Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Rechtsschutzversicherung: Welcher Schutz bei Ermittlungsverfahren für Geschäftsführer?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Folgen hat eine Täuschung bei Abschluss einer Rechtsschutzversicherung?
- Was muss bei Antragsfragen zur Rechtsschutzversicherung zwingend angegeben werden?
- Wie lange kann eine Rechtsschutzversicherung einen Vertrag wegen Täuschung anfechten?
- Wann greift der Versicherungsschutz bei laufenden Ermittlungsverfahren?
- Was passiert mit bereits erhaltenen Versicherungsleistungen nach einer erfolgreichen Anfechtung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Kiel
- Datum: 31.05.2024
- Aktenzeichen: 5 O 70/22
- Verfahrensart: Zivilrechtsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Ein Unternehmen, das Leistungen der Beklagten aus einer Rechtsschutzversicherung beansprucht. Die Klägerin behauptet, ihr Geschäftsführer habe die Fragen beim Antrag auf Vertragsänderung korrekt beantwortet, und dass durch den Versicherungsvertreter nicht alle relevanten Details beim Vertragsabschluss vorgelegt wurden.
- Beklagte: Ein Versicherungsunternehmen, das die Deckungszusage für die Strafverteidigung des Geschäftsführers der Klägerin widerrufen hat. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe vorsätzlich falsche Angaben bei der Vertragsänderung gemacht und beruft sich auf Arglistige Täuschung.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin wollte eine Erweiterung ihres Rechtsschutzversicherungsvertrages, um Deckungsschutz für Strafverfahren zu erhalten, nachdem gegen ihren Geschäftsführer mehrere Ermittlungsverfahren liefen. Beim Vertragsänderungsantrag wurden Angaben gemacht, die die Ermittlungsverfahren verschwiegen.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob die Klägerin die Beklagte bei der Vertragsänderung arglistig täuschte, indem sie falsche Angaben zu laufenden Ermittlungsverfahren machte, und ob die Beklagte daher zum Widerruf der Deckungszusage berechtigt war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Deckungsschutz aus der Rechtsschutzversicherung für ihren Geschäftsführer und muss die Kosten des Verfahrens tragen.
- Begründung: Das Gericht erkannte an, dass die Vertragsänderung aufgrund von arglistiger Täuschung durch die falschen Angaben der Klägerin bei der Antragstellung unwirksam ist. Die Täuschung bestand darin, dass die Klägerin Ermittlungsverfahren verschwiegen hat, obwohl sie davon Kenntnis hatte.
- Folgen: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten Versicherungsleistungen. Die Beklagte darf aufgrund der Täuschung die Vertragsänderung widerrufen und kann bereits erbrachte Leistungen zurückfordern. Zudem bleibt die Deckungszusage als eigenständiges Rechtsgeschäft unberührt, allerdings kann die Klägerin aus Treu und Glauben keine weiteren Ansprüche daraus herleiten.
Rechtsschutzversicherung: Welcher Schutz bei Ermittlungsverfahren für Geschäftsführer?
Die Rechtsschutzversicherung bietet einen wichtigen finanziellen Schutz bei juristischen Auseinandersetzungen und kann insbesondere bei Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein. Geschäftsführer, die in solchen Situationen in die Mühlen des Strafrechts geraten, stellen oft fest, dass die Versicherungspflicht hinsichtlich der Kostenübernahme für Rechtsanwaltskosten und rechtliche Beratung nicht immer klar definiert ist. Die in den Versicherungsbedingungen festgelegte Vorbemerkung der Versicherung spielt hierbei eine entscheidende Rolle, um Haftungsrisiken abzuwägen und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.
Die Anspruchsprüfung und die Vereinbarung zur Rechtsschutzdeckung sind entscheidende Punkte, die den Umfang des Schutzes bestimmen. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden ein konkreter Fall analysiert, der die Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung bei einem Ermittlungsverfahren gegen einen Geschäftsführer beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Versicherungserweiterung wegen Täuschung unwirksam – Gericht weist Klage auf Strafrechtsschutz ab

Das Landgericht Kiel hat die Klage eines Gebrauchtwagenhändlers auf Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung für strafrechtliche Ermittlungsverfahren abgewiesen. Nach Überzeugung des Gerichts hatte der 18-jährige Geschäftsführer bei der Beantragung der Versicherungserweiterung die laufenden Ermittlungsverfahren gegen ihn und einen Mitarbeiter verschwiegen.
