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Private Krankenversicherung – wahrheitswidrige Beantwortung Gesundheitsfragen

LG Essen – Az.: 18 O 270/18 – Urteil vom 24.07.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand einer privaten Krankenversicherung.

Sie waren durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag zu der Nummer … miteinander verbunden. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (…) der Beklagten zugrunde.

Zum Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages kam es wie folgt. Der Kläger beantragte unter dem 13.06.2016 Versicherungsschutz, indem er ein Antragsformular der Beklagte ausfüllte. In dem Antrag wurde u.a. folgende Gesundheitsfrage gestellt:

„Fanden in den letzten drei Jahren Untersuchungen oder Behandlungen statt? Wenn ja, welche, wann, wegen welcher Beschwerden, was wurde festgestellt (auch Pflegebedürftigkeit und Schwangerschaft), wer kann Auskunft geben?“

Der Kläger beantwortete die Frage mit „Ja“ und teilte hierzu ergänzend mit: „Routineuntersuchung ohne Befund, behandlungs- und beschwerdefrei“.

Der Antrag enthielt unmittelbar über den Gesundheitsfragen sowie auf Seite sieben einen Hinweis auf die Folgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und insbesondere einen Hinweis auf einen möglichen Rücktritt und dessen Voraussetzungen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Antrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage K2, Blatt 31 ff. d. A.) verwiesen.

Die Parteien schlossen sodann den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit dem vereinbarten Beginn 01.05.2016. Aufgrund der verspäteten Kündigungsbestätigung der vormaligen Krankenversicherung des Klägers wurde der Versicherungsbeginn auf den 01.10.2016 verlegt.

Unter dem 19.12.2016 erfolgte eine Tarifumstellung. In dem entsprechenden Antrag gab der Kläger an: „Seit Antragstellung keine gesundheitlichen Änderungen. Eine Routineuntersuchung ohne Befund, behandlungs- und beschwerdefrei“ (zu den Einzelheiten Anlage B9).

Anfang des Jahres 2018 holte die Beklagte im Rahmen eines Leistungsfalles Auskünfte zum Gesundheitszustand des Klägers u.a. von dem gesetzlichen Vorversicherer, der B, ein. Diese teilte unter dem 14.02.2018 folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers mit:

……………..

Dem liegt Folgendes zugrunde: Der Kläger erlitt im Dezember 2013 bei einem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma und begab sich im Anschluss daran wegen Rückenbeschwerden in die Behandlung des Arztes Herrn E. Der weitere Behandlungsverlauf ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger begab sich darüber hinaus im Juli 2013 zu einer kardiologischen Vorsorgeuntersuchung im F1-Krankenhaus in F, wobei sich keinerlei Auffälligkeiten ergaben.

Mit Schreiben vom 01.03.2018 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag unter Berufung auf vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 12.03.2018. In der darauf folgenden Korrespondenz zwischen den Parteien hielt die Beklagte an ihrer Rücktrittserklärung fest.

Der Kläger behauptet, er sei lediglich einmal im Dezember bei Herrn E gewesen. Herr E habe ihm erklärt, die Rückenbeschwerden würden sich mit der Zeit geben, ohne dass etwas veranlasst werden müsste. Dies sei dann auch so gewesen. Zu weiteren Behandlungen sei der Kläger nicht bei Herrn E gewesen. Insbesondere hätten auch keine Bestrahlungen stattgefunden. Der Kläger habe auch nie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bekommen. Er habe darüber hinaus nicht unter einer Spondylose gelitten. Die Diagnose sei von dem Arzt Herrn E nur zu Abrechnungszwecken gestellt worden, sie sei dem Kläger jedoch nie mitgeteilt worden.

Der Kläger beantragt,

1.  festzustellen, dass die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 01,03.2018 unwirksam ist und das Krankenversicherungsvertragsverhältnis zur Versicherungsnummer … gemäß Versicherungsschein vom 20.12.2016 unverändert weiterbesteht,

2.  die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in Höhe von 893,45 Euro von der Gebührenforderung seines nunmehr Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt zunächst die Zulässigkeit des Feststellungsantrags zu 1) und ist der Ansicht, das unveränderte Fortbestehen könne aufgrund der jährlich vorzunehmenden Beitragsanpassungen nicht festgestellt werden.

