmen des Versicherungsschutzes für Reiseabbruch. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung musste auch die Kosten für die medizinische Versorgung und den Verbleib der frühgeborenen Tochter übernehmen, da diese als mitversicherte Risikoperson anerkannt wurde.
- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), z.B. Az.: IV ZR 151/15: Grundsatz der Auslegung von Versicherungsbedingungen zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn Unklarheiten bestehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht interpretierte die unbestimmte Nennung von „Schwangerschaft“ im Sinne eines Schutzes auch bei Komplikationen während der Reise und nicht nur bei Reiserücktritt, was zugunsten der Versicherten entschieden wurde.
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt – Az.: 2-08 O 41/18 – Urteil vom 16.11.2018
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