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Rechtschutzversicherung – Direktanspruch gegen Haftpflichtversicherung

AG Düsseldorf – Az.: 58 C 10905/11 – Urteil vom 20.12.2011

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Deckung für die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Versicherergemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen, E-Str. 00, X, wegen Deckung eines Versicherungsfalles ihres Versicherungsnehmers Wirtschaftsprüfers G wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung aus der Beteiligung der Kläger an der G1 GbR vom 05.11.2003 in Höhe von 5.000,00 EUR zu gewähren.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor diese Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert wird auf bis 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger sind Versicherungsnehmer bzw. versicherte Personen einer Rechtsversicherung, die seit dem 23.06.2000 unter Einbeziehung der Allg. Rechtsschutzversicherungsbedingungen (ARB) der Beklagten (Bl. 91 GA) besteht.

Im November 2003 traten die Kläger einer G1 GbR mit einer Einlage von 5.000,00 EUR bei. Diese Gesellschaft befindet sich mittlerweile in Liquidation. Die Wiederbringlichkeit der Einlage der Kläger ist fraglich.

Ein Wirtschaftsprüfer G war Mittelverwendungskontrolleur der Anlagegesellschaft und wurde von den Klägern wegen Verletzung seiner Pflichten bei der Mittelverwendung und Kontrolle gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Dass der Wirtschaftsprüfer Freiheit den Anlegern dem Grunde nach zu Schadensersatz verpflichtet ist, wurde in Parallelfällen durch den BGH zwischenzeitlich bestätigt. Der Wirtschaftsprüfer G unterhält eine Berufshaftpflichtversicherung bei der im Tenor genannten Versicherungsgemeinschaft.

Mit Beschluss vom 01.09.2010 wurde über das Vermögen des Wirtschaftsprüfers das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schadensersatzforderung der Kläger gegen den Wirtschaftsprüfer ist vom Insolvenzverwalter anerkannt und zur Tabelle am 05.11.2010 festgestellt worden.

Die Kläger wollen nunmehr den Freistellungsanspruch des Wirtschaftsprüfers gegen den Berufshaftpflichtversicherer bei letzterem im eigenen Namen geltend machen und begehren hierfür Deckungszusage von der Beklagten, die vorgerichtlich verweigert worden war.

Die Kläger gehen davon aus, einen Direktanspruch aus eigenem Recht unter Anwendung von § 157 VVG a. F. gegen den Haftpflichtversicherer geltend machen zu können, der vom Deckungsumfang der Rechtsschutzversicherung umfasst sei.

Die Kläger beantragen, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich vornehmlich auf die Ausschlusstatbestände gem. § 3 Abs. 4 c) und d) ihrer ARB, wonach kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Ansprüchen oder Verbindlichkeiten, die nach Eintritt des Rechtsschutzfalls auf den Versicherungsnehmer übertragen worden oder übergegangen worden sind, bzw. aus vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen. Im Übrigen liege auch nicht das erforderliche Anerkenntnis i. S. d. § 154 VVG a. F. vor. Schließlich sei auch ein Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 ARB gegeben.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, da die Parteien gem. § 256 Abs. 1 ZPO über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses hier der Verpflichtung zur Deckungszusage aus dem Versicherungsvertrag streiten und die Kläger mit Rücksicht auf die unstreitig drohende Verjährung ein sofortiges Feststellungsinteresse auch hinsichtlich der Deckungszusage für die zweite Instanz haben.

II.

Die Klage ist auch begründet.

Denn den Klägern steht der geltend gemachte Deckungsanspruch aus § 1 VVG i. V. m. den Regelungen der Allg. Rechtsschutzbedingungen und der Tarifbedingungen zu.