In der Sache behauptet die Beklagte, der Kläger habe die Gesundheitsfragen falsch beantwortet und die Beklagte dadurch über das zu versichernde Risiko getäuscht. Eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Untersuchungen und Beschwerden habe auch unabhängig von der Kenntnis etwaiger Diagnosen bestanden. Sie hätte bei Kenntnis der Untersuchungen und der Diagnosen Kreuzschmerzen, Spondylose mit Radikulopathie sowie der nicht näher bezeichneten Herzkrankheit und den daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen den Versicherungsantrag des Klägers nicht angenommen.

Darüber hinaus könne der Kläger Freistellung von den Forderungen für außergerichtliche Tätigkeiten des jetzigen Prozessbevollmächtigten nicht verlangen, da die Beklagte bereits gegenüber der Kanzlei C, von welcher der Kläger zunächst außergerichtlich vertreten worden sei, an ihrem Rücktritt festgehalten habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2019 verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 13.02.2019, 29.05.2019 sowie 03.07.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig. Der Antrag zu 1) ist dahingehend auszulegen, dass die Fortführung des Vertrages zu den derzeit gültigen Konditionen beantragt wird und nicht, dass der Vertrag zu den Konditionen gemäß Versicherungsschein vom 20.12.2016 weiterbesteht und insbesondere Beitragserhöhungen nicht mehr durchgeführt werden können. Der so auszulegende Feststellungsantrag ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung im Sinne des § 256 Abs.1 ZPO, weil er nach wie vor Versicherungsschutz aus dem streitgegenständlichen Vertrag begehrt.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

1. Der Antrag zu 1) hat im Ergebnis keinen Erfolg, denn die Beklagte ist mit Schreiben vom 01.03.2018 wirksam von dem Versicherungsvertrag zurückgetreten mit der Folge, dass der Vertrag nicht fortbesteht.

a. Die Beklagte war gemäß § 19 Abs.2 VVG zum Rücktritt von dem Versicherungsvertrag berechtigt, da der Kläger seine sich aus § 19 Abs.1 S.1 VVG ergebenden Anzeigepflichten verletzt hat.

Nach § 19 Abs.1 S.1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Dieser Pflicht ist der Kläger vorliegend nicht nachgekommen.

aa. Auf die in dem Antragsformular der Beklagten in Textform enthaltene Frage, ob bei dem Kläger in den letzten drei Jahren Untersuchungen oder Behandlungen stattgefunden haben und wenn ja, welche, wann, wegen welcher Beschwerden, was festgestellt wurde und wer Auskunft geben kann, hat der Kläger zwar mit „Ja“ geantwortet und in der Erläuterung angegeben „Routineuntersuchung ohne Befund, behandlungs- und beschwerdefrei“. Diese Erklärung war jedoch nicht ausreichend, da sie nicht alle bei dem Kläger im fraglichen Zeitraum vorgenommenen Untersuchungen und Behandlungen erfasste.

(1) Soweit sich die Beklagte auf eine angebliche Herzerkrankung des Klägers beruft, welche der Kläger nicht angegeben habe, ist dieser Einwand jedoch unerheblich. Der Kläger begab sich im Juli 2013 – und damit innerhalb des dreijährigen Zeitraums vor Antragstellung im Juni 2016 – zu einer kardiologischen Untersuchung in das F1-Krankenhaus in F. Hintergrund der Untersuchung war, dass im familiären Umfeld des Klägers bereits mehrere Personen einen Herzinfarkt erlitten hatten und dem Kläger daher geraten wurde, sich in regelmäßigen Abständen einer Untersuchung zu unterziehen. Die Untersuchung verblieb jedoch ohne Befund. Eine „nicht näher bezeichnete“ Herzerkrankung lag daher beim Kläger nicht vor.

Diese Untersuchung hat der Kläger in dem Antragsformular zwar nicht ausdrücklich und im Detail benannt, sie lässt sich jedoch unter die Angabe einer „Routineuntersuchung ohne Befund“ fassen. Da der Kläger sich in regelmäßigen Abständen untersuchen lässt, handelt es sich für ihn bei dem durchgeführten MRT um eine nicht anlassbezogene, routinemäßige Untersuchung in diesem Sinn, die auch ohne Befund verblieb.

