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Private Krankenversicherung – Regress bei unbrauchbarer Leistung des Behandlers

OLG Celle – Az.: 1 U 62/18 – Urteil vom 01.04.2019

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. Mai 2018 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Mit der Berufungsbegründung vom 31. Juli 2018 (Bl. 147 ff. d. A.) macht die Klägerin geltend, ein Wahlrecht der … habe nicht mehr bestanden, nachdem der Schadenersatz- bzw. Erstattungsanspruch, gerichtet auf Rückzahlung der an den Beklagten gezahlten Gebühren, bereits nach der Kostenerstattung seitens der Klägerin gegenüber der Patientin … Anfang Mai 2008 in Höhe der Klagesumme auf die Klägerin übergegangen sei. Dieser stehe daher ein entsprechender Anspruch gegenüber dem beklagten Zahnarzt zu, der im Übrigen schon geraume Zeit – seit Mai 2012 – von der beabsichtigten Inanspruchnahme seitens der Klägerin gewusst habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 31. Juli 2018 verwiesen.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Beklagte wird abändernd verurteilt, an die Klägerin 24.539,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Beklagte wird abändernd verurteilt, die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Klägerin in Höhe von 2.180,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Beiakten Landgericht Hannover 14 O 191/13 lagen vor.

II.

Die Berufung ist unbegründet; der Senat ist an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gemäß § 529 ZPO gebunden; der Senat teilt auch die rechtliche Einschätzung des Landgerichts. Ergänzend zu den Erwägungen in der Berufungsbegründung gilt Folgendes:

1. Die Klägerin kann keinen auf sie nach § 86 Abs. 1 WG übergegangenen Anspruch der bei ihr versicherten Patientin des Beklagten, Frau … geltend machen, weil dieser ein auf Rückzahlung des an den Beklagten gezahlten Honorars (dessen Rechnung vom 4. April 2008, Bl. 46 f. d. A., über 32.109,32 €) gerichteter Anspruch nicht mehr zustand.

a) Bei Vorliegen der haftungsbegründenden Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1,630 a BGB, die hier im Verhältnis der Patientin … gegenüber dem Beklagten im Vorprozess Landgericht Hannover, 14 0 191/13, festgestellt sind, hat der Patient bei unbrauchbarer Leistung des Schädigers ein Wahlrecht, ob er das Behandlungshonorar zurückverlangt oder die Zahlung der Kosten einer Nachbehandlung geltend macht (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. R10,10 b). Demgegenüber ist eine kumulative Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung des Behandlungshonorars einerseits und der Kosten einer wegen der mangelhaften Leistung erneut gebotenen Leistung nicht möglich (OLG Oldenburg, Urteil vom 12. August 2015 – 5 U 27/15 – juris Rn. 37), weil dies dem Grundsatz der Differenzhypothese widerspräche, nach dem der Geschädigte nur so gestellt werden soll, wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Patient kann die ärztliche Behandlung nicht faktisch umsonst erhalten, was den Schädiger unangemessen benachteiligen würde. Der Senat schließt sich der ausführlich begründeten Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil an, dass die Patientin … durch die Klage und deren Begründung in dem Rechtsstreit Landgericht Hannover, Aktenzeichen 14 O 191/13, ihr Wahlrecht dahingehend ausgeübt hat, dass sie die Kosten der Nachbehandlung gefordert hat (vgl. Bl. 32 der Beiakten). Insofern ergibt sich zwanglos aus der Tenorierung des landgerichtlichen Urteils, dass nicht die – zahlenmäßig bereits feststehenden – Kosten der bereits erfolgten Behandlung seitens des Beklagten geltend gemacht wurden, sondern die aufgrund der Neuversorgung bereits entstandenen bzw. noch entstehenden Kosten (insofern erfasst vom Feststellungsantrag).

Hinsichtlich der Ausübung des Wahlrechts (dazu Seite 3 f. der Stellungnahme der Klägerin, Bl. 206 f. d. A.) ist anzumerken, dass nicht ersichtlich ist, warum sich dies aus dem Tenor der Entscheidung „und … im Übrigen aus der Begründung ergeben“ müsste. Entscheidend ist das Wahlrecht der Patientin, das sie tatsächlich bereits durch ihre Formulierungen in den Schriftsätzen ausgeübt hat. Dies wiederum ist lediglich aufgenommen worden vom Landgericht, und zwar nach zutreffender rechtlicher Einschätzung gerade im Hinblick auf die zukünftig anfallenden Kosten für eine Neuversorgung.

