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Private Krankenversicherung – Zulässigkeit einer Stufenklage

Gerichtsurteil: Stufenklage in der privaten Krankenversicherung scheitert an fehlendem Zusammenhang zwischen Auskunft und Leistungsanspruch

Wenn es um die private Krankenversicherung geht, stehen oft komplexe rechtliche Fragen im Mittelpunkt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Zulässigkeit einer sogenannten Stufenklage. Hierbei handelt es sich um ein juristisches Instrument, das Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, zunächst Auskunft über mögliche Ansprüche zu verlangen, bevor sie diese dann konkret beziffern und einklagen.

Wann eine solche Stufenklage zulässig ist und welche Hürden es dabei zu beachten gilt, erläutert der folgende Beitrag anhand eines aktuellen Gerichtsurteils. Der Blick in die Rechtsprechung zeigt, dass die Gerichte bei dieser Thematik eine sehr präzise und restriktive Sichtweise einnehmen.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 20 U 77/23 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Voraussetzungen für eine Stufenklage nach § 254 ZPO lagen im vorliegenden Fall nicht vor.
  • Die von der Klägerin begehrte Auskunft diente nicht der Bestimmbarkeit eines konkreten Leistungsanspruchs, sondern der Klärung, ob überhaupt ein Anspruch gegen die beklagte Versicherung besteht.
  • Für eine Stufenklage ist es nicht ausreichend, lediglich das Bestehen eines Anspruchs auszuforschen. Vielmehr muss es um die Bezifferung eines bereits bestehenden Anspruchs gehen.
  • Die Klägerin konnte nicht konkret darlegen, welche ihrer Tarife zu welchen Zeitpunkten von unwirksamen Beitragserhöhungen betroffen waren.
  • Eine mit der Berufung erfolgte Klageänderung bzw. Klageerhöhung ist im Rahmen von § 522 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen.
  • Ein gestellter Feststellungsantrag zur Nutzung und Verzinsung bleibt im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt.
  • Eine etwaige Konkretisierung der Klageanträge auf bestimmte Beitragsanpassungen wäre als neue Klageänderung zu werten.

➜ Der Fall im Detail


Private Krankenversicherung – Stufenklage wegen Erstattungsansprüchen

Im vorliegenden Fall geht es um die Klage einer Versicherten gegen ihren privaten Krankenversicherer. Die Klägerin begehrte die Erstattung von Beiträgen, die sie in der Vergangenheit an den Versicherer gezahlt hatte.

Stufenklage bei PKV
(Symbolfoto: Robert Kneschke /Shutterstock.com)

Sie war der Ansicht, dass die Beiträge zu hoch angesetzt waren und sie daher einen Anspruch auf Rückerstattung habe. Da ihr jedoch die genauen Berechnungsgrundlagen des Versicherers nicht bekannt waren, stellte sie zunächst einen Antrag auf Auskunftserteilung im Wege der Stufenklage. Mit diesem Antrag wollte sie erreichen, dass der Versicherer ihr die notwendigen Informationen zur Verfügung stellt, um ihre Erstattungsansprüche präzise beziffern zu können.

Die Herausforderung des Falls liegt in der Zulässigkeit der Stufenklage. Diese ist nur unter bestimmten Voraussetzungen gegeben, insbesondere dann, wenn die Auskunft dazu dient, einen unbestimmten Leistungsanspruch konkretisieren zu können.

Gericht weist Stufenklage ab – Auskunft dient nicht der Bezifferung der Ansprüche

Das Gericht hat die Stufenklage der Versicherten abgewiesen. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass die Voraussetzungen für eine Stufenklage nicht vorliegen. Zwar sei die Klägerin berechtigt, Auskunft über die Berechnungsgrundlagen ihrer Beiträge zu verlangen. Diese Auskunft diene jedoch nicht dazu, ihre Erstattungsansprüche zu beziffern, sondern lediglich dazu, die Rechtmäßigkeit der Beitragsbemessung zu überprüfen. Damit fehle es an dem notwendigen Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsantrag, der für die Zulässigkeit einer Stufenklage erforderlich ist.

