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Rechtsschutzversicherung – Leistungsausschluss Kostenzugeständnis zu Lasten des Versicherers

AG München – Az.: 264 C 13757/18 – Urteil vom 02.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 382,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.05.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 382,59 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

A.

Die Klage ist zulässig.

Das Amtsgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23 Nr. 1, 71 GVG, § 1 ZPO. Die Örtliche Zuständigkeit folgt aus § 20 ARB 2008 sowie §§ 12, 17 ZPO.

B.

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten 382,59 € als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens vor dem Versicherungsombudsmann befand sich die Beklagte mit der Leistung der noch offenen Anwaltskosten in Höhe von 2.834,58 € aufgrund einer außergerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers in Verzug.

I. Bestehen der ursprünglichen Forderung

Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand zwischen dem 12.09.2011 und dem 01.09.2017 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2008) zugrunde lagen.

Am 12.07.2016 erteilte die Beklagte dem Kläger die Deckungszusage für seine außergerichtliche Interessenvertretung im Rahmen des Rechtsstreits zwischen dem Kläger und der … Bank über die Wirksamkeit des durch den Kläger mit Schreiben vom 13.06.2016 erklärten Widerrufs seines mit der Bank geschlossenen Immobiliendarlehensvertrages, welchen er zur Finanzierung zum Erwerb einer Bestandsimmobilie abgeschlossen hatte.

In der Folge schlossen die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Bank einen Vergleich, welcher vorsah, dass der Kläger das streitige Darlehen vorzeitig unter Zahlung einer reduzierten Vorfälligkeitsentschädigung ablösen könne und die bestellten Sicherheiten freigegeben werden.

Mit Schreiben vom 22.02.2017 rechneten die Prozessbevollmächtigten die Kosten für den Vergleich in Höhe von 2.834,58 € gegenüber der Beklagten ab unter Fristsetzung bis zum 08.03.2017.

Zu dieser Leistung war die Beklagte aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrages und der Deckungszusage auch verpflichtet. Der Kläger hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Deckungsschutz aus § 125 VVG i.V.m. dem Rechtsschutzversicherungsvertrag, ausgestaltet durch die zugehörigen ARB.

1. Kein Ausschluss durch § 5 Abs. 4 b) ARB 2008.

Dieser Anspruch ist nicht durch § 5 Abs. 4 b) ARB 2008 ausgeschlossen. Daran ändert sich auch nichts, dass die Beklagte auch im Rahmen der Deckungszusage darauf hingewiesen hat, dass bei einer gütlichen Erledigung, insbesondere bei einem Vergleich, die Kosten nur in dem Umfang übernommen werden, in dem die Interessen des Versicherten nicht durchgesetzt werden können.

§ 5 Abs. 4 b) ARB 2008 besagt, dass Kosten, die im Zusammenhang mit einer gütlichen Erledigung entstanden sind, dann ausgeschlossen sind, wenn sie nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen.

Die Klausel ist zwar grundsätzlich auf außergerichtliche Vergleiche anzuwenden, greift vorliegend aber mangels eines zweckwidrigen Kostenzugeständnisses nicht ein.

Der BGH führte in seiner Entscheidung vom 19.12.2012, Az. IV ZR 213/11, zur zwar leicht abweichend formulierten, aber sinngemäß gleichen Regelung des § 5 Abs. 3 b) ARB 94 aus, dass Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen sind, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Danach ist für ein Eingreifen des hier in Rede stehenden Ausschlusstatbestands aus der maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers jedenfalls erforderlich, dass er zu Lasten des Versicherers – ausdrücklich oder konkludent – Kostenzugeständnisse gemacht hat. Davon ist auszugehen, wenn die Kostenlast zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht.

Letzteres entspricht auch der Formulierung des streitgegenständlichen § 5 Abs. 4 b) ARB 2008, der auf die Kosten im Verhältnis Obsiegen – Unterliegen abstellt. Auch insofern soll nach Sinn und Zweck vermieden werden, dass zu Lasten des Versicherers Zugeständnisse in der Hauptsache gemacht werden.