1. Soweit die Beklagte auf einen Ausschlussgrund gem. § 4 Abs. 1 ihrer ARB abstellt, vermag das Gericht das Vorbringen nicht nachzuvollziehen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 enthalten keinen eigentlichen Ausschlussgrund, sondern die Grundvoraussetzungen für den Versicherungsschutz in zeitlicher Hinsicht. Versicherungsschutz besteht seit 2000. Der Schadensfall i. S. des § 4 Abs. 1 a) der ARB kann frühestens im Jahre 2003 mit Auflage des Zinsfonds und insbesondere erster Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers G jedenfalls im Jahre 2003 (vgl. Seite 4 des zu den Akten gereichten Urteils des BGH vom 19.11.2009, Bl. 15 GA) eingetreten sein. Von einem Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen Eintritt des Versicherungsfalls in vorvertraglicher Zeit kann daher keine Rede sein. Soweit diese Regelung von der Beklagten nur mit Rücksicht auf die Definition des Versicherungsfalls herangezogen wurde, um zu belegen, dass die Kläger vermeintlich unter Ausschluss der Deckungspflicht nach Eintritt des Versicherungsfalls auf sie übergegangene Ansprüche i. S. d. § 3 Abs. 4 c) ARB geltend machen, hat dies mit einem Ausschluss des Anspruchs gem. § 4 Abs. 1 ARB nichts zu tun. Hinsichtlich der Leistungsausschlüsse gem. § 3 Abs. 4 c) und d) ARB wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.

2. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf einen Ausschluss des Rechtsschutzes aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 4 c) und d) der ARB.

Mit Recht rügt sie jedoch die Sicht der Kläger, diese würden einen eigenen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers aus eigenem Recht geltend machen. Richtigerweise folgt aus § 157 VVG a. F., der hier gem. § 1 EGVVG maßgeblich ist, da der hier interessierende Versicherungsfall im Haftpflichtverhältnis zwischen dem Schädiger und seinem Haftpflichtversicherer vor dem 31.12.2008 eingetreten ist, aufgrund des in dieser Vorschrift normierten Rechts auf abgesonderte Befriedigung nur ein Recht auf Einziehung der Forderung des insolventen Schädigers gegen den Haftpflichtversicherer zu (vgl. Lücke in Pröls/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010 für den sinngemäß gleichlautenden § 110 VVG, Rdnr. 5 m.w.N.; auch der BGH geht ersichtlich von einer bloßen Einziehung aus, wenn er in seiner Entscheidung vom 17.03.2004 zu IV ZR 268/03 gleich NZV 2004, 353, formuliert: „dass § 157 VVG … ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an der Versicherungsforderung einräumt und er den Haftpflichtversicherer des Schädigers – anders als sonst – ohne Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen kann.“).

Das Recht auf abgesonderte Befriedigung gibt dem Geschädigten daher die Möglichkeit, den Freistellungsanspruch des Schädigers bei dem Haftpflichtversicherer einzuziehen, ohne dass ihm hiermit ein Direktanspruch, wie beispielsweise nunmehr in § 115 VVG n. F. normiert, gegeben wird oder auch nur gegeben werden muss.

Zutreffend ist ferner im Ansatz, dass damit der Rechtsschutzversicherte ein fremdes Recht oder, will man die Einzugsermächtigung als Rechtsübertragung begreifen, ein erst nach Eintritt des Versicherungsfalls auf ihn übergegangenes Recht geltend macht.

Dem Wortlaut nach wären damit in der Tat die Ausschlussgründe des § 3 Abs. 4 c) bzw. d) anwendbar.

Gleichwohl ist die vorliegende Konstellation nicht von dem Versicherungsausschluss erfasst. Denn diese Regelungen sind ihrem Sinn und Zweck nach hier nicht einschlägig.