Täuschung bei Vertragsabschluss
Die Antragsfragen zu anstehenden Ermittlungsverfahren und Strafverfahren der letzten zwei Jahre wurden im Februar 2021 verneint, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Ermittlungsverfahren wegen Betrugs gegen den Geschäftsführer liefen. Auch ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter, den Vater des Geschäftsführers, wurde nicht angegeben. Das Gericht betonte, die Fragen seien für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer eindeutig verständlich gewesen.
Widersprüchliche Darstellung der Antragstellung
Der Geschäftsführer verstrickte sich in widersprüchliche Aussagen zum Ablauf der Antragstellung. Mal gab er an, die Fragen selbst beantwortet zu haben, dann wieder sollte der Versicherungsvertreter das Formular ausgefüllt haben. Auch zur Frage, ob er den Antrag vor Unterschrift gelesen hatte, machte er unterschiedliche Angaben. Diese „flatterhafte“ Darstellung wertete das Gericht als Indiz für eine bewusste Täuschung.
Strafrechtlicher Hintergrund
Die Ermittlungen standen im Zusammenhang mit der Insolvenz des vorherigen Unternehmens, in dem der Geschäftsführer als Auszubildender gearbeitet hatte. Die Strafverfolgungsbehörden untersuchten, ob Fahrzeuge des insolventen Autohauses in den neuen Betrieb gelangt waren. Beide Firmen waren nacheinander an derselben Adresse mit demselben Personal tätig.
Folgen der Anfechtung
Die Versicherung konnte den erweiterten Vertrag wegen arglistiger Täuschung erfolgreich anfechten. Damit entfiel der Versicherungsschutz rückwirkend. Auch bereits erteilte Deckungszusagen für konkrete Ermittlungsverfahren können nicht mehr durchgesetzt werden, da die erlangten Leistungen nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzugewähren wären.
Die Schlüsselerkenntnisse
Bei einer Rechtsschutzversicherung müssen bestehende Ermittlungsverfahren offengelegt werden – auch wenn sie noch nicht abgeschlossen sind. Falsche Angaben können zur Unwirksamkeit des Vertrags führen, selbst wenn die Versicherung bereits eine Deckungszusage erteilt hat. Das Gericht legt dabei einen strengen Maßstab an: Auch ein junger oder unerfahrener Geschäftsführer muss die Fragen im Versicherungsantrag sorgfältig und wahrheitsgemäß beantworten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung abschließen, müssen Sie alle laufenden Ermittlungsverfahren angeben – auch solche gegen Ihre Mitarbeiter. Die Versicherung muss wissen, welche rechtlichen Risiken bestehen. Verschweigen Sie relevante Informationen, verlieren Sie im Ernstfall den Versicherungsschutz und müssen bereits erhaltene Leistungen zurückzahlen. Lassen Sie sich im Zweifel beraten und dokumentieren Sie das Beratungsgespräch. Eine genaue und ehrliche Auskunft schützt Sie vor bösen Überraschungen, wenn Sie die Versicherung später in Anspruch nehmen möchten.
Benötigen Sie Hilfe?
Rechtliche Unklarheiten bei Ihrer Rechtsschutzversicherung können weitreichende finanzielle Folgen haben – besonders wenn es um die korrekte Offenlegung von Ermittlungsverfahren geht. Unsere erfahrenen Anwälte analysieren Ihre individuelle Situation und helfen Ihnen dabei, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen. Die präzise rechtliche Einordnung Ihres Falls ermöglicht Ihnen maximale Sicherheit bei Vertragsabschluss und im Leistungsfall. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Folgen hat eine Täuschung bei Abschluss einer Rechtsschutzversicherung?
Eine Täuschung bei Abschluss einer Rechtsschutzversicherung führt zu schwerwiegenden rechtlichen und finanziellen Konsequenzen.
