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Rechtsmäßigkeit der Anfechtung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages

OLG Dresden, Az.: 4 W 1038/17, Beschluss vom 06.12.2017

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 11.10.2017 – Az. 3 O 2034/17 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Rechtsmäßigkeit der Anfechtung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages
Symbolfoto: wutzkoh/Bigstock

Die Parteien streiten um den Fortbestand einer privaten Krankheits- und eingeschlossenen Pflegepflichtversicherung, welche der Kläger über einen Versicherungsvermittler mit Wirkung zum 01.08.2016 bei der Beklagten abschloss. Nach Unstimmigkeiten hinsichtlich des Versicherungsbeginns, der zu einem Prämienforderungsstreit vor dem Amtsgericht Eilenburg führte, erklärte die Beklagte mit der Behauptung unzutreffender Angaben im Antragsformular die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie hilfsweise die Kündigung und den Rücktritt vom Vertrag – zuletzt mit anwaltlichem Schreiben vom 15.05.2017.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger in erster Linie die Feststellung des Fortbestehens der Krankenvoll- und Pflegepflichtversicherung.
Das Landgericht hat das Verfahren betreffend die Feststellung des Pflegeversicherungsschutzes abgetrennt und mit Beschluss vom selben Tage den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht Leipzig verwiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Klägers hat es nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar wendet sich der Kläger ausweislich seiner Beschwerdebegründung auch gegen die Abtrennung des Verfahrens nach § 145 ZPO. Hiergegen ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 19.05.2015, X ARZ 61/15, juris, Rz. 14; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 145 Rz. 6a). Der Senat legt aber das Vorbringen des Klägers dahingehend aus, dass er sich gegen den gesondert am selben Tage ergangenen Verweisungsbeschluss des Landgerichts wendet. Hier ist ein Rechtsmittel nach § 17a Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 567 ZPO statthaft, und es ist form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht eine Zuständigkeit des Zivilgerichts für Fragen betreffend der mit abgeschlossenen privaten Pflegeversicherung verneint und sie gemäß § 17a Abs. 2 GVG dem Sozialgericht zugewiesen. Ergänzend zur Begründung des Landgerichts ist auszuführen:
Der Grundsatz, dass gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Sozialgerichte über Streitigkeiten, „die in Angelegenheiten der sozialen und der privaten Pflegeversicherung nach dem SGB XI entstehen“, entscheiden, erfährt auch durch den mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.02.2006 – B 3 SF 1/05 R – postulierten Grundsatz, wonach § 51 Abs. 1 Nr. 2 nur dann greift, wenn es im Rechtsstreit auch konkret um Streitfragen nach dem SGB XI geht, vorliegend keine Einschränkung (so bereits Senat, Beschluss vom 21.12.2016 – 4 W 968/16 – juris). Der Senat schließt sich den Ausführungen des Bundessozialgerichtes in der vorzitierten Entscheidung zur Reichweite des § 51 Abs. 1 Satz 2 – abgeleitet aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und dessen ratio legis – der auch die anderen Instanzengerichte soweit ersichtlich folgen, an. Vorliegend handelt es sich hinsichtlich der Pflegevollversicherung um Streitfragen nach dem SGB XI. Die Beklagte möchte sich unstreitig vom Vertrag lösen. Zu diesem Zweck hat sie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise Kündigung und Rücktritt vom Versicherungsvertrag im Ganzen erklärt. Gerade die Beendigung oder beabsichtigte Beendigung des Pflegeversicherungsvertrages ist ausdrücklich in § 110 Abs. 4 Satz 1 SGB XI geregelt. Damit sind zumindest die hilfsweise ausgesprochenen Kündigungs- und Rücktrittserklärungen Gegenstand des SGB XI. Nichts anderes gilt allerdings nach Auffassung des Senats für die dort nicht explizit aufgeführte Anfechtung. Zwar bleibt regelmäßig das Recht des Versicherers, einen geschlossenen Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, von etwaigen Einschränkungen des Kündigungs- oder Rücktrittsrechts, beispielsweise aus sozialen Erwägungen heraus, unberührt. Gleichwohl spielt § 110 SGB XI auch bei der Frage der Anfechtungsberechtigung eine Rolle, wenn es beispielsweise nach § 110 Abs. 3 Ziffer 2 um die Einschränkung der Pflicht des Versicherungsnehmers geht, Vorerkrankungen offenzulegen. Damit spielen auch ohne ausdrückliche Erwähnung der Anfechtung Erwägungen des SGB XI hier eine wesentliche Rolle. Es erscheint darüber hinaus nicht sachdienlich, Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf eine private Pflegeversicherung danach aufzuspalten, ob eine Anfechtung, ein Rücktritt oder eine Kündigung erklärt wurden. In der Praxis wird zumeist ohnehin durch den Versicherer, der sich aus bestimmten Gründen vom Vertrag lösen will, sowohl das eine als auch das andere erklärt. Eine Aufspaltung erschiene insoweit gekünstelt.

Dabei bleibt es bei der landgerichtlichen Entscheidung.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Der Senat sieht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. Abs. 2 Ziffer 2 für erfüllt an, weil über die Frage des Rechtsweges im Falle der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist.
5. Die Festsetzung des Beschwerdewertes wurde gemäß § 3 ZPO auf 1/5 des Hauptsachestreitwertes festgesetzt.

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