Das Gericht betonte, dass die Stufenklage kein Instrument sei, um allgemein die Prozessführung zu erleichtern oder um Informationen über die Rechtsverfolgung zu erlangen. Vielmehr müsse die Auskunft unmittelbar der Bezifferung des Leistungsanspruchs dienen.

Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Klägerin ihre Erstattungsansprüche nicht im Wege der Stufenklage geltend machen kann. Sie müsste ihre Ansprüche stattdessen konkret beziffern und direkt einklagen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist eine Stufenklage und wann wird sie angewendet?

Eine Stufenklage ermöglicht es dem Kläger, schrittweise die für die Bezifferung seines Anspruchs erforderlichen Informationen vom Beklagten zu erlangen. Dabei wird zunächst ein Auskunftsanspruch geltend gemacht, um anschließend basierend auf den erhaltenen Informationen den konkreten Leistungsanspruch zu beziffern.

Die Stufenklage findet insbesondere dann Anwendung, wenn der Kläger die genaue Höhe seines Anspruchs mangels ausreichender Informationen noch nicht beziffern kann. Ein typischer Anwendungsfall ist die Geltendmachung von Ansprüchen gegen private Krankenversicherer im Zusammenhang mit Beitragsanpassungen. Hier benötigt der Versicherungsnehmer oftmals zunächst Auskunft über die Berechnungsgrundlagen und Kalkulation der Beitragserhöhungen, um die Wirksamkeit der Anpassungen überprüfen und eventuelle Rückforderungsansprüche beziffern zu können.

Allerdings ist eine Stufenklage nur dann zulässig, wenn die begehrte Auskunft unmittelbar dazu dient, den geltend gemachten Zahlungs- oder Herausgabeanspruch zu konkretisieren. Eine Auskunftsklage, mit der lediglich in Erfahrung gebracht werden soll, ob die Beitragserhöhungen aus formellen Gründen unwirksam sind, ist hingegen unzulässig. Zudem muss der Kläger darlegen, warum ihm eine Auswertung der bereits vorliegenden Unterlagen nicht selbst möglich ist.

Die prozessualen Voraussetzungen einer Stufenklage sind in § 254 ZPO geregelt. Erforderlich ist, dass in der Klageschrift mindestens zwei Anträge im Stufenverhältnis miteinander verbunden werden. Der Leistungsantrag kann dabei zunächst unbestimmt bleiben und die genaue Bezifferung bis zur Erteilung der Auskunft vorbehalten werden.

Welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Stufenklage erfüllt sein?

Für eine erfolgreiche Stufenklage müssen folgende wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Unmittelbarer Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsanspruch: Die begehrte Auskunft muss dazu dienen, den geltend gemachten Leistungsanspruch zu konkretisieren und zu beziffern. Ein nur mittelbarer Zusammenhang reicht nicht aus.
  • Bestehen eines Anspruchs auf Auskunft oder Rechnungslegung: Es muss ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Auskunft oder Rechnungslegung gegeben sein, z.B. aus Vertrag, Gesetz oder Treu und Glauben (§ 242 BGB).
  • Bestimmtheit des Auskunftsantrags: Der Auskunftsantrag muss hinreichend bestimmt formuliert sein, so dass der Streitgegenstand klar abgegrenzt ist und ggf. eine Zwangsvollstreckung möglich wäre.
  • Klagehäufung in zulässiger Weise: Die Ansprüche auf Auskunft und Leistung müssen im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO miteinander verbunden werden. Mindestens zwei Anträge im Stufenverhältnis sind in der Klageschrift erforderlich.
  • Leistungsantrag darf zunächst unbestimmt bleiben: Der Leistungsantrag kann anfangs offen formuliert werden, die genaue Bezifferung darf bis zur Auskunftserteilung vorbehalten bleiben.
  • Rechtsschutzbedürfnis für Auskunftserteilung: Der Kläger muss darlegen, warum ihm eine Auswertung bereits vorliegender Unterlagen nicht selbst möglich ist und er daher die gerichtliche Hilfe benötigt.