Ein solches Kostenzugeständnis ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. In der den gesetzlichen Vorschriften folgenden Kostenregelung der Kostenaufhebung ist ein solches Kostenzugeständnis nicht ersichtlich, weil dem Kläger gegen die Bank kein materieller Kostenerstattungsanspruch zustand, den er ohne die getroffene Regelung durchsetzen könnte. Besteht unbeschadet der Einigung keine Möglichkeit, hinsichtlich des außergerichtlich durchgesetzten Hauptanspruchs auch eine Kostenerstattung zu verlangen, so liegt in dieser Einigung kein Zugeständnis. Daran ändert es nichts, wenn man fingiert, dass die materielle Rechtslage der in der Hauptsache erzielten Einigung entspricht.

§ 5 Abs. 4 b) ARB 2008 ist ersichtlich an die Kostenquotelung des § 92 ZPO angelehnt. Allerdings besteht außerhalb des Gerichtsverfahrens mit der prozessualen Kostentragungspflicht nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO indessen keineswegs in allen Fällen zugleich ein materieller Kostenerstattungsanspruch. Dieser setzt vielmehr einen besonderen Rechtsgrund voraus. Somit kann von einem Kostenzugeständnis zu Lasten des Versicherers nur ausgegangen werden, wenn ein materieller Kostenerstattungsanspruch ganz oder teilweise aufgegeben wird.

Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die … Bank ist vorliegend nicht ersichtlich, da die Forderung auf die Geltendmachung von Widerrufsrechten gestützt ist, §§ 346, 812 ff. BGB. Der Darlehensvertrag soll lediglich rückabgewickelt werden.

Weitergehende Ansprüche, wie zum Beispiel Schadensersatzansprüche kommen nicht in Betracht. § 357 Abs. 4 BGB aF. statuiert einen Vorrang der Rückabwicklungsregeln vor dem Schadensersatz. Auch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung unterstellt, scheidet ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB aus (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.02.2016, Az. 17 U 77/15).

2. Kein Baurisikoausschluss

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 d) dd) ARB 2008 ausgeschlossen.

Der Einwand der Beklagten, Immobilienfinanzierungsstreitigkeiten seien von den Rechtsschutzversicherungsbedingungen ausgeschlossen, greift nicht.

Vereinbart wurde ein Paket bestehend aus Privat- und Berufs-Rechtsschutzversicherung für Beamte und Angehörige des öffentlichen Dienstes nach § 25 ARB 2008, Haus- und Wohnungs-Rechtsschutz für Eigentümer und Mieter nach § 29 ARB 2008, sowie Spezial-Straf-Rechtsschutz.

§ 3 ARB 2008 nennt die ausgeschlossenen Rechtsangelegenheiten. Nach § 3 Abs. 1 d) ARB 2008 besteht Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit aa) dem Erwerb oder der Veräußerung eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstücks, bb) der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteils, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt, cc) der genehmigungs- oder gleichgeachteten anzeige- bzw. freistellungspflichtigen baulichen Veränderung eines Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteils, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt, dd) der Finanzierung eines der unter aa) bis cc) genannten Vorhaben.

Vorliegend ging es in dem Rechtsstreit zwar um einen Darlehensvertrag für die Finanzierung, jedoch nicht für die Finanzierung eines Grundstücks oder Planung oder Errichtung eines Gebäudes, sondern vielmehr für die Finanzierung zum Erwerb einer Bestandsimmobilie.

Der Ausschlusstatbestand kommt damit nicht zum Tragen.

Zudem muss die im Vorfeld des Verfahrens erteilte Deckungszusage berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei einer Deckungszusage um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis mit bindender Wirkung. Mit der Deckungszusage bestätigt der Rechtsschutzversicherer seine Leistungspflicht für einen bestimmten Versicherungsfall. Diese stellt damit die Grundlage für das weitere außergerichtliche und gerichtliche Vorgehen dar und ist somit von wesentlicher Bedeutung. Infolgedessen müssen dem Versicherer Einwendungen verwehrt werden, die er kennt oder mit denen er rechnet (BGH, Urteil vom 16.07.2014, Az. IV ZR 88/13, OLG Koblenz, Urteil vom 16.02.2011, Az. 1 U 358/10; OLG Braunschweig, Beschluss vom 04.03.2013, Az. 3 U 89/12). Vor Erteilung der Deckungszusage am 12.07.2016 wurden seitens des Klägers explizit Fragen der Beklagten insbesondere zu § 3 Abs. 1 d) beantwortet.

