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Private Krankenversicherung – Tarifwechsel mit geringerem Selbstbehalt

Ein Versicherungsnehmer wechselte in der Hoffnung auf eine Reduzierung seines jährlichen Selbstbehalts in einen günstigeren Tarif seiner privaten Krankenversicherung. Doch ein vom Versicherer geforderter Mehrleistungsausschluss machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Nun landete der Fall vor Gericht – mit einem überraschenden Ergebnis.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 18 C 682/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Das Gericht entschied, dass keine Selbstbeteiligung von maximal 500,00 EUR vereinbart wurde.
  • Die Klägerin behauptete, bei einem Tarifwechsel wäre die Selbstbeteiligung auf 500,00 EUR reduziert worden.
  • Die Beklagte behielt jedoch weiterhin eine Selbstbeteiligung von bis zu 900,00 EUR bei.
  • Der Kläger hatte eine Erklärung unterzeichnet, die auf einen Mehrleistungsausschluss hinwies, was eine höhere Selbstbeteiligung rechtfertigte.
  • Der Kläger argumentierte, dass die unterzeichnete Erklärung keine rechtliche Bindung habe.
  • Das Gericht stellte fest, dass der Mehrleistungsausschluss gültig und rechtlich bindend war.
  • Der Kläger konnte keine wirksame Anfechtung der Erklärung gemäß § 142 BGB nachweisen.
  • Die Beklagte durfte die höhere Selbstbeteiligung gemäß den Bedingungen des neuen Tarifs verlangen.
  • Der Tarifwechsel beinhaltete keine verbindliche Reduzierung der Selbstbeteiligung auf 500,00 EUR.
  • Das Gericht wies die Klage ab und der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gericht bestätigt: Privatversicherter kann Selbstbehalt nicht immer senken

Eine private Krankenversicherung ist für viele Menschen eine sinnvolle Ergänzung zur gesetzlichen Krankenversicherung. Sie bietet oft zusätzlichen Versicherungsschutz und erweiterte Leistungen. Im Laufe der Zeit können sich die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände jedoch ändern, sodass ein Tarifwechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung häufig sinnvoll sein kann. Ein solcher Wechsel ermöglicht es, den Selbstbehalt an den aktuellen Bedarf anzupassen und so die Kosten effizienter zu steuern. Bevor man sich für einen Tarifwechsel entscheidet, ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen und möglichen Konsequenzen genau zu verstehen. Im Folgenden werden wir einen konkreten Gerichtsfall beleuchten, der zeigt, wie Versicherte ihre Rechte beim Tarifwechsel durchsetzen können.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Düsseldorf


Gericht: Keine Absenkung des Selbstbehalts trotz Tarifwechsel

Tarifwechsel PKV
Trotz Tarifwechsel in privater Krankenversicherung darf Versicherer höheren Selbstbehalt beibehalten, wenn Kunde Verzicht auf Mehrleistungen unterschrieben hat. (Symbolfoto: Natee Meepian /Shutterstock.com)

Das Amtsgericht Düsseldorf hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein Versicherungsnehmer trotz eines Wechsels in einen günstigeren Tarif seiner privaten Krankenversicherung nicht automatisch von einer Reduzierung seines jährlichen Selbstbehalts profitiert. Konkret ging es um einen jahrelang privat Krankenversicherten, der im Oktober 2014 von seinen bisherigen Tarifen in den günstigeren Tarif G wechselte.

Versicherer verlangte Mehrleistungsausschluss

Gemäß den Bedingungen des neuen Tarifs G war eine jährliche Selbstbeteiligung von 10%, maximal 500 Euro vorgesehen. In den Vortarifen hatte der maximale Selbstbehalt jedoch 900 Euro betragen. Die Versicherung machte den Tarifwechsel daher davon abhängig, dass der Versicherte einem Mehrleistungsausschluss zustimmte. Damit sollte verhindert werden, dass der Versicherte von den umfangreicheren Leistungen des neuen Tarifs profitiert. Der Kunde unterschrieb eine entsprechende Verzichtserklärung.

900 Euro Selbstbehalt auch im neuen Tarif

In den Folgejahren behielt die Versicherung weiterhin bis zu 900 Euro jährlichen Selbstbehalt ein, obwohl im neuen Tarif G eigentlich nur 500 Euro vorgesehen waren. Hiergegen klagte der Versicherte und forderte die Differenzbeträge zurück. Er berief sich darauf, den Mehrleistungsausschluss nur irrtümlich unterschrieben zu haben. Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage jedoch ab.

Mehrleistungsausschluss war rechtens

Das Gericht stellte klar, dass der Versicherer den Mehrleistungsausschluss zu Recht verlangt hatte. Gemäß § 204 VVG kann der Versicherer bei einem Wechsel in einen Tarif mit höheren oder umfassenderen Leistungen einen Leistungsausschluss für die Mehrleistungen verlangen. Andernfalls müsste er für Leistungen einstehen, für die zuvor keine Beiträge gezahlt wurden. Die geringere Selbstbeteiligung im neuen Tarif G stelle eine solche „Mehrleistung“ dar. Dem Versicherten sei die Tragweite seiner Verzichtserklärung auch hinreichend bewusst gewesen. Eine Anfechtung wegen Irrtums scheide aus.

