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Private Krankenversicherung – Operation mittels Femtosekundenlaser

AG Dinslaken – Az.: 30 C 180/17 – Urteil vom 10.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Leistungen aus der privaten Krankenversicherung.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, privat krankenversichert. Der Kläger unterzog sich am 08.12.2016 und am 15.12.2016 einer Behandlung des Grauen Stars an beiden Augen im ….

Er entschied sich nach erfolgter Aufklärung für eine Durchführung der Operation mittels Femtosekundenlaser. Der Kläger unterschrieb bei dem behandelnden Arzt, …, eine Honorarvereinbarung.

Den Eingriff am 08.12.2016 stellte der behandelnde Arzt mit 1.182,90 Euro in Rechnung sowie den Eingriff am 15.12.2016 mit 1.146,98 Euro (Bl. 50 und 52 d. GA). Bei beiden Rechnungen berechnete der behandelnde Arzt unter anderem seine Leistung mit der Ziff. 1375 (Leistungstext und Begründung: Extrakapsuläre Op. des Grauen Stars). Die Beklagte erstattete dem Kläger diese Beträge in voller Höhe.

Mit Rechnungen vom 08.12.2016 und 15.12.2016 rechnete der behandelnde Arzt die Leistung bezüglich der Verwendung des Femtosekundenlasers zusätzlich ab (Bl. 4 und 5 d. GA). Hierbei brachte der behandelnde Arzt jeweils die Ziffer 5855 (analog) mit einem Gebührensatz von 2,5 zur Abrechnung. Diese weiteren – hier streitgegenständlichen – Rechnungsbeträge betrugen jeweils 923,71 Euro. Der Kläger reichte sie zur Erstattung bei der Beklagten ein. Eine Erstattung durch die Beklagte erfolgte nicht.

Am 08.07.2017 leistete die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 136,08 Euro (2 x 67,49 Euro) an den Kläger, mit der Bemerkung dies entspreche einem Betrag der bei der Abrechnung des Arztes nach Ziffer 441 GOÄ im Rahmen einer Kataraktoperation mittels Femtosekundenlaser hätte zur Auszahlung kommen können.

Der Kläger ist der Ansicht, die erfolgte zusätzliche Abrechnung nach Ziffer 5855 GOÄ für den Einsatz des Femtosekundenlasers sei zu Recht erfolgt.

Der Kläger behauptet hierzu, die Behandlung mittels Femtosekundenlaser sei bei weitem schonender, risikoloser und erfolgsversprechender als die herkömmliche Methode, bei der das Auge mit dem Skalpell aufgeschnitten und die Linse entfernt wird. Dies sei bereits gutachterlich festgestellt. Hinsichtlich der Beihilfe sei von den Verwaltungsgerichten anerkannt (VG Köln 1 K 3094/16), dass diese Behandlungsmethode medizinisch erforderlich und die Kosten erstattungspflichtig seien.

Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.847,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2017 zu zahlen sowie ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 255,85 Euro freizustellen. Nachdem die Beklagte am 08.07.2017 einen Betrag in Höhe von 136,08 Euro geleistet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.711,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2017 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 255,85 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der behandelnde Arzt habe die Kataraktoperation lediglich nach den Ziffern 1375 und 441 GOÄ abrechnen können. Die abgerechnete GOÄ Ziffer 1375 sei für die extrakapsuläre Operation des Grauen Stars abschließend.

Sie behauptet, der Einsatz des Femtosekundenlasers stelle lediglich eine besondere Ausführungsvariante der Operationsleitung dar. Die Abrechnung nach Ziffer 5855 analog widerspreche daher dem Zielleitungsprinzip der GOÄ.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gem. Beweisbeschluss vom 18.09.2017 (Bl. 73 d. GA) durch …. Bezüglich des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 23.01.2018 verwiesen. Eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen ist in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2018 erfolgt. Bezüglich des Ergebnisses wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 12.09.2018 verwiesen (Bl. 150 d. GA).

