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Rechtsschutzversicherung – Deckungszusage für Ansprüche aus  Berufsunfähigkeitsversicherung

LG Bochum – Az.: 4 O 64/11 – Urteil vom 13.07.2011

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer # bedingungsgemäß vollständigen Versicherungsschutz zur Geltendmachung von zukünftigen Ansprüchen aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bei der O zu gewähren.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Deckungszusage gegenüber der Beklagten als seiner Rechtsschutzversicherung auch für eine Klage zusteht, mit dem zukünftige Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht werden sollen.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die ARB 2002 zugrunde liegen. Versichert ist u.a. der Privat-Rechtsschutz gemäß § 23 ARB 2002, mit der für diesen Rechtsstreit maßgeblichen Klausel des § 2 d, Vertrags- und Sachenrechtsschutz.

Der Kläger schloss weiter zum 01.01.2007 bei der O eine fondgebundene Rentenversicherung mit Einschluss einer Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung ab. Der Vertrag endet zum 01.01.2040. Wirksam einbezogener Vertragsbestandteil sind die Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ 2004C), die bei Vorliegen einer 50%igen Berufsunfähigkeit die Versichertenleistung zusagen.

Der Kläger macht gegenüber der O Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend und behauptet, seit Oktober 2007 laufend wegen Angst und Depressionen, diffusen Ängsten und Schlafstörungen arbeitsunfähig krank zu sein. Die O verweigerte nach der Einholung diverser ärztlicher Auskünfte und Gutachten die Leistung aus dem Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 13.01.2009.

Da der Kläger die Einschätzung der O nicht teilte, machte er mit Hilfe seines Prozessbevollmächtigten zunächst außergerichtlich seine Ansprüche geltend. Dadurch wurde eine Rechtsanwaltsgebühr in Höhe von 2.118,44 € ausgelöst. Er begehrte von der O die fälligen Renten in Höhe von monatlich 1.500 € und das Anerkenntnis, dass Berufsunfähigkeit für die Zukunft fortbesteht und die Rente so lange zu zahlen ist, wie die Berufsunfähigkeit besteht, längstens jedoch bis zum Ablauf des Vertrages zum 01.01.2040.

Der Kläger bezieht Sozialleistungen von der Bezirksverwaltungsstelle Südwest.

Bereits unter dem 29.01.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung der Deckungszusage für den Rechtsstreit mit der O. Nach umfangreicher Korrespondenz zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten erteilte diese trotz Bedenken im Bezug auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits Deckungszusage für eine Klage gegen die O, in der die zurückliegenden Renten und eine Beitragsrückerstattung geltend gemacht werden. Die Beklagte verweigerte jedoch die Deckungszusage für den Klageantrag, der zukünftige Ansprüche aus dem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag feststellen sollte. Sie verwies insofern auf § 17 Abs. 5 c) cc) ARB, wonach der Versicherungsnehmer vor Klageerhebung die Rechtskraft eines anderen gerichtlichen Verfahrens abzuwarten hat, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden.

Die Bezirksverwaltungsstelle Bochum Südwest meldete unter dem 17.07.2009 einen Erstattungsanspruch wegen der gezahlten Sozialleistungen bei der Beklagten an.

Unter dem 17.11.2010 wurde der Beklagten von dem Kläger erfolglos eine Frist zur Erteilung der Deckungszusage bis zum 30.11.2010 gesetzt und auf die vermeintliche Intransparenz der zitierten Klausel hingewiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, auch einen Anspruch auf Deckungszusage für den Klageantrag bezüglich der künftigen Ansprüche gegen die O zu haben.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer # bedingungsgemäß vollständigen Versicherungsschutz zur Geltendmachung von zukünftigen Ansprüchen aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bei der O zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger verpflichtet ist, die gerichtliche Geltendmachung der künftigen Ansprüche gemäß § 17 Abs. 5 c) aa) ARB 2002 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Berufsunfähigkeit zurückzustellen.

Eine Leistungspflicht komme auch wegen § 3 Abs. 4 ARB 2002 nicht in Betracht, da dem Kläger die gegen die O geltend gemachten Ansprüche erst nach Eintritt des Rechtsschutzfalles von der Stadt C abgetreten wurden.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung einer Deckungszusage auch für zukünftige Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gegen die Beklagte zu.

Die Beklagte kann dem Kläger nicht durch die Erteilung einer nur beschränkten Deckungszusage unter dem Gesichtspunkt der Kostenminderungspflicht verwehren, im Rechtsstreit mit dem Berufsunfähigkeitsversicherer neben den rückständigen Renten und rückständigen Beitragsrückzahlungsansprüchen auch die künftigen Ansprüche geltend zu machen. Der Versicherungsschutz ist auch nicht durch die Abtretung der Ansprüche durch die Stadt C an den Kläger ausgeschlossen.