Nach diesem Urteil müssen Privatversicherte bei einem Tarifwechsel genau prüfen, ob sie von den besseren Leistungen des neuen Tarifs tatsächlich profitieren. Häufig wird der Versicherer einen Vorbehalt verlangen, wonach die günstigeren Konditionen nicht für Bestandskunden gelten. Vor Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung sollte man sich die Folgen bewusst machen und im Zweifel rechtlichen Rat einholen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil zeigt, dass Versicherer beim Tarifwechsel zu Recht einen Mehrleistungsausschluss verlangen können, um ungerechtfertigte Leistungsausweitungen zu verhindern. Privatversicherte müssen sorgfältig prüfen, ob sie tatsächlich von günstigeren Tarifbedingungen profitieren. Die Entscheidung stärkt die Rechte der Versicherer und mahnt Kunden, die Tragweite von Verzichtserklärungen genau abzuwägen. Letztlich obliegt es der Eigenverantwortung der Versicherten, sich vor einem Tarifwechsel umfassend zu informieren und gegebenenfalls fachkundigen Rat einzuholen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Tarifwechsel PKV wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Versicherer, um bei einem Tarifwechsel Mehrleistungen auszuschließen?

Gemäß § 204 Abs. 1 VVG haben Versicherte das Recht, jederzeit in andere gleichartige Tarife ihres Versicherers zu wechseln. Dabei müssen die erworbenen Rechte und die Alterungsrückstellungen aus dem bisherigen Tarif angerechnet werden. Wenn die Leistungen im neuen Tarif höher oder umfassender sind als im alten Tarif, kann der Versicherer für diese Mehrleistungen jedoch einen Leistungsausschluss, einen Risikozuschlag oder eine Wartezeit verlangen.

Ein Leistungsausschluss bedeutet, dass bestimmte Erkrankungen oder Behandlungen vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Die Kosten hierfür werden dann nicht erstattet. Dies ist eine Möglichkeit für den Versicherer, das Risiko bei Vorerkrankungen des Versicherten zu begrenzen, ohne den Antrag komplett ablehnen zu müssen.

Beispiel: Ein Versicherter leidet an Rückenbeschwerden und wechselt in einen Tarif mit höherer Kostenerstattung für Physiotherapie. Der Versicherer kann für die Behandlung der Rückenbeschwerden einen Leistungsausschluss vereinbaren, sodass diese Mehrleistung nicht vom neuen Tarif umfasst ist.

Stattdessen kann der Versicherer auch einen Risikozuschlag auf die Prämie verlangen oder eine Wartezeit für die Mehrleistungen festlegen. Der Leistungsausschluss ist für den Versicherten jedoch oft die günstigere Option, da er keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Wichtig: Ein vereinbarter Leistungsausschluss kann später wieder gestrichen werden, wenn der Grund dafür entfallen ist. Der Versicherte muss dies beim Versicherer schriftlich beantragen.

Insgesamt bietet das Tarifwechselrecht den Versicherten erhebliche Flexibilität, um den Versicherungsschutz an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Allerdings müssen sie bei Mehrleistungen unter Umständen Einschränkungen wie einen Leistungsausschluss akzeptieren.


Wann kann ein Versicherungsnehmer eine Verzichtserklärung auf Mehrleistungen anfechten?

Ein Versicherungsnehmer kann eine Verzichtserklärung auf Mehrleistungen nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten, wenn er bei der Abgabe der Erklärung über deren Inhalt oder Tragweite im Irrtum war. Voraussetzung ist, dass der Versicherte die Erklärung bei Kenntnis der tatsächlichen Sachlage nicht abgegeben hätte.

Ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung liegt vor, wenn der Versicherte die Bedeutung seiner Erklärung falsch verstanden hat. Beispiel: Der Versicherte dachte fälschlicherweise, der Verzicht beziehe sich nur auf bestimmte Leistungen, obwohl er allgemein auf Mehrleistungen verzichtet hat.

Auch ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften kann zur Anfechtung berechtigen (§ 119 Abs. 2 BGB). Beispiel: Der Versicherte ging davon aus, der neue Tarif biete umfassendere Leistungen, obwohl dies nicht der Fall ist.

Die Beweislast für das Vorliegen eines Irrtums trägt der anfechtende Versicherte. Er muss darlegen und beweisen, dass er bei Kenntnis der wahren Sachlage die Erklärung nicht abgegeben hätte.

Ein Anfechtungsrecht kann jedoch ausgeschlossen sein, wenn der Versicherer den Irrtum kannte und der Versicherte die Erklärung bei Aufklärung über den Irrtum bestätigt hätte (§ 119 Abs. 2 BGB). Auch eine nachträgliche Bestätigung der Erklärung schließt die Anfechtung aus (§ 144 BGB).