Der BGH hat bereits für die Regelung des § 4 Abs. 2 c) ARB 75 entschieden, dass der Ausschluss einer Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Ansprüchen Dritter, die vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen geltend gemacht werden nicht die Einziehungsklage des Pfändungspfandgläubigers gegen den Drittschuldner erfasst (NJW-RR 2009, 322). Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass diese Regelung, die sich ohne für den hiesigen Sachverhalt relevante Veränderungen auch in § 3 Abs. 4 d ARB 98 findet, verhindern soll, dass der Rechtsschutzversicherer durch nachträgliche Nutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit einem Kostenrisiko belastet wird, für das er keine Prämien erhalten hat. Insbesondere soll der Versicherer vor einem kollusiven Zusammenwirken von Schädiger und rechtsschutzversicherten Geschädigten geschützt werden. Diese Situation hat der BGH mit Recht nicht für den Fall gesehen, dass der rechtsschutzversicherte Geschädigte bzw. Pfandrechtsgläubiger nach Pfändung und Überweisung den dem Schuldner zustehenden Anspruch gegen den Drittschuldner geltend macht. Vielmehr geht der BGH davon aus, dass der Gläubiger einzig im eigenen wirtschaftlichen Interesse vorgeht. Dass der BGH diese Argumentation auch auf die Regelung des § 4 Abs. 2 b) ARB 75, die der in § 3 Abs. 4 c) ARB 98 entspricht (Ausschluss nach Eintritt des Versicherungsfalls übergegangener fremder Rechte), ergibt sich aus den Erläuterungen von Wendt in r+s 2010, 221, 228.

Diese Konstellation ist mit der hier vorliegenden in ihren wesentlichen Punkten vergleichbar. Ebenso wie der Pfändungspfandgläubiger, der die gepfändete und ihm überwiesene Forderung einzieht, im eigenen Interesse zur Befriedigung seines titulierten Anspruchs gegen den ursprünglichen Schuldner tätig wird, verfolgt auch der geschädigte Rechtsschutzversicherer mit der Einziehung des Freistellungsanspruchs des Schädigers gegen dessen Haftpflichtversicherer weiterhin nur seine eigenen Interessen im Rahmen der Durchsetzung seiner Forderung gegen den Schädiger. Das Gericht sieht keinen entscheidenden Unterschied zwischen einer Realisierung des titulierten ursprünglichen Anspruchs gegen den Schädiger durch Pfändung und Überweisung, dessen Forderung gegen den Drittschuldner und der bei Insolvenz des Schädigers letztlich einzig noch verbleibenden Befriedigungsmöglichkeit im Wege der abgesonderten Befriedigung durch Einziehung bei dem Haftpflichtversicherer des insolventen Schädigers gem. § 157 VVG a.F.. Denn zu einer Titulierung mit der Möglichkeit der Pfändung und Überweisung kann es bei Insolvenz des Schädigers nicht mehr kommen bzw. können titulierte Forderungen nur noch zur Tabelle angemeldet und festgestellt werden. Wenn mit der zutreffenden Rechtsprechung des BGH die Einziehung beliebiger Forderungen des Schuldners gegen Drittschuldner durch den Gläubiger bzw. Pfändungspfandgläubiger nicht vom Leistungsausschluss erfasst ist, muss dies nach Auffassung des Gerichts erst recht gelten, wenn sich die Möglichkeit der Einziehung lediglich auf die Forderung gegen den Haftpflichtversicherer gem. § 157 VVG a. F. erstreckt. Ernstzunehmende Manipulationsmöglichkeiten vermag das Gericht hier wie dort nicht zu erkennen.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses im Wege einschränkender Auslegung des Leistungsausschlusses wird auch durch die nunmehrige Rechtslage nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG n. F. bestätigt, wonach dem rechtschutzversicherten Geschädigten im Falle der Insolvenz sogar ein Direktanspruch zusteht. Dass dieser vom Leistungsausschluss erfasst sein soll, macht auch die Beklagte nicht geltend.

3. Soweit schließlich die Beklagte einwendet, es fehle für die Einziehungsbefugnis nach § 157 VVG a. F. an der Feststellung des Anspruchs i. S. des § 154 VVG a. F., steht diese Auffassung nicht im Einklang mit der eindeutigen Rechtsprechung des BGH. Denn der BGH hat bereits mit Urteil vom 17.03.2004 – IV ZR 268/03 (NZV 2004, 353) entschieden, dass die Feststellung i. S. d. § 154 VVG auch durch Anerkenntnis der Schadensersatzforderung durch den Insolvenzverwalter möglich ist. Die Beklagte führt keine tragfähigen Argumente gegen diese Rechtsprechung des BGH an, so dass das Gericht keinen Anlass sieht, von dieser abzuweichen.

Nach allem steht den Klägern der geltend gemachte Deckungsanspruch zu, so dass der Klage stattzugeben war.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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