Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 55/16, Urteil vom 20.06.2018
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. September 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 135/15 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.354,99 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um das Fortbestehen einer im Jahre 2013 abgeschlossenen Krankheitskosten-Zusatzversicherung und über die Leistungspflicht der Beklagten aus diesem Vertrag.
Die Klägerin ist gesetzlich krankenversichert und hat mit ihrer gesetzlichen Krankenkasse Kostenerstattung (§ 13 SGB V) vereinbart. Am 27. September 2013 beantragte sie bei der Beklagten den Abschluss einer Krankenzusatzversicherung mit zwei Zusatztarifen für gesetzlich Versicherte. Das unter Mitwirkung eines Vermittlers der Beklagten ausgefüllte und von der Klägerin unterzeichnete Antragsformular (Bl. 105 ff. GA) enthielt unter dem Stichwort „Angaben zur Gesundheit“ und einer vorangestellten, fett gedruckten „Rechtsfolgenbelehrung“ verschiedene Fragen zur Gesundheit der zu versichernden Person, u.a.:
1. Hat in den letzten fünf Jahren ein Krankenhaus-, Heilstätten-, Kur- oder Sanatoriumsaufenthalt stattgefunden?
2. Haben in den letzten fünf Jahren Operationen (auch ambulant) stattgefunden?
3. Wurde in den letzten fünf Jahren eine Psychotherapie oder Suchtbehandlung durchgeführt?
4. Bestanden in den letzten drei Jahren oder bestehen gegenwärtig Krankheiten, Beschwerden, Unfallfolgen, sonstige Gesundheitsstörungen oder haben Untersuchungen/Behandlungen stattgefunden?
5. Werden Arzneimittel (z.B. Tabletten, Salben) angewendet? Wenn ja, welche und aufgrund welcher Diagnose?
Die drei ersten Antragsfragen wurden mit „ja“ beantwortet, die weiteren Fragen wurden verneint. In der zur Erläuterung vorgesehenen Rubrik machte die Klägerin zu den Fragen 2 und 3 die ergänzende Angabe „Nabelbruch, 10. Juli 2012 bis 17. Juli 2012, Krankenhaus S.“, behandlungs- und beschwerdefrei sei sie seit 17. Juli 2012 gewesen. Zu Ziff. 3 ist angegeben: „Psychotherapie, 2 Sitzungen wegen Sterbefall des Vaters, 19. Dezember 2012 und 8. Januar 2013“, behandlungs- und beschwerdefrei sei sie seit dem 8. Januar 2013 gewesen. Die Beklagte nahm auf der Grundlage dieser Angaben den Antrag zum 1. November 2013 ohne Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge an (Versicherungsschein-Nr. KV … vom 14. Oktober 2013, Bl. 7 ff. GA). Der monatliche Beitrag belief sich – zuletzt – auf 305,51 Euro.
Am 14. Oktober 2014 erfuhr die Beklagte durch einen Kostenübernahme-Antrag des Universitätsklinikums (Bl. 117 GA), dass die Klägerin am 8. Oktober 2014 für die Dauer bis voraussichtlich 28. Oktober 2014 mit der Diagnose F.19.2 (psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen: Abhängigkeitssyndrom) stationär in der psychiatrischen Abteilung aufgenommen worden war. Im Rahmen einer daraufhin eingeleiteten Überprüfung erhielt die Beklagte vom Vorversicherer der Klägerin am 11. Dezember 2014 (Bl. 118 ff. GA) einen Auszug aus den Leistungsaufzeichnungen, aus dem sich u.a. ergab, dass die Klägerin auch schon am 11. Januar 2011 wegen der Diagnosen F32.1 (mittelgradige depressive Episode) und F32.9 (depressive Episode) bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Steuer in Behandlung gewesen war (Bl. 67, 121 GA), dass am 18. Dezember 2012 und am 8. Januar 2013 auch ärztliche Behandlungen wegen F45.0 (Somatisierungsstörung) und K21.9 (gastroösophageale Refluxkrankheit) erfolgt waren und dass die Klägerin vom 25. bis zum 26. September 2013 mit den Diagnosen F10.0 (psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: akute Intoxikation/akuter Rausch) und S009 (Kopfverletzung) stationär behandelt worden war. Nach ihren Angaben wurden der Klägerin auch außerhalb dieser Behandlungen Magenschutztabletten („Omeprazol“) verordnet (Bl. 237 GA). Mit Schreiben vom 7. Januar 2015 (Bl. 13 f. GA) erklärte die Beklagte zunächst unter Berufung auf die verschwiegenen psychischen Beschwerden (hier: Depression) im Jahre 2011 sowie die stationäre Krankenhausbehandlung wegen Alkoholvergiftung und einer Kopfverletzung vom 25. bis zum 26. September 2013 die Anfechtung und hilfsweise den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Die Erbringung weiterer Versicherungsleistungen lehnte sie u.a. mit Schreiben vom 11. Februar 2015 und vom 2. März 2015 (Bl. 17, 20 GA) ab.
Die Klägerin hat behauptet, bei dem Sturz am 25. September 2013 habe keine Alkoholvergiftung vorgelegen; dem stationären Aufenthalt habe auch keine Alkoholerkrankung zu Grunde gelegen, die Aufnahmediagnose F19.2 bezeichne nicht zwingend eine Alkoholabhängigkeit und könne sich durchaus kurzfristig entwickeln. Gegenüber dem Versicherungsvermittler der Beklagten, dem Zeugen N., seien sämtliche Angaben, die ihren Gesundheitszustand betreffen, getätigt worden (Bl. 143 GA). Anlässlich des Antragsgesprächs, einen Tag nach der Entlassung, habe dieser die Platzwunde am Kopf bemerkt und nachgefragt, worum es sich handle; daraufhin habe sie diesem mitgeteilt, dass sie zwei Tage zuvor gestürzt sei, sich eine Platzwunde an der Nase zugezogen habe und auch für eine Nacht im Krankenhaus habe bleiben müssen, und der Zeuge habe sodann entschieden, dass dies nicht in das Antragsformular aufgenommen werden müsse. Bei der von ihr nicht offenbarten „psychotherapeutischen Behandlung“ im Jahre 2011 habe es sich ebenfalls nur um zwei „Sitzungen“ zur Trauerbewältigung nach dem Tode des Schwiegervaters gehandelt, an die die Klägerin bei Antragstellung nicht mehr gedacht habe (Bl. 143 GA). Dass sie nicht arglistig habe handeln wollen, zeige sich schon darin, dass sie die beiden Sitzungen am 19. Dezember 2012 und am 8. Januar 2013 angegeben habe. Von der durch ihren Hausarzt, den Zeugen G., gestellten Diagnose einer Somatisierungsstörung habe sie keine Kenntnis gehabt (Bl. 257 GA). Gegen Arglist spreche auch, dass die Klägerin zuvor beim Deutschen Ring eine private Krankenvollversicherung ohne Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge unterhalten und diesen Vertrag selbst gekündigt habe, weil der Zeuge N. ihr mitgeteilt habe, bei der Beklagten seien die Konditionen günstiger. Die Beklagte hätte auch bei Kenntnis dieser Umstände den Antrag auf Vertragsabschluss angenommen, was sich schon daran zeige, dass die Angabe der beiden psychotherapeutischen Behandlungen zur Trauerbewältigung am 19. Dezember 2012 und am 8. Januar 2013 die Beklagte nicht vom Vertragsschluss abgehalten habe (Bl. 143 GA).