Anfechtungsrecht der Versicherung
Wenn Sie beim Vertragsabschluss bewusst falsche Angaben machen oder wichtige Informationen verschweigen, steht der Versicherung ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung zu. Dies gilt beispielsweise, wenn Sie verschweigen, dass ein vorheriger Versicherer Ihnen bereits wegen zu hoher Schadenquote gekündigt hat.
Rechtliche Konsequenzen
Bei erfolgreicher Anfechtung durch die Versicherung gilt der Vertrag als von Anfang an nichtig. Die besondere Regelung des Versicherungsvertragsgesetzes führt dabei zu einer asymmetrischen Rückabwicklung:
- Die Versicherung kann alle bereits erbrachten Leistungen zurückfordern
- Die von Ihnen gezahlten Versicherungsbeiträge werden nicht zurückerstattet
Finanzielle Auswirkungen
Die finanziellen Folgen können erheblich sein. Wenn Sie bereits Leistungen von der Versicherung erhalten haben, müssen Sie diese vollständig zurückzahlen. Gleichzeitig haben Sie keinen Anspruch auf Rückerstattung Ihrer gezahlten Beiträge. Diese Regelung wurde vom Bundesgerichtshof ausdrücklich als rechtmäßig bestätigt.
Nachweis der Täuschung
Die Beweislast für eine arglistige Täuschung liegt bei der Versicherung. Sie muss nachweisen, dass Sie:
- wissentlich falsche Angaben gemacht haben
- dabei bewusst auf die Entscheidung der Versicherung einwirken wollten
- wussten, dass die Versicherung den Vertrag bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht oder nur zu erschwerten Bedingungen abgeschlossen hätte
Was muss bei Antragsfragen zur Rechtsschutzversicherung zwingend angegeben werden?
Bei Antragsfragen zur Rechtsschutzversicherung müssen Sie alle gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig angeben, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat.
Grundlegende Angabepflichten
Sie sind verpflichtet, sämtliche Fragen im Antragsformular präzise und der Wahrheit entsprechend zu beantworten. Dies betrifft insbesondere Angaben zu bestehenden Rechtsstreitigkeiten, vorherigen Versicherungsfällen oder einer bereits erfolgten Kündigung durch einen anderen Rechtsschutzversicherer.
Vorversicherungen und laufende Verfahren
Besonders wichtig sind Informationen über:
- Bestehende oder in den letzten 12 Monaten beendete Rechtsschutzversicherungen
- Kündigungen durch Vorversicherer
- Aktuell laufende Rechtsstreitigkeiten
Folgen falscher Angaben
Die Verletzung der Anzeigepflicht kann schwerwiegende Konsequenzen haben. Der Versicherer kann je nach Verschulden:
- Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung vom Vertrag zurücktreten
- Bei einfacher Fahrlässigkeit den Vertrag kündigen
- Den Vertrag anpassen, was zu höheren Beiträgen führen kann
Die Leistungspflicht des Versicherers kann auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle entfallen, wenn Sie die Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt haben.
Wie lange kann eine Rechtsschutzversicherung einen Vertrag wegen Täuschung anfechten?
Bei einer arglistigen Täuschung muss die Versicherung die Anfechtung innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von der Täuschung erklären. Zusätzlich gilt eine absolute Höchstfrist von 10 Jahren nach Vertragsabschluss. Nach Ablauf dieser Zehnjahresfrist ist eine Anfechtung grundsätzlich nicht mehr möglich, selbst wenn die Täuschung erst später entdeckt wird.
Voraussetzungen für eine wirksame Anfechtung
Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer falsche Tatsachen vorspiegelt oder wahre Tatsachen verschweigt. Das Verschweigen von Informationen rechtfertigt jedoch nur dann eine Anfechtung, wenn tatsächlich eine Offenbarungspflicht bestand.
Besonderheiten bei der Anfechtung
Die Anfechtung führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Vertrags. Die Versicherung hat vielmehr die Wahl, ob sie am Vertrag festhält oder ihn rückwirkend aufhebt. Es besteht sogar die Möglichkeit einer Teilanfechtung, wenn sich die Täuschung nur auf bestimmte, abgrenzbare Vertragsteile bezieht.
