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Rechtsschutzversicherung – Formularklausel über Beschränkung des Rechts auf freie Anwaltswahl

AG Ebersberg – Az.: 7 C 450/13 – Urteil vom 15.11.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.303,04 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Geltendmachung von Rechtsanwaltsgebühren durch den Kläger.

Die Beklagte schloss eine Rechtsschutzversicherung bei der …-A Rechtsschutzversicherungs AG (im Folgenden „A“) ab, welche zum 1.04.2011 begann. Diese Versicherung deckte gemäß den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen die Tätigkeitskosten für Inkassofälle, also nicht bezahlte Rechnungen aus dem versicherten Gewerbe, ab. Auf dem online abrufbaren Informationsblatt der A (S. 2) wird als Inkasso-Service die … Services GmbH (im Folgenden „…“) benannt. Unter den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, D. (Sonderbedingungen für den Inkasso-Rechtsschutz) § 3 a) heißt es zum Leistungsumfang der Rechtsschutzversicherung:

„Die A trägt die Vergütung, die der Versicherungsnehmer dem durch die A benannten Inkassounternehmen aufgrund des Inkassovertrages schuldet (Inkassokosten).“

Weitergehende Informationen zu den Leistungen und dem Ablauf der Inkassodienstleistung erhielt die Beklagte von der … in einem Begrüßungsschreiben Anfang April 2011, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der … beigefügt waren.

Nach Erhalt dieses Begrüßungsschreibens erteilte die Beklagte am 06.04.2011 den ersten Inkassoauftrag an die …, der ihre Schuldnerin … GmbH betraf. Am 14.04.2011 erkundigte sich die Beklagte mit Faxschreiben über ihre Geschäftsführerin, Frau … bei der … nach dem Sachstand der Bearbeitung des erteilten Auftrages zum Forderungseinzug. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Am 02.05.2011 erteilte die Beklagte der … einen zweiten Inkassoauftrag zum Forderungseinzug, diesmal gegen die … GmbH, einer weiteren Schuldnerin der Beklagten.

Weil die Forderungseinzugstätigkeit der … in beiden Fällen erfolglos blieb, wurde der Kläger aufgrund § 4 der AGB der … mit dem weiteren Verfahren von der … beauftragt. § 4 der AGB der … bestimmt für die Beauftragung eines Anwalts Folgendes:

„(1) Für die Fälle, in denen die außergerichtlichen Maßnahmen von … nicht zur vollständigen Bezahlung der Haupt- und Nebenforderungen durch den Schuldner führen, erteilen Sie … ausdrücklich Vollmacht, in Ihrem Namen einen aus dem Kreise der mit … zusammen arbeitenden Rechtsanwälte mit der Durchführung, des außergerichtlichen und/oder gerichtlichen Mahnverfahrens, der Einholung von Bonitätsauskünften nach Widerspruch oder Einspruch im gerichtlichen Mahnverfahren sowie vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und der Zwangsvollstreckung an sich zu beauftragen. Die Rechtsanwälte dürfen … jederzeit Auskunft über den Fortgang eines Verfahrens geben.

(2) Sie können jederzeit für den Einzelfall oder grundsätzlich einer solchen Beauftragung widersprechen. Für den Fall, dass Sie das gerichtliche Mahnverfahren selbst oder durch Dritte betreiben wollen, sind Sie verpflichtet, uns die geltend gemachten Inkassokosten zu erstatten. …“

Der Kläger wurde gegenüber den beiden Schuldnerinnen der Beklagten tätig. Sie leisteten allerdings auf die außergerichtlichen Schreiben des Klägers keine Zahlungen auf die fälligen Forderungen der Beklagten.

Im Juni 2011 erkundigte sich die Beklagte erneut telefonisch nach dem Stand der nunmehr zwei Inkassoaufträge. Dabei erfuhr sie von der Einschaltung des Klägers. Bei diesem rief die Beklagte daraufhin am 20.06.2011 an.

Der Beklagtenvertreter ging ebenfalls gegen die beiden Schuldnerinnen der Beklagten vor: Am 29.06.2011 beantragte er gegen die … GmbH einen Mahnbescheid, auf den diese Zahlung leistete. Auch gegen die … beantragte er (zu nicht bekanntem Datum) einen Mahnbescheid, gegen den die … am 18.07.2011 Widerspruch einlegte.

