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Private Pflegezusatzversicherung – Wirksamkeit einer Bedingungsanpassung

LG Düsseldorf – Az.: 9 S 16/18 – Urteil vom 01.08.2019

Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien sind über zwei private Pflegezusatzversicherungen miteinander verbunden. Versicherungsnehmer ist jeweils der Kläger zu 2), versicherte Person ist er in einem Fall selbst, im anderen Fall die Klägerin zu 1).

Nach Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) streiten die Parteien um die Änderung der Versicherungsbedingungen, welche die Beklagte im Schreiben vom Januar 2017 (Bl. 18 f. d.A.) mitgeteilt hat und welche am 01.03.2017 in Kraft getreten sind. Nach den alten Bedingungen war für die Kläger im Leistungsfall eine Beitragsbefreiung für die Pflegestufen I bis III vereinbart. Nach den neuen Bedingungen besteht eine Absicherung für die Pflegegrade 2 bis 5, wobei die Beitragsbefreiung bei Vorliegen der Pflegegrade 3 bis 5 gelten soll.

Die Kläger wenden sich mit der vorliegenden Klage gegen die Bedingungsanpassung, die nicht bereits eine Beitragsbefreiung ab Pflegegrad 2 vorsieht. Die Beklagte verteidigt die vorgenommene Änderung.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage zum Hauptantrag (Leistungsantrag auf Aufhebung der Anpassung) als unbegründet und zum Hilfsantrag (Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Bedingungsänderung) als unzulässig abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die sich zunächst auf die Klageabweisung zum Hauptantrag gerichtet hat, auf den Hinweis der Kammer jedoch sodann auf den Feststellungsantrag beschränkt wurde.

Von weiteren tatbestandlichen Ausführungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

1.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Kläger haben auf den Hinweis der Kammer zutreffend vom Leistungsantrag Abstand genommen und allein den Feststellungsantrag weiterverfolgt. Anders als das Amtsgericht es im angefochtenen Urteil angenommen hat, ist der Hauptklageantrag bereits unzulässig und nur der Feststellungsantrag zulässig.

Soweit der Versicherungsnehmer als Kläger gegen eine Bedingungsanpassung gemäß § 203 Abs. 3 VVG auftritt, kommt als Regelfall eine negative Feststellungsklage in Betracht. Wenn die Bedingungsanpassung in einer Verminderung der Versicherungsleistung besteht, kann der Versicherungsnehmer gegen das Versicherungsunternehmen Leistungsklage erheben (Langheid/Wandt/Boetius, 2. Aufl. 2017, VVG § 203 Rn. 1080-1081).

Vorliegend ist unstreitig, dass die Kläger noch keine Leistungen beziehen, der Versicherungsfall also noch nicht eingetreten ist. Bei ihnen sind keine Pflegestufen und keine Pflegegrade festgestellt worden. Dies gilt auch für den Zeitraum der streitigen Bedingungsanpassung. Eine Leistungsklage, die sich gegen eine Verminderung der Versicherungsleistung richtet, können die Kläger demnach (noch) nicht erheben. Auch wenn das Amtsgericht den Hilfsantrag auf Feststellung wegen des Vorrangs der Leistungsklage für unzulässig gehalten hat, ist allein ein solcher Feststellungsantrag zulässig.

Auf den Hinweis der Kammer haben die Kläger den zunächst gestellten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur „Aufhebung der Anpassung“, der so auch nicht vollstreckungsfähig wäre, zulässig in den bereits erstinstanzlich verfolgten Feststellungsantrag geändert. Diese Klageänderung ist sachdienlich. Das Klageziel kann nur über den Feststellungsantrag erreicht werden. Der Feststellungsantrag wurde bereits erstinstanzlich geltend gemacht und nur vorübergehend auf einen (nicht zutreffenden) gerichtlichen Hinweis nicht weiterverfolgt.

2.

In der Sache ist die Berufung unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Feststellung zu, dass die streitige Bedingungsanpassung unwirksam ist. Die Beklagte hat das Sonderanpassungsrecht nach der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen gesetzlichen Vorgaben für die bereits laufenden Verträge, die – wie hier die Kläger – noch keine Leistungen nach bereits eingetretenem Versicherungsfall beziehen und deshalb nicht unter den Bestandsschutz fallen, wirksam ausgeübt.

a)

Soweit die Kläger der Meinung sind, dass die Vorschrift des § 143 SGB XI auf die private Pflegezusatzversicherung nicht anwendbar sei, kann in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden. Die Anpassungsmöglichkeit ergibt sich aufgrund der gesetzlichen Änderungen infolge des PSG II und der hierfür zur Umsetzung geschaffenen Ermächtigungsgrundlage in § 143 SGB XI. Diese Vorschrift stellt klar, dass aus Anlass der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bei den betroffenen Versicherungsverhältnissen eine Anpassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der technischen Berechnungsgrundlagen entsprechend den bestehenden Regelungen (§ 203 VVG, § 12b VAG) möglich ist (BT-Drs. 18/5926, S. 145).

b)

Da die Ermächtigungsgrundlage nur die entsprechende Anwendung der Regelungen in § 203 VVG und in § 12b VAG festlegt, dürfte es nach Ansicht der Kammer nicht darauf ankommen, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen der beiden Regelungen im exakten Wortsinn und vollständig erfüllt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass die aus den beiden genannten gesetzlichen Regelungen folgenden Rechtsgrundsätze – in entsprechender Anwendung – beachtet werden. Dies ist vorliegend der Fall.