Die Klage ist der Beklagten am 24.06.2017 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Private Krankenversicherung - Operation mittels Femtosekundenlaser
(Symbolfoto: Von MichaelVaulin/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung weiterer 1.711,34 Euro nebst Zinsen gem. § 192 Abs. 1 in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag.

Der Versicherungsfall des § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 ist eingetreten. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Behandlung des Grauen Stars bei dem Kläger eine medizinisch notwendige Heilbehandlung war.

Eine Erstattung der Rechnungsbeträge für den Einsatz des Femtosekundelasers nach Ziff. 5855 analog kommt jedoch nicht in Betracht.

Gem. § 4 Abs. 1 MB/KK 2009 werden die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen mit den tariflichen Sätze erstattet. Vorliegend hat … die Behandlung mittels Femtosekundenlaser zu Unrecht zusätzlich mit der Ziffer 5855 analog in Rechnung gestellt. Die gebührenrechtliche Einwendung der Beklagten greift nach Ansicht des Gerichts vorliegend durch. Die Behandlung des Grauen Stars mittels Femtosekundenlaser durfte lediglich mit den Ziffern 1375 und 441 GOÄ abgerechnet werden. Eine zusätzliche Abrechnung nach 5855 analog kommt daneben nicht in Betracht.

Für den Einsatz des Femtosekundenlaser hält die GOÄ zwar keinen eigenen Vergütungstatbestand vor. Dieser Umstand rechtfertigt es für sich genommen jedoch noch nicht, die Abrechenbarkeit dieses Geräteeinsatzes von vornherein zu verneinen. Denn aufgrund der relativen Neuheit der Behandlungsmethode des Grauen Stars kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers bereits im Gebührenverzeichnis Berücksichtigung gefunden hat.

Grundvoraussetzung einer gesonderten Abrechnung einer nicht aufgeführten Behandlungsmethode ist jedoch nach § 4 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 2 GOÄ, dass es sich um eine selbständige ärztliche Leistung handelt. § 6 Abs. 2 GOÄ bestimmt, dass selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebühren Verzeichnisses berechnet werden (sog. Analogleistung). Voraussetzung hierfür ist die Selbstständigkeit der Leistung, die sich wiederum am Zielleistungsprinzip der GOÄ orientiert.

Die Selbstständigkeit einer Leistung beurteilt sich nach dem in § 4 GOÄ normierten Zielleistungsprinzip. Das Zielleistungsprinzip ist in § 4 Abs. 2a GOÄ normiert. Danach kann für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen Einzelschritte. Stellt eine Leistung folglich lediglich einen Bestandteil einer bereits aufgeführten Zielleistung dar, kann sie nicht gesondert abgerechnet werden. Die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung ist daher danach zu beurteilen, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht (vgl. BGHZ 159, 142, 145; vom 16. März 2006 – III ZR 217/05 – NJW-RR 2006, 919, 920 Rn. 10; vom 21. Dezember 2006 – III ZR 117/06 – NJW-RR 2007, 494, 497 Rn. 20, insoweit ohne Abdruck in BGHZ 170, 252; BGHZ 177, 43, 51 f. Rn. 14) oder lediglich Bestandteil einer anderen Zielleistung ist.

Als Bestandteil einer Zielleistung lassen sich ohne weiteres Vorbereitungs-, Hilfs- und Begleitleistungen qualifizieren. Als unselbstständige Teilleistungen der Operations(-ziel-)leistung sind darüber hinaus Leistungen aufzuführen, die dazu dienen, beim Erreichen des Operationsziels benachbarte Strukturen zu schonen und nicht zu verletzen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: BGH, Urteil v. 13.05.2004, Az.: III ZR 344/03, NJW-RR 2004, 1202; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnungen von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl. 2006, § 4 GOÄ Rn. 13), also lediglich einen schonenderen Weg, ohne eigene medizinische Indikation darstellen.