Die … unterbreitete gegenüber dem Kläger mit E-Mail vom 21.07.2011 ein Vergleichsangebot, welches der Kläger der Beklagten zur Besprechung vorlegte. Am gleichen Tag teilte die Beklagte dem Kläger per Fax unter dem Aktenzeichen der Sache … mit, dass sie in „obiger Angelegenheit“ anderweitig vertreten sei. Daraufhin erhielt sie die Rechnung des Klägers vom 27.07.2011 für die außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 603,93 €.

Am 25.07.2011 stellte der Kläger Antrag auf Mahnbescheid gegen die … GmbH.

Am 29.07.2011 wendete sich der Kläger mit einem Schreiben an den Beklagtenvertreter, da er von dem Mahnbescheidsantrag des Beklagtenvertreters in der selben Angelegenheit vom 29.06.2011 erfahren hatte. Mit Faxschreiben vom 05.08.2011 meldete sich der Beklagtenvertreter daraufhin für die Beklagte beim Kläger und teilte mit, der Kläger möge keine weiteren Aktivitäten entfalten, da der Beklagtenvertreter in der Angelegenheit beauftragt sei. Der Kläger rechnete daraufhin mit Vergütungsrechnung vom 16.08.2011 die Mahnsache der Beklagten gegen die … GmbH ab und machte hierfür 699,11 € geltend. Insgesamt begehrt der Kläger von der Beklagten also für seine Tätigkeit in den beiden Fällen 1.303,04 €. Eine Zahlung durch die Beklagte auf die Rechnungen erfolgte nicht.

§ 6 Abs. 2 der AGB der … bestimmt u. a.:

„Besteht für die beauftragte Angelegenheit Versicherungsschutz, rechnet … die dadurch gegebenenfalls gedeckten Kosten direkt mit der Versicherung ab.“

Korrespondierend dazu bestimmt § 3 b) der Sonderbedingungen für den Inkasso-Rechtsschutz der A, dass die Rechtsschutzversicherung die vom Versicherungsnehmer gegenüber dem benannten Inkassounternehmen geschuldeten Inkassokosten und darüber hinaus die Auslagen des Inkassounternehmens für das gerichtliche Mahnverfahren erstatte. Nach § 3 e) Satz 2 der Sonderbedingungen für den Inkasso-Rechtsschutz erstattet die A ansonsten keine außergerichtlich oder im gerichtlichen Mahnverfahren entstandene Anwaltskosten. Nach § 2 Nr. 2 der Sonderbedingungen für den Inkasso-Rechtsschutz der A besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer den Inkassoauftrag nach Übergabe an das Inkassobüro zurückzieht.

Der Kläger ist der Meinung, er sei von der Beklagten zur Rechtsverfolgung beauftragt gewesen. Jedenfalls aber habe er Anspruch auf Zahlung unter den Gesichtspunkten einer ungerechtfertigten Bereicherung.

Er beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.303,04 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 603,93 € seit dem 25.08.2011 und aus 1.303,04 € seit dem 16.09.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, sie habe bereits bei dem Anruf am 20.06.2011 dem Kläger mitgeteilt, dass sie anderweitig vertreten sei. Sie ist der Meinung, dadurch, dass der Inkassokunde, der einer Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die … widerspreche, den Rechtsschutz der A verliere (§ 4 Abs. 2 AGB … i. V. m. § 3 a) der Sonderbedingungen der A für den Inkasso-Rechtsschutz), unterlaufe die A das in § 127 Abs. 1 Satz 1 VVG normierte Prinzip der freien Anwaltswahl in der Rechtsschutzversicherung. Von diesem könne nach § 129 VVG nicht zu Ungunsten des Versicherungsnehmers abgewichen werden. § 4 AGB der … sei daher als Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig. Im Übrigen ist sie der Ansicht, die AGB der … seien auch nach den §§ 305 ff. BGB unwirksam.

Außerdem ist die Beklagte der Meinung, selbst, wenn die Beauftragung des Klägers durch die … im Namen der Beklagten wirksam wäre, stünde dem Kläger nach § 6 Abs. 2 der AGB …, § 3 der Versicherungsbedingungen der A kein Honoraranspruch gegen die Beklagte zu, sondern dieser sei gegenüber der A geltend zu machen. § 2 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen der A stelle eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar, weil der Rechtsschutz ohne Rücksicht darauf wegfalle, ob der Versicherungsnehmer den Inkassoauftrag aus wichtigem Grund kündige oder nicht.

Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, etwaige Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bestünden nicht, da nicht erkennbar sei, was die Beklagte erlangt habe. Jedenfalls sei eine etwaige Bereicherung nicht auf Kosten des Klägers erfolgt, da dieser nach § 179 BGB einen Anspruch gegen die A habe.