(2) Der Kläger hat jedoch die Untersuchungen im Zusammenhang mit seinen Rückenbeschwerden nicht in dem Antrag angegeben und dadurch seine Anzeigepflicht verletzt. Der Kläger begab sich – was dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig ist – im Dezember 2013 anlässlich eines Autounfalls und daraus resultierender Rückenbeschwerden in die Behandlung des Zeugen E. Bei der vorgenommenen Untersuchung handelt es sich nicht um eine „Routineuntersuchung“, wie von dem Kläger in dem Antrag angegeben, denn diese Untersuchung hatte einen konkreten Anlass. Der Kläger begab sich aufgrund konkreter Beschwerden zu dem Zeugen und nicht – was der Begriff „Routineuntersuchung“ jedoch voraussetzten würde – zum Zwecke beispielsweise einer turnusmäßig durchzuführenden Vorsorgeuntersuchung.

Darüber hinaus ist das Gericht davon überzeugt, dass der Zeuge dem Kläger im Rahmen der Untersuchung Bestrahlungen des Rückens verordnete und dass der Kläger diese – wenn auch möglicherweise nicht in dem in dem Tagesprotokoll des Zeugen (Anlage K5, Blatt 47 der Akte) angegebenen Umfang – auch durchführen ließ. Ferner wurden dem Kläger von dem Zeugen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt, welche der Kläger auch jedenfalls für die Zeiträume 09.01.2014 bis 07.02.2014, 07.08.2014 bis 15.08.2014 sowie 20.08.2014 bis 22.08.2014 bei der Vorversicherung, der B, einreichte. Darüber hinaus fand im August 2014 mindestens ein weiterer Arztbesuch des Klägers bei dem Zeugen statt.

Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis für diese Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts erbracht. Der Zeuge E hat in der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2019 im Wesentlichen bestätigt, dass sich der Beklagte in seiner Behandlung befand und er ihm Bestrahlungen verordnete. Soweit der Zeuge keine detaillierten Angaben dazu machen konnte, wie viele Bestrahlungen tatsächlich durchgeführt worden sind, spricht dies nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Denn er hat nachvollziehbar geschildert, für die Bestrahlungen seien die Arzthelferinnen zuständig, er selbst mache das nicht. Daher konnte er hierzu naturgemäß keine Angaben machen. Die Aussage des Zeugen ist auch deshalb überzeugend, weil er – wenn auch hinsichtlich der zeitlichen Einordnung eventuell nicht ganz richtig – bekundet hat, der Kläger sei vor einiger Zeit erneut bei ihm gewesen mit dem Anliegen, die sich aus dem Tagesprotokoll ergebenden Behandlungen aus der Patientenakte zu löschen. Hierfür habe der Kläger ihm dann sogar 200 Euro angeboten und den Zeugen letztlich auch bedroht. Diese Schilderung ist derart individuell und gewissermaßen ungewöhnlich, dass sie dafür spricht, dass es sich um eine ereignisspezifische Erinnerung des Zeugen handelt. Der Kläger hat im Nachgang zur mündlichen Verhandlung gerade diesen Vorgang im Wesentlichen bestätigt. Zwar habe der Zeuge den zeitlichen Rahmen dieses Geschehens nicht korrekt dargestellt – es habe sich vor ca. einem und nicht, wie von dem Zeugen angegeben, vor zwei Jahren ereignet -, der Kläger habe den Zeugen jedoch tatsächlich um die Löschung der Behandlungsaufzeichnungen gebeten und ihm für den dadurch entstehenden Aufwand eine angemessene Vergütung angeboten. Gedroht habe er dem Zeugen damit, die Korrektur der Angaben ggf. mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen. Diese Angaben hat der Kläger nicht von sich aus mitgeteilt sondern erst, als der Zeuge in der mündlichen Verhandlung diese Vorwürfe gegen den Kläger erhoben hat.