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Stufenklage zulässig. Andernfalls droht die Abweisung als unzulässig, wobei ggf. eine Umdeutung in eine objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO in Betracht kommt.

Was passiert, wenn das Gericht eine Stufenklage ablehnt?

Wenn das Gericht eine Stufenklage als unzulässig ablehnt, hat dies folgende Konsequenzen:

  • Abweisung als unzulässig: Die Klage wird durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, wenn die Voraussetzungen für eine Stufenklage nicht vorliegen, insbesondere wenn kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsanspruch besteht.
  • Umdeutung in objektive Klagehäufung: Eine unzulässige Stufenklage wird in der Regel in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO umgedeutet. Dann ist über die einzelnen „Stufen“ unabhängig voneinander zu entscheiden.
  • Bestimmtheitserfordernis: Bei einer Umdeutung in eine objektive Klagehäufung können Bedenken gegen die Zulässigkeit der Leistungs- bzw. Feststellungsanträge bestehen, da deren Bestimmtheit im Hinblick auf die bisherige Stufung nun nicht mehr offen gelassen werden darf.
  • Informationsbeschaffung auf anderem Weg: Der Kläger muss die für die Bezifferung seines Anspruchs erforderlichen Informationen auf anderem Wege beschaffen, wenn die Stufenklage abgelehnt wird und der Auskunftsanspruch nicht durchsetzbar ist.
  • Kostenrisiko: Bei Ablehnung der Stufenklage droht dem Kläger die Kostenlast nach § 91 ZPO, wenn er nicht in der Lage ist, seinen Anspruch anderweitig schlüssig darzulegen und zu beziffern.

Das Gericht klärt mit der Ablehnung einer Stufenklage, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen und der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht der Bezifferung des eigentlichen Leistungsanspruchs dient. Der Kläger muss dann prüfen, ob er seinen Anspruch auch ohne die begehrten Auskünfte schlüssig darlegen und beziffern kann.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 522 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph regelt, dass Berufungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen werden können, wenn die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Im vorliegenden Fall plant das Oberlandesgericht Köln, die Berufung der Klägerin aus diesen Gründen zurückzuweisen.
  • § 254 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph erlaubt es, im Rahmen einer Stufenklage zunächst den Beklagten zur Auskunftserteilung zu verpflichten, bevor der eigentliche Leistungsanspruch beziffert wird. Im Kontext der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln wird deutlich, dass das Landgericht einen solchen Ansatz für unzulässig erachtet, da die erforderlichen Voraussetzungen für eine Stufenklage nicht gegeben waren.
  • § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Zivilprozessordnung): Gemäß diesem Paragraphen muss eine Klage den Grund des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Stufenklage ist eine Ausnahme von dieser Regel, da sie es ermöglicht, den Antrag zunächst unbestimmt zu lassen, bis der Gläubiger durch geforderte Auskünfte in der Lage ist, seinen finanziellen Anspruch genau zu beziffern.
  • § 529 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Berücksichtigung von Tatbeständen in der Berufungsinstanz, die bereits im ersten Gerichtsverfahren festgestellt wurden. Er spielt eine Rolle in der Begründung des Oberlandesgerichts Köln, die Entscheidung des Landgerichts zu bestätigen, weil keine neuen Tatsachen vorliegen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.
  • BGH, Urteil vom 27. September 2023, IV ZR 177/22: Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs wird im vorliegenden Fall zitiert, um die Unzulässigkeit der Stufenklage unter bestimmten Umständen zu unterstreichen. Es verdeutlicht die strenge Auslegung und Anwendung der Regelungen zur Stufenklage in der deutschen Rechtsprechung.