1. Es kann dahinstehen, ob die Klausel § 17 Abs. 5 c) cc) ARB 2001 wegen Intransparenz unwirksam ist.

Dem Kläger ist es auch im Hinblick auf § 17 Abs. 5 c) cc) ARB 2001 nicht verwehrt, neben den rückständigen Renten auch die künftigen Ansprüche geltend zu machen. Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollen den mit Berufsunfähigkeit einhergehenden Einkommensausfall kompensieren, da der Lebensunterhalt damit bestritten werden soll. Dies rechtfertigt es, den Versicherungsnehmer dann, wenn der Versicherer die Leistungspflicht anerkannt hat oder diese festgestellt ist, in seinem Vertrauen auf eine dauerhafte Erbringung der Versicherungsleistung zu schützen.

Diesen Schutz vermitteln die Regeln über das Nachprüfungsverfahren für den Fall des Anerkenntnisses durch die Versicherung, § 174 VVG bzw. § 7 BUZ 2004 C. Wenn nämlich rechtskräftig auch künftige Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung durch ein Urteil festgestellt werden, solange die Berufsunfähigkeit besteht, so obliegt es dem Versicherer im Nachverfahren nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Versicherungsleistungen nachträglich wieder entfallen sind.

Zudem setzt die Einstellung der Leistungen eine Einstellungsmitteilung des Versicherers über das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens voraus, an welche die Rechtsprechung strenge Maßstäbe anlegt. In der Regel ist im Nachprüfungsverfahren der Vergleich des Gesundheitszustandes des Versicherten, wie ihn der Versicherer in seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zu einem späteren Zeitpunkt maßgebend. In diesen Fällen ist die Mitteilung des Versicherers nur nachvollziehbar, wenn er seine Vergleichsbetrachtung und die daraus gezogenen Forderungen aufzeigt (BGH NJW-RR 1993, 721; OLG München, Beschluss vom 21.04.2010, Az. 25 U 5645/09).

Diese Vorteile kann der Versicherungsnehmer nicht in Anspruch nehmen, der lediglich eine Teilklage auf Zahlung der rückständigen Renten erhebt (so das OLG München, Beschluss vom 21.04.2010, 25 U 5645/09). Der durch das Nachverfahren bezweckte Schutz wird ihm nicht zuteil, da kein Anerkenntnis der Versicherung vorliegt und die Leistungspflicht für die Zukunft auch nicht „festgestellt“ wird, wie es § 7 BUZ 2004 C verlangt. Es entspricht daher der gängigen Praxis, auch künftige Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend zu machen und es ist dem Kläger nicht zuzumuten, auf die Vorteile zu verzichten, die sich ihm durch eine solche Vorgehensweise bieten.

Insofern überzeugt auch nicht die Argumentation der Versicherung, dass sich die Berufsunfähigkeitsversicherung an ein rechtskräftiges Urteil halten werde und eine Feststellung zukünftiger Ansprüche daher nicht erforderlich wäre. Die Rechtskraft des Urteils würde sich ausschließlich auf die rückständigen Renten und die Beitragsrückerstattung beziehen und der Versicherer könnte jederzeit die Leistungen einstellen mit der Behauptung, dass nunmehr keine Berufsunfähigkeit mehr vorliege.

2. Der Versicherungsschutz ist auch nicht aufgrund des § 3 Abs. 4 c) bzw. d) ARB 2002 ausgeschlossen.

Dem Wortlaut nach sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 c) ARB 2002 zwar erfüllt, da die Stadt C die auf sie übergegangenen Ansprüche auf den Kläger zurück übertragen hat. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 ARB 2002 ist aber nach seinem Sinn und Zweck teleologisch zu reduzieren. In der vorliegenden Konstellation schließt § 3 Abs. 4 ARB 2002 den Versicherungsschutz nicht aus.

§ 3 Abs. 4 c) ARB 2002 soll verhindern, dass sich eine nicht versicherte Person nach Eintritt eines Schadensereignisses in ihrer Rechtsphäre im Zusammenwirken mit einer versicherten Person Versicherungsleistungen ungerechtfertigt verschafft.

Versicherungsschutz ist daher trotz der Ausschlussklausel zu bejahen, wenn das Schadensereignis bereits die versicherte Person betraf, da ein Missbrauch der Rechtsschutzversicherung fern liegt (LG Augsburg r + s 1988, 336). Der Versicherungsfall muss bei der versicherten Person eingetreten sein und Kollusion muss ausscheiden (Prölss/Martin-Armbrüster, 28. Aufl. 2010, ARB 2008/II, § 3 Rdnr. 89).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Das behauptete Schadensereignis der Berufsunfähigkeit betraf von Anfang an den Kläger. Erst durch die Anzeige der Stadt C gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Anspruch auf die Stadt C übergegangen (§ 93 Abs. 1 SGB XII). Die vorliegende Konstellation, in der ein beim Kläger entstandener Anspruch zunächst auf einen Dritten übergeht und dann zurückübertragen wird, weicht deutlich von der rechtsmissbräuchlichen Konstellation ab, in der ein nicht rechtsschutzversicherter Dritter versucht, seinen Versicherungsfall über den Versicherungsnehmer abzuwickeln.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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