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Rechtsschutzversicherung – Ausschlussfrist bei Geltendmachung eines Versicherungsfalls

LG Frankfurt – Az.: 2-8 O 37/12 – Urteil vom 20.07.2012

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Rechtsschutz für den Versicherungsfall vom 20.07.2011 (Klage gegen die … Lebensversicherung AG Schadennummer der Beklagten: … E) aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. … zu gewähren.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die sein Versicherungsmakler mit Wirkung zum 31.07.2008 kündigte. Der Versicherungsmakler versicherte den Kläger neu mit Beginn zum 01.08.2008 bei der Streithelferin.

Der Kläger hatte im Jahre 2005 eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der …xx Lebensversicherung AG abgeschlossen. Anfang 2011 beantragte der Kläger Leistungen aus dieser Versicherung für den Zeitraum ab Februar 2011. Der Versicherer erklärte mit Schreiben vom 20.07.2011 wegen einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten den Rücktritt vom Vertrag.

Der Kläger informierte den Versicherungsmakler über den Versicherungsfall, der den Versicherungsfall der Streithelferin meldete. Der Klägervertreter legitimierte sich gegenüber der Lebensversicherung und richtete am 28.07.2011 eine Deckungsanfrage an die Streithelferin, die mit Schreiben vom 02.08.2011 ergänzende Informationen erbat, die sie unter dem 03.08.2011 erhielt.

Die Streithelferin lehnte die Deckung mit Schreiben vom 12.08.2011 ab, worauf der Klägervertreter am 24.08.2011 den Versicherungsfall bei der Beklagten meldete.

Mit Schreiben vom 02.09.2011 erteilte die Streithelferin Deckungsschutz für die außergerichtliche Vertretung. Nach dem Scheitern außergerichtlicher Einigungsbemühungen mit der Lebensversicherung lehnte die Streithelferin mit Schreiben vom 19.12.2011 Deckung für das gerichtliche Verfahren ab. Der Klägervertreter erbat daraufhin bei der Beklagten Deckungsschutz, was diese ablehnte.

Der Kläger und die Streithelferin beantragen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Rechtsschutz für den Versicherungsfall vom 20.07.2011 (Klage gegen die … Lebensversicherung AG, Schadennummer der Beklagten: 07-400-42159-114 E) aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. 22-006811856 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf § 4 Abs. 3 GKA RVB 2003, wonach kein Rechtsschutz besteht, wenn der Anspruch erstmals später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung geltend gemacht wird. Maßgeblich für die Eintrittspflicht sei der Zeitpunkt des ersten behaupteten Rechtsverstoßes, der bereits im Jahre 2005 lag. Damit hätte der Kläger bis zum 01.08.2011 den Rechtsschutzanspruch bei der Beklagten anmelden müssen. Zudem sei die Streithelferin an die für die außergerichtliche Tätigkeit erteilte Deckungszusage gebunden.

Ergänzend wird auf das gesamte Sachvorbringen der Parteien, insbesondere auf den Inhalt der wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der gestellte Feststellungsantrag ist zulässig. Es ist nicht ersichtlich, dass bereits ein bezifferbarer Zahlungsanspruch, der im Wege der Leistungsklage eingeklagt werden könnte, besteht. Aufgrund der Verweigerung des Rechtsschutzes besteht auch das erforderliche Feststellungsinteresse.

Die Klage ist auch begründet, weil dem Kläger gegen die Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis i. V. m. § 1 VVG der erhobene Rechtsschutzanspruch zusteht.

Dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, für den die Beklagte grundsätzlich deckungspflichtig ist, steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Streitig ist einzig die Frage, ob die Ausschlussfrist nach § 4 Abs. 3 GKA RVB 2003 eingreift, wonach kein Rechtsschutz besteht, wenn der Anspruch auf Rechtsschutz erstmals später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung geltend gemacht wird.

Im Verhältnis zur Beklagten ist der für den Ablauf der Ausschlussfrist maßgebliche Zeitpunkt der 01.08.2011, weil der ursprünglich bestehende Rechtsschutzversicherungsvertrag mit Wirkung zum 31.07.2008 durch den Kläger bzw. den von ihm beauftragten Versicherungsmakler gekündigt worden war. Eine Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist ist indes nicht möglich, weil zwar vorliegend der Versicherungsfall bei der Beklagten selbst erstmals am 24.08.2011 gemeldet wurde, jedoch unstreitig bereits zuvor die erstmalige Geltendmachung des Versicherungsfalles, auf den die von der Beklagten geltend gemachte Regelung abstellt, vor dem 01.08.2011, nämlich am 28.07.2011 durch den Klägervertreter gegenüber der Streithelferin und bereits einige Tage zuvor durch den Versicherungsmakler ebenfalls gegenüber der Streithelferin erfolgte. Damit hat der Kläger den Rechtsschutzversicherungsanspruch fristgerecht gegenüber einer Versicherung geltend gemacht und so die für die Einhaltung der Ausschlussfrist erforderliche Handlung vorgenommen. Beruft sich die angerufene Versicherung in der Folge zeitnah auf ihre Unzuständigkeit und wendet sich der Versicherungsnehmer ebenfalls unverzüglich an die zuständige Versicherung, so ist für die Frage der Einhaltung der Ausschlussfrist auf die erstmalige Geltendmachung gegenüber der unzuständigen Versicherung abzustellen.