Zusammengefasst hat der Versicherte also gute Chancen, eine im Irrtum abgegebene Verzichtserklärung anzufechten. Die Voraussetzungen und Beweislast sind jedoch im Einzelfall genau zu prüfen.


Worauf müssen Privatversicherte bei einem Tarifwechsel besonders achten?

Bei einem geplanten Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung müssen Versicherte besonders sorgfältig vorgehen. Zunächst ist es wichtig, die Leistungen und Bedingungen des neuen Tarifs genau zu prüfen und mit dem bisherigen Vertrag zu vergleichen. Oft sind die Leistungen in neueren Tarifen eingeschränkter als in älteren Verträgen. Versicherte sollten daher genau wissen, auf welche Leistungen sie keinesfalls verzichten möchten.

Weiterhin muss beachtet werden, dass der Versicherer bei einem Wechsel in einen Tarif mit höheren oder zusätzlichen Leistungen eine erneute Gesundheitsprüfung durchführen kann. Je nach Ergebnis kann er dann Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse für bestimmte Erkrankungen verlangen. Diese Vorbehalte sollten unbedingt geprüft und dokumentiert werden.

Eine umfassende Aufklärung durch den Versicherer über alle Vertragsbedingungen ist zwingend erforderlich. Versicherte sollten sich nicht scheuen, kritisch nachzufragen und sich die Konditionen schriftlich bestätigen zu lassen.

Oft ist es ratsam, vor dem Wechsel eine unabhängige Beratung durch einen Versicherungsmakler oder die Verbraucherzentrale in Anspruch zu nehmen. So können die Vor- und Nachteile verschiedener Tarife neutral bewertet und die beste Option für den individuellen Bedarf gefunden werden.


Welche Rolle spielt der Selbstbehalt bei einem PKV-Tarifwechsel?

Der Selbstbehalt spielt eine zentrale Rolle bei einem Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung (PKV). Er ist ein wesentlicher Bestandteil der Tarifleistungen und hat direkten Einfluss auf die Höhe des Versicherungsbeitrags.

Versicherte haben laut § 204 VVG das Recht, jederzeit in andere Tarife ihres Versicherers zu wechseln. Dabei müssen die erworbenen Rechte und Alterungsrückstellungen aus dem bisherigen Tarif angerechnet werden. Wählt der Versicherte einen Tarif mit geringerem Selbstbehalt, handelt es sich um eine Leistungsausweitung. Der Versicherer kann dann eine erneute Gesundheitsprüfung verlangen und bei Vorerkrankungen Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse für die Mehrleistungen geltend machen.

Umgekehrt führt die Wahl eines Tarifs mit höherem Selbstbehalt zu einer Leistungsreduzierung. Dies ermöglicht dem Versicherten eine Beitragssenkung, da er mehr Kosten selbst tragen muss. Allerdings sinkt dann auch die Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit. Für Arbeitnehmer verringert sich zudem der Arbeitgeberzuschuss zur PKV.

Eine spätere Absenkung des Selbstbehalts ist für Versicherer risikoreich, da gesunde Kunden diesen Schritt eher vollziehen als kranke. Dies kann zu einer Risikoentmischung im Bestand führen und steigende Beiträge nach sich ziehen. Daher haben Versicherer oft Vorbehalte gegen eine Reduzierung des Selbstbehalts und verlangen dann erneut eine Gesundheitsprüfung.

Insgesamt bietet der Selbstbehalt Versicherten erhebliche Flexibilität, um den Versicherungsschutz und die Beiträge ihren Bedürfnissen anzupassen. Allerdings müssen sie bei Leistungsänderungen unter Umständen Einschränkungen wie Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse akzeptieren.


Wie können sich Versicherte vor Nachteilen durch einen Tarifwechsel schützen?

Um sich vor Nachteilen bei einem Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung zu schützen, sollten Versicherte einige wichtige Punkte beachten:

Umfassende Information ist entscheidend. Versicherte müssen sich zunächst einen detaillierten Überblick über alle Tarifoptionen bei ihrem Versicherer verschaffen. Dazu gehören Informationen zu Leistungsumfang, Beitragshöhe, Selbstbehalt und möglichen Ausschlüssen. Nur so lassen sich die Vor- und Nachteile der Tarife sorgfältig gegeneinander abwägen.

Kritische Prüfung der Angebote ist zwingend erforderlich. Besonders auf vermeintliche Kleingedrucktes wie Leistungseinschränkungen, Risikozuschläge oder Gesundheitsprüfungen muss genau geachtet werden. Oft sind Tarifwechsel mit scheinbar günstigen Konditionen auf den zweiten Blick nachteilig für den Versicherten.

Ergänzende Vereinbarungen können sinnvoll sein. Je nach Bedarf kann der Abschluss einer Zusatzversicherung, z.B. für Zahnersatz oder Chefarztbehandlung, vorteilhaft sein, um den Leistungsumfang aufrechtzuerhalten. Auch Vereinbarungen zum Ausschluss bestimmter Erkrankungen vom Tarifwechsel sind möglich.

