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Rechtsschutzversicherung – Anspruch auf Freistellung von Kosten eines Stichentscheids

In einem wegweisenden Urteil hat das Landgericht Berlin entschieden, dass Versicherungsnehmer im Rahmen ihrer Rechtsschutzversicherung Anspruch auf Freistellung von den Kosten eines Stichentscheids haben, unabhängig von dessen Bindungswirkung. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Rechtsschutzbedingungen und die Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, für den der Erstattungsanspruch nicht vom Ergebnis des Stichentscheids abhängt. Dieses Urteil stärkt die Rechte von Versicherungsnehmern und bietet ihnen umfassenden Schutz bei der Durchsetzung ihrer rechtlichen Interessen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 O 47/23

✔ Kurz und knapp


  • Der Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Rechtsschutzversicherung ist auf die Befreiung von Kosten gerichtet, die bei der Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Versicherungsfall entstehen.
  • Die Kostenübernahmepflicht für einen Stichentscheid besteht unabhängig davon, ob dieser das Ergebnis korrekt wiedergibt oder bindend ist.
  • Der Rechtsschutzversicherer muss den Versicherungsnehmer von anwaltlichen Gebührenforderungen befreien, auch wenn er diese für unbegründet hält.
  • Entscheidend ist, ob der Stichentscheid bestimmt war, die Wahrung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers zu unterstützen.
  • Eine mögliche Überschreitung des Gebührenrahmens durch den Anwalt ist für den Erstattungsanspruch unerheblich.
  • Der Versicherer muss unbegründete Gebührenforderungen des Anwalts gegenüber dem Versicherungsnehmer abwehren.
  • Die korrekte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den Versicherungsbedingungen und den gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsschutzversicherung erstattet Kosten für Stichentscheid – Wegweisendes Urteil

Eine Rechtsschutzversicherung ist eine wichtige Absicherung für den Fall, dass man rechtliche Auseinandersetzungen führen muss. Sie übernimmt in der Regel die Kosten für die anwaltliche Vertretung und hilft so, finanzielle Risiken zu vermeiden. Besonders relevant werden Rechtsschutzversicherungen bei größeren Rechtsstreitigkeiten, etwa im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kfz oder Mietverträgen. Nicht immer ist jedoch klar, in welchem Umfang der Versicherungsschutz greift. Ein häufig diskutierter Aspekt ist die Frage, ob die Kosten für einen sogenannten Stichentscheid von der Versicherung übernommen werden müssen. Dieser dient dazu, die Erfolgsaussichten einer Klage vorab einschätzen zu lassen. Das folgende Urteil befasst sich näher mit dieser Thematik und klärt, wann die Kosten für einen Stichentscheid tatsächlich erstattet werden müssen.

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✔ Der Fall vor dem Landgericht Berlin


Rechtsschutzversicherung: Anspruch auf Freistellung von Kosten eines Stichentscheids

Sachverhalt und rechtliche Ausgangssituation

In dem vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Klägerin, eine Versicherungsnehmerin der A. Versicherungs-AG, Anspruch auf Freistellung von den Kosten eines Stichentscheids hat. Die Klägerin erwarb am 19. August 2016 einen Audi Q3 2.0 TDI und begehrte vorgerichtlich Rechtsschutzdeckung für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die A. AG. Diese Deckungsanfrage wurde jedoch von der Beklagten, die als zuständiges Schadensabwicklungsunternehmen fungiert, am 15. November 2022 wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Daraufhin ließ die Klägerin durch ihre Anwälte einen Stichentscheid am 28. November 2022 erstellen, für den Kosten in Höhe von 719,95 € berechnet wurden. Die Beklagte erkannte diesen Stichentscheid jedoch nicht als bindend an, was zur rechtlichen Auseinandersetzung führte. Die Klägerin klagte daraufhin auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Rechtsschutzdeckung und zum Schadensersatz wegen der verweigerten vorgerichtlichen Deckungszusage. Nachdem die Beklagte nach Klagezustellung die Rechtsschutzdeckung erteilte und ein titelersetzendes Anerkenntnis bezüglich des Schadensersatzes abgab, erklärten die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Die Klägerin beantragte weiterhin, die Beklagte zur Freistellung von den Kosten des Stichentscheids zu verurteilen, was die Beklagte ablehnte.

Entscheidung des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf Freistellung von den Kosten des Stichentscheids in Höhe von 719,95 € hat. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Bedingungen der Rechtsschutzversicherung und das Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Gemäß den Rechtsschutzbedingungen der Klägerin hat diese einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten, die bei der Wahrung ihrer rechtlichen Interessen entstehen, unabhängig davon, ob der Stichentscheid Bindungswirkung entfaltet oder nicht. Das Gericht wies darauf hin, dass eine Einschränkung der Kostenübernahmeverpflichtung nicht in den Versicherungsbedingungen enthalten ist.