Diese Sicht steht mit dem Zweck der Ausschlussfrist, auf den der Beklagtenvertreter in der Erörterung in der mündlichen Verhandlung besonders abstellte, in Einklang. Anders als bei Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, die von ihm nach Eintritt des Versicherungsfalles ein bestimmtes Verhalten zur Aufklärung des Sachverhalts verlangen, bezwecken Ausschlussfristen objektiv eine zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers. Die hier gegenständliche Bestimmung will diese objektive zeitliche Begrenzung der Eintrittspflicht des Versicherers schaffen, indem sie den Versicherungsschutz für solche Versicherungsfälle ausschließt, die zwar innerhalb des versicherten Zeitraums eingetreten sind, bei denen die Frist zu ihrer Meldung nach Beendigung des Vertrages aber abgelaufen ist. Mit dieser Festlegung einer vom Versicherungsnehmer zu wahrenden Frist zielt die Regelung darauf, die nach Fristablauf schwerer aufklärbaren und übersehbaren Schadensfälle von der Deckung auszunehmen (vgl. BGH, VersR 1982, 567 f.).

Gerade diese Erschwernisse sind aber in der hier gegebenen Konstellation gar nicht gegeben. Der Versicherungsnehmer hat innert laufender Frist klar definiert, welcher konkrete Versicherungsfall bezogen auf welchen konkreten Zeitpunkt Gegenstand seines Begehrs ist und die einzige – hinzunehmende – Unwägbarkeit liegt für die Beklagte vorliegend darin begründet, dass ihre Kenntnis von der Geltendmachung zeitlich erst dreieinhalb Wochen nach dem Datum des Ablaufs der Ausschlussfrist liegt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass davon die materielle Prüfung des Versicherungsfalles oder die Sachaufklärung in irgendeiner Weise negativ beeinflusst wäre.

Abgesehen davon kann sich ein Versicherer nicht auf die Versäumung einer Ausschlussfrist nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (BGH, a. a. O.). Eine solche Auslegung des Ausschlussprinzips, sofern es auf Untätigkeit des Versicherungsnehmers binnen bestimmter Frist abstellt, ist unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen Versicherungsnehmers geboten (BGH, Urteil vom 15.04.1992, Az.: IV ZR 198/91, Rn. 19, m. w. N., zitiert nach juris). Ein derartiges Verschulden ist hier nicht erkennbar. Der Kläger hat unstreitig umgehend nach erstmaliger Kenntnis vom möglichen Eintritt des Versicherungsfalles (20.07.2011) über den Versicherungsmakler bei der Streithelferin den Versicherungsfall gemeldet und damit aus seiner Sicht alles Notwendige zur Wahrung seiner Rechte zeitgerecht veranlasst. Dass die Streithelferin sich erst nach Ablauf der Ausschlussfrist auf ihre Unzuständigkeit berief, ist dem Kläger weder anzulasten noch zuzurechnen.

Soweit die Streithelferin eine Deckungszusage betreffend das vorgerichtliche Verfahren erteilt hat, führt dies nicht zu einer Bindungswirkung, auf die sich die Beklagte im Verhältnis gegenüber dem Kläger berufen könnte. Die Streithelferin kann sich aufgrund der vorläufigen Deckungszusage zwar gegenüber dem Kläger nicht mehr auf ihr zu diesem Zeitpunkt bekannte Einwände berufen, wobei eine Geltendmachung der eigenen Unzuständigkeit bereits zuvor erklärt worden war, so dass es ohnehin fraglich ist, ob die besagte Bindungswirkung im vorliegenden Fall überhaupt eintreten konnte. Jedenfalls aber träte diese Bindungswirkung nur im Verhältnis zwischen der Streithelferin zu ihrem Versicherungsnehmer ein. Außenstehende Dritte könnten aus dieser etwaigen Bindung keine eigenen Rechte herleiten.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 und 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.

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