Anwaltliche Hilfe kann sich lohnen. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten mit dem Versicherer ist eine Beratung durch einen auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt ratsam. Dieser kann die Vertragsbedingungen prüfen und die Interessen des Versicherten bestmöglich vertreten.

Dokumentation ist unverzichtbar. Alle Schritte des Tarifwechsels, Beratungsgespräche und Vereinbarungen sollten akribisch schriftlich dokumentiert werden. Dies dient als Nachweis im Streitfall.

Insgesamt erfordert ein Tarifwechsel in der PKV von Versicherten ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Nur durch umfassende Informationsbeschaffung, kritische Prüfung und rechtliche Absicherung lassen sich Nachteile vermeiden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 204 VVG: Dieser Paragraph erlaubt dem Versicherer, bei einem Tarifwechsel Mehrleistungen auszuschließen oder einen Risikozuschlag zu erheben. Der geringere Selbstbehalt im neuen Tarif gilt als Mehrleistung, die durch den Mehrleistungsausschluss wirksam ausgeschlossen wurde.
  • § 142 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Anfechtung wegen Irrtums. Der Kläger konnte jedoch nicht nachweisen, dass die unterzeichnete Erklärung aufgrund eines relevanten Irrtums unwirksam ist.
  • § 256 ZPO: Ermöglicht die Zwischenfeststellungsklage, um rechtliche Vorfragen im Hauptprozess zu klären. Hier wurde geklärt, ob die Selbstbeteiligung korrekt festgelegt wurde.
  • § 215 VVG: Regelt die örtliche Zuständigkeit für Klagen aus Versicherungsverträgen. Das Amtsgericht Düsseldorf war aufgrund des Wohnsitzes des Klägers zuständig.
  • §§ 812 ff. BGB: Diese Paragraphen regeln den Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Der Kläger wollte die zu viel gezahlte Selbstbeteiligung zurückfordern.
  • Verjährung gemäß BGB: Die Beklagte berief sich auf die Verjährung der Ansprüche bis einschließlich 2017. Dies ist relevant, um zu klären, welche Rückforderungsansprüche noch bestehen.
  • Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB): Die AVB enthalten spezifische Regelungen zu den einzelnen Tarifen und Selbstbehalten und sind Bestandteil des Versicherungsvertrags. Hier war wichtig, ob die AVB den geringeren Selbstbehalt korrekt wiedergaben.
  • Mehrleistungsverzichtserklärung: Diese Erklärung, die der Kläger unterzeichnete, war zentral für die Entscheidung, da sie den Verzicht auf den geringeren Selbstbehalt und den Verbleib beim höheren Selbstbehalt festlegte.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Düsseldorf

AG Düsseldorf – Az.: 18 C 682/20 – Urteil vom 15.02.2023

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der im Rahmen der privaten Krankenversicherung des Klägers vereinbarten Selbstbeteiligung.

Der Kläger ist seit dem 01.04.1973 bei der Beklagten privat krankenversichert. Im Oktober 2014 ließ sich der Kläger hinsichtlich eines Wechsels zu einem günstigeren Krankenversicherungstarif durch Frau R. von der X.-Wirtschaftsberatung beraten. Die bis dato gültigen Tarife des Klägers bei der Beklagten umfassten jene mit den Nummern X, Y und Z. In dem Tarif X war ein Selbstbehalt von 10%, maximal 900,00 EUR pro Jahr zwischen den Parteien vereinbart. Frau R. schlug den – im Vergleich zu den bisherigen Krankenversicherungstarifen des Klägers – günstigeren Tarif G der Beklagten vor, für welchen der Kläger sich auch entschied. Für die Einzelheiten der Vergleichsanalyse von Frau R. wird auf Anlage K1, Bl. 13 ff. der Akte, verwiesen. Im Tarif G der Beklagten ist grundsätzlich eine Selbstbeteiligung von 10 %, max. 500,00 EUR pro Jahr versichert.

Am 20.10.2014 unterzeichnete der Kläger eine Kundeninformation zum Tarifwechsel von den Tarifen X, Y, Z in die Tarife G, in der unter „Allgemeine Hinweise“ Folgendes gelistet ist:

„Tarife G: Tarifübergreifende Selbstbeteiligung von 10 %, max. 500 EUR pro Person/Kalenderjahr“.

Der letzte Absatz dieser unterzeichneten Kundeninformation vor der Unterschriftenzeile lautet:

„Ich bin darauf hingewiesen worden, dass mit dem Wechsel von der X, Y, Z-Serie in die Tarife der G-Serie Leistungseinschränkungen verbunden sind. Mir ist bewusst, dass die L. bei einem späteren Wechsel in einen Tarif mit höheren oder umfassenderen Leistungen Risikozuschläge und/oder Leistungsausschlüsse und Wartezeiten verlangen kann.“

Es wird auf die Kundeninformation als Anlage K2, dort Bl. 30 f. der Akte, verwiesen.