3. Weitere Ablehnungsgründe

Auch die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Ablehnungsgründe greifen nicht durch. Da der Anspruch weder gemäß § 5 Abs. 4 b) ARB 2008 noch gemäß § 3 Abs. 1 d) ARB 2008 ausgeschlossen ist, ist die Beklagte an die Deckungszusage gebunden. Sofern diesbezüglich weitere Ablehnungsgründe vorgetragen werden, stellt dies ein widersprüchliches Verhalten im Sinne von § 242 BGB dar, wenn die Beklagte zunächst im Rahmen der Deckungszusage eine Leistungspflicht anerkennt und sich später auf entsprechende Ausschlussgründe beruft (vgl. AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 26.06.2007, Az. 7 C 162/06).

II. Verzug hinsichtlich der ursprünglichen Forderung

Durch die Weigerung der Beklagten, die noch offenen 2.834,58 € zu bezahlen, befand sich die Beklagte bei Einleitung und Durchführung des Schlichtungsverfahrens in Verzug, vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Mit Schreiben vom 23.02.2017 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Da die Beklagte die Kostenübernahme auch weiterhin ablehnte, zuletzt mit Schreiben vom 30.01.2018, befand sich die Beklagte bei der Einleitung und Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beim Versicherungsombudsmann in Berlin im März 2018 in Verzug.

III. Erforderlichkeit der Anwaltsbeauftragung

Da sich die Beklagte mit der Leistung von 2.834,58 € in Verzug befand, musste ein Schlichtungsverfahren vor dem Versicherungsombudsmann durchgeführt werden. Unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens sind Rechtsverfolgungskosten zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Auflage, § 286 Rn. 44).

Dies ist auch bei der Einleitung eines Beschwerdeverfahrens vor dem Versicherungsombudsmann der Fall. Insoweit muss die Rechtsschutzversicherung die Kosten eines eingeschalteten Rechtsanwalts übernehmen. Der Kläger muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass er dieses Schlichtungsverfahren selbst vornimmt, insbesondere vor dem Hintergrund dass die Beklagte bislang die weitere Zahlung aus der Deckungszusage verweigert hat. Vorliegend handelt es sich auch um keinen einfach gelagerten Sachverhalt. Vielmehr geht es um eine Rechtsmaterie, welche Bezüge zum anwaltlichen Gebührenrecht, zum Versicherungsrecht und zum materiellen Recht des BGB aufweist, die ohne juristische Kenntnisse nicht ohne weiteres zu überblicken ist. Daher durfte sich der Kläger auch im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit an einen Anwalt wenden, zumal die Beklagte die Zahlung nachdrücklich ablehnte. Insoweit ist weder ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach BGB noch nach VVG ersichtlich. Auch werden durch das Schlichtungsverfahren keine derartigen Kosten veranlasst, die im Verhältnis zum geforderten Betrag in Höhe von 2.834,58 € außer Verhältnis stünden.

IV. Schaden

Dem Kläger ist folglich ein Schaden in Höhe von 382,59 € entstanden. Der Kläger wurde durch die Anrufung des Versicherungsombudsmann mit Gebühren nach Nummer 2303 VV RVG, § 15a Abs. 3 EGZPO belastet. Bei dem Ombudsmannverfahren handelt es sich um eine Gütestelle nach § 15 a Abs. 3 EGZPO (vgl. BT-Drs. 14/980, 7; LG München I, Urteil vom 05.02.2014, Az. 32 O 9841/13; OLG Oldenburg, Urteil vom 10.03.2011, Az. 8 U 56/10).

V. Nebenforderungen

Nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens wurde die Beklagte mit Schreiben vom 26.04.2018 aufgefordert, die Kostennote bis zum 11.05.2018 auszugleichen. Durch diese einseitige Leistungsbestimmung ist die Beklagte mit der Bezahlung der 382,59 € jedoch noch nicht in Verzug geraten. Als die Beklagte jedoch die Zahlung auf die Mahnung vom 15.05.2018 mit Schreiben vom 18.05.2018 endgültig ablehnte, geriet sie mit der Zahlung der geforderten 382,59 € in Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Zinsen sind daher ab dem 19.05.2018 zuzusprechen.

Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs war die Klage abzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

D.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

E.

Die Entscheidung über den Streitwert richtet sich nach § 3 ZPO.

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