Schutz des Versicherungsnehmers
Ein Versicherungsnehmer ist nach der Zehnjahresfrist „auf der sicheren Seite“. Die Versicherung muss dann trotz eines möglichen Verschweigens von Umständen leisten. Nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen kann eine Anfechtung noch nach dieser Frist möglich sein.
Wann greift der Versicherungsschutz bei laufenden Ermittlungsverfahren?
Der Versicherungsschutz einer Straf-Rechtsschutzversicherung greift bei laufenden Ermittlungsverfahren nur, wenn Sie zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses keine Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren hatten.
Zeitpunkt der Kenntnisnahme ist entscheidend
Wenn ein Ermittlungsverfahren bereits läuft, aber Sie davon noch nichts wissen, können Sie eine Straf-Rechtsschutzversicherung abschließen. Der Versicherungsschutz gilt dann sogar für Vergehen und Verbrechen, die vor dem Versicherungsbeginn begangen wurden.
Ausschluss bei bekannten Ermittlungsverfahren
Sobald Sie über ein laufendes Ermittlungsverfahren offiziell informiert wurden, ist ein rückwirkender Versicherungsschutz ausgeschlossen. Der Zeitpunkt des tatsächlichen oder behaupteten Verstoßes gegen Rechtspflichten ist dabei maßgeblich.
Besonderheiten bei Vorsatzdelikten
Bei herkömmlichen Straf-Rechtsschutzversicherungen werden grundsätzlich nur fahrlässig begehbare Delikte abgedeckt. Wird ein vorsätzliches Handeln nachgewiesen, kann die Versicherung nach einer Verurteilung die Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen verlangen.
Spezial-Straf-Rechtsschutzversicherungen bieten teilweise erweiterten Schutz: Sie verzichten auf die Rückforderung geleisteter Zahlungen, wenn das Verfahren lediglich mit einem Strafbefehl endet – auch wenn Vorsatz nachgewiesen wurde.
Was passiert mit bereits erhaltenen Versicherungsleistungen nach einer erfolgreichen Anfechtung?
Bei einer erfolgreichen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wird der Versicherungsvertrag rückwirkend von Beginn an aufgehoben. Dies hat weitreichende finanzielle Konsequenzen für den Versicherungsnehmer.
Rückzahlungspflicht der Versicherungsleistungen
Der Versicherungsnehmer muss sämtliche bereits erhaltenen Versicherungsleistungen zurückzahlen. Diese Rückzahlungspflicht besteht auch dann, wenn die verschwiegenen oder falschen Angaben in keinerlei Zusammenhang mit dem Leistungsfall standen.
Rechtliche Besonderheit bei den Versicherungsbeiträgen
Eine besondere Regelung gilt für die gezahlten Versicherungsbeiträge: Der Versicherer darf gemäß § 40 Absatz 1 VVG die vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien einbehalten. Diese Regelung wurde vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 01.06.2005 (Az. IV ZR 46/04) ausdrücklich als rechtmäßig bestätigt.
Zeitliche Dimension
Die Anfechtung muss vom Versicherer innerhalb eines Jahres erklärt werden, nachdem die Täuschung entdeckt wurde. Allerdings ist eine Anfechtung ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung bereits zehn Jahre verstrichen sind.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Arglistige Täuschung
Ein bewusstes Verschweigen oder falsches Angeben wichtiger Tatsachen beim Abschluss eines Vertrags. Der Täuschende will den Vertragspartner gezielt in die Irre führen, um einen Vorteil zu erlangen. Nach § 123 BGB kann der Getäuschte den Vertrag anfechten, wodurch dieser von Anfang an unwirksam wird. Bei Versicherungen gehören dazu besonders verschwiegene Vorschäden oder laufende Verfahren. Beispiel: Ein Autokäufer verschweigt beim Verkauf einen schweren Unfallschaden.
Anfechtung
Die rechtliche Möglichkeit, eine Willenserklärung (z.B. einen Vertrag) nachträglich für unwirksam zu erklären. Geregelt in §§ 119 ff. BGB. Gründe können Irrtum, Täuschung oder Drohung sein. Die Anfechtung muss unverzüglich erklärt werden und wirkt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück (ex tunc). Folge: Bereits erhaltene Leistungen müssen zurückgegeben werden. Beispiel: Eine Versicherung erklärt die Anfechtung, weil der Kunde wichtige Informationen verschwiegen hat.