Zudem informierte Frau R. die Beklagte am 20.10.2014, dass der Kläger auf Mehrleistungen verzichtet und bat um Ausstellung einer Mehrleistungsverzichtserklärung. Es wird hierzu auf die Anlage 1, Bl. 112 der Akte, verwiesen. Daraufhin schickte die Beklagte eine vorbereitete Erklärung, welche der Kläger am 23.10.2014 unterzeichnete. Darin heißt es unter anderem:

„Für die nachstehend beschriebenen Leistungen besteht nach dem Wechsel von Tarif X, Y, Z in Tarif G ein Leistungsanspruch aus den neuen Tarifen nur insoweit, als die Leistungen nicht höher oder umfassender sind als der Leistungsumfang des bisherigen Versicherungsschutzes. […]

Der neue Tarif umfasst gegenüber dem alten Tarif folgende Mehrleistungen:

[…]

Selbstbeteiligung von 10 %, max. 500 EUR (der VN bekommt von Anfang an Leistungen, zudem geringerer max. SB – Tarif X: 900 EUR absoluter SB)“.

Wegen der Einzelheiten der Erklärung vom 23.10.2014 wird auf die Anlage 3, Bl. 118 der Akte, verwiesen.

Am 29.10.2014 erhielt der Kläger von der Beklagten den neuen Versicherungsschein mit Geltung ab dem 01.10.2014, in dem es unter „Tarif/Leistungsumfang“ lautet:

„G

[…]

Selbstbeteiligung 10%, max. 500 EUR genereller Mehrleistungsausschluss“

Wegen weiterer Einzelheiten des Versicherungsscheins wird auf die Anlage K3, Bl. 32 ff. der Akte, verwiesen. Dem Versicherungsschein waren zudem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen beigefügt, wegen derer auf Anlage K12, Bl. 55 ff. der Akte, verwiesen wird.

Die Beklagte behielt in den Jahren 2015 bis einschließlich 2022 immer einen Selbstbehalt von bis zu 900,00 EUR pro Jahr ein. Über den zwischen den Parteien streitigen Selbstbeteiligungsbetrag leitete der Kläger ein Verfahren vor dem „Ombudsmann Private Kranken und Pflegeversicherung“ ein, in welchem der Ombudsmann dem Kläger mit Schreiben vom 06.09.2019 (Anlage K 14) mitteilte, dass wegen der Vereinbarung vom 23.10.2014 seiner Beschwerde nicht abgeholfen werden kann. Die vom Kläger unterzeichnete Erklärung vom 23.10.2014 schickte der Ombudsmann dem Kläger auf dessen Nachfrage mit Schreiben vom 19.09.2019. Mit Schreiben vom 25.09.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten „die Anfechtung gemäß § 119 BGB der angeblichen Vereinbarung vom 23.10.2014, betreffend eine Selbstbeteiligung von 10 %, max. 900,00 EUR pro Jahr“. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 25.09.2019 wird auf die Anlage K 17, Bl. 66 der Akte, verwiesen. Daraufhin bot die Beklagte an, wieder zu dem früheren, höheren Tarif zurückzukehren, was der Kläger ablehnte.

Der Kläger ist der Ansicht, mit dem Wechsel in den G-Tarif sei eine Selbstbeteiligung von 10 %, maximal aber i.H.v. 500,00 EUR pro Jahr wirksam vereinbart worden. Der frühere Betrag der Selbstbeteiligung i.H.v. 900,00 EUR pro Jahr sei komplett durch den neuen Tarif ersetzt worden. Eine rechtsverbindliche Erklärung, in der er einer jährlichen Selbstbeteiligung von 900,00 EUR zugestimmt haben soll, habe er nicht unterzeichnet. Maßgeblich sei die Formulierung „Selbstbeteiligung von 10 %, max. 500 EUR“ gewesen.

Ursprünglich hat der Kläger hinsichtlich des Klageantrags zu 2) angekündigt zu beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.285,68 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu erstatten und hilfsweise, für den Fall der teilweisen Verjährung, dem Kläger die Aufrechnung bzw. Verrechnung mit den monatlichen Beträgen der Beklagten zu gestatten.

Mit Schriftsatz vom 27.12.2022 hat der Kläger den obigen ursprünglichen Klageantrag zu 2) aufgrund weiterer, einbehaltener Beträge seitens der Beklagten für die Jahre 2021 und 2022 wie folgt erweitert und beantragt nunmehr,

1) festzustellen, dass die jährliche Selbstbeteiligung des Klägers an den jährlichen Versicherungsleistungen der Beklagten nach dem vereinbarten Tarif G seit 01.10.2014 10 %, max. 500,00 EUR beträgt;

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.085,68 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen,

hilfsweise für den Fall der teilweisen Verjährung, dem Kläger die Aufrechnung bzw. Verrechnung mit den monatlichen Beiträgen der Beklagten zu gestatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, bei der Selbstbeteiligung i.H.v. 900,00 EUR handele es sich bei der im Vergleich zu vorher geringeren Selbstbeteiligung um eine Mehrleistung, welche ausgeschlossen gewesen sei. Der Inhalt der Erklärung vom 23.10.2014 sei eindeutig, sodass die Anfechtungserklärung ins Leere gehe. Sie beruft sich hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche bis einschließlich 2017 zudem auf die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist (bis auf den gestellten Hilfsantrag) zulässig, aber unbegründet.