Der Kläger ist dagegen der Ansicht, der Schutzzweck der Norm des § 127 Abs. 1 VVG sei nicht verletzt, da die A im Streitverfahren weder Partei noch sonst Beteiligte sei und es sich bei der … um ein von der A rechtlich gänzlich unabhängiges Inkassounternehmen handele. Daher scheide eine Anwendung des VVG hier vorliegend aus. Hinsichtlich der AGB der … ist der Kläger der Meinung, die Beklagte habe diese mit Erteilung von zwei Aufträgen zur Forderungseinziehung an … akzeptiert und eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten sei nicht erkennbar.

Die Parteien haben mit Schriftsatz vom 19.09.2013 bzw. 24.09.2013 ihr Einverständnis mit Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 1.303,04 €, da kein Mandatsverhältnis zwischen den Parteien bestand.

1. a) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus Vertrag. Er wurde nämlich von der Beklagten nicht zu ihrer Vertretung beauftragt.

b) Die Beauftragung durch die … verpflichtete die Beklagte nicht, da sich … nicht auf eine Vertretungsmacht für die Beklagte berufen kann. Die Vertretungsmacht von … kann sich nur aus der Vollmachtsklausel in § 4 Abs. 1 Satz 1 der AGB der … ergeben. Diese Klausel ist jedoch unwirksam.

Rechtsschutzversicherung - Formularklausel über Beschränkung des Rechts auf freie Anwaltswahl
Symbolfoto: Von Lisa-S /Shutterstock.com

aa) Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich daraus, dass sie als Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB i. V. m. §§ 127, 129 VVG nichtig ist.

(1) Das Verbot von Umgehungsgeschäften ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz. Die Nichtigkeit des Umgehungsgeschäfts ergibt sich bereits im Wege der Auslegung aus der umgangenen Verbotsnorm, hier des §§ 127, 129 VVG. Auszugehen ist jeweils von Inhalt und Zweck der maßgebenden Verbotsnorm (Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 134, Rn. 29). Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 VVG ist der Versicherungsnehmer berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichtsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, frei zu wählen. Nach § 129 VVG kann von dieser Vorschrift nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(2) Der BGH hat bereits in seinem Urteil vom 26.10.1989 (BGH NJW 1990, 578), das noch vor dem in Umsetzung der EG-Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22.06.1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung erlassenen § 127 VVG erging, die Bedeutung der freien Anwaltswahl hervorgehoben. Unter Verweis auf die damals allein geltende Vorschrift des § 3 Abs. 3 BRAO unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB hat der BGH ausgeführt, dass das Gesetz dem Einzelnen das Recht der freien Anwaltswahl um seines individuellen Schutzes willen verliehen habe (BGH NJW 1990, 578 ff., 580). Dieses Recht hänge eng zusammen mit dem Grundsatz der freien Advokatur, der zu den tragenden Grundlagen der Rechtsordnung zähle. Das persönliche Vertrauen des Rechtssuchenden in den zu beauftragenden Anwalt bilde die sachliche Grundlage des Mandatsverhältnisses und könne daher grundsätzlich auch nur von dem in seinen Interessen betroffenen Rechtssuchenden selbst wahrgenommen werden. Im damals entschiedenen Fall sah der BGH das Recht der freien Anwaltswahl dadurch beeinträchtigt, dass die Auswahl des Rechtsanwalts auf Grund von Mitgliedschaftsbedingungen eines Mietervereins nicht mehr demjenigen überlassen blieb, dessen Interessen zu wahren waren, sondern auf den Verein übertragen wurde, der insoweit keine eigenen Rechte verfolgte und dessen Vertrauen in den zu beauftragenden Rechtsanwalt möglicherweise sogar auf Erwägungen beruhte, die mit den Interessen des Betroffenen nicht übereinstimmten. Das Vertrauen in die persönliche und fachliche Qualifikation des Rechtsanwalts, das für die Erteilung des Auftrags zur Verfolgung der wahrzunehmenden Interessen maßgeblich ist, bleibe hierbei unberücksichtigt (BGH NJW 1990, 578 ff.).