Deckungszusage
Die verbindliche Erklärung einer Versicherung, für einen bestimmten Schadens- oder Rechtsfall die Kosten zu übernehmen. Grundlage ist der Versicherungsvertrag (VVG). Die Zusage kann vorläufig oder endgültig sein und legt den Umfang der Kostenübernahme fest. Eine einmal erteilte Deckungszusage ist grundsätzlich bindend, kann aber bei Täuschung unwirksam werden. Beispiel: Die Rechtsschutzversicherung sagt die Übernahme der Anwaltskosten für ein Gerichtsverfahren zu.
Ungerechtfertigte Bereicherung
Ein Rechtsinstitut nach §§ 812 ff. BGB, das regelt, dass jemand das zurückgeben muss, was er ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Dies gilt auch für bereits erhaltene Versicherungsleistungen bei unwirksamen Verträgen. Der Empfänger muss den erlangten Vorteil in vollem Umfang herausgeben. Beispiel: Nach erfolgreicher Anfechtung eines Versicherungsvertrags müssen bereits gezahlte Versicherungsleistungen zurückerstattet werden.
Versicherungspflicht
Die vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung, bestimmte Risiken durch eine Versicherung abzudecken. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und speziellen Gesetzen geregelt. Umfasst Informations- und Aufklärungspflichten beider Vertragsparteien. Der Versicherte muss alle relevanten Umstände wahrheitsgemäß angeben. Beispiel: Ein Unternehmer muss seine Mitarbeiter in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 263 StGB (Betrug): Der Paragraph behandelt den Tatbestand des Betrugs, bei dem jemand durch Täuschung einen anderen zur Vermögensverfügung bringt, um sich selbst oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. Im vorliegenden Fall wird der Geschäftsführer der Klägerin beschuldigt, durch die Vermarktung der Fahrzeuge des ehemaligen Autohauses A einen Betrug begangen zu haben, was die Grundlage für das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren darstellt.
- Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG): Das RDG regelt die Erbringung von Rechtsdienstleistungen und stellt sicher, dass nur berechtigte Personen Rechtsberatung leisten dürfen. Die Klärung der Frage, ob jemand für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren rechtsschutzversichert ist, hängt auch davon ab, ob die erbrachten Rechtsdienstleistungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Die Klägerin könnte hier Anspruch auf rechtsschutzversicherte Leistungen für die Rechtsvertretung haben, da der Geschäftsführer von einer Rechtsanwältin vertreten wurde.
- § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Versicherungsvermittlung und -beratung (VersVermG): Dieses Gesetz regelt die Vermittlung von Versicherungen und stellt sicher, dass Versicherungsvermittler bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall ist die Frage der ordnungsgemäßen Informationsweitergabe und -vermittlung im Hinblick auf den Rechtsschutzversicherungsvertrag von Bedeutung, da unklare oder falsche Angaben den Versicherungsschutz beeinflussen können.
- BGB § 305 ff. (Allgemeine Geschäftsbedingungen): Diese Paragraphen behandeln die zulässige Verwendung und die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in Verträgen. Im Fall der Klägerin ist entscheidend, ob die Formulierungen und Klauseln in den Versicherungsbedingungen rechtsgültig sind, da sich mögliche Ansprüche auf Rechtsschutz aus den Bedingungen ergeben und deren Auslegung zur Kostentragungspflicht entscheidend sein kann.
- Arts. 3, 4, 8 der EU-Richtlinie 2009/138/EG (Solvabilitätsrichtlinie): Diese Richtlinie regelt die Aufsicht über Versicherungsunternehmen in der EU und stellt Anforderungen an den Versicherungsschutz. Sie hat Bedeutung für die Beklagte, da die Einhaltung von Transparenz- und Informationspflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer auch hier gewährleistet sein muss. Im vorliegenden Fall könnte eine unzureichende Information der Klägerin über ihren Versicherungsschutz rechtliche Konsequenzen für die Beklagte haben.
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Das vorliegende Urteil
LG Kiel – Az.: 5 O 70/22 – Urteil vom 31.05.2024
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