1.

Die Klage ist hinsichtlich der gestellten Hauptanträge zulässig.

Das Amtsgericht Düsseldorf ist nach § 215 VVG zur Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit aufgrund des Wohnsitzes des Klägers örtlich zuständig.

Der Feststellungsantrag, Klageantrag zu 1), ist auch gem. § 256 Abs. 2 ZPO als Zwischenfeststellungsklage zulässig. Denn bei der Feststellung der Höhe der jährlichen Selbstbeteiligung handelt es sich um eine rechtliche Vorfrage für den streitgegenständlichen Rückforderungsanspruch, Klageantrag zu 2). Vorgreiflichkeit ist gegeben, wenn ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht (BeckOK ZPO/Bacher, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 256 Rn. 43). Dies ist hier der Fall, da es für einen Erstattungsanspruch gemäß der §§ 812 ff. BGB maßgeblich darauf ankommt, ob eine Selbstbeteiligung in einer Höhe, die über 500,00 EUR hinausgeht, mit oder ohne Rechtsgrund von der Beklagten veranschlagt wurde (s.u.). Die Zwischenfeststellungsklage muss sich außerdem auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht (BGH NJW 2007, 82 Rn. 12; BAG NZA-RR 2017, 199 Rn. 10). Das inzidenter ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien muss noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung gewinnen können (Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 26). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da der Krankenversicherungsvertrag zwischen den Parteien weiterhin fortbesteht und damit die Frage, in welcher Höhe eine Selbstbeteiligung vereinbart wurde, nicht nur Bedeutung für den vorliegend bis zum Jahr 2022 geltend gemachten Erstattungsanspruch hat, sondern auch das über diesen Zeitpunkt hinausgehende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sowie etwaige zukünftige, derzeit noch nicht bezifferte und bezifferbare Ansprüche, betrifft.

2.

Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

a.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da infolge eines wirksamen Mehrleistungsausschlusses anlässlich des Tarifwechsels keine maximale Selbstbeteiligung von jährlich (nur) 500,00 EUR vereinbart wurde und auch die klägerische Zustimmung zum Ausschluss von Mehrleistungen nicht im Wege der Anfechtung gem. § 142 BGB rückwirkend anfänglich nichtig wurde.

aa.

Eine jährliche Selbstbeteiligung i.H.v. 10 %, maximal aber 500,00 EUR, haben die Parteien bei Veränderung des Versicherungsvertragsverhältnisses zwischen ihnen mit Wirkung zum 01.10.2014 nicht vereinbart. Denn die Parteien haben anlässlich des Tarifwechsels wirksam einen Mehrleistungsausschluss vereinbart, welcher eine jährliche Selbstbeteiligung des Klägers von 10 %, max. 900,00 EUR, zur Folge hatte.

Gemäß § 204 Abs. 1 Nr.1, 2. und 3. HS VVG kann der Versicherer bei einem Tarifwechsel, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlages und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart. Zu Mehrleistungen in diesem Sinne zählt auch der Wegfall eines Selbstbehalts oder ein geringerer Selbstbehalt im Zieltarif gegenüber dem Herkunftstarif (BGH, Urteil vom 20.7.2016 – IV ZR 45/16 = NJW 2017, 169 Rn. 13, beck-online m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). So liegt der Fall hier. Im früheren Tarif des Klägers, dort in Tarif X, war unstreitig eine Selbstbeteiligung i.H.v. 10 %, max. 900,00 EUR jährlich, vereinbart. Der neue Zieltarif G des Klägers sieht grundsätzlich eine maximale Selbstbeteiligung i.H.v. nur 500,00 EUR vor. Indem also ein Versicherungsnehmer nach einem Wechsel aus dem Tarif X nunmehr im Tarif G zu einem geringeren Betrag an Selbstbeteiligung verpflichtet wäre, würde zwangsläufig die Pflicht des Versicherers, für die Krankenkosten des Versicherungsnehmers aufzukommen eher eintreten, nämlich in einem Wert von 400,00 EUR. Der Versicherungsnehmer würde damit bei Vergleich dieser beiden Tarife im Zieltarif G letztendlich eine finanzielle Mehrleistungen i.H.v. 400,00 EUR von dem Versicherer – zusätzlich zu dem ohnehin monatlich deutlich günstigeren Zieltarif – erhalten.