Insbesondere ist nicht erforderlich, dass einerseits die Voraussetzungen der Bedingungsanpassung nach § 203 Abs. 3 VVG und andererseits die Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG vollständig erfüllt sind. Der Anpassungsbedarf als solcher ergibt sich durch die gesetzliche Änderung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit und der damit verbundenen Umstellung der bisherigen Pflegestufen auf die Pflegegrade. Dabei hat der Gesetzgeber in der Ermächtigungsgrundlage in § 143 SGB XI keinen ausschließlichen alternativen Weg (entweder Bedingungs- oder Prämienanpassung) für möglich gehalten, sondern auch einen kumulativen. Dies ergibt sich daraus, dass in § 143 Abs. 1 SGB XI davon die Rede ist, dass der Versicherer auch für bestehende Versicherungsverhältnisse seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen ändern kann, und nach Abs. 2 der Versicherer „zudem“ berechtigt ist, auch für bestehende Versicherungsverhältnisse die technischen Berechnungsgrundlagen insoweit zu ändern, als die Prämien daran angepasst werden. Gleiches ergibt sich aus Absatz 3 Satz 1, wonach dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen nach Absatz 1 „und“ die Neufestsetzung der Prämien nach Absatz 2 unter Kenntlichmachung der Unterschiede sowie unter Hinweis auf die hierfür maßgeblichen Gründe in Textform mitzuteilen sind.

Eine solche kumulative Umsetzung hat die Beklagte hier vorgenommen. Sie hat die Anpassung in kombinierter Form aus Bedingungsanpassung und Prämienanpassung vorgenommen. Die Kläger greifen jedoch nur isoliert die Bedingungsanpassung an, ohne auf das hier vorliegende Abhängigkeitsverhältnis von Bedingungsanpassung einerseits und Prämienanpassung andererseits einzugehen.

Aus der Änderungsmitteilung ergibt sich, dass die bisherigen Pflegestufen I bis III durch die neuen Pflegegrade 2 bis 5 ersetzt werden (obere Tabelle auf der zweiten Seite). Auch der Gesetzgeber sieht in § 140 Abs. 2 SGB XI einen sog. Stufensprung vor (bisherige Pflegestufe jeweils plus 1 = neuer Pflegegrad). Die Argumentation der Beklagten fußt nun ganz überwiegend auf der Begründung, dass wegen der durch das PSG II gestiegenen Leistungen im Fall der Gewährung einer Beitragsbefreiung bereits ab Pflegestufe 2 empfindliche Prämienerhöhungen vorgezeichnet sind. Dieser Argumentation, welcher sich das Amtsgericht angeschlossen hat, haben die Kläger jedoch weder erst- noch zweitinstanzlich widersprochen. Sie stellen die Prämienerhöhung infolge des PSG II vielmehr weder dem Grunde noch der Höhe nach in Abrede. Damit zeigen die Kläger bereits nicht schlüssig auf, aus welchen Gründen die Beklagte zu der Anpassung nicht berechtigt gewesen sein sollte. Allein aus der isolierten Betrachtung der Bedingungsanpassung ergibt sich die fehlende Berechtigung jedenfalls nicht. Nachdem zwischen den Parteien auch in zweiter Instanz weiterhin unstreitig ist, dass in dem Falle, dass bei einer Beitragsbefreiung bereits ab Pflegegrad 2 eine höhere Prämienerhöhung erforderlich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten vorgenommene Bedingungsanpassung nicht der systematisch richtige Weg ist, um die notwendige Äquivalenz von Versicherungsschutz und Versicherungsbedarf nach dem Eingriff des Gesetzgebers durch die Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade weiterhin zu gewährleisten.

Damit kann letztlich auch offenbleiben, ob die von der Beklagten behauptete Nachteilsfreiheit nach der Leistungsbarwertmethode gegeben ist oder der von ihr behauptete Vorrang der Bedingungsanpassung vor der Prämienanpassung zutreffend ist. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zielsetzungen beider Anpassungsmöglichkeiten (Bedingungsanpassung zur Erhaltung der Äquivalenz und Prämienanpassung zur Wiederherstellung der Äquivalenz, vgl. hierzu ausführlich: Boetius in: Langheid/Wandt/Boetius, VVG 2. Aufl. 2017, § 203 Rz. 989 ff.), hat die Beklagte die Vorgaben aus der entsprechenden Anwendung von § 203 VVG jedenfalls eingehalten. Denn eine allgemeine Aussage dazu, ob eine Prämienanpassung oder eine Bedingungsanpassung grundsätzlich milder ist, ist nicht möglich. Dies hängt vielmehr jeweils vom konkreten Ausmaß und Umfang beider Anpassungen ab. Weiterhin ist mit dem Problem einer Subsidiarität im Verhältnis zwischen Prämien- und Bedingungsanpassung nicht zu verwechseln die ganz andere Frage, ob reinen Kostensteigerungen mit dem Mittel der Bedingungsanpassung durch Leistungseinschränkungen dann begegnet werden kann, wenn sie ein solches Ausmaß erreichen, dass sie sich nicht mit relativ maßvollen Prämienerhöhungen bewältigen lassen (Boetius, a.a.O. Rz. 994, 993).