Die Beklagte hat behauptet, dem stationären Aufenthalt am 25. und 26. September 2013, unmittelbar vor der Antragstellung, habe in Wahrheit eine behandlungsbedürftige Alkoholerkrankung zu Grunde gelegen; diese sei gegenüber dem Zeugen N. und dem bei der Antragsaufnahme ebenfalls gegenwärtigen Zeugen S. nicht erwähnt worden. Ferner habe die Klägerin bewusst verschwiegen, dass sie am 18. Dezember 2012 und am 8. Januar 2013 – über die von ihr offenbarten Psychotherapiesitzungen aufgrund des Todes ihres Vaters hinaus – auch wegen Somatisierungsstörung (F45.0) und wegen gastroösophagealer Refluxkrankheit (K21.9) behandelt worden sei. Diese Diagnosen seien der Klägerin bekannt gewesen, zumindest hätte sie die Behandlungen und Beschwerden laienhaft schildern müssen. Bei Kenntnis der verschwiegenen Erkrankungen und Behandlungen hätte die Beklagte den Antrag abgelehnt. Wären den Risikoprüfern der Beklagten die Vorerkrankungen in ihrer Gesamtheit bekannt gewesen, hätte sich ihnen außerdem der Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit der Klägerin aufgedrängt; auch diese hätte zur Ablehnung des Antrages geführt.
Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung der Klägerin (Bl. 183, 237 GA) und – z.T. schriftlicher – Vernehmung der Zeugen L. H., R. N. und S. S. sowie Dr. R. (Bl. 231, 238 f., 249 GA) mit dem am 29. September 2016 verkündeten Urteil (Bl. 270 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, das Fortbestehen des Krankenversicherungsvertrages antragsgemäß festgestellt und die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 13.089,85 Euro verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe den Nachweis einer für den Vertragsschluss ursächlichen Täuschung nicht erbracht, weil nicht feststehe, dass die Klägerin bei der Antragstellung gefahrerhebliche Umstände verschwiegen habe. Der Krankenhausaufenthalt sei dem Vermittler der Beklagten mitgeteilt worden. Dass die verschwiegenen weiteren Behandlungen gefahrerheblich gewesen seien, sei nicht erwiesen. Hingegen seien die Zahlungsansprüche der Höhe nach nur teilweise schlüssig dargelegt.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung trägt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens weiterhin auf vollumfängliche Abweisung der Klage an. Sie verweist darauf, dass die von ihr erklärte Anfechtung und der Rücktritt nicht lediglich auf eine Alkoholerkrankung, sondern auch auf den nicht angezeigten Klinikaufenthalt und die weiteren, von der Klägerin verschwiegenen Umständen gestützt worden seien. Die nicht angezeigten Behandlungen wegen psychischer Beschwerden und wegen einer Refluxerkrankung bildeten eine Erkrankung ab, die sich in der Depression und der Suchterkrankung realisiere. Dass die Klägerin jedenfalls – unstreitig – ihren Rauschzustand vor den Zeugen N. und S. verschwiegen habe, stelle eine erhebliche Verharmlosung des wahren Geschehensablaufs dar. Auch ihre Angabe, es seien lediglich zwei Psychotherapiesitzungen wegen des Sterbefalles ihres Vaters erfolgt, seien verharmlosend gewesen und indizierten die Arglist der Klägerin. Die regelmäßig eingenommenen Magenschutztabletten hätten ebenfalls angegeben werden müssen; die Refluxerkrankung sei gefahrerheblich, hätte die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt, hätte sie weiter nachgefragt und Unterlagen angefordert.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Aus der erstinstanzlich vorgelegten Einschätzung des Zeugen Dr. R. und der Aussage des Zeugen S., der dies mit der Antragsabteilung im Vorfeld abgeklärt habe, ergebe sich, dass die Psychotherapie wegen des Todes des Vaters kein Problem gewesen sei. In das Krankenhaus habe sie sich nur deshalb begeben, weil sie eine Platzwunde am Kopf erlitten und die Blutung nicht habe stillen können. Dem Zeugen N. sei auch bekannt gewesen, dass die Klägerin eine Platzwunde erlitten und eine Nacht im Krankenhaus verbracht habe. Die von der Beklagten behauptete Gefahrerheblichkeit der Refluxösophagitis sei der Klägerin nicht bekannt gewesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 26. November 2015 (Bl. 182 ff. GA), vom 25. Februar 2016 (Bl. 236 ff. GA) und vom 1. September 2016 (Bl. 266 ff. GA) sowie des Senats vom 7. Juni 2017 (Bl. 328 ff. GA), vom 21. März 2018 (Bl. 408 ff. GA) und vom 30. Mai 2018 (Bl. 443 ff. GA) verwiesen. Der Senat hat die Klägerin informatorisch angehört und Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 28. Juni 2017 (Bl. 343 ff. GA) und vom 20. Februar 2018 (Bl. 401 f. GA) durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Arztes W. G., Vorlage weiterer Behandlungsunterlagen sowie Vernehmung des Zeugen Dr. R. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen vom 13. September 2017 (Bl. 359 GA), die eingereichten Unterlagen (Bl. 360 ff. GA) und das Sitzungsprotokoll vom 21. März 2018 (Bl. 408 ff. GA) und vom 30. Mai 2018 (Bl. 443 ff. GA) Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 511, 513,517,519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die mit der Klage begehrte Feststellung des Fortbestehens des am 27. September 2013 von der Klägerin beantragten und von der Beklagten antragsgemäß policierten Krankenzusatzversicherungsvertrages konnte nicht getroffen werden, weil die Beklagte ihre auf Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat (§ 22 VVG, § 123 BGB) und der Vertrag infolgedessen gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Dementsprechend bestehen auch keine Ansprüche der Klägerin auf Versicherungsleistungen aus diesem Vertrag.
1.