Jeder dieser Punkte spielt eine entscheidende Rolle in der rechtlichen Argumentation des Oberlandesgerichts Köln, das die Berufung der Klägerin hauptsächlich aufgrund formaler und prozessualer Gesichtspunkte als unbegründet ansieht.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: 20 U 77/23 – Beschluss vom 02.01.2024

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Februar 2023 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 20 O 254/22 – ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist [§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO].

Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen [§§ 529, 531 ZPO] eine andere Entscheidung [§ 513 ZPO].

Das Landgericht hat die Klage vielmehr im Ergebnis zu Recht in dem aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung ersichtlichen Umfang abgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine zu ihren Gunsten abweichende Entscheidung im Ergebnis nicht und bietet lediglich Veranlassung für folgende ergänzende Anmerkungen:

1.

Soweit die Klägerin mit der Berufung als Berufungsantrag zu 1. den vom Landgericht zugesprochenen ursprünglichen Klageantrag zu 1. wiederholt, versteht der Senat dies dahingehend, dass der Antrag nur deshalb aufgenommen worden ist, um das Stufenverhältnis zu den Berufungsanträgen zu 2. und 3. zum Ausdruck zu bringen. Denn im Hinblick auf den Zeitraum von 2009 bis 2021 ist eine antragsgemäße Verurteilung zur Auskunftserteilung durch die Vorlage von Nachträgen zum Versicherungsschein und von Unterlagen zu etwaigen Tarifwechseln durch das Landgericht bereits erfolgt. Einer Berufung würde es insoweit an der erforderlichen Beschwer fehlen.

2.

Das Landgericht hat den erstinstanzlich von der Klägerin unter Ziffer 2. im Wege der Stufenklage gestellten Zahlungsantrag, den die Klägerin mit ihrer Berufung weiterverfolgt, zu Recht als unzulässig abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Entgegen der Rüge der Berufung ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für ein Vorgehen im Wege der Stufenklage nicht vorliegen [so in einem vergleichbaren Fall nunmehr auch BGH, Urteil vom 27. September 2023, IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490, Juris-Rz- 22 ff., 24].

Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die ein Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. § 254 ZPO schafft damit eine Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen unbestimmten Leistungsanspruch zu verfolgen. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Die im Rahmen der Stufenklage verfolgte Rechnungslegung ist lediglich ein Hilfsmittel, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die Stufenklage soll es einer klagenden Partei ermöglichen, sich die „bestimmte Angabe der Leistungen“, die beansprucht werden soll, vorzubehalten, bis ihr die begehrte Information im Prozess erteilt wird. Die Besonderheit der Stufenklage besteht damit nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO [vgl. hierzu: OLG Köln, Urteil vom 29. September 2023, 20 U 262/22, NJOZ 2023, 1508, veröffentlicht auch in beck-online, dortige Rn. 24 ff., 26, sowie Urteil vom 26. Juli 2019, 20 U 75/18, VersR 2020, 81, Juris-Rn. 312]. Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht deshalb nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll [BGH, Urteil vom 17. September 2023, IV ZR 177/22, NJW 203, 3490, Juris-Rn. 22 ff., 24 m. w. N.; BGH, Urteil vom 29. März 2011, VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79, Juris-Rn. 8; BGH, Urteil vom 18. April 2002, VII ZR 260/01, MDR 2002, 1188, Juris-Rn. 16]. Wenn und soweit die begehrte Auskunft nicht dem Zwecke der Bestimmbarkeit eines Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger vielmehr sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen zur Rechtsverfolgung verschaffen soll, sind die Voraussetzungen für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO nicht erfüllt [vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2011, VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79, Juris-Rn. 10; OLG Köln, Urteil vom 29. September 2023, 20 U 262/22, NJOZ 2023, 1508, veröffentlicht auch in beck-online, dortige Rn. 24 ff., 26, sowie Urteil vom 26. Juli 2019, 20 U 75/18, VersR 2020, 81, Juris-Rn. 312].