Zu diesen Kosten gehören auch die ausdrücklich geltend gemachten 424,12 €. Etwas „verniedlichend“ lässt die Klägerin davon sprechen, dass es „sich hier lediglich um entsprechend angefallene Kosten der zahnärztlichen Behandlung zum Zwecke einer provisorischen Verbesserung des durch den Berufungsbeklagten herbeigeführten Zustandes“ handelt (Seite 3, vorletzter Abs. des Schriftsatzes vom 01.10.2018). Dies ist richtig, aber aus dieser Charakterisierung ergibt sich gerade, dass es sich eben nicht um einen Anspruch auf Rückzahlung des Honorars handelt. Das lässt die Klägerin auch im Folgesatz wenigstens anklingen. Sicherlich fällt auch der Feststellungsantrag – worauf die Klägerin auf Seite 4, 2. Abs. des Schriftsatzes vom 01.10.2018 hinweist – so aus, „wie nahezu in jedem anderen Arzthaftungsprozess auch“. Dies ändert gleichwohl nichts daran, dass hier gerade die Schadensersatzpositionen erfasst sind, die entstehen werden, wenn die Klägerin eine Neuversorgung wählt, da sie eben nicht den auf Rückzahlung des als Honorar erbrachten Betrages fordert. Der Umstand, dass die genaue Berechnung des Schadens nicht Gegenstand des Feststellungsantrags ist, hindert aber nicht, diesen so aufzufassen, wie die Klägerin es ersichtlich begehrt.

b) Die Ausübung dieses Wahlrechts kann der Beklagte nach §§ 404, 412 BGB auch der Klägerin entgegenhalten. Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, dass der Anspruch bereits durch Zahlung der Klägerin an ihre Versicherungsnehmerin … auf die Rechnung vom 4. April 2008 Anfang Mai 2008 auf sie übergegangen ist. Dies widerspricht der Wertung des § 86 Abs. 1 Satz 2 WG, nach dem ein Benachteiligungsverbot des Versicherungsnehmers besteht. Sinn und Zweck des § 86 WG ist es, dass der Versicherungsnehmer nicht bereichert wird, und auf der anderen Seite der Dritte von seiner Schadensersatzpflicht nicht befreit wird (Kloth/Neuhaus in: Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR, § 86 Rn. 2). Ziel der Legalzession ist eine Vorteilsausgleichung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer, wobei dieses Ziel dadurch erreicht wird, dass der Versicherer, soweit er dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt, in die Lage versetzt wird, die Rechte des Versicherungsnehmers im eigenen Namen geltend zu machen und somit Regress zu nehmen (Kloth/Neuhaus, a. a. O., Rn. 4). Allerdings ist erst nach der vollständigen Befriedigung des Versicherungsnehmers eine Realisierung des auf den Versicherer übergegangenen Anspruchs möglich (Kloth/Neuhaus, a. a. O., Rn. 37). Danach stand im Jahr 2008 noch nicht fest, wie eine Schadensregulierung im vorliegenden Fall erfolgen würde. Würde man aufgrund des übergegangenen Anspruchs bereits annehmen, dass das Wahlrecht der Patientin ausgeübt sei, würde dies zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Versicherungsnehmers führen. Die Patientin würde nämlich dann – um ihr Wahlrecht eben nicht zu verlieren – gezwungen sein, den an den Zahnarzt gezahlten Betrag (noch) nicht bei ihrem privaten Krankenversicherer einzureichen, ohne sich sicher zu sein – was sich erst nach einer Beratung und Abschätzung der weiteren Kosten ergäbe -, welchen Weg der Schadensregulierung sie in Zukunft einschlagen wollte. Es entspricht deshalb der in § 86 WG enthaltenen Wertung, dass der Versicherungsnehmer das Recht haben soll, die für ihn vorteilhafteste Schadensentwicklung auszuwählen, jedenfalls dann, wenn seine Schäden noch nicht vollkommen ersetzt sind. Diese Nachteile zu verhindern ist der Zweck von § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG, sodass die Klägerin im Jahr 2008 selbst noch kein Wahlrecht ausüben konnte. Der Senat hält diese Abwägung der verschiedenen Interessen unter Berücksichtigung des § 86 VVG für angemessen; es leuchtet nicht ein, dass hinsichtlich des Anspruchsübergangs auf eine mehr oder weniger zufällige Kenntnis des Behandlers abzustellen sein soll, der naturgemäß nicht (sicher) weiß, welche einzelnen (Erstattungs-)Zahlungen schon seitens der Versicherung an den Versicherungsnehmer (Patienten) geflossen sind. Deswegen erscheint es sachgerecht, darauf abzustellen, dass zwischen der Versicherung selbst und dem Versicherungsnehmer eine Absprache zu erfolgen hat (die hier nicht vorliegt). Sinn einer solchen Regelung wäre es, auch auszuschließen, dass der Versicherungsnehmer einerseits die kompletten Rechnungen, die ihm (zu Unrecht, da die Leistungen unbrauchbar waren) von dem Arzt gestellt worden sind, bei der Versicherung einreicht, diese dann also erstattet erhält und zudem dann parallel dazu einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegenüber dem Zahnarzt geltend macht, im Ergebnis damit also gerade die – unstreitig unzulässige – unentgeltliche Versorgung erhält. Dies sollte indes nicht auf dem „Rücken des Zahnarztes“ ausgetragen werden.