Die Klägerin hat bei Beantragung des Versicherungsvertrages wesentliche, von ihr ausdrücklich erfragte und auch nachgewiesenermaßen gefahrerhebliche Umstände verschwiegen. Sie hat die ihr in dem Antragsformular der Beklagten gestellten Gesundheitsfragen in mehrfacher Hinsicht unrichtig beantwortet, dadurch zugleich gegen ihre vorvertragliche Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 VVG verstoßen und die Beklagte objektiv getäuscht.
a)
Die Klägerin hat ausweislich des Antragsformulars auf die ihr darin gestellten Gesundheitsfragen lediglich eine Behandlung wegen eines Nabelbruchs im Juli 2012 sowie „zwei Sitzungen Psychotherapie wegen Sterbefall des Vaters“ am 19. Dezember 2012 und am 8. Januar 2013 angegeben; im Übrigen hat sie die Gesundheitsfragen verneint und auch keine weiteren Angaben zu den von ihr erfragten Umständen gemacht. Dieser objektive Inhalt des Antragsformulars entsprach nicht den Tatsachen. Unstreitig und durch die Leistungsübersicht ihres früheren Krankenversicherers belegt, befand sich die Klägerin auch schon am 11. Januar 2011 wegen der Diagnosen ICD F32.1 (mittelgradige depressive Episode) und ICD F32.9 (Depressive Episode, nicht näher bezeichnet) in fachärztlicher Behandlung bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Steuer. Außerdem erfolgte nachgewiesenermaßen, u.a. am 18. Dezember 2012, eine Behandlung wegen der Diagnosen ICD F45.0 (Somatisierungsstörung) und ICD K21.9 (Gastroösophageale Refluxkrankheit ohne Ösophagitis) durch den Arzt W. G. Schließlich befand sich die Klägerin in der Zeit vom 25. bis 26. September 2013 in stationärer Behandlung im Krankenhaus in Sulzbach, wobei die Diagnosen ICD F10.0 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Akute Intoxikation [akuter Rausch]) und S009 (Kopfverletzung) gestellt wurden. All diese Umstände haben in das schriftliche Antragsformular keinen Eingang gefunden, welches somit objektiv unzutreffende Angaben der Klägerin beinhaltete.
b)
Der Annahme, darin liege eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und infolgedessen auch eine objektive Täuschung der Beklagten, steht nicht entgegen, dass das Antragsformular hier unter Mitwirkung eines Versicherungsvertreters der Beklagten ausgefüllt worden ist und die Klägerin behauptet hat, diesem gegenüber sämtliche Angaben, die ihren Gesundheitszustand betreffen, mündlich getätigt zu haben.
aa)
Allerdings genügt es zum Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nicht, dass die schriftlichen Antworten auf Antragsfragen objektiv falsch sind, wenn die Gesundheitsfragen – wie hier – von einem Versicherungsvertreter (früher: Agenten) nach den mündlichen Angaben des Versicherungsnehmers ausgefüllt werden. Der Versicherer kann dann allein mit dem Inhalt des vom Versicherungsagenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer falsche Angaben gemacht hat, sofern dieser – wie hier – substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (sog. „Auge-und-Ohr-Rechtsprechung“, jetzt § 70 Satz 1 VVG; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – IV ZR 508/14, VersR 2018, 85). Dann muss der Versicherer darlegen und – im Regelfall durch Aussage seines Agenten – beweisen, dass der Agent dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat. Maßgeblich für die Frage, ob der Versicherungsnehmer – auch objektiv – falsche Angaben gemacht hat, sind in einem solchen Falle allein die Angaben, die er gegenüber dem Agenten mündlich gemacht hat (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – IV ZR 508/14, VersR 2018, 85). Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht zutreffend ausgegangen.
bb)
Dies berücksichtigend, hat die Beklagte vorliegend den ihr obliegenden Nachweis geführt. Auf der Grundlage der vor dem Landgericht erfolgten Beweisaufnahme steht fest, dass die im Antragsformular unterlassenen Angaben zu gefahrerheblichen Umständen auch mündlich nicht getätigt worden sind, was zugleich eine objektive Täuschung der Beklagten im Sinne der § 22 VVG, § 123 Abs. 1 BGB begründet:
(1)
Was zunächst den stationären Krankenhausaufenthalt vom 25./26. September 2013 anbelangt, so ist auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen zwar davon auszugehen, dass dieser – als solcher – dem Vermittler der Beklagten mitgeteilt wurde. Zugleich steht jedoch fest (§ 286 ZPO), dass die Klägerin der Beklagten nicht wahrheitsgemäß die aus diesem Anlass gestellten, von ihr gemäß § 19 Abs. 1 VVG erfragten Diagnosen mitgeteilt und diese dadurch getäuscht hat:
(a)
Das Landgericht hat auf der Grundlage der Zeugenaussagen eine Täuschung durch das Verschweigen des Klinikaufenthaltes – als solchem – für nicht nachgewiesen erachtet. Die Klägerin habe substantiiert behauptet, den Vermittler der Beklagten darüber unterrichtet zu haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme spreche jedoch vieles dafür, dass dem Zeugen N. die Platzwunde an der Nase der Klägerin bekannt gewesen und dass anlässlich des Antragsgesprächs auch über den Klinikaufenthalt gesprochen worden sei. Dementsprechend sei nicht erwiesen, dass die Klägerin bei Antragstellung diesen gefahrerheblichen Umstand verschwiegen habe. Diese tatsächlichen Feststellungen binden den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil sie verfahrensfehlerfrei getroffen wurden und durchgreifende Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht bestehen. Das Landgericht hat die Aussagen der Zeugen nachvollziehbar gewürdigt; dabei ist es mit Blick auf die unterschiedlichen Darstellungen der Betroffenen unter Berücksichtigung auch der weiteren Umstände des Falles, insbesondere der zeitlichen Nähe zum Ereignis, zu dem in jeder Hinsicht vertretbaren Schluss gelangt, dass anlässlich der Antragsaufnahme mit dem Vermittler der Beklagten über den stationären Aufenthalt vom 25./26. September 2013 gesprochen wurde. Der daraus gezogene Schluss, die Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis einer Täuschung nicht geführt, ist in Bezug auf diesen Umstand nachvollziehbar und findet daher die Billigung des Senats.