Dass dies hier der Fall ist, hat das Landgericht ausgehend von dem in erster Instanz erfolgten Vortrag der Klägerin zutreffend festgestellt. Diesem war zu entnehmen, dass die Klägerin Auskünfte verlangte, um überhaupt erst prüfen zu können, ob und wann ggf. unwirksame Beitragsanpassungen erfolgt sind. Daraus folgte, dass die Klägerin sich erst aufgrund der von der Beklagten zu erteilenden Auskünfte in der Lage sieht zu prüfen, ob ihr überhaupt Zahlungsansprüche wegen etwa erfolgter Beitragsüberzahlungen gegen die Beklagte zustehen würden. Das vorrangige Ziel ihres Auskunftsantrags war also – hiervon musste das Landgericht aufgrund des erfolgten Vortrags ausgehen – nicht die Bezifferung eines Leistungsanspruchs, sondern die Klärung der Frage, ob überhaupt ein Rechtsverstoß der Beklagten gegeben ist, der einen Zahlungsanspruch dem Grunde nach rechtfertigt. Dies reicht für die Zulässigkeit eines unbezifferten Zahlungsantrags nicht aus [BGH, Urteil vom 27. September 2023, IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490, Juris-Rz- 22 ff., 24; OLG Köln, Urteil vom 29. September 2023, 20 U 262/22, NJOZ 2023, 1508, veröffentlicht auch in beck-online, dortige Rn. 24 ff., 26/27; ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2021, 20 U 269/21, RuS 2022, 93, Juris-Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 24. November 2021, 14 U 6205/21, RuS 2022, 94, Juris-Rn. 68 ff.; OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022, 8 U 2907/21, VersR 2022, 622, Juris-Rn. 32 ff.; Bacher in: BeckOK ZPO, 46. Ed., Stand 1. September 2022, § 254 Rn. 4.1].

Die Berufung möchte dem zwar offenbar entgegensetzen, dass vorliegend nicht das Bestehen eines Anspruchs ausgeforscht werden solle, sondern nur die Höhe der Rückforderungsansprüche fraglich sei. Die Klägerin wisse nämlich, zu welchen Zeitpunkten Beitragsanpassungen stattgefunden hätten und dass diese formell unzureichend gewesen seien. Mangels Vorliegens der Nachträge zum Versicherungsschein sei ihr nur eine Bezifferung der maßgeblichen Beitragserhöhungen nicht möglich. Hiermit dringt die Berufung jedoch nicht durch. Denn dass das Gegenteil der Fall ist, ergibt sich sowohl aus dem prozessualen Begehren als auch dem eigenen Vorbringen der Klägerin. Wäre die Klägerin tatsächlich nur über die Höhe eines ihr zustehenden Anspruchs im Unklaren, weil ihr nur die Höhe der Beitragserhöhungen nicht bekannt wäre, wäre nicht ersichtlich, wozu die von ihr für die Jahre 2009 ff. begehrten und vom Landgericht zugesprochenen Auskünfte benötigt und mit dem unbezifferten Zahlungsantrag im Wege der Stufenklage verknüpft werden sollen. Denn die Klägerin begehrt hier nicht lediglich Auskunft über die Höhe von ihr konkret nach Tarif und Zeitpunkt der Anpassung benannten Erhöhungen. Sie begehrt vielmehr umfassende Auskunft über alle Beitragsanpassungen in den Jahren 2009 ff. unter Zurverfügungstellung geeigneter Unterlagen, aus denen die einzelnen Tarife der Klägerin und jeweils die Zeitpunkte und die konkrete Höhe der jeweiligen Beitragsanpassungen ersichtlich sind. Entsprechend ist zudem der unbezifferte Zahlungsantrag auch weiterhin nicht auf bestimmte Beitragsanpassungen konkretisiert worden, sondern verhält sich umfassend über erst noch zu bezeichnende Neufestsetzungen der Prämie nach Erteilung der begehrten Auskunft. Es mag sein, dass die klägerischen Prozessbevollmächtigten aufgrund von in anderen Verfahren erlangten Kenntnissen zu wissen meinen, dass die Beklagte in den fraglichen Jahren unwirksame Beitragsanpassungen vorgenommen hat. Und es mag sein, dass es zu jedem 1. Januar sämtlicher Jahre von 2009 bis 2021, die die Klägerin zu den von ihr nach ihrem Vortrag gehaltenen Tarifen V323S3 und EBE63 in ihrer Berufungsbegründung jeweils aufgelistet hat [S. 6/7 ihrer Berufungsbegründung], vorstellbar ist, dass es zu einer Beitragsanpassung in einem der genannten Tarife gekommen sein könnte. Die Klägerin sieht sich aber nach ihrem Vortrag offenkundig auch weiterhin außer Stande, konkret darzulegen, welche der von ihr gehaltenen Tarife wann, aus welchem konkreten Grund und in welchem konkreten Zeitraum von unwirksamen Erhöhungen betroffen sind oder waren. Dies betrifft aber nicht allein Fragen der Bezifferung, sondern der Bestimmtheit des Klageantrags, die insbesondere die Konkretisierung der Beitragsanpassung nach Tarif und Datum erfordert. Dem entspricht es, dass die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorträgt, die begehrte Auskunft für die Feststellung zu benötigen, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte die Beiträge in welchem Tarif erhöht hat.