Da infolgedessen die Leistungen im Zieltarif G höher sind als im bisherigen Tarif, konnte die Beklagte gemäß § 204 Abs. 1 Nr.1, 2. HS VVG den Ausschluss von Mehrleistungen durch Unterzeichnung der Erklärung vom 23.10.2014 von dem Kläger verlangen. Mit der entsprechenden Vereinbarung des Ausschlusses von Mehrleistungen hat der Kläger sich am 23.10.2014 auch einverstanden erklärt, sodass die Vereinbarung wirksam zustande gekommen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers war auch der Inhalt der Vereinbarung hinreichend klar und verständlich. Dort heißt es ausdrücklich:

„Für die nachstehend beschriebenen Leistungen besteht nach dem Wechsel von Tarif X, Y, Z in Tarif G ein Leistungsanspruch aus dem neuen Tarif nur insoweit, als die Leistungen nicht höher oder umfassender sind als der Leistungsumfang des bisherigen Versicherungsschutzes. Darüber hinausgehende Leistungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dieser Ausschluss umfasst auch den Anspruch auf solche Leistungen des neuen Tarifs, die im alten Tarif nicht vorhanden sind.

Der neue Tarif umfasst gegenüber dem alten Tarif folgende Mehrleistungen:

[…]

Sonstige Leistungen:

Selbstbeteiligung von 10 %, max. 500 EUR (der VN bekommt von Anfang an Leistungen, zudem geringerer max. SB – Tarif X: 900 EUR absoluter SB)

[…]

Für die ausgeschlossenen Mehrleistungen wird das jeweils niedrigere Leistungsspektrum zugrunde gelegt.“

Hieraus geht hinreichend eindeutig hervor, dass Mehrleistungen, also solche, die – wie in der Erklärung dargelegt – höher oder umfassender sind als der bisherige Versicherungsschutz, ausgeschlossen sind. Danach sind die folglich ausgeschlossenen Mehrleistungen des neuen Tarifs explizit aufgelistet. In dieser Liste findet sich die Selbstbeteiligung von max. 500,00 EUR das Zieltarifs, welche ausdrücklich als Mehrleistung gelistet und damit ausgeschlossen ist. Der dahinter stehende Klammerzusatz konkretisiert, weshalb es sich dabei um eine Mehrleistung handelt, nämlich weil der absolute Selbstbehalt des vorherigen Tarifs X stattdessen 900,00 EUR beträgt. Die von der Beklagten für den Kläger vorbereitete Erklärung vom 23.10.2014 ist hinreichend verständlich, kurz und übersichtlich sowie bei Lektüre des Dokuments auch logisch aufgebaut.

Die auf den Zieltarif bezogene und stets verwendete Formulierung „Selbstbeteiligung von 10 %, max. 500 EUR“ war auch nicht irreführend, denn diese Formulierung wurde auch nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nie alleine und losgelöst verwendet, sondern immer in Zusammenhang mit einem Hinweis auf den Mehrleistungsausschluss, so etwa auf dem Versicherungsschein, auf welchen sich direkt unter dieser Formulierung die Einschränkung „genereller Mehrleistungsausschluss“ findet oder auf dem jeweils für 2019 und 2021 vorgelegten „Nachtrag zum Versicherungsschein Kranken- und Pflegeversicherung“, auf welchen unmittelbar unter dem Hinweis auf die Selbstbeteiligung der Satz „Es ist ein Teil-Leistungsausschluss vereinbart“ findet. Darüber hinaus war es der Kläger, der den Wechsel in einen unstreitig insgesamt günstigeren Tarif anstrebte und laut der mit Frau R. ausgefüllten Unterlagen ausdrücklich (und dort handschriftlich vermerkt) einen Mehrleistungsausschluss gewünscht hat, vgl. Anlage K1, Bl. 25 der Akte. Weiterhin hat der Kläger am 20.10.2014, d. h. wenige Tage vor Unterzeichnung der Vereinbarung eines Mehrleistungsausschlusses, mit Unterzeichnung der „Kundeninformation zum Tarifwechsel“ (Anlage K2) bestätigt, darauf hingewiesen worden zu sein, dass der Versicherer bei einem Wechsel in einen Tarif mit höheren oder umfassenderen Leistungen Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse verlangen kann. Daraus folgt, dass sich der Kläger auch nicht auf eine für ihn überraschende oder intransparente Regelung berufen kann.

bb.

Die Vereinbarung zum Ausschluss von Mehrleistungen ist auch nicht gemäß §§ 142, 119 Abs. 1, 1. Fall BGB infolge der Anfechtungserklärung des Klägers vom 25.09.2019 als von Anfang an nichtig anzusehen. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er eine Erklärung des Inhalts, wonach er der Vereinbarung einer Selbstbeteiligung von 900,00 EUR im Jahr zugestimmt habe, nicht abgeben wollte.