(b)
Gleichwohl liegt eine objektive Täuschung der Beklagten durch die Klägerin vor. Denn die Klägerin hat die Beklagte – auch schon nach ihrer eigenen Darstellung – nicht wahrheitsgemäß über die aus Anlass des stationären Aufenthaltes getroffenen ärztlichen Feststellungen – hier: psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: akute Intoxikation/akuter Rausch mit einem festgestellten Blutalkoholwert von 2,21 Promille, Bl. 362 GA – unterrichtet. Die Klägerin hat dies, zuletzt in ihrer Anhörung vor dem Senat, eingeräumt (Bl. 443 ff. GA). Auch aus den protokollierten Zeugenaussagen erster Instanz, die inhaltlich eindeutig sind und die der Senat ohne weiteres zugrunde legen kann, weil er sie nicht anders als die Vorinstanz verstehen oder werten will (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2006 – IV ZR 253/05, VersR 2006, 949; Beschluss vom 21. April 2010 – IV ZR 172/09, VRR 2010, 242), folgte bereits, dass die Klägerin dem Vermittler der Beklagten diesen – maßgeblichen – Anlass des Krankenhausaufenthaltes nicht mitgeteilt hatte. Darin liegt eine eigenständige objektive Täuschung der Beklagten durch die Klägerin durch Verschweigen gefahrerheblicher Umstände. Insoweit kommt es – entgegen der Klägerin – nicht darauf an, ob ihrem damaligen Zustand eine echte „Alkoholerkrankung“ zugrunde lag. Der Senat hat dies als Voraussetzung angesehen, wenn im Antrag – nur – nach „erheblichen Krankheiten“ gefragt war, weil dann entscheidend sein kann, ob der Versicherungsnehmer die erfragten Umstände als „Krankheit“ ansehen muss (Senat, Urteil vom 24. März 2010 – 5 U 144/09 – 38, VersR 2011, 659; vgl. auch Senat, Beschluss vom 19. Juli 2006 – 5 W 138/06 – 46, NJW-RR 2006, 1467; OLG Hamm, VersR 2008, 477). Im vorliegenden Fall bestand eine solche Offenbarungspflicht der Klägerin in Bezug auf ihre Alkoholisierung aber schon deshalb, weil die Beklagte im Antrag ausdrücklich nach stationären Behandlungen, deren Anlass und den dabei gestellten Diagnosen gefragt hatte (vgl. KG, VersR 2007, 234; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., § 22 VVG Rn. 19; s. auch Senat, Beschluss vom 4. November 2005 – 5 W 246/05 – 75). In dem Formular (Bl. 106 GA) waren nämlich für den Fall der Bejahung der Frage nach Krankenhausaufenthalten noch weitere Angaben zu „Art der Krankheit, Arzneimittel, Verletzung, Beschwerden, Untersuchung (was wurde festgestellt?)“ zu machen. Das umfasste – für die Klägerin erkennbar – wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu allen Beschwerden und ärztlichen Feststellungen, die der Klägerin hier nach ihrer Einlassung vor dem Senat – zumindest laienhaft – bekannt waren und die ihr bei Antragstellung, am Folgetag, auch noch gegenwärtig waren. Solche Angaben sind hier jedoch unterblieben, wie die Klägerin selbst einräumt und wie im Übrigen die erstinstanzlich vernommenen Zeugen übereinstimmend bekundet haben. Namentlich die dortige Einlassung des Ehemannes der Klägerin, seine Frau habe dem Vermittler gesagt, „sie sei gestürzt und im Krankenhaus behandelt worden“ (Bl. 241 GA) verdeutlicht, dass der für sich genommen sehr kurze und deshalb nicht ohne weiteres Verdacht heischende Krankenhausaufenthalt gegenüber dem Vermittler der Beklagten schlicht auf einen einfachen „Haushaltsunfall“ reduziert worden ist. Deshalb steht fest (§ 286 ZPO), dass die Klägerin in Bezug auf diese stationäre Behandlung dem Vermittler gerade nicht „alles gesagt“, sondern insoweit objektiv falsche Angaben getätigt hat.
(2)
Darüber hinaus liegt eine eigenständige objektive Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB darin, dass die Klägerin die – weiteren – ärztlichen Behandlungen am 11. Januar 2011 wegen der Diagnosen F32.1 (mittelgradige depressive Episode) und F32.9 (depressive Episode) durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Steuer sowie am 18. Dezember 2012 wegen der Diagnosen F45.0 (Somatisierungsstörung) und K21.9 (gastroösophageale Refluxkrankheit) durch den Internisten W. G. ebenfalls nicht offenbart hat. Insoweit ist das Landgericht in dem angefochtenen Urteil (dort Seite 7) zu Recht von einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und damit von einer objektiven Täuschung durch die Klägerin ausgegangen. Diesbezüglich steht nämlich fest, dass Angaben hierzu auch nicht mündlich gegenüber dem Vermittler erfolgt sind. Die Klägerin selbst hat in ihrer Anhörung vor dem Landgericht und ebenso zuletzt vor dem Senat eingeräumt, „immer“ Magenschutztabletten („Omep“) bekommen, dies jedoch nicht angegeben zu haben (Bl. 237, 445 GA). Was die ärztlichen Behandlungen auf psychiatrischem Fachgebiet anbelangt, haben alle Zeugen übereinstimmend bekundet, dass allein die beiden in das Antragsformular aufgenommenen Psychotherapie-Sitzungen zur Sprache gekommen sind, die mit einer notwendigen Trauerbewältigung nach dem Tode des Vaters der Klägerin begründet wurden (Bl. 238, 239, 242 GA); auch die Klägerin hat dies eingeräumt. Daraus hat das Landgericht zu Recht den Schluss gezogen, dass mündliche Angaben zu diesen Umständen nicht erfolgt sind, weshalb auch unter Berücksichtigung der Grundsätze zur „Auge-und-Ohr-Rechtsprechung“ insoweit von einer nachgewiesenen objektiven Täuschung der Beklagten aus Anlass der Beantragung des Versicherungsvertrages auszugehen ist.
2.
Die Klägerin handelte bei all dem auch arglistig. Nach dem Ergebnis der vom Senat angeordneten weiteren Beweisaufnahme steht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass sie die vorstehenden Umstände aus Anlass der Beantragung der Versicherung nicht angegeben hat, um den beabsichtigten Vertragsabschluss nicht zu gefährden:
a)
Arglistiges Handeln ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 – IV ZR 161/03, VersR 2004, 1297; Senat, Urteil vom 9. November 2005 – 5 U 50/05 – 6, VersR 2006, 681; OLG Hamm, VersR 2017, 808). Der Versicherungsnehmer muss erkennen und billigen, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937).
aa)
Der Begriff der Arglist erfasst nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, 463). Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – IV ZR 30/16, VersR 2017, 937; Senat, Urteil vom 1. Februar 2006 – 5 U 207/05 – 17, VersR 2006, 1482). Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen immer oder nur in der Absicht geschieht, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, gibt es nicht (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 338; Senat, Urteil vom 9. September 2009 – 5 U 510/08 – 93, VersR 2009, 1479; Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11 – 57, VersR 2013, 1157). Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 338; Senat, Beschluss vom 19. Juli 2006 – 5 W 138/06 – 46, NJW-RR 2006, 1467).