Für die Überzeugungskraft der Aussage spricht darüber hinaus, dass der Zeuge durchaus impulsiv und ungeplant auf die Fragen des Gerichts sowie auf die gesamte Situation vor Gericht reagiert hat und insofern keine Anzeichen für eine gezielte Steuerung seiner Aussage bestehen.

Dafür, dass der Zeuge dem Kläger entgegen dessen Angaben tatsächlich für mehrere Zeiträume eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Rückenbeschwerden bescheinigte und der Kläger diese Bescheinigungen auch bei seiner Vorversicherung einreichte, spricht außerdem, dass anderenfalls nicht erklärbar ist, wie die Vorversicherung an derartige Angaben gelangt ist. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen können dem Versicherer nur durch den Kläger zugegangen sein und werden insbesondere nicht ohne Wissen des Patienten von dem Arzt dorthin übersandt. Insofern steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger diesbezüglich falsche Angaben gemacht hat.

Auch wenn der Zeuge zu der Behandlung im August 2014 keine konkreten Erinnerungen mehr hatte und seine Aussage insoweit nicht ergiebig war, ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger mindestens einmal im August 2014 bei dem Zeugen vorstellig wurde. Eine Abrechnung eines solchen Behandlungstermins sowie die Ausstellung einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Kläger wiederum bei der Vorversicherung einreichte, wäre nach den insoweit überzeugenden Angaben des Zeugen ohne eine erneute Einlesung der Versicherungskarte des Klägers nicht möglich gewesen.

Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Untersuchung im Dezember 2013 nicht – wie von dem Kläger behauptet – befundlos blieb und er fortan beschwerdefrei war. Vielmehr begab sich der Kläger zu weiteren Behandlungen zu dem Zeugen und reichte auch die von diesem ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Vorversicherung ein.

Aus diesen Tatsachen ergibt sich das Vorliegen von Untersuchungen und Behandlungen im Sinne der streitgegenständlichen Frage in dem Versicherungsantrag. Diese Frage hat der Kläger nicht richtig bzw. unvollständig beantwortet, da die festgestellten Behandlungen nicht unter den Begriff der „Routineuntersuchung ohne Befund“ gefasst werden können.

bb. Die vorgenannten Umstände waren dem Kläger auch bekannt. Seine Kenntnis von den Rückenbeschwerden ergibt sich schon aus dem Umstand der eigenen körperlichen Wahrnehmung dergleichen. Dasselbe gilt auch für die durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen in Form der Bestrahlungen. Soweit der Kläger vorträgt, ihm sei die Diagnose Spondylose mit Radikulopathie von dem Zeugen nicht mitgeteilt worden, ist dieser Einwand unerheblich. Zum einen ergibt sich die Diagnose unabhängig von der Frage, ob diese tatsächlich ausdrücklich mitgeteilt wurde, bereits aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die der Kläger erhalten und bei der Vorversicherung eingereicht hat, sodass er jedenfalls die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Zum anderen ist die genaue Kenntnis der Diagnose und deren Angabe in dem Versicherungsantrag auch nicht erforderlich. Denn Beschwerden sind auch dann anzeigepflichtig, wenn eine ärztliche Diagnose noch fehlt, der Arzt die Beschwerden nicht eindeutig einer Krankheit zugeordnet hat oder der VN die genaue medizinische Diagnose nicht kennt (vgl. Armbrüster in: Prölss/Martin, 30. Auflage 2018, § 19 VVG, Rn.28).

cc. Bei den Untersuchungen und Behandlungen handelt es sich um Gefahrumstände im Sinne des § 19 Abs.1 S.1 VVG, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind.