Ausgehend von dem Umstand, dass die Kläger den Vortrag der Beklagten nicht in Abrede gestellt hat, hat das Amtsgericht im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils ausgeführt: „Eine Erstreckung der Beitragsbefreiung auf Pflegegrad 2 hätte eine maßgeblich stärkere Prämienerhöhung zur Folge gehabt.“ Eine weitere Überprüfung der Bedingungsanpassung ist daher nicht angezeigt. Die Kläger haben auch nicht geltend gemacht, dass die gewählte Bedingungsanpassung unter mehreren denkbaren Bedingungsanpassungsalternativen nicht diejenige ist, die in den bisher vereinbarten Versicherungsschutz am wenigsten eingreift (vgl. Boetius, a.a.O. Rz. 1056). Dem in § 203 VVG enthaltenen Merkmal der Wahrung der Versichertenbelange kann im Übrigen nicht entnommen werden, dass die Bedingungsanpassung zu keiner Schlechterstellung der Versicherungsnehmer führen dürfe. Es liegt – wie im Falle der Prämienanpassung – gerade in der Natur der einseitigen Vertragsänderung, dass sie in Positionen der Versicherungsnehmer eingreifen kann. Dass dem so ist, ergibt sich im Übrigen aus § 205 Abs. 4 VVG, der dem Versicherungsnehmer ein Kündigungsrecht einräumt, wenn das Versicherungsunternehmen aufgrund einer Anpassungsklausel die Leistung vermindert (vgl. Boetius, a.a.O. Rz. 1053). Auf das Sonderkündigungsrecht (§ 143 Abs. 4 SGB XI i.V.m. §§ 203, 205 Abs. 4 VVG) hat die Beklagte die Kläger in der Änderungsmitteilung hingewiesen. Die Kläger haben dieses nicht in Anspruch genommen.

Auch im Übrigen ist die Änderungsmitteilung unter Berücksichtigung von § 143 Abs. 3 SGB XI wirksam. Dass die Änderungsmitteilung sowohl aus einer Beitragsanpassung als auch aus einer Änderung der Versicherungsbedingungen zum 1. März 2017 besteht, ergibt sich schon aus der durch Fettdruck hervorgehobenen Betreffangabe aber auch inhaltlich aus Seite 2 in Verbindung mit den übersandten Nachträgen zum Versicherungsschein. Die Änderungsmitteilung nimmt auch darauf Bezug, dass durch das PSG II unstreitig zukünftig Mehrleistungen im Versicherungsschutz enthalten sind. Und die beiden Tabellen erklären übersichtlich die Änderungen. Auch wenn die fehlende Beitragsbefreiung für Pflegegrad 2 sich nicht aus dem Fließtext ergibt, ist dies durch den Vergleich der beiden Tabellen offensichtlich, was ausreichend ist.

Die zeitlichen Voraussetzungen nach § 143 Abs. 3 S. 2 SGB XI sind schließlich ebenfalls eingehalten.

c)

Soweit das Treuhänderverfahren betroffen ist, war ebenfalls in erster Instanz unstreitig, dass ein unabhängiger Treuhänder der Anpassung zugestimmt hat. Dass die Kläger die Unabhängigkeit des Treuhänders erstmals im Berufungsverfahren in Zweifel ziehen, ist ein neues Angriffsmittel, welches nach § 531 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen ist. Zulassungsgründe nach § 531 Abs. 2 ZPO sind weder von den Klägern vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Im Übrigen ist nach der Entscheidung des BGH vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, die Frage der Unabhängigkeit des Treuhänders ohnehin von den Zivilgerichten nicht zu prüfen.

3)

Die Kläger wurden im Termin zur mündlichen Verhandlung ausführlich über das Ergebnis der Vorberatung der Kammer informiert, insbesondere, dass ihr Vortrag dazu, dass die Anpassung unzulässig sei, ohne zu bezeichnen, welche Voraussetzung konkret fehlt, nicht ausreichend ist und die Frage, welche Änderungsart im Licht von § 203 VVG vorrangig ist, vorliegend obsolet ist, weil § 143 SGB XI hierzu als lex specialis zu qualifizieren ist. Die Kläger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme im Termin. Einen Schriftsatznachlass haben sie nicht beantragt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 5.000,00 EUR festgesetzt.

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