Während bereits fraglich ist, ob es sich bei dem behaupteten Irrtum über die Tragweite seiner Erklärung um einen rechtlich erheblichen Irrtum gem. § 119 BGB handelt, ist jedenfalls die erforderliche Ursächlichkeit des Irrtums zu verneinen. Anfechtbar wegen Irrtums ist eine Erklärung gemäß § 119 Abs. 1 BGB nur, wenn der Irrtum für die Erklärung ursächlich war. Es genügt hierfür nicht, dass der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht oder nicht so abgegeben hätte (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 119 Rn. 31). Erforderlich ist vielmehr, dass der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis der wirklichen Sachlage bei verständiger Würdigung, also frei von Eigensinn, subjektiven Launen und törichten Anschauungen (BGH NJW 1991, 2723 (2726); 1988, 2597 (2599)), nicht oder so nicht abgegeben hätte (BeckOK BGB/Wendtland, 64. Ed. 1.11.2022, BGB § 119 Rn. 45). Eine objektive Erheblichkeit eines etwaigen Irrtums ist danach regelmäßig zu verneinen, wenn der Erklärende infolge seines Irrtums wirtschaftlich nicht schlechter steht und keine wirtschaftlichen Nachteile erleidet, sodass ein Einfluss des Irrtums auf die Abgabe der Erklärung bei verständiger Würdigung zu verneinen ist (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 119 Rn. 152; BeckOK BGB/Wendtland, 64. Ed. 1.11.2022, BGB § 119 Rn. 45; Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 119 Rn. 31). So liegt der Fall aber hier. Der Kläger steht sich insgesamt wegen des (unstreitig) deutlich günstigeren monatlichen Tarifbeitrags trotz „höherer“ Selbstbeteiligung von 900,00 EUR anstatt 500,00 EUR wirtschaftlich besser. Hierfür spricht auch, dass die Beklagte dem Kläger nach Erhalt seiner Anfechtungserklärung angeboten hat, wieder in seinen alten (höher prämierten) Tarif zurückzukehren, was der Kläger jedoch ablehnte. Bei verständiger Würdigung, in Zusammenschau der Gesamtumstände sowie auch des Umstands, dass der Kläger nach der (Kosten-)Vergleichsanalyse von Frau R. ausweislich der von ihm zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen ausdrücklich einen Mehrleistungsausschluss (wohl zum Ausschluss von Wartezeiten, vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 VVG, auszuschließen) wünschte, ist davon auszugehen, dass der Kläger eine Erklärung dieses Inhalts gleichwohl abgegeben hätte. Denn hätte der Kläger die Erklärung vom 23.10.2014 nicht abgegeben, wäre die Beklagte auch nicht zum Umstellen auf den nunmehr günstigeren Tarif verpflichtet gewesen, § 204 Abs.1 VVG. Die Rückabwicklung des Tarifwechsels kann bei verständiger, wirtschaftlicher Würdigung objektiv nicht gewollt sein. Eine Anfechtung ist überdies und damit einhergehend trotz Irrtums auch dann ausgeschlossen, wenn der Erklärende zur Abgabe der angefochtenen Willenserklärung verpflichtet war (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 119 Rn. 152). Vorliegend hatte die Beklagte aufgrund des Wechsels in einem günstigeren Tarif gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1, 2. HS VVG das Recht, einen Mehrleistungsausschluss zu verlangen. Die Kenntnis von diesem Umstand bestätigte der Kläger auch bereits mit seiner Unterschrift vom 20.10.2014.

b.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von einbehaltenen Selbstbeteiligungsbeträgen in Höhe von insgesamt 3.085,68 EUR. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB.

Ein Anspruch auf Erstattung das Anteils der Selbstbeteiligung, welcher jeweils über 500,00 EUR hinausging, würde gemäß §§ 812 ff. BGB jedenfalls voraussetzen, dass die Beklagte etwas ohne Rechtsgrund erlangt bzw. einbehalten hat. Die Beklagte hat jedoch jeweils eine Selbstbeteiligung von bis zu 900,00 EUR jährlich gerade mit Rechtsgrund einbehalten, da im Wege des Mehrleistungsausschlusses wirksam vereinbart wurde, dass es bei der bisherigen Selbstbeteiligung in Höhe von max. 900,00 EUR jährlich verbleibt und die Vereinbarung auch nicht infolge einer Anfechtung unwirksam wurde. Es wird auf die Begründung zur Ablehnung des insoweit vorgreiflichen Feststellungsbegehrens verwiesen.

Über die streitige Frage der Verjährung sowie in der Folge auch über den hilfsweise gestellten Antrag, dem Kläger die Aufrechnung zu gestatten, war (mangels Bedingungseintritts) nicht mehr zu entscheiden. Überdies wäre der hilfsweise gestellte Antrag bereits nicht zulässig, da es ihm an einem hinreichend bestimmten und vollstreckungsfähigen Inhalt fehlt, worauf das Gericht bereits mit der Einleitungsverfügung vom 10.05.2021 hingewiesen hat.

3.

Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung. Ein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 BGB besteht mangels Bestands der Hauptforderung bereits nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 3.435,68 EUR festgesetzt.

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