Wichtig für das Gericht war die Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Aus dieser Perspektive ist der Erstattungsanspruch für die Kosten des Stichentscheids weder vom Ergebnis der anwaltlichen Stellungnahme noch von der Bindungswirkung des Stichentscheids abhängig. Das Gericht stellte klar, dass der Versicherungsnehmer Anspruch auf Befreiung von den Kosten hat, die ihm bei der Wahrung seiner rechtlichen Interessen entstehen.

Abwägung der Argumente und rechtliche Grundlage

Die Beklagte argumentierte, der Stichentscheid weiche erheblich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage ab und sei daher nicht bindend. Das Gericht hingegen sah keine Relevanz in der Frage, ob der Stichentscheid seine Funktion gemäß den Rechtsschutzbedingungen erfüllt hat, da er unstreitig dazu bestimmt war und vom Deckungsanspruch der Klägerin aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag umfasst ist.

Die rechtliche Grundlage für die Entscheidung bildet unter anderem das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21. Oktober 2015, wonach der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Befreiung von den Kosten gerichtet ist, die ihm bei der Wahrung seiner rechtlichen Interessen entstehen. Der Rechtsschutzversicherer hat dem Versicherungsnehmer bei der Abwehr von Gebührenforderungen seines Prozessbevollmächtigten zur Seite zu stehen, wenn er diese für unbegründet hält. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer meint, der Rechtsanwalt habe sein Mandat grob verfehlt.

Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Kostenentscheidung des Gerichts beruht auf dem Kostenanerkenntnis der Beklagten in Verbindung mit den entsprechenden Paragraphen der Zivilprozessordnung (ZPO). Das Urteil ist hinsichtlich der Freistellung der Kosten des Stichentscheids gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Diese Entscheidung zeigt, dass Versicherungsnehmer im Rahmen ihrer Rechtsschutzversicherung umfassenden Schutz genießen und von den Kosten eines Stichentscheids freigestellt werden können, auch wenn die Bindungswirkung des Stichentscheids umstritten ist. Die Rechtsschutzbedingungen sind dabei ausschlaggebend und bieten dem Versicherungsnehmer Sicherheit bei der Durchsetzung seiner rechtlichen Interessen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil stärkt die Rechte von Versicherungsnehmern, indem es klarstellt, dass der Anspruch auf Freistellung von Stichentscheid-Kosten allein von den Versicherungsbedingungen abhängt. Entscheidend ist die Perspektive des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, nicht die Bindungswirkung des Stichentscheids. Somit genießen Versicherte umfassenden Schutz bei der Wahrung ihrer Interessen, solange die Bedingungen dies vorsehen. Das Urteil schafft Rechtssicherheit und betont die Bedeutung verbraucherfreundlicher Versicherungsbedingungen.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Rechtsschutzversicherung – Erstattung von Stichentscheidkosten


Was ist ein Stichentscheid und wann wird er eingeholt?

Ein Stichentscheid ist ein Verfahren in der Rechtsschutzversicherung, das zum Einsatz kommt, wenn der Versicherer die Deckungszusage für einen Rechtsstreit verweigert. Dies geschieht typischerweise, wenn der Versicherer der Meinung ist, dass die Erfolgsaussichten der Klage gering sind oder die Klage mutwillig erscheint. Der Versicherungsnehmer hat dann die Möglichkeit, einen Stichentscheid herbeizuführen, um die Entscheidung des Versicherers überprüfen zu lassen.

Der Stichentscheid wird von einem Rechtsanwalt durchgeführt, der vom Versicherungsnehmer beauftragt wird. Dieser Anwalt bewertet die Erfolgsaussichten der Klage und gibt eine Stellungnahme ab. Diese Stellungnahme ist für beide Parteien bindend, es sei denn, sie weicht offensichtlich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage ab. Die Kosten für den Stichentscheid trägt in der Regel der Versicherer. Der Versicherungsnehmer kann nach einem Stichentscheid innerhalb von sechs Monaten eine Deckungsklage erheben, falls er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

Ein Stichentscheid wird insbesondere dann eingeholt, wenn es Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über die Erfolgsaussichten einer Klage gibt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Versicherer die Deckung verweigert, weil er die Klage für aussichtslos oder mutwillig hält. Der Stichentscheid dient dazu, eine neutrale und unabhängige Bewertung der Erfolgsaussichten durch einen Rechtsanwalt zu erhalten, um so eine faire Entscheidung über die Deckungszusage zu ermöglichen.


Welche Kosten entstehen bei einem Stichentscheid und wer trägt diese normalerweise?

