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Private Unfallversicherung – Berücksichtigung von Schmerzen bei der Gliedertaxe

KG Berlin, Az.: 6 U 12/15, Beschluss vom 04.05.2015

In dem Rechtsstreit hat der Senat die Sache im Hinblick auf eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO vorberaten mit dem Ergebnis, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO ist.

Gründe

Es liegen weder entscheidungserhebliche Rechtsfehler noch Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, die Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten würden.

Private Unfallversicherung - Berücksichtigung von Schmerzen bei der Gliedertaxe
Symbolfoto: Von Lozhkina Ekaterina /Shutterstock.com

Der Kläger kann einen weitergehenden Anspruch auf Invaliditätsleistung nicht auf die Klausel zu 2.1.1.1. der in den Unfallversicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen (AUB 2008) stützen. Denn der Kläger hat eine Unfallverletzung an der Hand und damit an einem Körperteil im Sinne der Klausel 2.1.2.2.1. der Bedingungen erlitten, so dass die Frage nach dem Grad der Invalidität ausschließlich anhand der dort vereinbarten Gliedertaxe zu klären ist; auf die Auslegung des Begriffes ”Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit” kommt es deshalb entscheidungserheblich nicht an.

Nach der Gliedertaxe beträgt der Invaliditätsgrad im Falle des Verlustes der Hand oder im Falle ihrer vollständigen Funktionsunfähigkeit 55%; bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes.

Der Senat kann insoweit zwar die Kritik des Klägers an der im angefochtenen Urteil wiedergegebenen sachverständigen Sichtweise nachvollziehen, wonach es nach der Gliedertaxe allein auf die passive Beweglichkeit eines Gelenkes ankomme und Einschränkungen der aktiven Beweglichkeit aufgrund von Schmerzen nicht zu berücksichtigen seien. Dass dies in dieser Allgemeinheit nicht richtig sein kann, zeigt sich am Beispiel der gelähmten Gliedmaßen. Können diese ihre Funktion nicht mehr erfüllen, die in der aktiven Bewegung besteht, wie Gehen, Halten, Greifen etc., so liegt vollständige Funktionsunfähigkeit vor (vgl. OLG München, Urteil vom 16.5.2006 – 25 U 3248/02, Rz. 25; VersR 2006, 1528; Kloth, Private Unfallversicherung, 2. Auflage G Rn. 175, zweiter Spiegelstrich). Auch schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen können durchaus als Funktionsminderung zu berücksichtigen sein, wie verschiedene in Juris veröffentlichte Urteile zeigen (vgl. u. a. OLG Köln, Urteil vom 23.8.2010 – 20 U 5/10, Rz. 5; LG Berlin, Urteil vom 19.6.2013 23 O 236/11, VersR 2014, 577, Rz. 24 und LG Dortmund, Urteil vom 18.4.2012 – 2 O 423/09, ZfSch 2013, 519 Rz. 34; vgl. auch Jacob, Unfallversicherung AUB 2010, Kommentierung zu 2.1. Rdnr.18). Eine subjektiv angegebene Schmerzhaftigkeit muss sich nur dann – wie von der Beklagten zitiert – in objektiven Befunden wie “schonbedingtem Muskelminus oberhalb der Messfehlerbreite oder auffälliger Minderbeschwielung” niederschlagen, wenn die Schmerzen im konkreten Einzelfall zwangsläufig mit einer sich in solchen Befunden niederschlagenden einseitigen Schonhaltung verbunden sein müssen; dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt das Urteil des OLG Koblenz vom 7.6.2013 – 10 U 1035/12 (VersR 2014, 1497).

Auf all diese Fragen kommt es vorliegend jedoch nicht an; denn der Sachverständige hat Differenzen zwischen der aktiven und passiven Beweglichkeit des Handgelenkes nicht festgestellt (Protokoll vom 1.12.2014 S. 3 oben), so dass von schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen nicht ausgegangen werden kann. Auch wenn der Kläger bei der aktiven Bewegung im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen – was er allerdings selbst nicht behauptet hat – gegen seine Schmerzen angearbeitet haben sollte und allein hierauf die gleichen Werte bei der aktiven und passiven Beweglichkeit zurückzuführen wären, ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige aufgrund einer Angemessenheitsbeurteilung bereits einen höheren Invaliditätsgrad angesetzt hat, als er sich rein rechnerisch auf der Grundlage der Bemessung der Funktionsbeeinträchtigungen ergibt (Gutachten S. 19 f.). Denn die Bewegungseinschränkung des Daumens und die Sensibilitätsstörungen ergeben einen Daumenwert von insgesamt 4/10. Dies entspricht einem Invaliditätsgrad von lediglich 8 % (4/10 aus 20 %). Die Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes im Vergleich zum linken Handgelenk (Gutachten S. 11) liegt unter 25 % und führt damit nach den Ausführungen auf S. 19 des Gutachtens zu keinem gesonderten Handwert. Wenn der Sachverständige gleichwohl “in der Subsumierung dieser Berechnung und unter Bezugnahme auf den Handwert” (S. 19 unten) die von dem vorbegutachtenden Kollegen festgestellte Gliedertaxenbewertung mit 1/5 des Handwertes entsprechend einer Invalidität von 11 % für angemessen eingeschätzt hat, liegt darin in wertender Betrachtung der “primären und sekundären Gesundheitsschäden” (S. 20) auch die Berücksichtigung der zuvor nicht in Gradzahlen der Gliedertaxe ausgedrückten weiteren dauerhaften Beeinträchtigungen. Auf dieser Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ist nicht ersichtlich, dass die ausdrückliche Berücksichtigung der schmerzbedingten Bewegungseinschränkung des Handgelenkes im Ergebnis zur Feststellung eines darüber hinausgehenden höheren Invaliditätsgrades geführt hätte. Die durch die Nervschädigung verursachten Berührungsschmerzen sind in der Bewertung der Sensibilitätsstörung enthalten. Eine selbständige Schmerzerkrankung infolge des Unfalls ist nicht behauptet; deren Berücksichtigung ist im Rahmen der Unfallversicherung ohnehin gemäß Ziffer 5.2.6. AUB ausgeschlossen, sofern diese krankhaften – psychischen – Störungen nicht unmittelbar physisch hervorgerufen wurden.

Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind, beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen binnen dreier Wochen Stellung zu nehmen.

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