Gefahrerheblich sind zunächst Umstände, welche die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Versicherungsfalles und dessen Folgen betreffen (vgl. Armbrüster a.a.O., Rn.2). Dabei kommt es in der Krankenversicherung nicht nur auf die Erheblichkeit der einzelnen Krankheit an, sondern auch auf das durch die Häufigkeit der behandelten Krankheiten geprägte Gesamtbild des Gesundheitszustandes. Gesundheitsstörungen, Beschwerden und Schmerzen sind bei entsprechender Frage auch dann anzeigepflichtig, wenn sie noch nicht eindeutig einer Krankheit zugeordnet worden sind. Ihre Einschätzung durch den VN als „harmlos“ spielt für die Entstehung der Pflicht keine Rolle, sofern sie nicht offenkundig belanglos sind und alsbald vergehen (vgl. Armbrüster a.a.O., Rn. 13 f.). Entscheidend ist, ob die Beklagte bei Kenntnis der ärztlichen Behandlung des Klägers und der seinerzeit gestellten Diagnose nach ihren Risikoprüfungsgrundsätzen Veranlassung gehabt hätte, den Vertragsschluss als solchen abzulehnen oder den Vertrag zumindest zu anderen Bedingungen abzuschließen als tatsächlich geschehen (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1991, IV ZR 77/90).

Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat – insoweit unbestritten – dargelegt, ihre Risikoprüfung erfolge anhand der Kölner Systematik der Krankheiten. Daraus ergibt sich für die hier maßgeblichen Rückenbeschwerden, dass bei der Diagnose Spondylose mit Radikulopathie kein Angebot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages seitens der Beklagten erfolgt wäre. Selbst ohne Angabe dieser Diagnose unter alleiniger Angabe von „Kreuzschmerzen“ hätte eine individuelle Prüfung stattgefunden, die aufgrund der diversen Behandlungen und Krankschreibungen über mehrere Tage ebenfalls zu einer Ablehnung des klägerischen Antrages geführt hätte.

dd. Das Rücktrittsrecht ist nicht gemäß § 19 Abs.3 S.1 VVG ausgeschlossen. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Vielmehr geht das Gericht hier von einem vorsätzlichen Handeln des Klägers aus.

Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm. Er umfasst auch bedingten Vorsatz. Dieser liegt nach den allgemeinen Regeln vor, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleiben werde. Handeln „ins Blaue hinein“, also ohne das Risiko zu erwägen, genügt. Für das Bewusstsein der Obliegenheitswidrigkeit reicht es, dass der Versicherungsnehmer kraft „Parallelwertung in der Laiensphäre“ die Merkmale der Obliegenheit im Kern kennt (vgl. Armbrüster a.a.O. § 28 Rn.188).

Der Kläger hat vorliegend die präzise und eindeutige Frage nach Untersuchungen und Behandlungen in den letzten drei Jahren bewusst unwahr beantwortet. Dabei ist nicht ersichtlich, dass er die Frage missverstanden hat oder dass er die umfangreichen Behandlungen und daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeiten für nicht gefahrerheblich gehalten hat und nur aus diesem Grund von einer Angabe absah. Vielmehr hat der Kläger sich darauf beschränkt, nur vage Angaben zu seinen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu machen, die erkennbar keinen Einfluss auf das zu versichernde Risiko haben.

b. Auch die formellen Voraussetzungen des Rücktritts sind erfüllt. Die Beklagte hat den Kläger entsprechend § 19 Abs.5 S.1 durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis, der sowohl in optischer als auch in inhaltlicher Hinsicht den Anforderungen entspricht, findet sich auf Seite sieben des Antrags vom 13.06.2016 und zusätzlich auf Seite drei unmittelbar über den Gesundheitsfragen. Beide Hinweise sind in deutlich vom übrigen Text abgesetzten Kästen enthalten und beinhalten eine ausführliche Belehrung über die Anzeigepflichten und die Folgen einer Verletzung.

Darüber hinaus hat die Beklagte den Rücktritt auch innerhalb der Monatsfrist des § 21 Abs.1 S.1 VVG erklärt. Die Auskünfte der Vorversicherung wurden am 14.02.2018 erteilt, sodass die Beklagte in diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht hatte und die Frist nach § 21 Abs.1 S.2 VVG zu laufen begann. Die Erklärung des Rücktritts erfolgte mit Schreiben vom 01.03.2018, somit innerhalb eines Monats.

In der Rücktrittserklärung hat die Beklagte auch entsprechend § 21 Abs.1 S.3 VVG die Umstände angegeben, auf die sie ihre Entscheidung stützt.

2. Auch der Antrag zu 2) ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, da es bereits an einem fälligen Hauptanspruch fehlt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.1, 2 ZPO.

 

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