bb)
Da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt, ist der Beweis in der Praxis meist nur aufgrund von Indizien zu führen. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht es, wenn dieser Erkrankungen verschweigt, die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten, wie namentlich schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen (Senat, Urteil vom 9. November 2005 – 5 U 50/05 – 6, VersR 2006, 681; Urteil vom 10. Oktober 2012, a.a.O.). Indizien für ein arglistiges Handeln sind weiter, dass der Antragsteller Störungen nicht angibt, die noch relativ kurz vor Antragstellung bestanden haben, oder dass er zwar weniger schwere oder länger zurückliegende Erkrankungen angibt, zeitnähere oder erheblich schwerer wiegende hingegen verschweigt (Senat, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 5 U 82/05 – 9, VersR 2006, 824; Urteil vom 10. August 2011 – 5 U 509/10 – 79). Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände – auch Untersuchungen und ärztliche Behandlungen – stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2013, 869). Liegen – wie hier – objektive Falschangaben vor, so ist es überdies Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2007 – IV ZR 103/06, VersR 2008, 242; Senat, Urteil vom 8. März 2006 – 5 U 269/05, VersR 2007, 96; Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11 – 57, VersR 2013, 1157).
b)
Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall erhebliche und durchgreifende Indizien vor, die die Annahme eines arglistigen Verschweigens von Vorerkrankungen bei Beantragung des Versicherungsvertrages rechtfertigen. Unter Berücksichtigung aller Umstände und des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme ist der Senat auch angesichts der Art, der Anzahl und der Bedeutung der verschwiegenen Umstände davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die Klägerin diese bewusst nicht angegeben hat, weil sie erkannt haben musste, dass deren wahrheitsgemäße und vollständige Offenbarung für sich genommen, aber auch in der Gesamtschau, Einfluss auf das zu versichernde Risiko haben würde:
aa)
Dies gilt in erster Linie für die von der Klägerin verschwiegenen ärztlichen Behandlungen wegen Krankheiten der Psyche. Bei diesen handelte es sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme um wiederkehrende Beschwerden, die auch aus Sicht der Klägerin erhebliche Gefahrumstände darstellten. Die Klägerin befand sich – unstreitig – mehrfach, zunächst im Januar 2011 wegen der Diagnosen F32.1 (mittelgradige depressive Episode) und F32.9 (depressive Episode) bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Steuer in ärztlicher Behandlung. Auch die ebenfalls verschwiegene weitere Behandlung durch den Zeugen W. G., aus deren Anlass dieser am 18. Dezember 2012 eine Somatisierungsstörung diagnostizierte, betraf gesundheitliche Beschwerden auf diesem Fachgebiet. Aus der vom Senat eingeholten schriftlichen Aussage dieses Zeugen folgt überdies, dass der Konsultation dieses Arztes weitere Untersuchungen mit erheblichen körperlichen Eingriffen vorausgegangen waren. Gegenüber diesem gab die Klägerin nämlich an, dass schon zuvor, Ende November, umfangreiche neurologische Abklärungen stattgefunden hatten, wobei u.a. eine Cranielle Computertomographie und eine Liquorpunktion erfolgt seien (Bl. 359 GA). Auch die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat eingeräumt (Bl. 446 GA), dass in diesem Zusammenhang weitere fachärztliche Abklärungen und Untersuchungen, insbesondere mittels Computertomographie, erfolgt seien; allein die Vornahme einer Liquorpunktion vermochte sie nicht zu bestätigen, worauf es jedoch nicht mehr entscheidend ankommt. Denn dass die Kenntnis solcher Beschwerden, verbunden mit entsprechenden Untersuchungen und Behandlungen, die sie selbst wahrgenommen hatte und die ihr folglich bekannt waren, für die Beklagte von Bedeutung war, musste sich der Klägerin bei dieser Sachlage aufdrängen. Die Erheblichkeit psychischer Beschwerden ist in der Bevölkerung allgemein bekannt, zumal darüber verbreitet berichtet wird und diese auch in der jüngeren Zeit zugenommen haben sollen. Die von der Klägerin wahrgenommenen Untersuchungen und Behandlungen sind auch aus Sicht eines Laien nicht mehr als belanglos anzusehen. Soweit die Klägerin diese verschwieg und lediglich – objektiv verharmlosend – zwei Sitzungen zur Trauerbewältigung offenbarte, deuten bereits das Ausmaß dieser Behandlungen und die Natur der Beschwerden darauf hin, dass dies geschah, um den beabsichtigten Vertragsschluss nicht zu gefährden.
bb)
Plausible Gründe für ihr Unterlassen hat die Klägerin nicht angegeben. Ihre vor dem Senat erneuerte Behauptung, sie habe insbesondere die Behandlung durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Steuer im Januar 2011 „vergessen“, hätte für sich genommen möglicherweise noch nachvollziehbar erscheinen können; in der Zusammenschau mit den ebenfalls nicht offenbarten Behandlungen und Untersuchungen im Jahre 2012/2013, die mit fachärztlichen Abklärungen und aufwendigen, nicht risikolosen Eingriffen einhergingen, hält der Senat diese Einlassung jedoch nicht für glaubhaft. Dass die unzureichenden Angaben nicht schlicht vergessen worden sein könnten, sondern bewusst, zumindest aber „ins Blaue hinein“ erfolgten, zeigt sich auch darin, dass die Klägerin die Vorgänge im Dezember 2012 und Januar 2013 ausdrücklich auf zwei psychotherapeutische „Sitzungen“ – im Sinne einer rein vorübergehenden Maßnahme zur „Trauerbewältigung“ – reduziert hat, was jedoch ebenfalls nicht (ganz) der Wahrheit entsprach. Nach der schriftlichen Aussage des Zeugen G. brachte die Klägerin ihren damaligen Gesundheitszustand zwar auch mit einer bösartigen Erkrankung ihres Vaters in Zusammenhang; doch lag diesem Zustand nach der – gegenüber der Klägerin offenbarten – Einschätzung des Zeugen eine erhebliche, abklärungs- und behandlungsbedürftige psychosomatische Komponente zugrunde, weshalb er der Klägerin eine entsprechende fachneurologische Weiterbehandlung empfahl, deren Beginn bereits für den Folgetag angesetzt wurde (Bl. 359 GA). Die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat eigeräumt, dass in diesem Zusammenhang weitere fachärztliche Untersuchungen erfolgt seien (Bl. 446 GA), was das Ausmaß der Erkrankung ebenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt. Die dem entgegenstehenden, eher verharmlosenden Angaben in dem Antragsformular, es hätten lediglich zwei Sitzungen „wegen Sterbefall des Vaters“ stattgefunden, die auch – unstreitig – nicht durch zutreffende mündliche Angaben gegenüber dem Versicherungsvermittler korrigiert wurden, waren folglich nicht nur unrichtig, sondern erkennbar geeignet, die zugrunde liegende Erkrankung zu verharmlosen. Dies konnte der Klägerin nicht verborgen geblieben sein und ist nur dadurch zu erklären, dass sie dies zumindest in Kauf nahm. Hinzu kommt, dass andere, länger zurückliegende, unproblematisch ausgeheilte Erkrankungen – hier: Nabelbruch – angegeben wurden, die akute, wiederholte Behandlung wegen psychosomatischer Beschwerden dagegen verschwiegen bzw. heruntergespielt wurde. Auch dies zeigt, dass hier offensichtlich der Eindruck erweckt werden sollte, gesundheitlich sei nunmehr „alles in Ordnung“. Auch dies ist nur damit zu erklären, dass die Klägerin durch wahrheitsgemäße Angaben die Entscheidung der Beklagten über die Annahme ihres Antrages nicht gefährden wollte.