Bei einem Stichentscheid entstehen in der Regel Kosten für die Stellungnahme eines Rechtsanwalts, der die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits bewertet. Diese Kosten umfassen typischerweise die Anwaltsgebühren, die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet werden. Konkret kann der Anwalt eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG geltend machen, wobei der Gegenstandswert die Kostenlast ist, die mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers verbunden ist.

Die Kosten des Stichentscheids trägt normalerweise die Rechtsschutzversicherung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Stichentscheid zugunsten oder zulasten des Versicherungsnehmers ausfällt. Der Versicherer ist verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, wenn er die Deckungszusage wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit verweigert hat.

Ein Beispiel für die Übernahme der Kosten durch die Versicherung findet sich in einem Urteil des Landgerichts Berlin, das entschied, dass die Versicherung die Kosten eines Stichentscheids in Höhe von 919,87 Euro zu tragen hat, obwohl sie die Deckungszusage zunächst verweigert hatte.

Zusammengefasst entstehen bei einem Stichentscheid hauptsächlich Anwaltskosten, die von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden, sofern die Ablehnung der Deckungszusage durch den Versicherer erfolgt ist. Der Versicherungsnehmer muss diese Kosten in der Regel nicht selbst tragen.


Unter welchen Voraussetzungen muss die Rechtsschutzversicherung die Kosten eines Stichentscheids erstatten?

Die Rechtsschutzversicherung muss die Kosten eines Stichentscheids grundsätzlich immer erstatten, unabhängig davon, ob der Stichentscheid zugunsten oder zulasten des Versicherungsnehmers ausfällt. Dies ergibt sich aus den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB). In § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB 2010 heißt es ausdrücklich, dass der Versicherungsnehmer den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen kann, eine begründete Stellungnahme zur Erfolgsaussicht abzugeben.

Der Anspruch auf Kostenerstattung für den Stichentscheid hängt also nicht von dessen Ergebnis oder Bindungswirkung ab. Entscheidend ist vielmehr, dass der Stichentscheid der Wahrung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers dient, indem er eine unabhängige anwaltliche Einschätzung der Erfolgsaussichten ermöglicht.

Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist, dass der Versicherer zuvor seine Leistungspflicht wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit abgelehnt hat. Diese Ablehnung muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer unverzüglich unter Angabe von Gründen mitteilen und ihn dabei auf die Möglichkeit des Stichentscheids hinweisen, wie es § 3a Abs. 1 ARB 2010 vorsieht.

Kommt der Versicherer dieser Hinweispflicht nicht nach, verliert er das Recht, sich auf die fehlende Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit zu berufen. Der Versicherungsnehmer hat dann Anspruch auf Rechtsschutz, ohne dass es noch auf einen Stichentscheid ankäme.

Zusammengefasst muss die Rechtsschutzversicherung die Kosten eines Stichentscheids immer übernehmen, wenn sie zuvor den Rechtsschutz wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit abgelehnt und dabei ordnungsgemäß auf das Stichentscheidverfahren hingewiesen hat. Der Kostenerstattungsanspruch ist unabhängig vom Ausgang des Stichentscheids, da dieser stets der Wahrung der Interessen des Versicherungsnehmers dient.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 125 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt den Umfang des Versicherungsschutzes bei einer Rechtsschutzversicherung und besagt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer von den Kosten freizustellen hat, die zur Wahrung seiner rechtlichen Interessen notwendig sind.
  • § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Bezieht sich auf die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen nach dem objektiven Empfängerhorizont, was relevant für die Interpretation der Versicherungsbedingungen ist.
  • § 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Betont die Notwendigkeit der Auslegung von Verträgen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte.
  • § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Verpflichtet die Parteien zur Erfüllung ihrer Pflichten nach Treu und Glauben, was in Bezug auf die Erstattung der Stichentscheidskosten von Bedeutung ist.
  • § 280 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Regelt den Schadensersatzanspruch bei Pflichtverletzungen, hier relevant für die Frage der Kostentragungspflicht der Beklagten.
  • Ziffer 1.7 Abs. 1 und Ziffer 2.5 Abs. 2 der Rechtsschutzbedingungen: Diese spezifischen Vertragsbedingungen der Rechtsschutzversicherung sind entscheidend für die Beurteilung der Verpflichtung zur Übernahme der Stichentscheidskosten.
  • § 709 Zivilprozessordnung (ZPO): Bezieht sich auf die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen gegen Sicherheitsleistung, relevant für die Umsetzung des Urteils im vorliegenden Fall.
  • § 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO): Bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
  • § 91a Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt die Kostentragung bei übereinstimmender Erledigungserklärung, was hier zur Anwendung kam, nachdem die Parteien den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt hatten.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Berlin