Nach diesen Grundsätzen liegt eine Selbstständigkeit für den Einsatz des Femtosekundenlasers nicht zur Überzeugung des Gerichts vor, der eine analoge Abrechnung nach 5855 rechtfertigt. Für die Selbstständigkeit der Leistung, also für das Vorliegen einer eigenständigen medizinischen Indikation, trägt der Kläger die Beweislast. Die Beweisführung ist ihm nicht gelungen. Der Sachverständige hat vielmehr festgestellt, dass eine eigene medizinische Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers nicht gegeben sei.

Der Sachverständige hat zwar in seinem Gutachten vom 08.11.2017 im Ergebnis bejaht, dass eine Erstattung der Kataraktoperation mit der Ziff. 5855 analog möglich sei, da dies durch zwei Gerichtsurteile (AG Reutlingen Az. 5 C 1396/14 und VG Düsseldorf Az. 26 K 4701/14) anerkannt worden sei. Bei Auswertung der Feststellungen des Sachverständigen in seinem medizinischen Gutachten sowie seiner ergänzenden Ausführungen im Rahmen der mündlichen Anhörung im Termin vom 12.09.2018 hat der Sachverständige jedoch eine eigene medizinische Indikation verneint. Der Sachverständige hat ausgesagt, die Behandlung des Grauen Stars mittels Femtosekundelasers stelle lediglich eine weitere Möglichkeit zur Behandlung des Grauen Stars dar.

Die darüber hinaus in der Wissenschaft diskutierten und durch den Kläger vorgebrachten Vorteile des Einsatzes des Femtosekundenlasers bei der Behandlung des Grauen Stars konnten sich im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigen und dürften an der Beurteilung der Selbstständigkeit der Leistung ohnehin keine Zweifel aufkommen lassen. Denn wie ausgeführt kann auch ein schonenderer Weg ohne eigenständige medizinische Indikation keine Abrechenbarkeit nach § 6 Abs. 2 GOÄ herbeiführen.

Dieser Beurteilung steht auch nicht das vom Kläger zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Köln entgegen. Denn das Verwaltungsgericht Köln (VG Köln, 1 K 3094/16) hat nicht abschließend über die Abrechenbarkeit der Behandlung mittels Femtosekundenlaser nach 5855 analog GOÄ in Verbindung mit § 6 Abs. 2 GOÄ entschieden.

Grundsätzlich sind die Verwaltungsgerichte bei Beurteilung der Beihilfefähigkeit an die Entscheidungen der Zivilgerichte gebunden. Das zitierte Urteil hält darüber hinaus fest, dass beihilferechtlich Abrechnungen schon dann angemessen sind, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entsprechen und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79.08). Unklarheiten bei der Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung dürfen nach den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht zulasten des Beamten gehen. Denn dieser wäre sonst vor die Wahl gestellt, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über eine objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu tragen.

Da die Behandlung des Grauen Stars mittels Femtosekundenlasers bereits vom Ziel der Ziffer 1375 – Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars – umfasst ist, kommt eine zusätzlich Abrechnung nach 5855 analog mangels eigener medizinischer Indikation nicht in Betracht. Der zusätzliche Einsatz des Lasergerätes kann mit der Ziff. 441 GOÄ zur Abrechnung gebracht werden.

Da die Beklagte die Ziffern vollständig ausgeglichen hat, ist Erfüllung, § 362 BGB, eingetreten und dem Kläger stehen keine weiteren Ansprüche gegen die Beklagte zu.

Mangels Hauptanspruch besteht kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten oder Verzugszinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren grundsätzlich der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da der Kläger wie ausgeführt für den Einsatz des Femtosekundenlasers ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung der Gebührenziffer 441 GOÄ hatte. Die Beklagte hat den Anspruch erst nach Rechtshängigkeit erfüllt. Da jedoch die Beklagte vorliegend mit weniger als 10 % der Kosten unterlegen war, ist es gerechtfertigt dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: bis 2.000,00 Euro.

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