cc)
Hinzu kommt, dass die Klägerin auch ihre dauerhafte Behandlung wegen gastroösophagealer Refluxkrankheit, von der sie ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und vor dem Senat positiv Kenntnis hatte, weil ihr regelmäßig entsprechende Medikamente verordnet wurden, bewusst verschwiegen hat. Die Klägerin hat angegeben, sie habe „immer Magenschutztabletten“ – Omeprazol – verschrieben bekommen (Bl. 237, 445 GA). Ihre Rechtfertigung, sie habe nicht so weit gedacht, auch „Sodbrennen“ angeben zu müssen, ist – jedenfalls im Gesamtzusammenhang – ungeeignet, dieses Versäumnis zu entschuldigen. Ausweislich des Antragsformulars war die Klägerin ausdrücklich aufgefordert worden, anzugeben, ob Arzneimittel (z.B. Tabletten, Salben) angewendet werden, welche das seien und aufgrund welcher Diagnose die Einnahme erfolgte. Die Klägerin wusste jedoch, dass sie diese Tabletten (sog. Protonenpumpenhemmer) „immer“, mithin zum Zwecke der Behandlung eines chronisch vorhandenen Zustandes der Übersäuerung einnahm. Die dauerhafte Verordnung eines Medikaments, das zwar bekanntermaßen auch rezeptfrei erhältlich ist, jedoch nur in Kleinstpackungen und für den Gebrauch an wenigen aufeinanderfolgenden Tagen, musste der Klägerin dies verdeutlichen. Für Arglist spricht es jedoch, wenn chronische oder langwierige Erkrankungen nicht angegeben werden, zumal wenn – wie auch hier – gleichzeitig Angaben zu offenkundig belanglosen oder länger zurückliegenden Umständen erfolgen. Dass es sich bei der in Rede stehenden Erkrankung nicht um einen belanglosen Zustand handelt, ist überdies allgemein bekannt, nachdem in der Öffentlichkeit schon seit längerer Zeit aus den verschiedensten Anlässen immer wieder auf das besondere Risiko schwerwiegender Folgen von sog. „Sodbrennen“ hingewiesen wird.
dd)
Weiterhin, wenn auch letztlich nicht mehr entscheidend, sprechen auch die unvollständigen Angaben zum stationären Aufenthalt der Klägerin in der Zeit vom 25. bis zum 26. September 2013 für ein bewusstes Verhalten der Klägerin. Diese hat sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, insbesondere der Aussage ihres Ehemannes, ersichtlich darauf beschränkt, den Anlass der stationären Behandlung als „Haushaltsunfall“ darzustellen. Das Ausmaß ihrer Verletzungen und die erhebliche, von den behandelnden Ärzten festgestellte Alkoholisierung hat sie – unstreitig – nicht offenbart. Ausweislich der vom Senat beigezogenen Behandlungsunterlagen (Bl. 361 ff. GA) erfolgte der Sturz bei einem Alkoholwert im Blut von mindestens 2,21 Promille und nach Einnahme von Diazepam 10 mg, einem – gerichtsbekannt – zur Gruppe der Psychopharmaka zählenden Betäubungsmittel, das zur Behandlung von Angstzuständen, epileptischen Anfällen und als Schlafmittel angewendet wird. Die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat angegeben, dieses Mittel, das ihr ärztlich verordnet worden war, wiederholt und auch am fraglichen Tag eingenommen zu haben (Bl. 444 GA). Aus dem Bericht des Klinikums geht weiter hervor, dass auch aus Anlass dieses Aufenthaltes ein CCT erfolgte, um eine interzerebrale Blutung auszuschließen (Bl. 362 GA). Die unterlassene Angabe dieser Umstände, die geeignet sind, den stationären Aufenthalt in ein gänzlich anderes Licht zu rücken, als dies von der Klägerin mündlich gegenüber dem Vermittler der Beklagten angegeben wurde, ist ihrerseits nur mit Arglist zu erklären; dies zumal der Termin zur Aufnahme des Antrages auf Abschluss des Versicherungsvertrages nur einen Tag nach diesem Vorfall stattfand und nach Darstellung der Klägerin in einen bereits zuvor eingeleiteten, von ihr aktiv betriebenen Vertragsänderungsprozess eingekleidet war mit dem Ziel, aus Kostengründen von einer privaten Vollversicherung in die gesetzliche Krankenkasse mit privater Zusatzversicherung zu wechseln. Es liegt auf der Hand, dass dieser bereits weit vorangeschrittene Prozess durch nähere Angaben zum stationären Aufenthalt nicht gefährdet werden sollte.
ee)
Durchgreifend gegen die Annahme von Arglist spricht bei dieser Sachlage – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht, dass diese den vorliegenden Antrag auf Abschluss der Krankenzusatzversicherung aus einem schon zuvor bestehenden privaten Krankenversicherungsschutz heraus gestellt hat. Richtig ist zwar, dass die Annahme von Arglist im Einzelfall dadurch entkräftet werden kann, dass der Versicherungsnehmer keinen vernünftigen Anlass hatte, den Versicherer durch Täuschung zum Abschluss eines Versicherungsvertrages zu bewegen, weil er bereits anderweitig Versicherungsschutz zu in etwa gleichen Bedingungen genoss (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2008 – IV ZR 270/06, VersR 2008, 765; Senat, Urteil vom 16. Juni 2010 – 5 U 272/08 – 35, ZfS 2012, 704). Greifen kann dieses Argument jedoch nur, wenn eigene Interessen des Versicherungsnehmers am Abschluss eines neuen Vertrages nicht ersichtlich sind, er insbesondere lediglich eine „Umdeckung“ vornimmt, an der bestenfalls der Versicherer oder der am Vertragsschluss beteiligte Vermittler ein Interesse haben kann, ohne dass sich der neue Vertrag für ihn als wesentlich „günstiger“ oder „besser“ erweist. Das kann hier aber schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Klägerin nach eigenem Bekunden durch den Vertragsabschluss wirtschaftliche Vorteile – in Gestalt niedrigerer Versicherungsbeiträge – zu erlangen hoffte und dieser deshalb in eine grundlegende Änderung ihres Krankenversicherungsschutzes – Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung mit privater Zusatzdeckung – eingekleidet war. Die Entscheidung zugunsten eines solchen „Systemwechsels“, der typischerweise wohlüberlegt geschieht und auch hier erst nach mehreren aufeinanderfolgenden Beratungsgesprächen, auch unter Einbeziehung eines Vertreters der gesetzlichen Krankenkasse, vollzogen wurde, spricht entscheidend gegen die Annahme, lediglich die Beklagte oder ihr Vermittler hätten an dem Vertragsabschluss ein erhebliches Interesse gehabt. Deshalb kann das Vorliegen von Arglist hier nicht unter Hinweis auf den vormals bestehenden privaten Vollversicherungsschutz verneint werden.