LG Berlin – Az.: 4 O 47/23 – Urteil vom 10.07.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten des Stichentscheids in Höhe von € 719,95 (Rechnungsnummer: 1951-VR2022A-530-90) freizustellen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 900,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist mit der A. Versicherungs-AG durch einen zur Versicherungsnummer … geführten Rechtsschutzversicherungsvertrag verbunden. Vorgerichtlich hat sie Rechtsschutzdeckung für die außergerichtliche und die erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die A. AG vor dem Hintergrund des Erwerbs eines Audi Q3 2.0 TDI am 19. August 2016 begehrt. Die Deckungsanfrage vom 18.10.2022 (K1) lehnte die Beklagte als zuständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit Schreiben vom 15.11.2022 wegen fehlender Erfolgsaussichten ab (K2). Daraufhin ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten einen Stichentscheid vom 28.11.2022 fertigen (K3). Für den Stichentscheid berechneten die Klägervertreter Kosten in Höhe von 719,95 € (K4). Die Beklagte erkannte den Stichentscheid nicht als bindend an (K5).

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin ursprünglich die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Rechtsschutzdeckung sowie zum Schadensersatz wegen der Verweigerung der vorgerichtlichen Deckungszusage geltend gemacht.

Nach Klagezustellung hat die Beklagte Rechtsschutzdeckung erteilt und hinsichtlich des begehrten Schadensersatzes ein titelersetzendes Anerkenntnis abgegeben (B1, B2). Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat die anteilige Kostentragung anerkannt (Ziffer 1211 Nr. 4 KV GKG).

Die Klägerin beantragt nunmehr noch, die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten des Stichentscheids in Höhe von 719,95 € (Rechnungsnummer: 1951-VR2022A-530-90) freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Stichentscheid weiche offenbar von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage ab und sei daher nicht bindend gewesen. Deshalb sei sie insoweit nicht zur Kostentragung verpflichtet.

Die Klägerin geht hingegen davon aus, dass der Stichentscheid Bindungswirkung entfalte und dass die bedingungsgemäße Kostentragungsverpflichtung der Beklagten unabhängig von dessen Bindungswirkung eingreife.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß Ziffer 1.7 Abs. 1, Ziffer 2.5 Abs. 2 der Rechtsschutzbedingungen (B4) i.V.m. § 125 VVG Freistellung von den Kosten des Stichentscheids verlangen.

Aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers (§ 133, 157, 242 BGB) ist der Erstattungsanspruch für die Kosten des Stichentscheids weder vom Ergebnis der begründeten anwaltlichen Stellungnahme noch davon abhängig, ob der Stichentscheid Bindungswirkung entfaltet (LG Hannover, Urteil vom 13. Mai 2005 – 8 O 63/05 –, juris Rn. 21; LG Paderborn, Urteil vom 31. August 2017 – 3 O 375/16 –, juris Rn. 43). Eine solche Einschränkung der Kostenübernahmeverpflichtung enthält Ziffer 2.5 Abs. 2 der Rechtsschutzbedingungen nicht.

Es bedarf darüber hinaus aus einem weiteren Rechtsgrund keiner Prüfung, ob der streitgegenständliche Stichentscheid seine Funktion gem. Ziffer 2.5 Abs. 2 der Rechtsschutzbedingungen erfüllt hat. Unstreitig war er jedenfalls dazu bestimmt und ist daher vom Deckungsanspruch der Klägerin aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag umfasst. Denn der Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Rechtsschutzversicherung ist auf die Befreiung von den Kosten gerichtet, die diesem bei der Wahrung seiner rechtlichen Interessen aus Anlass des Versicherungsfalles entstehenden (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2015 – IV ZR 266/14 –, juris Rn. 30 ff.). Dabei handelt es sich insbesondere um die Kosten des eigenen Rechtsanwalts des Versicherungsnehmers. Dem Rechtsschutzversicherer steht es grundsätzlich frei, auf welche Weise er den Versicherungsnehmer von einer Gebührenforderung seines Prozessbevollmächtigten befreit. Hält er die Gebührenansprüche des Prozessbevollmächtigten für unbegründet, muss er dem Versicherungsnehmer bei deren Abwehr zur Seite stehen (BGH, Urteil vom 11. April 2018 – IV ZR 215/16 –, juris Rn. 18). Dies gilt z.B. auch dann, wenn der Versicherer – wie hier – meint, der Rechtsanwalt habe sein Mandat, einen bindenden Stichentscheid zu fertigen, grob verfehlt, weil dieser offenbar von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht und der Versicherungsnehmer deshalb die anwaltliche Vergütung nicht schuldet (§ 280 Abs. 1 BGB).

Aus den vorstehend dargestellten Gründen ist nicht erheblich, ob der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das diesen nach § 14 RVG zustehende Ermessen überschritten hat. Wäre dies der Fall, hätte die Beklagte die überhöhte Gebührenforderung abzuwehren.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, auf dem Kostenanerkenntnis der Beklagten in Verbindung mit § 91 a Abs. 1 ZPO. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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