3.

Soweit die Klägerin mit der Berufung ihre Klage um Feststellungsanträge betreffend die Nutzungen und die Verzinsung der Nutzungen erweitert hat [Berufungsanträge zu 3. a) und b)], ist hierüber im Rahmen der Beschlussfassung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht zu entscheiden. Denn eine mit der Berufung vorgenommene Klageerweiterung bzw. Klageerhöhung ist im Rahmen einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO weder auf ihre Zulässigkeit noch auf ihre Begründetheit zu prüfen; der neue Antrag bleibt vielmehr unberücksichtigt; mit der Zurückweisung der Berufung durch den Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, der sich allein mit dem Angriff auf die erstinstanzliche Entscheidung befasst, wird die Klageerweiterung analog § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos [BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022, VIII ZR 37/21, veröffentlicht in Juris, Juris-Rn. 32/33 m. w. N.; BGH, Urteil vom 3. November 2016, III ZR 84/15, NJW-RR 2017, 56, Juris-Rn. 14 m. v. w. N..; BGH, Urteil vom 6. November 2014, IX ZR 204/13, NJW 2015, 251, Juris-Rn. 2 m. w. N. – st. Rspr.; vgl. hierzu auch etwa: Zöller/Heßler, ZPO, Komm., 34. Aufl., 2022, § 522 Rn. 37 m. v. w. N.]. Angemerkt sei allerdings gleichwohl in der gebotenen Kürze, dass für die von der Klägerin im Wege der Stufenklage gestellten Berufungsanträge zu 3. a) und b) das oben unter 2. zu dem Berufungsantrag zu 2. Ausgeführte entsprechend gelten dürfte.

4.

Mit Blick auf zahlreiche ähnlich gelagerte Verfahren weist der Senat im Übrigen vorsorglich schon jetzt darauf hin, dass in einer etwa nunmehr beabsichtigten Konkretisierung der Anträge auf bestimmte, nach Datum und Tarif bezeichnete Beitragsanpassungen und / oder Bezifferung der Anträge eine Klageänderung zu sehen wäre, weil es sich insoweit um einen neuen Streitgegenstand handeln würde. Insoweit läge nicht nur ein Übergang von der Auskunfts- auf die Zahlungsstufe im Rahmen einer Stufenklage vor, weil ein solcher Übergang das Vorliegen einer zulässigen Stufenklage voraussetzt, an der es hier aber – wie ausgeführt – fehlt. Auch ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO läge nicht vor. Eine Klageänderung wäre damit nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig, die hier aber nicht vorliegen dürften.

5.

Abschließend sei vorsorglich auf die dem Rechtsmittelführer bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO verloren gehende Möglichkeit kostensparender Rücknahme der Berufung [vgl. Nr. 1222 KV zum GKG] hingewiesen.

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