Diese Wertung ist auch im Übrigen korrekt, wenn man auf die Vermögenslage der Klägerin abstellt. Denn es steht außer Frage, dass die Klägerin als Versicherung der Patientin dieser die Kosten einer Behandlung hätte erstatten müssen. Sofern es jetzt um weitere Kosten geht, die durch eine Anschlussbehandlung erforderlich werden, hat die Versicherungsnehmerin diese geltend gemacht, ersichtlich abzüglich der Beträge, die sie bereits von der Klägerin als ihre Versicherung erhalten hat. Diese Beträge kann die Klägerin selbstredend gegenüber dem Beklagten geltend machen, da der entsprechende Ersatzanspruch gemäß § 86 WG auf sie übergegangen ist. Dies gilt indes nicht für die Ursprungsrechnung.

Nach Einschätzung des Senats ist auch das Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (Patient) dann angesprochen, wenn es nicht zu einer Realisierung des Feststellungsantrags kommt, der auf Ersatz der Mehrkosten gerichtet ist (wie im vorliegenden Fall gegeben). Zwar könnte es insofern als unbillig erscheinen, dass die Versicherung auf die Nachbehandlungskosten verwiesen wird, wenn diese eine deutlich geringere Schadenskompensation zur Folge haben bzw. der Patient (Versicherungsnehmer) keine Nachbehandlung veranlasst hat – und möglicherweise gar nicht veranlassen wird. Wird die Versicherungsnehmerin also zu keiner Zeit eine erneute prothetische Behandlung durchführen, hätte dies zur Folge, dass auch die Versicherung keine weiteren Behandlungskosten regressieren könnte. Insofern hat der Senat im Anschluss an die Ausführungen insbesondere des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11.03.2019 erwogen, hier ein geteiltes Wahlrecht anzunehmen. Es erscheint jedoch im Ergebnis sinnvoller, auch dies einer Regelung im Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer zuzuführen. Wenn man nach hiesiger Bewertung das Wahlrecht des Patienten ernst nimmt und es auch nicht durch einen vermeintlichen Rechtsübergang gefährdet sehen will, muss der Patient/Versicherungsnehmer aber auch konsequent sein und dann seinen Anspruch auf Schadensersatz (Mehrkosten) durchsetzen. Sollte er – eventuell nach einer gewissen Überlegungsfrist-an dieser von ihm eigentlich ursprünglich getroffenen Wahl (denn ein vernünftiger Patient würde entweder das eine oder das andere tun) nicht mehr festhalten, dann müsste er gleichwohl das Honorar an die Versicherung zurückerstatten. Anderenfalls würde er sich dem Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens aussetzen und letztlich seinen Schaden auf den Versicherer „abwälzen“.

Die Ausübung des Wahlrechts seitens der Patientin … kann der Beklagte, demgegenüber sie erfolgt ist, auch der Klägerin entgegenhalten, was sich aus § 404 BGB ergibt. Diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass der Gläubigerwechsel den Inhalt der Forderung nicht verändert. Dabei ist es nicht erforderlich, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen der Einwendung im Zeitpunkt der Abtretung – bzw. des gesetzlichen Forderungsübergangs – vorliegen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 404 Rn. 4). Im Zeitpunkt der Legalzession war das Wahlrecht bereits im Schuldverhältnis angelegt. Deswegen muss auch das Recht auf Ausübung des Wahlrechts beim Versicherungsnehmer verbleiben, soweit noch – wie hier – ein Restersatzanspruch verbleibt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 712 ZPO. Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die zwischen den Parteien rechtlich umstrittene Frage zugelassen, wie das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Behandler rechtlich zu bewerten ist, insbesondere, ob ein dem Patienten zustehendes Wahlrecht, welchen Schadensersatz er gegenüber dem Behandler geltend macht, bereits ohne Korrekturmöglichkeit auf den Versicherer übergegangen ist, soweit dieser die Versicherungsleistung gegenüber dem Patienten, dem Versicherungsnehmer, erbracht hat.

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