3.
Die von der Klägerin arglistig verschwiegenen Umstände waren für die Annahmeentscheidung der Beklagten ursächlich:
a)
Die arglistige Täuschung muss für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 337; Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187), wobei Mitursächlichkeit genügt (OLG Hamm, VersR 2017, 808). Darlegungs- und beweisbelastet für die Ursächlichkeit der Täuschung ist der Versicherer. Der Kausalitätsnachweis kann prima facie geführt werden (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 VVG Rn. 46): Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94, VersR 1995, 1496). Wird dies vom Versicherungsnehmer substantiiert in Abrede gestellt, muss der Versicherer den entsprechenden Nachweis führen. Einfluss auf die Annahmeentscheidung des Versicherer ist gegeben, wenn der Getäuschte die Vertragserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht, mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben hätte (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 5 U 408/11 – 57, VersR 2013, 1157; Knappmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 14 Rn. 160; Müller-Frank, in: MünchKomm-VVG 2. Aufl., § 22 Rn. 22). Dies ist offenkundig, wenn die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände „auf der Hand liegt“ (Senat, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – IV ZR 26/06, VersR 2009, 529). Fehlt es daran, muss der Versicherer unter Offenlegung seiner Geschäftsgrundsätze darlegen und ggf. beweisen, dass der Vertrag bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände nicht oder mit welchem abweichenden Inhalt er in diesem Fall zustande gekommen wäre (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 VVG Rn. 46).
b)
Im Streitfall steht nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug durch Vernehmung des Zeugen Dr. R. ergänzten Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände den Vertrag nicht, jedenfalls nicht in der hier geschehenen Art und Weise, d.h. ohne weiteres und zu unveränderten Bedingungen, angenommen hätte; dies genügt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – für die Annahme, die Täuschung der Klägerin sei für den Vertragsabschluss ursächlich geworden.
aa)
Gewisse dahin gehende Anhaltspunkte folgten bereits aus der vom Landgericht eingeholten schriftlichen Aussage vom 22. März 2016. Darin hatte der Zeuge angegeben, dass bei Offenbarung der im Rahmen der späteren Leistungsprüfung bekannt gewordenen Behandlungen und der hierbei gestellten Diagnosen seitens der Beklagten weitergehende Aufklärungsmaßnahmen erfolgt wären. Bei Kenntnis der im Laufe der Zeit gestellten Diagnosen F32.1 und F32.0 („mittelgradige depressive Episode“ und „depressive Episode, nicht näher bezeichnet“), F45.0 und K21.9 („Somatisierungsstörung“ und „Gastroösophageale Refluxkrankheit ohne Ösophagitis“) sowie der dem Krankenhausaufenthalt vom 25. bis zum 26. September 2013 zugrunde liegenden Ursache eines Alkoholrausches hätte sich den Leistungsprüfern der Beklagten der Verdacht auf eine Alkoholkrankheit aufgedrängt, die sie dazu veranlasst hätten, detaillierte Arztberichte anzufordern (Bl. 248 ff. GA). Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang ergänzend auf seine unter dem 4. September 2015 gefertigte, von der Beklagten bereits mit der Klageerwiderung vorgelegte Stellungnahme verwiesen, in der er ergänzend ausführt, dass und weshalb Depressionen und Alkoholkrankheiten nach den Geschäftsgrundsätzen der Beklagten nicht versicherbar seien (Bl. 122 ff. GA). Die von der Klägerin offenbarte zweimalige Psychotherapie wegen des Todes des Vaters sei dagegen nicht so relevant, weil eine solche Behandlung im Rahmen einer Trauerreaktion für sich genommen nicht risikoerheblich wäre (Bl. 250 GA). Soweit das Landgericht auf dieser Grundlage die Risikoerheblichkeit der verschwiegenen Umstände insgesamt verneint hat, bestanden durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser tatsächlichen Feststellungen. Die Erwägung, eine Alkoholkrankheit der Klägerin sei auch in der Folge zu keinem Zeitpunkt tatsächlich nachgewiesen worden und ein nicht ärztlich behandelter Alkoholkonsum für sich genommen nicht anzeigepflichtig, ist insoweit nämlich nicht allein entscheidend. Denn die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Willenserklärung ist im Rahmen der Anfechtung nach § 22 VVG, § 123 BGB bereits dann gegeben, wenn die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, VersR 2015, 187). Dass dies in Bezug auf die einzelnen hier verschwiegenen Umstände nicht der Fall gewesen wäre, hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt, obschon bereits die schriftliche Zeugenaussage darauf hindeutete, dass die Beklagte auch bei Kenntnis einzelner der verschwiegenen Umstände, die für sich genommen risikorelevant sind, den Antrag der Klägerin nicht ohne weiteres angenommen hätte.