(3) Ähnliche Erwägungen können vorliegend angestellt werden. Auch hier wurde zwar nicht unmittelbar in den Versicherungsbedingungen von § 127 Abs. 1 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen, sondern in den AGB der …, die grundsätzlich nicht den Bestimmungen des VVG unterliegen. Die Unwirksamkeit ergibt sich vorliegend jedoch daraus, dass der von §§ 127Abs. 1 Satz 1, 129 VVG verbotene Erfolg (keine freie Wählbarkeit des Rechtsanwalts) durch die Verwendung einer Gestaltungsmöglichkeit zu erreichen versucht wird, die (scheinbar) nicht von §§ 127Abs. 1 Satz 1, 129 VVG erfasst wird. Für die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ist eine Umgehungsabsicht nicht erforderlich, so dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob die … bzw. … beabsichtigten, die Regelungen der §§ 127Abs. 1 Satz 1, 129 VVG zu umgehen (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 134, Rn. 29).

(3) Tatsächlich findet eine solche Umgehung hier jedoch statt: Auf dem Informationsblatt der …, bei der die Beklagte eine Rechtsschutzversicherung geschlossen hat, wird auf Seite 2 die … als Inkasso-Service benannt. Damit korrespondieren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der A, in denen unter dem Punkt D. die Sonderbedingungen für den Inkasso-Rechtsschutz aufgeführt sind. Nach diesen (§ 3 a) trägt die A (nur) die Inkassokosten, die die Beklagte dem von der A benannten Inkassounternehmen, also der …, schuldet. Die Beklagte war demnach an das Inkassounternehmen … gebunden, welches in dem Informationsblatt der A auch als „Partnerunternehmen“ der A bezeichnet wird. … bestimmt in § 4 seiner AGB, dass der Inkassogläubiger dem Inkassounternehmen Vollmacht zur Beauftragung eines aus dem Kreis der mit … zusammenarbeitenden Rechtsanwälte erteilt. Für den Fall, dass der Inkassokunde einer solchen Beauftragung widerspricht, verliert er nach § 4 Abs. 2 AGB der … i. V. m. § 3 b) und e) der Sonderbedingungen der A den Rechtsschutz. Diese bietet nämlich nur Rechtsschutz für das gerichtliche Mahnverfahren durch die … . Das ergibt sich aus einem Zusammenspiel von § 3 b) und e) der Sonderbedingungen Inkasso-Rechtsschutz: Nach § 3 e) Satz 2 der Sonderbedingungen Inkasso-Rechtsschutz ist die Erstattung von Anwaltskosten im außergerichtlichen und gerichtlichen Mahnverfahrens ausdrücklich ausgeschlossen. Hiervon wird nach § 3 b) nur für die Auslagen des Inkassounternehmens für das gerichtliche Mahnverfahren eine Ausnahme gemacht. Außerdem besteht nach § 2 2. Spiegelstrich der Sonderbedingungen der A ausdrücklich kein Anspruch auf Rechtsschutz, wenn der Versicherungsnehmer den Inkassoauftrag nach Übergabe an das Inkassobüro zurückzieht. Zusammenfassend führt also eine Ausübung des in § 4 Abs. 2 der AGB der … eingeräumten Widerspruchsrechts zu einem Verlust des Rechtsschutzes durch die A. Auf diese Weise hat zwar nicht die A unmittelbar der Beklagten das Recht auf freie Anwaltswahl versagt, sie bietet aber nur Versicherungsschutz, wenn die Beklagte § 4 Abs. 1 Satz 1 AGB der … akzeptiert und ihr in § 4 Abs. 2 der AGB … eingeräumtes Widerspruchsrecht nicht ausübt. Damit verliert der Beklagte mittels sein Recht auf freie Anwaltswahl. Denn ein Widerspruchsrecht, dass aber mit der Sanktion verbunden ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz verliert, kann ein Recht auf freie Anwaltswahl nicht garantieren. Wenn der Versicherungsnehmer, hier die Beklagte, mit einer solchen Sanktion rechnen muss, ist er in der Wahl seines Rechtsanwalts gerade nicht frei, sondern grundsätzlich an den von … bestimmten Rechtsanwalt gebunden. Eine solche mittelbare Beeinträchtigung des Rechts auf freie Anwaltswahl reicht für einen Verstoß gegen §§ 127Abs. 1 Satz 1, 129 VVG aus (vgl. auch OLG Bamberg, Urteil vom 20.06.2012, Az.: 3 U 236/11, wo die Wahl eines vom Versicherers empfohlenen Anwalts damit belohnt wurde, dass der Versicherungsnehmer nicht in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse zurückgestuft wird). Nach Sinn und Zweck der §§ 127Abs. 1 Satz 1, 129 VVG erfassen diese daher auch den zur Umgehung des dort festgelegten Verbots führenden § 4 der AGB der …. § 4 AGB der … ist deshalb nach § 134 BGB als Umgehungsgeschäft nichtig.