bb)
In seiner Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge Dr. R. seine schriftlichen Angaben zur Risikorelevanz der einzelnen verschwiegenen Umstände unter Erläuterung der Annahmegrundsätze der Beklagten präzisiert. Er hat ausgeführt, dass die Annahme eines Versicherungsvertrages bei der Beklagten unter Einsatz eines elektronischen Systems erfolge, das dem Mitarbeiter nach Eingabe der entsprechenden Umstände Handlungsanweisungen erteile. In Bezug auf die hier in Rede stehenden Diagnosen hat der Zeuge unter Vorlage entsprechender Auswertungsbögen dargelegt, dass bei deren Angabe durch die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt der Vertrag mit den beiden Tarifen jeweils nicht wie geschehen zustande gekommen wäre. Sämtliche Diagnosen, mit Ausnahme der im Krankenhaus festgestellten Kopfverletzung (S009), hätten bei Kenntnis der Beklagten zu Erschwernissen oder einer Antragsablehnung geführt. Insbesondere befragt zu den verschwiegenen Behandlungen durch die Fachärztin für Psychotherapie und Psychiatrie Steuer, hat der Zeuge angegeben, dass eine solche Angabe die Beklagte in jedem Fall zu einer Nachfrage veranlasst hätte. Der Zeuge hat dem Senat auch nachvollziehbar erläutert, dass allein die Angabe der Behandlung Ende 2012/Anfang 2013 – gemeint sind die psychotherapeutischen Sitzungen wegen eines Sterbefalles, nicht jedoch die ebenfalls verschwiegenen, erst durch die Aussage des Zeugen G. offenbar gewordenen ärztlichen Behandlungen und Eingriffe – die Beklagte noch nicht unbedingt zu einer Nachfrage veranlasst hätten. Bei einer mehrfachen Behandlung, so der Zeuge, sei dies deshalb anders, weil man dann an eine ernsthafte Erkrankung denken müsse. Der Senat folgt dieser in jeder Hinsicht schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage. Sie steht mit seiner aufgrund zahlreicher anderer Fälle erworbenen Erfahrung im Einklang, wonach Beschwerden wie die hier vorliegenden und die dadurch bedingten Behandlungen auf dem Gebiet der Psyche regelmäßig schwer wiegen und erhebliche Auswirkungen auf die gesundheitliche Befindlichkeit des Betroffenen haben, weshalb vielfach auch angenommen wird, ihre Risikorelevanz liege „auf der Hand“ (vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2006 – 5 U 207/05 – 17, VersR 2006, 1482; Urteil vom 15. April 1998 – 5 U 928/97 – 75, RuS 2000, 432). Schon deshalb war die Täuschung der Klägerin hier als ursächlich anzusehen. Dass es darüber hinaus in der Krankenversicherung nicht nur auf die Erheblichkeit der einzelnen Gefahrumstände, sondern auch auf das durch die Häufigkeit der behandelten Krankheiten geprägte Gesamtbild des Gesundheitszustandes ankommt, steht dem nicht entgegen (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 19 VVG Rn. 13). Auch eine zugrunde liegende, einzelne Erkrankung kann gefahrerheblich sein, wenn die Annahmeentscheidung des Versicherers dadurch beeinflusst wird.
4.
Die Beklagte hat die Anfechtung ihrer auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung rechtzeitig – mit Schreiben vom 7. Januar 2015, Bl. 13 f. GA – binnen der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erklärt, nachdem sie im Zuge der Leistungsprüfung auf der Grundlage der ihr übersandten Unterlagen des Vorversicherers am 14. Oktober 2014 (Bl. 117 GA) erstmals von einzelnen verschwiegenen Behandlungen – mithin von der Täuschung durch die Klägerin – Kenntnis erlangte (§ 124 Abs. 1 und 2 BGB). Auch die 10-Jahres-Frist des § 124 Abs. 3 BGB wurde ersichtlich gewahrt. Dass sich die Anfechtungserklärung vorgerichtlich zunächst auf einzelne Aspekte der Täuschung – hier: die Nichtangabe der stationären Behandlung wegen Alkoholvergiftung vom 25./26. September 2013 und die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe wegen psychischer Beschwerden auch in 2011 – gestützt war, beschränkt deren Rechtswirkungen nunmehr nicht allein auf diese Umstände, wenngleich dies bereits ausreichte, um sie für durchgreifend zu erachten. Eine detaillierte Begründung der Anfechtung verlangt das Gesetz – anders als für den Rücktritt, vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 und 3 VVG – nämlich nicht; vielmehr genügt es nach allgemeiner Auffassung, dass dem Anfechtungsgegner die Gründe der Anfechtung zumindest erkennbar sind (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 33). Insoweit schloss die Formulierung „Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe wegen psychischer Beschwerden auch in 2011“ bei sachgerechter Auslegung (§§ 133, 157 BGB) aus Sicht der Klägerin auch die verschwiegenen ärztlichen Behandlungen im November/Dezember 2012 ein, die vergleichbare Beschwerden betrafen. Unabhängig davon können – innerhalb der Fristen des § 124 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1969 – IV ZR 518/68, VersR 1969, 318 – auch zumindest solche Gründe nachgeschoben werden, die in enger inhaltlicher Verbindung zu den bereits zuvor erkennbar gewesenen Gründen stehen (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 34; vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 – IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465; Urteil vom 22. Oktober 2003 – VIII ZR 361/02, NJW-RR 2004, 628; OLG Bamberg, Urteil vom 4. März 2010 – 1 U 74/09, juris). Auch das ist hier zulässigerweise geschehen: Die Beklagte hat die mit den im Anfechtungsschreiben angegebenen Anfechtungsgründen im sachlichen Zusammenhang stehenden weiteren Behandlungen und Beschwerden auf psychiatrischem Gebiet, aber auch die gastroösophageale Refluxkrankheit, mit ihrer Klageerwiderung vom 8. September 2015 (der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 21. September 2015) und damit rechtzeitig binnen Jahresfrist nachgeschoben. Der dazu erforderlichen eindeutigen Bezugnahme auf die bereits erfolgte Anfechtungserklärung (vgl. Langheid, in Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl., § 22 Rdn. 28) genügte ihr Vorbringen in der Klageerwiderung (Bl. 62 GA).
5.
Hat die Beklagte mithin ihre auf Abschluss der streitgegenständlichen Krankheitskostenversicherung gerichtete Willenserklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten, so erweist sich dieser Vertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig. Folglich konnte die von der Klägerin begehrte Feststellung, dieser Vertrag sei durch die mit Schreiben vom 7. Januar 2015 erklärte Anfechtung nicht beendet worden und bestehe unverändert fort, nicht getroffen werden. Auch bestehen aufgrund dieses nichtigen Vertrages keine Leistungspflichten der Beklagten, weshalb dem Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Behandlungskosten ebenfalls nicht entsprochen werden konnte. Ob darüber hinaus auch der von der Beklagten ebenfalls mit Schreiben vom 7. Januar 2015 hilfsweise erklärte Rücktritt vom Versicherungsvertrag zu diesen Rechtsfolgen geführt hätte, braucht unter diesen Voraussetzungen nicht entschieden zu werden.
6.
Da berechtigte Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage des wirksam angefochtenen Versicherungsvertrages gegen die Beklagte nicht gegeben sind, bestand für die Klägerin auch keine Veranlassung, diese außergerichtlich unter Einschaltung ihrer Rechtsanwältin gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Insoweit handelte es sich nicht um zweckentsprechende Maßnahmen der Rechtsverfolgung (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 – III ZR 304/14, BGHZ 205, 260, 269). Die Klägerin kann deshalb von der Beklagten keinen Ersatz der in diesem Zusammenhang möglicherweise entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen.
7.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren bemisst sich für den Feststellungsantrag auf Fortbestehen des Krankenversicherungsverhältnisses gemäß den §§ 3und 9 ZPO nach der 3,5-fachen Jahresprämie, abzüglich des bei positiven Feststellungsklagen üblichen Abschlags von 20 Prozent (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – IV ZR 37/11, VersR 2012, 336). Die Jahresprämie betrug hier zuletzt 3.666,12 Euro; 80 Prozent des dreieinhalbfachen Betrages sind 10.265,14 Euro. Hinzu kommen die titulierten Versicherungsleistungen in Höhe von 13.089,85 Euro.