(4) Dagegen kann auch nicht, wie vom Kläger vorgebracht, angeführt werden, das Recht der Beklagten auf freie Anwaltswahl werde nicht beschränkt, sondern zulässigerweise von der Beklagten auf die … übertragen. Eine solche Argumentation verfehlt den Sinn und Zweck des § 127 Abs. 1 Satz 1 VVG. Die freie Anwaltswahl soll eben nicht auf die Versicherung oder ein Partnerunternehmen der Versicherung übertragen werden, sondern soll dem Versicherungsnehmer, hier der Beklagten, zustehen. Das Recht der freien Anwaltswahl hat das Gesetz dem einzelnen um seines individuellen Schutzes willen verlieren und es kann im Hinblick darauf, dass das persönliche Vertrauen des Rechtssuchenden in den zu beauftragenden Anwalt die sachliche Grundlage des Mandatsverhältnisses bildet, grundsätzlich auch nur von dem in seinen Interessen betroffenen Rechtssuchenden selbst wahrgenommen werden (BGH NJW 1990, 578, 580).

bb) Aus den gleichen Erwägungen ergibt sich auch eine Unwirksamkeit der Vollmachtsklausel nach §§ 305 ff. BGB. Ob die Vollmachtsklausel eine sogenannte überraschende Klausel ist und daher nach § 305 c Abs. 1 BGB schon gar nicht Vertragsbestandteil geworden ist, kann dahinstehen, da sie jedenfalls nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

(1) § 307 Abs. 1 und 2 BGB ist hier entgegen der Ansicht des Klägers gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB anwendbar. Maßgebliche Rechtsvorschrift von der abgewichen wird, ist vorliegend § 127i. V. m. § 129 VVG. Dieser muss aufgrund der oben dargestellten besonderen Konstellation auch vorliegend Anwendung finden, um eine Umgehung der gesetzlichen Regelung zu vermeiden. Jedenfalls wird aber von § 3 Abs. 3 BRAO i. V. m. § 242 BGB abgewichen.

(2) Die Vollmachtsklausel weicht von dem Gebot der freien Anwaltswahl in §§ 127, 129 VVG ab, indem sie die Auswahl des Rechtsanwalts der … überträgt. Das Gericht verkennt nicht, dass die … selbst kein Rechtsschutzversicherer ist und das VVG daher nicht unmittelbar auf sie Anwendung findet. Da die Beklagte an die … als Inkassounternehmen aber aufgrund ihrer Rechtsschutzversicherung gebunden ist und es sich laut dem Informationsschreiben der A bei der … um ein Partnerunternehmen handelt, muss in dieser Konstellation aufgrund der oben ausgeführten Erwägungen ebenfalls das Recht der freien Anwaltswahl gelten, das durch § 4 der AGB der … aufgehoben wird. Damit entfernt sich die Vollmachtsklausel von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und benachteiligt die Beklagte unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

(3) Ob sich eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne auch aus den übrigen AGB der … im Wege eines Summierungseffekts ergibt, kann offen bleiben.

c) … hatte daher bei der Beauftragung des Klägers keine Vertretungsmacht hinsichtlich der Beklagten, da § 4 der AGB der …, aus der eine Vertretungsmacht abgeleitet werden könnte, nach den oben stehenden Ausführungen unwirksam ist. Daher war das Mandatsverhältnis zunächst gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und wurde mit Verweigerung der Genehmigung der Mandatierung endgültig unwirksam. Der Anspruch auf die Rechtsanwaltsgebühren kann daher nicht aus einem Mandatsverhältnis hergeleitet werden.

2. Auch steht dem Kläger der gegen die Beklagte geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, da nicht erkannt werden kann, was die Beklagte aufgrund der Tätigkeit des Klägers erlangt haben soll. Denn einen Mahnbescheid gegen die … GmbH hat der Beklagtenvertreter ebenfalls, sogar vor dem Kläger, beantragt. Und auch wurde nicht dargelegt, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ein Vergleich mit der … GmbH zustande gekommen wäre oder sie daraufhin gezahlt hätte. Im Übrigen könnte hier nicht geklärt werden, wie der Verursachungsbeitrag des Klägers war, da der Beklagtenvertreter ebenfalls gegen die … GmbH vorging und Mahnbescheidsantrag stellte, gegen den die … GmbH am 18.07.2011, also unmittelbar vor ihrem Vergleichsvorschlag an den Kläger, Widerspruch einlegte.

3. Da die Hauptforderung nicht besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Nebenforderungen nach §§ 280Abs. 2, 286,288 BGB.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11 ZPO, 711 ZPO.

 

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